BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adalbert Stifter

1805 - 1868

 

Der Nachsommer

 

Dritter Band

 

______________________________________________________________________________

 

 

 

2. Das Vertrauen

 

Ich blieb einige Zeit bei meinem Gastfreunde, theils, weil er es selber verlangte, theils, um jene Ruhe zu gewinnen, die ich sonst immer hatte und die ich brauchte, um in meinen Bestrebungen klar zu sehen und sie nach gemachter Einsicht zu ordnen.

Die Leute blickten mich fragend oder verwundert an. Vermuthlich hatte es sich ausgebreitet, in welche Beziehung ich zu Personen getreten bin, welche Freunde des Hauses sind und welche oft in dasselbe als Besuchende kommen. Nirgends aber trat mir der Anschein entgegen, als ob man mir das Verhältniß mißgönnte oder es mit ungünstigen Augen ansähe. Im Gegentheile, die Leute waren fast freundlicher und dienstwilliger als vorher. Ich kam in das Gartenhaus. Der Gärtner Simon trat mir mit einer Art Ehrerbietung entgegen und rief seine Gattin Clara herbei, um ihr zu sagen, daß ich da sei, und um sie zu veranlassen, daß sie mir ihre Verbeugung mache. Er hatte dies sonst nie gethan. Als diese Art von Vorstellung vorüber war, führte er mich erst in den Garten, wie er mit kurzem Ausdrucke blos seine Gewächshäuser nannte. Er zeigte mir wieder seine Pflanzen, erklärte mir, was neu erworben worden war, was sich besonders schön entwickelt habe und was in gutem Stande geblieben sei; er erzählte mir auch, welche Verluste man erlitten habe, wie die Pflanzen im schönsten Gedeihen gewesen seien, die man verloren habe und welchen besonderen Ursachen man ihren Verlust zuschreiben müsse. Er bedachte hiebei nicht, daß etwa meine Gedanken anderswo sein könnten, wie er bei einer früheren Gelegenheit auch nicht geahnt hatte, daß mein Gemüth abwesend sei, da er mir ebenfalls mit vieler Lust und großer Umsicht seine Gewächse erklärt hatte. Besonders eifrig war er in der Darlegung der Vorzüge und Schönheiten der Rose, welche die Frau des Sternenhofes für den Herrn des Hauses aus England verschrieben habe. Er führte mich zu ihr und zeigte mir alle Vortrefflichkeiten derselben. Dann mußte ich auch mit ihm in das Cactushaus gehen, wo er mir sogleich den Cereus Peruvianus wies, der durch meine Güte, wie er sich ausdrückte, in den Asperhof gekommen sei. Er wachse bereits steilrecht in seinem Glasfache empor, was durch viele Mühe und Kunst bewirkt worden sei. Die gelbliche Farbe vom Inghofe sei in die dunkelblau-grüne, gleichsam mit einem Dufte überflogene übergegangen, welche die völlige Gesundheit der Pflanze beweise. Wenn es so fortgehe, so könne auch noch die Freude der fabelhaften weißen Blumen der lebendigen Säule in dieses Haus kommen. Er führte mich dann zu einigen Cactusgestalten, die eben im Blühen begriffen waren. Es lag eine ziemlich große Sammellinse in der Nähe, um die Blumen und nebstbei auch die Waffen und die Gestaltungen der Pflanzenkörper unter dem Einflusse des vollen Sonnenlichtes betrachten zu können. Er bath mich, die Linse zu gebrauchen. Es war eine farblos zeigende und zugleich eine, bei welcher die Abweichung wegen der Kugelgestalt auf ein Kleinstes gebracht war. Überhaupt wies sie sich als vortrefflich aus. Er erzählte mir, daß der Herr das Vergrößerungsglas eigens zum Betrachten der Cacteen habe machen, es in das schöne Elfenbein fassen und in das reine Sammetfach habe legen lassen. Heute erst sei er noch in dem Cactushause gewesen und habe mit dem Glase die Blüthen und viele Stacheln angeschaut. Ich bediente mich des Glases und sah in den von den seidenartigen Blumenblättern umstandenen gelben, weißen oder rosenfarbigen Kelch hinein, wie sie eben vorhanden waren. Daß der Glanz dieser Blumenfarben besonders schön, weit schöner als die feinste Seide und als der der meisten Blumen sei, wußte ich ohnehin, mußte es mir aber doch von dem Gärtner Simon zeigen lassen, so wie er auch der schönen, grün oder rosig oder dunkelrothbraun dämmernden Tiefe des Kelches erwähnte, aus der die Wucht der schlanken Staubfäden aufsteige, die keine Blüthe so zierlich habe. Überhaupt seien die Cactusblumen die schönsten auf der Welt, wenn man etwa einige Schmarozergewächse und ganz wenige andere, vereinzelte Blumen ausnehme. Er machte mich auch auf einen Umstand aufmerksam, den ich nicht wußte, oder den ich nicht beobachtet hatte, daß nehmlich bei einigen Kugelcactus sich die Blumen stets aus neuen Stachelaugen, meistens mit ganz kurzem Stengel, entwickeln, während sie bei andern auf einem mehr oder minder hohen Stiele aus vorjährigen oder noch älteren Stachelaugen sich erheben. Er sagte, das werde gewiß einmal einen Grund zu einer neuen Eintheilung dieser Cactusgestalt geben. Er zeigte mir an vorhandenen Gewächsen den Unterschied, und ich mußte ihn erkennen. Er sagte, daß dies nicht zufällig sei und daß er die Thatsache schon dreißig Jahre beobachte. Damals, als er jung gewesen, seien kaum einige dieser Gestaltungen bekannt gewesen, jezt vermehre sich die Kenntniß derselben bedeutend, seit die Menschen zur Einsicht ihrer Schönheit gekommen sind und Reisende Pflanzen aus Amerika senden, wie jener Reisende, der von deutschen Landen aus fast in der ganzen Welt gewesen sei. Es könne nur Unverstand oder Oberflächlichkeit oder Kurzsichtigkeit diese Pflanzengattung ungestaltig nennen, da doch nichts regelmäßiger und mannigfaltiger und dabei reizender sei als eben sie. Nur eine erste genaue Betrachtung und Vergleichung derselben sei nöthig, und nur ein sehr kurzes Fortsezen dieser Betrachtung, damit die Gegner dieser Pflanzen in warme Verehrer derselben übergehen - es müßte nur ein Mensch überhaupt kein Freund der Pflanzen sein, welche Gattung es vielleicht in der Welt nicht gibt. Als ich das Pflanzenhaus verließ, begleitete er mich bis an die Grenze der Gewächshäuser, und auch seine Gattin trat aus der Thür ihrer Wohnung, um sich von mir zu verabschieden.

In dem Blumengarten und in der Abtheilung der Gemüse blieben die Arbeitsleute vor mir stehen, nahmen den Hut ab und grüßten mich artig.

Eustach war mild und freundlich wie gewöhnlich; aber er war noch weit inniger, als er es in früheren Zeiten gewesen war. Mich freute die Billigung gerade von diesem Menschen ungemein. Er zeigte mir alles, was in der Arbeit war und was sich an wirklichen Dingen, was an Zeichnungen, was an Nachrichten in der jüngsten Zeit zu dem bereits Vorhandenen hinzugefunden hatte. Er sagte, daß mein Gastfreund in Kurzem eine ziemlich weit entfernte Kirche besuchen werde, in welcher man auf seine Kosten Wiederherstellungen mache, und daß er mich zu dieser Reise einladen wolle. Ich sah unter allen vorhandenen Dingen und Stoffen den sehr schönen Marmor nicht, den ich meinem Gastfreunde zum Geschenke gemacht hatte, und war auch nie in Kenntniß gekommen, daß daraus etwas verfertigt worden sei. Es sprach niemand davon, und ich fragte auch nicht. In mancher Stunde sah ich den Arbeiten zu, welche in dem Schreinerhause ausgeführt wurden.

Roland war wie gewöhnlich im Sommer nicht in dem Asperhofe anwesend.

Mit Eustach besuchte ich auch die Bilder meines Gastfreundes, seine Kupferstiche, seine Schnizereien und seine Geräthe. Wir sprachen über die Dinge, und ich suchte mir ihren Wort und ihre Bedeutung immer mehr eigen zu machen. Auch in das Bücherzimmer, den Marmorsaal und das Treppenhaus meines Gastfreundes ging ich. Wie war die Gestalt auf der Treppe erhaben, edel und rein gegen die Nymphe in der Grotte des Gartens im Sternenhofe, die mir in der lezten Zeit so lieb geworden war. Durch meine Bitte ließ sich mein Freund bewegen, mir die Zimmer aufzuschließen, in denen Mathilde und Natalie während ihres Aufenthaltes in dem Asperhofe wohnen. Ich blieb länger als in den anderen in dem lezten kleinen Gemache mit der Tapetentür, welches ich die Rose genannt hatte. Mich umwehte die Ruhe und Klarheit, die in dem ganzen Wesen Mathildens ausgeprägt ist, die in den Farben und Gestalten des Zimmers sich zeigte und die in den unvergleichlichen Bildern lag, die hier aufgehängt waren.

Wir gingen auch in den Meierhof. Die Leute begegneten mir achtungsvoll, sie zeigten mir alle Räume und wiesen, was sich in ihnen befinde, was dort gearbeitet werde, wozu sie dienen und was sich in neuerer Zeit geändert habe. Der Meier hatte seine besondere Freude an der neuen, von ihm selbst verbesserten Zucht der Füllen und an dem Volke aller von meinem Gastfreunde eingeführten Gattungen von Hühnern. Als wir uns von dem Meierhofe entfernten und uns der vielstimmige Gesang der Vögel aus dem Garten des Hauses entgegen schallte, sah ich im Rückblicke, daß sich unter dem Thorwege eine Gruppe von Mägden mit ihren blauen Schürzen und weißen Hemdärmeln gesammelt habe und uns nachschaue.

Wenn ich auch erkannte, daß ich der Gegenstand der Aufmerksamkeit geworden war, so entschlüpfte doch Niemandem ein Wort, welches einen Grund dieser Aufmerksamkeit angedeutet hätte.

Gustav, welcher wohl Anfangs seine Freude gegen mich ausgesprochen hatte, daß es sei, wie es ist, und daß keiner von denen, die es gewollt hatten, seine Schwester fortgeführt, sprach nun von dem Gegenstande nicht mehr und schloß sich nur noch herzlicher, wenn dieses möglich war, an mich an.

Mein Gastfreund sagte mir endlich auch von der Reise nach der Kirche, von welcher Eustach gesprochen hatte, und lud mich zu derselben ein. Ich nahm die Einladung an.

Wir fuhren eines Morgens von dem Asperhofe fort, mein Gastfreund, Eustach, Gustav und ich. Gustav wird, wie mir mein Gastfreund sagte, auf jede kleinere Reise von ihm mitgenommen. Wenn dies bei ausgedehnteren Reisen nicht der Fall sein kann, so wird er zu seiner Mutter in den Sternenhof gebracht. Wir kamen erst am zweiten Tage bei der Kirche an. Roland, welcher von unserer Ankunft unterrichtet gewesen war, erwartete uns dort. Die Kirche war ein Gebäude im altdeutschen Sinn. Sie stammte, wie meine Freunde versicherten, aus dem vierzehnten Jahrhunderte her. Die Gemeinde war nicht groß und nicht besonders wohlhabend. Die leztvergangenen Jahrhunderte hatten an dieser Kirche viel verschuldet. Man hatte Fenster zumauern lassen, entweder ganz oder zum Theile, man hatte aus den Nischen der Säulen die Steinbilder entfernt und hatte hölzerne, die vergoldet und gemalt waren, an ihre Stelle gebracht. Weil aber diese größer waren als ihre Vorgänger, so hat man die Stellen, an die sie kommen sollten, häufig ausgebrochen, und die früheren Überdächer mit ihren Verzierungen weggeschlagen. Auch ist das Innere der ganzen Kirche mit bunten Farben bemalt worden. Als dieses in dem Laufe der Jahre auch wieder schadhaft wurde und sich Ausbesserungsarbeiten an der Kirche als dringlich nothwendig erwiesen, gab sich auch kund, daß die Mittel dazu schwer aufzubringen sein würden. Die Gemeinde gerieth beinahe über den Umfang der Arbeiten, die vorzunehmen wären, in großen Hader. Offenbar waren in früheren Zeiten reiche und mächtige Wohltäter gewesen, welche die Kirche hervorgerufen und erhalten hatten. In der Nähe stehen noch die Trümmer der Schlösser, in denen jene wohlhabenden Geschlechter gehaust hatten. Jezt steht die Kirche allein als erhaltenes Denkmal jener Zeit auf dem Hügel, einige in neuerer Zeit erbaute Häuser stehen um sie herum, und rings liegt die Gemeinde in den in dem Hügellande zerstreuten Gehöften. Die Besizer der Schloßrainen wohnen in weit entfernten Gegenden und haben, da sie ganz anderen Geschlechtern angehören, entweder nie eine Liebe zu der einsamen Kirche gehabt oder haben sie verloren. Der Pfarrer, ein schlichter, frommer Mann, der zwar keine tiefen Kenntnisse der Kunst hatte, aber seit Jahren an den Anblick seiner Kirche gewöhnt war und sie, da sie zu verfallen begann, wieder gerne in einem so guten Zustande gesehen hätte, als nur möglich ist, schlug alle Wege ein, zu seinem Ziele zu gelangen, die ihm nur immer in den Sinn kamen. Er sammelte auch Gaben. Auf leztem Wege kam er zu meinem Gastfreunde. Dieser nahm Antheil an der Kirche, die er unter seinen Zeichnungen hatte, reiste selber hin und besah sie. Er versprach, daß er, wenn man seinen Plan zur Wiederherstellung der Kirche billige und annehme, alle Kosten der Arbeit, die über den bereits vorhandenen Vorrath hinausreichen, tragen und die Arbeit in einer gewissen Zahl von Jahren beendigen werde. Der Plan wurde ausgearbeitet und von allen, welche in der Angelegenheit etwas zu sprechen hatten, genehmigt, nachdem der Pfarrer schon vorher, ohne ihn gesehen zu haben, sehr für ihn gedankt und sich überall eifrig für seine Annahme verwendet hatte. Es wurde dann zur Ausführung geschritten, und in dieser Ausführung war mein Gastfreund begriffen. Die Füllmauern in den Fenstern wurden vorsichtig weggebrochen, daß man keine der Verzierungen, welche in Mörtel und Ziegeln begraben waren, beschädige, und dann wurden Glasscheiben in der Art der noch erhaltenen in die ausgebrochenen Fenster eingesezt. Die hölzernen Bilder von Heiligen wurden aus der Kirche entfernt, die Nischen wurden in ihrer ursprünglichen Gestalt wieder hergestellt. Wo man unter dem Dache der Kirche oder in anderen Räumen die alten schlanken Gestalten der Heiligenbilder wieder finden konnte, wurden sie, wenn sie beschädigt waren, ergänzt, und an ihre muthmaßlichen Stellen gesezt. Für welche Nischen man keine Standbilder auffinden konnte, die wurden leer gelassen. Man hielt es für besser, daß sie in diesem Zustande verharren, als daß man eins der hölzernen Bilder, welche zu der Bauart der Kirche nicht paßten, in ihnen zurückgelassen hätte. Freilich wäre die Verfertigung von neuen Standbildern das Zweckmäßigste gewesen; allein das war nicht in den Plan der Wiederherstellung aufgenommen worden, weil es über die zu diesem Werke verfügbaren Kräfte meines Gastfreundes ging. Alle Nischen aber, auch die leeren, wurden, wenn Beschädigungen an ihnen vorkamen, in guten Stand gesezt. Die Überdächer über ihnen wurden mit ihren Verzierungen wieder hergestellt. Zu der Übertünchung des Innern der Kirche war ein Plan entworfen worden, nach welchem die Farbe jener Theile, die nicht Stein waren, so unbestimmt gehalten werden sollte, daß ihr Anblick dem eines bloßen Stoffes am ähnlichsten wäre. Die Gewölberippen, deren Stein nicht mit Farbe bestrichen war, so wie alles Andere von Stein wurde unberührt gelassen, und sollte mit seiner blos stofflichen Oberfläche wirken. Die Gerüste zu der Übertünchung waren bereits dort geschlagen, wo man mit Leitern nicht auslangen konnte. Freilich wäre in der Kirche noch vieles Andere zu verbessern gewesen. Man hatte den alten Chor verkleidet und ganz neue Mauern zu einer Emporkirche aufgeführt, man hatte ein Seitenkapellchen im neuesten Sinne hinzugefügt, und es war ein Theil der Wand des Nebenschiffes ausgenommen worden, um eine Vertiefung zu mauern, in welche ein neuer Seitenaltar zu stehen kam. Alle diese Fehler konnten wegen Unzulänglichkeit der Mittel nicht verbessert werden. Der Hauptaltar in altdeutscher Art war geblieben. Roland sagte, es sei ein Glück gewesen, daß man im vorigen Jahrhunderte nicht mehr so viel Geld gehabt habe als zur Zeit der Erbauung der Kirche, denn sonst hätte man gewiß den ursprünglichen Altar weggenommen und hätte einen in dem abscheulichen Sinne des vergangenen Jahrhunderts an seine Stelle gesezt. Mein Gastfreund besah alles, was da gearbeitet wurde, und es ward ein Rath mit Eustach und Roland gehalten, dem auch ich beigezogen wurde, um zu erörtern, ob alles dem gefaßten Plane getreu gehalten werde, und ob man nicht Manches mit Aufwendung einer mäßigen Summe noch zu dem ursprünglich Beabsichtigten hinzu thun könnte, was der Kirche noth thäte und was ihr zur Zierde gereichte. Die Ansichten vereinigten sich sehr bald, da die Männer nach der nehmlichen Richtung hin strebten und da ihre Bildungen in dieser Hinsicht sich wechselweise zu dem gleichen Ergebnisse durchdrungen hatten. Ich konnte sehr wenig mitreden, obgleich ich gefragt wurde, weil ich einerseits zu wenig mit den vorhandenen Grundlagen vertraut war und weil andererseits meine Kenntnisse in dem Einzelnen der Kunst, um welche es sich hier handelte, mit denen meiner Freunde nicht Schritt halten konnten. Der Pfarrer hatte uns sehr freundlich aufgenommen und wollte uns sämmtlich in seinem kleinen Hause beherbergen. Mein Gastfreund lehnte es ab, und wir richteten uns, so gut es ging, in dem Gasthofe ein. Der Ehrerbietung und des Dankes aber konnte der bescheidene Pfarrer gegen meinen Gastfreund kein Ende finden. Auch kam eine Abordnung mehrerer Gemeindeglieder, um, wie sie sagten, ihre Aufwartung zu machen und ihren Dank darzubringen. Wirklich, wenn man die schlanken, edlen Gestaltungen der Kirche ansah, welche da einsam auf ihrem Hügel in einem abgelegenen Theile des Landes stand, in dem man sie gar nicht gesucht hätte, und die schon geschehenen Verbesserungen betrachtete, welche ihre feinen Glieder wieder zu Ansehen und Geltung brachten, so konnte man nicht umhin, sich zu freuen, daß die reinen blauen Lüfte wieder den reinen, einfachen Bau umfächelten, wie sie ihn umfächelt hatten, als er nach dem Haupte des längst verstorbenen Meisters aus den Händen der Arbeitsleute hervor gegangen war. Und wirklich mußte man sich auch zum Danke verpflichtet fühlen, daß es einen Mann gab, wie mein Gastfreund war, der aus Liebe zu schönen Dingen, und ich muß wohl auch hinzufügen, aus Liebe zur Menschheit, einen Theil seines Einkommens, seiner Zeit und seiner Einsicht opferte, um manch Edles dem Verfalle zu entreißen und vor die Augen der Menschen wohlgebildete und hohe Gestaltungen zu bringen, daß sie sich daran, wenn sie dessen fähig sind und den Willen haben, erheben und erbauen können.

Das alles wußten aber die Gemeindeglieder nicht, sie dankten nur, weil sie meinten, daß es ihre Schuldigkeit sei.

Nachdem mein Gastfreund den Bau gut befunden und mit Eustach, dem eigentlichen Werkmeister, das Nähere angeordnet hatte, und nachdem auch Roland die Zusicherung gegeben hatte, daß er dem Wunsche meines Gastfreundes gemäß öfter nachsehen und Bericht erstatten werde, rüsteten wir uns, unsere verschiedenen Wege zu gehen. Roland wollte wieder in das nahe liegende Gebirge zurückkehren, von dem er zu der Kirche heraus gekommen war, und wir wollten den Weg nach dem Asperhofe antreten. Roland entfernte sich zuerst. Wir besuchten noch den Inhaber eines Glaswerkes in der Nähe, der von großem Einflusse war, und begaben uns dann auf den Weg nach dem Hause meines Freundes.

Auf dem Rückwege kamen wir über die Bildung des Schönen zu sprechen, wie es gut sei, daß Menschen aufstehen, die es darstellen, daß über ihre Mitbrüder auch dieses sanfte Licht sich verbreite und sie immer zu hellerer Klarheit fort führe; daß es aber auch gut sei, daß Menschen bestehen, welche geeignet sind, das Schöne in sich aufzunehmen und es durch Umgang auf Andere zu übertragen, besonders, wenn sie noch, wie mein Gastfreund, das Schöne überall aufsuchen, es erhalten und es durch Mühe und Kraft wieder herzustellen suchen, wo es Schaden gelitten hatte. Es sei ein ganz eigenes Ding um die Befähigung und den Drang hiezu.

«Wir haben schon einmal über Ähnliches gesprochen», sagte mein Gastfreund, «meine Erfahrungen in der Zeit meines Lebens haben mich gelehrt, daß es ganz bestimmte Anlagen zu ganz bestimmten Dingen gibt, mit denen die Menschen geboren werden. Nur in der Größe unterscheiden sich diese Anlagen, in der Möglichkeit, sich auszusprechen, und in der Gelegenheit, kräftig zur Wirksamkeit kommen zu können. Dadurch scheint Gott die Mannigfaltigkeit der Thaten mit ihrem nachdrücklichsten Erfolge, wie es auf der Erde nothwendig ist, vermitteln zu wollen. Es erschien mir immer merkwürdig, wo ich Gelegenheit hatte, es zu beobachten, wie bei Menschen, die bestimmt sind, ganz Ungewöhnliches in einer Richtung zu leisten, sich ihre Anlage bis in die feinsten Fäden ihres Gegenstandes ausspricht und zu ihm hindrängt, während sie in Anderm bis zum Kindlichen unwissend bleiben können. Einer, der über Kunstdinge troz aller Belehrung, troz alles Umganges, troz langjähriger täglicher Berührung mit auserlesenen Kunstwerken nie Anderes als Ungereimtes sagen konnte, war ein Staatsmann, der die feinsten Abschattungen seines Gegenstandes durchdrang, der die Gedanken der Völker und die Absichten der Menschen und Regierungen, mit denen er verkehrte, errieth und es verstand, alle Dinge seinen Zwecken dienstbar machen zu können, so daß das Anderen wie ein Zauberwerk eines Geistes erschien, was gleichsam ein Naturgesez war. In meiner Jugend kannte ich einen Mann, der mit einem Verstande, über den wir uns vor Bewunderung kaum zu fassen wußten, in die Tiefen eines Kunstwesens, das er besprechen wollte, einging, und Gedanken zu Tage brachte, von denen wir nicht begriffen, wie sie in das Herz eines Menschen haben kommen können; während er die Meinungen und Absichten ganz gewöhnlicher Menschen und gerade solcher, die tief unter ihm standen, nicht durchschaute und den nothwendigen Gang der Staaten nicht sah, weil ihm das Auge dafür versagt war oder weil er im Drange seiner Gegenstände darauf nicht achtete. Ich könnte noch mehrere Beispiele anführen: den zum Feldherrn Geborenen im Richtersaale um Mein und Dein, oder den, der wissenschaftliche Stoffe fördert, in der Bildung eines Heeres. So hat Gott es auch Manchen gegeben, daß sie dem Schönen nachgehen müssen und sich zu ihm wie zu einer Sonne wenden, von der sie nicht lassen können. Es ist aber immer nur eine bestimmte Zahl von solchen, deren einzelne Anlage zu einer besonderen großen Wirksamkeit ausgeprägt ist. Ihrer können nicht viele sein, und neben ihnen werden die geboren, bei denen sich eine gewisse Richtung nicht ausspricht, die das Alltägliche thun und deren eigenthümliche Anlage darin besteht, daß sie gerade keine hervorragende Anlage zu einem hervorragenden Gegenstande haben. Sie müssen in großer Menge sein, daß die Welt in ihren Angeln bleibt, daß das Stoffliche gefördert werde und alle Wege im Betriebe sind. Sehr häufig aber kömmt es nun leider auf den Umstand an, daß der rechten Anlage der rechte Gegenstand zugeführt wird, was so oft nicht der Fall ist.»

«Könnte denn nicht die Anlage den Gegenstand suchen, und sucht sie ihn nicht auch oft?» fragte Eustach.

«Wenn sie in großer Macht und Fülle vorhanden ist, sucht sie ihn», entgegnete mein Gastfreund, «zuweilen aber geht sie in dem Suchen zu Grunde.»

«Das ist ja traurig, und dann wird ihr Zweck verfehlt», antwortete Eustach.

«Ich glaube nicht, daß ihr Zweck deßhalb ganz verfehlt wird», sagte mein Gastfreund, «das Suchen und das, was sie in diesem Suchen fördert und in sich und Anderen erzeugt, war ihr Zweck. Es müssen eben verschiedene, und zwar verschieden hohe und verschieden geartete Stufen erstiegen werden. Wenn jede Anlage mit völliger Blindheit ihrem Gegenstande zugeführt würde und ihn ergreifen und erschöpfen müßte, so wäre eine viel schönere und reichere Blume dahin, die Freiheit der Seele, die ihre Anlage einem Gegenstande zuwenden kann oder sich von ihm fern halten, die ihr Paradies sehen, sich von ihm abwenden und dann trauern kann, daß sie sich von ihm abgewendet hat, oder die endlich in das Paradies eingeht und sich glücklich fühlt, daß sie eingegangen ist.»

«Oft habe ich schon gedacht», sagte ich, «da die Kunst so sehr auf die Menschen wirkt, wie ich an mir selber, wenn auch nur erst kurze Zeit, zu beobachten Gelegenheit hatte, ob denn der Künstler bei der Anlage seines Werkes seine Mitmenschen vor Augen habe und dahin rechne, wie er es einrichten müsse, daß auf sie die Wirkung gemacht werde, die er beabsichtiget.»

«Ich hege keine Zweifel, daß es nicht so ist», erwiederte mein Gastfreund, «wenn der Mensch überhaupt seine ihm angeborne Anlage nicht kennt, selbst wenn sie eine sehr bedeutende sein sollte und wenn er mannigfaltige Handlungen vornehmen muß, ehe seine Umgebung ihn oder er sich selber inne wird, ja wenn er zulezt sich seiner Freiheit gemäß seiner Anlage hingeben oder sich von ihr abwenden kann: so wird er wohl im Wirken dieser Anlage nicht so zu rechnen im Stande sein, daß sie an einem gewissen Punkte anlanden müsse; sondern je größer die Kraft ist, um so mehr, glaube ich, wirkt sie nach den ihr eigenthümlichen Gesezen, und das dem Menschen inwohnende Große strebt, unbewußt der Äußerlichkeiten, seinem Ziele zu und erreicht desto Wirkungsvolleres, je tiefer und unbeirrter es strebt. Das Göttliche scheint immer nur von dem Himmel zu fallen. Es hat wohl Menschen gegeben, welche berechnet haben, wie ein Erzeugniß auf die Mitmenschen wirken soll, die Wirkung ist auch gekommen, sie ist oft eine große gewesen, aber keine künstlerische und keine tiefe; sie haben etwas Anderes erreicht, das ein Zufälliges und Äußeres war, das die, welche nach ihnen kamen, nicht theilten und von dem sie nicht begriffen, wie es auf die Vorgänger hatte wirken können. Diese Menschen bauten vergängliche Werke und waren nicht Künstler, während das durch die wirkliche Macht der Kunst Geschaffene, weil es die reine Blüthe der Menschheit ist, nach allen Zeiten wirkt und enzückt, so lange die Menschen nicht ihr Köstlichstes, die Menschheit, weggeworfen haben.»

«Es ist einmal in der Stadt die Frage gestellt worden», sagte ich, «ob ein Künstler, wenn er wüßte, daß sein Werk, das er beabsichtigt, zwar ein unübertroffenes Meisterwerk sein wird, daß es aber die Mitwelt nicht versteht und daß es auch keine Nachwelt verstehen wird, es doch schaffen müsse oder nicht. Einige meinten, es sei groß, wenn er es thäte, er thue es für sich, er sei seine Mit- und Nachwelt. Andere sagten, wenn er etwas schaffe, von dem er wisse, daß es die Mitwelt nicht verstehe, so sei er schon töricht und vollends, wenn er es schaffe und weiß, daß auch keine Nachwelt es begreifen wird.»

«Dieser Fall wird wohl kaum sein», antwortete mein Gastfreund, «der Künstler macht sein Werk, wie die Blume blüht, sie blüht, wenn sie auch in der Wüste ist und nie ein Auge auf sie fällt. Der wahre Künstler stellt sich die Frage gar nicht, ob sein Werk verstanden werden wird oder nicht. Ihm ist klar und schön vor Augen, was er bildet, wie sollte er meinen, daß reine, unbeschädigte Augen es nicht sehen? Was roth ist, ist es nicht allen roth? Was selbst der gemeine Mann für schön hält, glaubt er das nicht für alle schön? Und sollte der Künstler das wirklich Schöne nicht für die Geweihten schön halten? Woher käme denn sonst die Erscheinung, daß einer ein herrliches Werk macht, das seine Mitwelt nicht ergreift? Er wundert sich, weil er eines andern Glaubens war. Es sind dies die Größten, welche ihrem Volke voran gehen und auf einer Höhe der Gefühle und Gedanken stehen, zu der sie ihre Welt erst durch ihre Werke führen müssen. Nach Jahrzehnten denkt und fühlt man wie jene Künstler, und man begreift nicht, wie sie konnten mißverstanden werden. Aber man hat durch diese Künstler erst so denken und fühlen gelernt. Daher die Erscheinung, daß gerade die größten Menschen die naivsten sind.

Wenn nun der früher angegebene Fall möglich wäre, wenn es einen wahren Künstler gäbe, der zugleich wüßte, daß sein beabsichtigtes Werk nie verstanden werden würde, so würde er es doch machen, und wenn er es unterläßt, so ist er schon gar kein Künstler mehr, sondern ein Mensch, der an Dingen hängt, die außer der Kunst liegen. Hieher gehört auch jene rührende Erscheinung, die von manchen Menschen so bitter getadelt wird, daß einer, dem recht leicht gangbare Wege zur Verfügung ständen, sich reichlich und angenehm zu nähren, ja zu Wohlstand zu gelangen, lieber in Armuth, Noth, Entbehrung, Hunger und Elend lebt und immer Kunstbestrebungen macht, die ihm keinen äußeren Erfolg bringen und oft auch wirklich kein Erzeugniß von nur einigem Kunstwerthe sind. Er stirbt dann im Armenhause oder als Bettler oder in einem Hause, wo er aus Gnaden gehalten wurde.»

Wir waren unseres Freundes Meinung. Eustach ohnehin schon, weil er die Kunstdinge als das Höchste dem irdischen Lebens ansah und ein Kunststreben als bloßes Bestreben schon für hoch hielt, wie er auch zu sagen pflegte, das Gute sei gut, weil es gut sei. Ich stimmte bei, weil mich das, was mein Gastfreund sagte, überzeugte, und Gustav mochte es geglaubt haben - Erfahrungen hatte er nicht -, weil ihm alles Wahrheit war, was sein Pflegevater sagte.

Von einem Streben, das gewissermaßen sein eigener Zweck sei, vom Vertiefen der Menschen in einen Gegenstand, dem scheinbar kein äußerer Erfolg entspricht und dem der damit Behaftete doch alles Andere opfert, kamen wir überhaupt auf Verschiedenes, an das der Mensch sein Herz hängt, das ihn erfüllt und das sein Dasein oder Theile seines Daseins umschreibt. Nachdem wir wirklich eine größere Zahl von Dingen durchsprochen hatten, die zu dem Menschen in das von uns angeführte Verhältniß treten können, als ich je vermuthet hätte, machte mein Gastfreund folgenden Ausspruch: «Wenn wir hier alle die Dinge ausschließen, die nur den Körper oder das Thierische des Menschen betreffen und befriedigen und deren andauerndes Begehren mit Hinwegsezung alles Andern wir mit dem Namen Leidenschaft bezeichnen, weßhalb es denn nichts Falscheres geben kann, als wenn man von edlen Leidenschaften spricht, und wenn wir als Gegenstände höchsten Strebens nur das Edelste des Menschen nennen: so dürfte alles Drängen nach solchen Gegenständen vielleicht nicht mit Unrecht nur mit einem Namen zu benennen sein, mit Liebe. Lieben als unbedingte Werthhaltung mit unbedingter Hinneigung kann man nur das Göttliche oder eigentlich nur Gott; aber da uns Gott für irdisches Fühlen zu unerreichbar ist, kann Liebe zu ihm nur Anbetung sein, und er gab uns für die Liebe auf Erden Theile des Göttlichen in verschiedenen Gestalten, denen wir uns zuneigen können: so ist die Liebe der Eltern zu den Kindern, die Liebe des Vaters zur Mutter, der Mutter zum Vater, die Liebe der Geschwister, die Liebe des Bräutigams zur Braut, der Braut zum Bräutigam, die Liebe des Freundes zum Freunde, die Liebe zum Vaterlande, zur Kunst, zur Wissenschaft, zur Natur, und endlich gleichsam kleine Rinnsale, die sich von dem großen Strome abzweigen, Beschäftigungen mit einzelnen, gleichsam kleinlichen Gegenständen, denen sich oft der Mensch am Abende seines Lebens wie kindlichen Nothbehelfen hingibt, Blumenpflege, Zucht einer einzigen Gewächsart, einer Thierart und so weiter, was wir mit dem Namen Liebhaberei belegen. Wen die größeren Gegenstände der Liebe verlassen haben, oder wer sie nie gehabt hat, und wer endlich auch gar keine Liebhaberei besizt, der lebt kaum und betet auch kaum Gott an, er ist nur da.

So faßt es sich, glaube ich, zusammen, was wir mit der Richtung großer Kräfte nach großen Zielen bezeichnen, und so findet es seine Berechtigung.»

«Jene Zeit», sagte er nach einer Weile, «in welcher die Kirchen gebaut worden sind, wie wir eben eine besucht haben, war in dieser Hinsicht weit größer als die unsrige, ihr Streben war ein höheres, es war die Verherrlichung Gottes in seinen Tempeln, während wir jezt hauptsächlich auf den stofflichen Verkehr sehen, auf die Hervorbringung des Stoffes und auf die Verwendung des Stoffes, was nicht einmal ein an sich gültiges Streben ist, sondern nur beziehungsweise, in so fern ihm ein höherer Gedanke zu Grunde gelegt werden kann. Das Streben unserer älteren Vorgänger war auch insbesondere darum ein höheres, weil ihm immer Erfolge zur Seite standen, die Hervorbringung eines wahrhaft Schönen. Jene Tempel waren die Bewunderung ihrer Zeit, Jahrhunderte bauten daran, sie liebten sie also, und jene Tempel sind auch jezt in ihrer Unvollendung oder in ihren Trümmern die Bewunderung einer wieder erwachenden Zeit, die ihre Verdüsterung abgeschüttelt hat, aber zum allseitigen Handeln noch nicht durchgedrungen ist. Sogar das Streben unserer unmittelbaren Vorgänger, welche sehr viele Kirchen nach ihrer Schönheitsvorstellung gebaut, noch mehr Kirchen aber durch zahllose Zubauten, durch Aufstellung von Altären, durch Umänderungen entstellt und uns eine sehr große Zahl solcher Denkmale hinterlassen haben, ist in so ferne noch höher als das unsere, indem es auch auf Erbauung von Gotteshäusern ausging, auf Darstellung eines Schönen und Kirchlichen, wenn es sich auch in dem Wesen des Schönen von den Vorbildern der früheren Jahrhunderte entfernt hat. Wenn unsere Zeit von dem Stofflichen wieder in das Höhere übergeht, wie es den Anschein hat, werden wir in Baugegenständen nicht auch gleich das Schöne verwirklichen können. Wir werden Anfangs in der bloßen Nachahmung des als schön Erkannten aus älteren Zeiten befangen sein, dann wird durch den Eigenwillen der unmittelbar Betrauten manches Ungereimte entstehen, bis nach und nach die Zahl der heller Blickenden größer wird, bis man nach einer allgemeineren und begründeteren Einsicht vorgeht und aus den alten Bauarten neue, der Zeit eigenthümlich zugehörige, entsprießen.»

«In der Kirche, welche wir eben gesehen haben», sagte ich, «liegt nach meiner Meinung eine eigenthümliche Schönheit, daß es nicht begreiflich ist, wie eine Zeit gekommen ist, in welcher man es verkennen und so Manches hinzufügen konnte, was vielleicht schon an sich unschön ist, gewiß aber nicht paßt.»

«Es waren rauhe Zeiten über unser Vaterland gekommen», erwiederte er, «welche nur in Streit und Verwüstung die Kräfte übten und die tieferen Richtungen der menschlichen Seele ausrotteten. Als diese Zeiten vorüber waren, hatte man die Vorstellung des Schönen verloren, an seine Stelle trat die bloße Zeitrichtung, die nichts als schön erkannte als sich selber und daher auch sich selber überall hinstellte, es mochte passen oder nicht. So kam es, daß römische oder korinthische Simse zwischen altdeutsche Säulen gefügt wurden.»

«Aber auch unter den altdeutschen Kirchen ist diese, welche wir verlassen haben, wenn ich nach den Kirchen, die ich gesehen habe, urtheilen darf, eine der schönsten und edelsten», sagte ich.

«Sie ist klein», erwiederte mein Gastfreund, «aber sie übertrifft manche große. Sie strebt schlank empor wie Halme, die sich wiegen, und gleicht auch den Halmen darin, daß ihre Bögen so natürlich und leicht aufspringen wie Halme, die da nicken. Die Rosen in den Fensterbögen, die Verzierungen an den Säulenknäufen, an den Bogenrippen, so wie die Rose der Thurmspize sind so leicht wie die verschiedenen Gewächse, die in dem Halmenfelde sich entwickeln.»

«Darum überkam mich auch wieder ein Gedanke», antwortete ich, «den ich schon öfter hatte, daß man nehmlich die Fassung von Edelsteinen im Sinne altdeutscher Baudenkmale einrichten sollte, und daß man dadurch zu schöneren Gestaltungen käme.»

«Wenn ihr den Gedanken so nehmet», erwiederte er, «daß sich die, welche Edelsteine fassen, im Sinne der alten Baumeister bilden sollen, welche Würdiges und Schönes auf einfache und erhebende Art darstellten, so dürftet ihr, glaube ich, recht haben. Wenn ihr aber meint, daß Gestaltungen, welche an mittelalterlichen Gebäuden vorkommen, im verkleinerten Maßstabe sofort als Schmuckdinge zu gebrauchen seien, so dürftet ihr euch irren.» «So habe ich es gemeint», sagte ich.

«Wir haben schon einmal über diesen Gegenstand gesprochen», erwiederte er, «und ich habe damals selber auf die alterthümliche Kunst als die Grundlage von Schmuck hingewiesen; aber ich habe damit nicht blos die Baukunst gemeint, sondern jede Kunst, auch die der Geräthe, der Kirchenstoffe, der weltlichen Stoffe, die Malerkunst, die Bildhauerkunst, die Holzschneidekunst und Ähnliches. Auch habe ich nicht die unmittelbare Nachahmung der Gestaltungen gemeint, sondern die Erkennung des Geistes, der in diesen Gestaltungen wohnt, das Erfüllen des Gemüthes mit diesem Geiste, und dann das Schaffen in dieser Erkenntniß und in diesem Erfülltsein. Es steht der Übertragung der baulichen Gestaltungen auf Schmuck auch ein stoffliches Hinderniß entgegen. Die Gebäude, an denen der Schönheitssinn besonders zur Ausprägung kam, waren immer mehr oder weniger ernste Gegenstände: Kirchen, Palläste, Brücken und im Alterthume Säulen und Bögen. Im Mittelalter sind die Kirchen weit das Überwiegende; bleiben wir also bei ihnen. Um den Ernst und die Würde der Kirche darzustellen, ist der Stoff nicht gleichgültig, aus dem man sie verfertiget. Man wählte den Stein als den Stoff, aus dem das Großartigste und Gewaltigste von dem, was sich erhebt, besteht, die Gebirge. Er leiht ihnen dort, wo er nicht von Wald oder Rasen überkleidet ist, sondern nackt zu Tage steht, das erhabenste Ansehen. Daher gibt er auch der Kirche die Gewalt ihres Eindruckes. Er muß dabei mit seiner einfachen Oberfläche wirken und darf nicht bemalt oder getüncht sein. Das Nächste unter dem Emporstrebenden, was sich an das Gebirge anschließt, ist der Wald. Ein Baum übt nach dem Felsen die größte Macht. Daher ist die Kirche in Würde und künstlerischem Ansehen auch noch von Holz denkbar, sobald es nicht bemalt und nicht bestrichen ist. Eine eiserne Kirche oder gar eine von Silber könnte nicht anders als widrig wirken, sie würde nur wie roher Prunk aussehen, und von einer Kirche aus Papier, gesezt, man könnte den Wänden auf die Dauer Widerstand gegen Wetter und den Verzierungen durch Pressen oder dergleichen die schönsten Gestalten geben, wendet sich das Herz mit Widerwillen und Verachtung ab. Mit dem Stoffe hängt die Gestaltung zusammen. Der Stein ist ernst, er strebt auf und läßt sich nicht in die weichsten, feinsten und gewundensten Erscheinungen biegen. Ich rede von dem Bausteine, nicht von dem Marmor. Daher hat man die Gestalten der Kirche aus ihm emporstrebend, einfach und stark gemacht, und wo Biegungen vorkommen, sind sie mit Maß und mit einem gewissen Adel ausgeführt und überladen nicht die Wände und die andern Bildungen. In der Zeit, als sie das Übergewicht zu bekommen anfingen, hörte auch die strenge Schönheit der Kirchen auf und die Niedlichkeit begann. Zu den Fassungen unseres Schmuckes nehmen wir Metall, und zwar meistens Gold. Das Metall aber hat wesentlich andere Merkmale als der Stein. Es ist schwerer; darf also, ohne uns zu drücken, nicht in größeren Stücken angewendet worden, sondern muß in zarte Gestaltungen auseinander laufen.

Dabei hat es unter allen Stoffen die größte Biegsamkeit und Dehnbarkeit, wir glauben ihm daher die kühnsten Windungen und Verschlingungen und fordern sie von ihm. Die Bildungen, besonders Zieraten aus Gold, können daher nicht genau dieselben sein wie die aus Stein, wenn beide schön sein sollen. Aber aus dem inneren Geiste des einen, glaube ich, kann man recht gut und soll man den innern Geist des andern kennen, und es dürfte Treffliches heraus kommen.»

Ich vermochte gegen diese Ansicht nichts Wesentliches einzuwenden. Eustach führte sie noch genauer durch Beispiele aus, die er von bekannten Steingestaltungen an Kirchen hernahm. Er zeigte, wie eine geläufige, leichte, kirchliche Steinbildung, wenn man sie etwa aus Gold machen lasse, sogleich schwer, träg und unbeholfen werde, und er zeigte auch, wie man nach und nach die Steingestaltung umwandeln müsse, daß sie zu einer für Gold tauge, und da lebendig und eigenthümlich werde. Er versprach mir, daß er mir über diese Angelegenheit, wenn wir nach Hause gekommen sein würden, Zeichnungen zeigen würde. Ich sah hieraus, wie sehr meine Freunde über diesen Gegenstand nachgedacht haben und wie sie thatsächlich in ihn eingegangen seien.

«Es sind aber nicht blos die Äußerlichkeiten an unserer Kirche sehr schön», fuhr mein Gastfreund fort, «sondern die Gestalten der Heiligen auf dem Altare und in den Nischen sind schöner, als man sie sonst meistens aus dem Zeitalter, aus welchem die Kirche stammt, zu sehen gewohnt ist. Wenn ich sagte, daß die griechischen Bildergestalten eine größere sinnliche Schönheit haben als die aus dem Mittelalter, so ist dieses nicht ausnahmslos so. Es gibt auch höchst liebliche Gestalten aus dem Mittelalter, und wo keine Verzeichnung ist und wo sich Sinnlichkeit zeigt, sind sie meistens wärmer als die griechischen. In der kleinen Kirche ist Ähnliches vorhanden, deßhalb habe ich so gerne ihre Wiederherstellung übernommen, deßhalb bedaure ich, daß meine Mittel nicht so groß sind, die gänzliche Vollendung herbeiführen zu können, und deßhalb habe ich so sehr nach den Gestalten, die in den Nischen fehlen, suchen lassen, um so viel als möglich die Kirche zu bevölkern, wenn auch der Gedanke Raum hatte, daß vielleicht nicht einmal alle Gestalten fertig geworden und alle Pläze besezt gewesen seien. Vielleicht steht einmal eine höhere und allgemeinere Kraft auf, die diese und noch wichtigere Kirchen wieder in ihrer Reinheit darstellt.»

Wir kamen am zweiten Tage in dem Asperhofe an, und ich sagte, daß ich nun nicht mehr lange da verweilen könne. Mein Gastfreund erwiederte, daß er in einigen Tagen in den Sternenhof fahren werde, daß er mich einlade, ihn zu begleiten und daß ich bis dahin noch bei ihm bleiben möge.

Ich erklärte, daß bei mir wohl einige Tage keinen wesentlichen Unterschied machten, daß ich aber doch wünsche, bald zu meinen Eltern zurückkehren zu können.

So war der Abend vor der Abreise in den Sternenhof gekommen, und mein Gastfreund sagte an demselben in einem gelegenen Augenblicke zu mir: «Ihr tretet nun zu jemandem, der mir nahe ist, in ein inniges Verhältniß; es ist billig, daß ihr alles wisset, wie es in dem Sternenhofe ist und in welchen Beziehungen ich zu demselben stehe. Ich werde euch alles darlegen. Damit ihr aber in noch viel größerer Ruhe seid und mit Klarheit das Mitgetheilte aufnehmen könnet, so werde ich es euch erzählen, wenn ihr wieder in den Asperhof kommt. Ihr werdet jezt zu euren Eltern gehen, wie ihr sagt, um ihnen zu berichten, wie ihr aufgenommen worden seid und wie die Angelegenheit steht. Wenn ihr dann nach eurem beliebigen Willen wieder zu mir kommt, sei es zu was immer für einer Zeit, so werdet ihr willkommen sein und bereitwilligen Empfang finden.»

Am anderen Morgen saß ich nebst Gustav mit ihm in dem Wagen, und wir fuhren dem Sternenhofe zu.

Wir wurden dort so freundlich und heiter aufgenommen wie immer, ja noch freundlicher und heiterer als sonst. Die Zimmer, welche wir immer bewohnt hatten, standen für uns, wie für Personen, welche zu der Familie gehörten, in Bereitschaft. Natalie stand mit lieblichen Mienen neben ihrer Mutter und sah ihren älteren Freund und mich an. Ich grüßte mit Ehrerbietung die Mutter und fast mit gleicher Ehrerbietung die Tochter. Gustav war etwas schüchterner als sonst und blickte bald mich, bald Natalien an. Wir sprachen die gewöhnlichen Bewillkommungsworte und andere unbedeutende Dinge. Dann verfügten wir uns in unsere Zimmer.

Noch an demselben Tage und am nächsten besah mein Gastfreund verschiedene Dinge, welche zur Bewirthschaftung des Gutes gehörten, besprach sich mit Mathilden darüber, besuchte selbst ziemlich entfernte Stellen und ordnete im Namen Mathildens an. Auch die Arbeiten in der Hinwegschaffung der Tünche von der Außenseite des Schlosses besah er. Er stieg selber auf die Gerüste, untersuchte die Genauigkeit der Hinwegschaffung der aufgetragenen Kruste und die Reinheit der Steine. Er prüfte die Größe der in einer gewöhnlichen Zeit vollbrachten Arbeit und gab Aufträge für die Zukunft. Wir waren bei den meisten dieser Beschäftigungen gemeinschaftlich zugegen.

Man behandelte mich auf eine ausgezeichnete Art. Mathilde war so sanft, so gelassen und milde wie immer. Wer nicht genauer geblickt hätte, würde keinen Unterschied zwischen sonst und jezt gewahr geworden sein. Sie war immer gütig und konnte daher nicht gütiger sein. Ich empfand aber doch einen Unterschied. Sie richtete das Wort so offen an mich wie früher; aber es war doch jezt anders. Sie fragte mich oft, wenn es sich um Dinge des Schlosses, des Gartens, der Felder, der Wirthschaft handelte, um meine Meinung, wie einen, der ein Recht habe und der fast wie ein Eigenthümer sei. Sie fragte gewiß nicht, um meine Meinung so gründlich zu wissen; denn mein Gastfreund gab die besten Urtheile über alle diese Gegenstände ab, sondern sie fragte so, weil ich einer der ihrigen war. Sie hob aber diese Fragen nicht hervor und betonte sie nicht, wie jemand gethan hätte, bei dem sie Absicht gewesen wären, sondern sie empfand das Zusammengehörige unseres Wesens und gab es so. Mir ging diese Behandlung ungemein lieb in die Seele. Mein Gastfreund war wohl beinahe gar nicht anders; denn sein Wesen war immer ein ganzes und geschlossenes; aber auch er schien herzlicher als sonst.

Gustav verlor sein anfängliches schüchternes Wesen. Obwohl er auch jezt noch kein Wort sagte, welches auf unser Verhältniß anspielte - das thaten auch die anderen nicht, und er hatte eine zu gute Erziehung erhalten, um, obgleich er noch so jung war, hierin eine Ausnahme zu machen -, so ging er doch zuweilen plözlich an meine Seite, nahm mich bei einem Arme, drückte ihn oder nahm mich bei der Hand und drückte sie mit der seinen. Nur mit Natalie war es ganz anders. Wir waren beinahe scheuer und fremder, als wir es vor jenem Hervorleuchten des Gefühles in der Grotte der Brunnennymphe gewesen waren. Ich durfte sie am Arme führen, wir durften mit einander sprechen; aber wenn dies geschah, so redeten wir von gleichgültigen Dingen, welche weit entfernt von unseren jezigen Beziehungen lagen. Und dennoch fühlte ich ein Glück, wenn ich an ihrer Seite ging, daß ich es kaum mit Worten hätte sagen können. Alles, die Wolken, die Sterne, die Bäume, die Felder schwebten in einem Glanze, und selbst die Personen ihrer Mutter und ihres alten Freundes waren verklärter. Daß in Natalien Ähnliches war, wußte ich, ohne daß sie es sagte.

Wenn wir an dem Scheunenthore des Meierhofes vorbeigingen oder an einer anderen Thür oder an einem Felde oder sonst an einem Plaze, auf welchem gearbeitet wurde, so traten die Menschen zusammen, blickten uns nach und sahen uns mit denselben bedeutungsvollen Augen an, mit denen man mich in dem Asperhofe angeschaut hatte. Es war mir also klar, daß man auch hier wußte, in welchen Beziehungen ich zu der Tochter des Hauses stehe. Ich hätte es auch aus der größeren Ehrerbietung der Diener heraus lesen können, wenn es mir nicht schon sonst deutlich gewesen wäre. Aber auch hier wie in dem Asperhofe bemerkte ich, daß es etwas Freundliches war, etwas, das wie Freude aussah, was sich in den Mienen der Leute spiegelte. Sie mußten also auch hier mit dem, was sich vorbereitete, zufrieden sein. Ich war darüber tief vergnügt; denn auf welchem Stande der Entwickelung die Leute immer stehen mögen, so ist es doch gewiß, wie ich aus dem Umgange mit vielen Menschen reichlich erfahren habe, daß Geringere die Höheren oft sehr richtig beurtheilen und namentlich, wenn Verbindungen geschlossen werden, seien es Freundschaften, seien es Ehen, mit richtiger Kraft erkennen, was zusammen gehört und was nicht. Daß sie mich also zu Natalien gehörig ansahen, erfüllte mich mit nachhaltender inniger Freude.

Wie Natalie über diese Kundgebungen der Leute dachte, konnte ich nicht erkennen.

Nachdem so drei Tage vergangen waren, nachdem wir die verschiedensten Stellen des Schlosses, des Gartens, der Felder und der Wälder gemeinschaftlich besucht hatten, nachdem wir auch manchen Augenblick in den Gemäldezimmern und in denen mit den alterthümlichen Geräthen zugebracht und an Verschiedenem uns erfreut hatten, nachdem endlich auch alles, was in Angelegenheiten des Gutes zu besprechen und zu ordnen war, zwischen Mathilden und meinem Gastfreunde besprochen und geordnet worden war, wurde auf den nächsten Tag die Abreise beschlossen. Wir verabschiedeten uns auf eine ähnliche Weise, wie wir uns bewillkommt hatten, der Wagen war vorgefahren, und wir schlugen die Richtung zurück ein, in der wir vor vier Tagen gekommen waren.

Ich fuhr mit meinem Gastfreunde nur bis an die Poststraße und auf derselben bis zur ersten Post. Dort trennten wir uns. Er fuhr auf Nebenwegen dem Asperhofe zu, weil er mir zu lieb einen Umweg gemacht hatte, ich aber schlug mit Postpferden die Richtung gegen das Kargrat ein. Ich war entschlossen, im Kargrat für jezt ganz abzubrechen und also die Gegenstände, die ich noch dort hatte, fortschaffen zu lassen. Als ich in dem kleinen Orte eingetroffen war, richtete ich meine Verhältnisse zurecht, ließ meine Dinge einpacken und schickte sie fort. Ich nahm von dem Pfarrer, welchen ich kennen gelernt hatte, Abschied, verabschiedete mich auch von meinen Wirthsleuten und von den anderen Menschen, die mir bekannt geworden waren, sagte, daß ich nicht weiß, wann ich in das Kargrat zurückkehren werde, um meine Arbeiten, welche ich wegen eines schnell eingetretenen Umstandes hatte abbrechen müssen, forzusezen, und reiste wieder ab.

Ich ging jezt in das Lauterthal, um es zu besuchen. Es war in der Richtung nach meiner Heimath ein geringer Umweg, und ich wollte das Thal, das mir lieb geworden war, wieder sehen. Besonders aber führte mich ein Zweck dahin. Obwohl ich wenig Hoffnung hatte, daß mein Auftrag, den ich in dem Thale gegeben hatte, zu forschen, ob sich nicht doch noch die Ergänzungen zu den Vertäflungen meines Vaters fänden, einen Erfolg haben werde, so wollte ich doch nicht nach Hause reisen, ohne in dieser Hinsicht Nachfrage gehalten zu haben. Die gewünschten Ergänzungen hatten sie zwar nicht gefunden, auch keine Spur zu denselben war entdeckt worden; aber manche Leute hatte ich gesehen, denen ich in früheren Tagen geneigt worden war, Gegenstände hatte ich erblickt, von denen ich in vergangenen Jahren zu meinem Vergnügen umringt gewesen war. Ich ging auch in das Rothmoor. Dort fand ich die Arbeiten noch in einem höheren Maße entwickelt und im Gange, als sie es bei meiner lezten Anwesenheit gewesen waren. Von mehreren Orten hatte man Bestellungen eingesendet, selbst von unserer Stadt, wo das Becken der Einbeere bekannt geworden war und manchen Beifall gefunden hatte, waren Briefe geschickt worden. Fremde kamen zu Zeiten in diese abgelegene Gegend, machten Käufe und hinterließen Aufträge. Ich sah also, daß sich Manches hier gebessert habe, betrachtete die Arbeiten und bestellte auch wieder einige neue, weil ich theils noch Stücke schönen Marmors hatte, aus denen irgend etwas gemacht werden konnte und weil anderen Theils in dem Garten des Vaters zur Brüstung oder zu anderen Stellen noch Gegenstände fehlten. Die Leute hatten mich recht freundlich und zuvorkommend empfangen, sie zeigten mir, was im Gange war, welche Verbesserungen sie eingeführt hatten und welche sie noch beabsichtigen. Sie ließen hiebei nicht unerwähnt, daß ich der kleinen Anstalt immer zugethan gewesen sei und daß ich zu den Verbesserungen manchen Anlaß und manchen Fingerzeig gegeben habe. Ich drückte meine Freude über alles das aus und versprach, daß ich, wenn ich in die Nähe käme, jederzeit recht gerne einen kurzen Besuch in dem Rothmoor machen würde.

Nach diesem unbedeutenden Aufenthalte im Lauterthale und im Rothmoor sezte ich meine Reise zu meinen Eltern ohne weitere Verzögerung fort.