B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Wilhelm Weitling
1808 -1871
     
   


D i e   M e n s c h h e i t
w i e   s i e   i s t
u n d   w i e   s i e   s e i n   s o l l t e .


1 8 3 8

Text nach der
zweite Auflage Bern 1845 .
Digitale Version:
Einde O'Callaghan
für das Marxists' Internet Archive.

Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel


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Die Namen Republik und Konstitution,
So schön sie sind, genügen nicht allein;
Das arme Volk hat nichts im Magen,
Nichts auf dem Leib und muß sich immer plagen;
Drum muß die nächste Revolution,
Soll sie verbessern, eine soziale sein.



      ERSTES KAPITEL

                  Und als Jesus das Volk sah, jammerte ihn dasselbe,
                  und er sprach zu seinen Jüngern:
                  die Ernte ist groß, aber wenige sind der
                  Arbeiter; darum bittet den Herrn der Ernte,
                  daß er Arbeiter in seine Ernte sende.


Die Ernte ist groß und reif, und Arbeit giebts vollauf; also herbei ihr Arbeiter, damit die Ernte beginne. Das Erntefeld ist ein Ehrenfeld, die Arbeit ist rühmlich und der Lohn unsterblich, denn die Nächstenliebe ist unsere Sichel, und das wahrhaft göttliche Gesetz: liebe Gott über Alles und deinen Nächsten wie dich selbst, sei uns ein Stahl an der wir sie schärfen. So trete denn herbei zum großen Ernteverein, wen solche Arbeit freuet, wem solche Sicheln nicht zu schwer sind!
      Die Ernte, das ist die zur irdischen Vollkommenheit reifende Menschheit, und die Gemeinschaft der Güter der Erde ist ihre erste Frucht. Das Gebot der Liebe ladet uns zur Ernte, und die Ernte ladet zum Genuß. Wollet ihr also ernten und genießen, so befolget das Gebot der Liebe.
      Um euer Wohl zu fördern und Ordnung zu erhalten, so wie man euch glauben macht, hat man bisher immer so viel Gesetze und Verordnungen gedruckt und geschrieben, daß ihr euch einen ganzen Winter warme Stuben damit machen könntet; und euch hat man niemals um eure Zustimmung gefragt; denn sie enthielten nichts als Plackereien für euch, ;und dazu würdet ihr doch auf keinen Fall gestimmt haben. Man erklärt euch nicht einmal den Inhalt ihrer Gesetze, als bis ihr dagegen gefehlt habet und zur Strafe gezogen werdet; und das ist darum, daß ihr immer recht in sclavischer Furcht leben sollt.
      Aber die Furcht ist die Wurzel der Feigheit, und der Arbeiter soll sie ausrotten diese schädliche Pflanze und an ihrer Stelle den Muth und die Nächstenliebe tiefe Wurzeln schlagen lassen. Die Nächstenliebe ist das erste Gebot Christi, der Wunsch und Wille, und folglich das Glück und die Wohlfahrt aller Guten iit in ihm enthalten.
      Wollet ihr gut und glücklich sein, so trachtet nach der Erfüllung dieses wahrhaft göttlichen Gebotes. Wenn ihr Muth habet, wird euch die Erfüllung desselben nicht schwer werden, denn es bedarf nur des Kampfes, den ihr ja Alle wünscht.
      So ziehet denn ins Feld gegen die Zwietracht und den Eigennutz; vertilget sie zuerst aus eurer Mitte, und greifet sie überall an, wo sie ihre Wohnsitze aufgeschlagen haben.
      So lange ihr nur die Fehler der anderen sehet und eure eigenen nicht bemerken wollt, oder nicht zu verbessern suchet, so lange habet ihr die Zwietracht noch nicht aus eurer Mitte verbannt: und so lange ihr noch eure Lebenslage wünschenswerther findet als die manches unglücklichen Bruders, so lange seid ihr vom Eigennutz noch nicht befreit.
      Wem es gar zu schwer ist zu vergeben und mitzutheilen, der hasse und geize, und in seiner Sterbestunde mache er seine Rechnung; wenn es ihm dann noch vergönnt ist zu weinen, so müssen seine Thränen fürchterlich bitter sein, denn er weint ohne Hoffnung und allein.
      Wer zufrieden ist, ist glücklich! Zufrieden aber kann man sein, wenn man ein sorgloses Leben führt und Freunde hat, sorglos kann man leben wenn man weiß, daß Jeder von allen so viel hat als er braucht; und Freunde wählt und findet man nur unter denen, die mit uns gleiches Schicksal haben. Also die gleiche Lebenslage Aller bewirkt Sorglosigkeit und Freundschaft, mithin das Glück Aller. Wollet ihr nun den Zustand allgemeinen Glücks herbeiführen, so trachtet darnach, daß Jeder so viel und Keiner mehr habe und genieße als er braucht.
      Wenn an euer Familientafel Einer den Theil des Andern wegnehmen wollte, so würdet ihr ihm doch wehren, denn ihr würdet nicht leiden daß der Andere darbe! Eure Felder sind die reichbesetzten Tafeln der gütigen Natur, warum wehret ihr denn nicht auch die Habgier der ungerechten Menschen von denselben ab?
      Sie sagen: wir haben das Haus, das Feld, die Fabrik in der ihr arbeitet, gekauft, gepachtet oder geerbt, wir werden euch schon so viel geben, daß ihr nicht verhungert, während ihr arbeitet, und ihr lasset es euch gefallen, um nicht zu verhungern; aber es wird ein Tag kommen, an welchem ihr sie werdet fragen: habet ihr mit uns die gleichen Mühen getheilt?
      Wenn sie dann ja sagen können, so werdet ihr auch den Ertrag der Arbeit mit ihnen theilen, wo nicht, so werdet ihr sie abweisen, denn wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen.
      Ihr arbeitet früh und spät, ein gesegnetes Jahr folgt dem andern, alle Magazine sind vollgespeichert mit den Gütern, die ihr dem Boden abgewonnen habt; und doch entbehren die meisten von euch der für Nahrung, Wohnung und Kleidung nothwendigsten Gegenstände, doch wird gerade denen von den Gütern der Erde am kargsten zugetheilt, welche sie derselben mühsam im Schweiße ihres Angesichts abgewinnen müssen.
      Das kömmt von der ungleichen Vertheilung der Arbeit und der durch sie hervorgebrachten Güter. Durch sie wird Armuth und Reichthum erzeugt; denn Arme giebt es nur bei Reichen und Reiche nur unter Armen.
      Reich und mächtig sein, heißt ungerecht sein: also so viele Reiche und Mächtige ihr unter euch zählt, so viele Ungerechte giebt es auch unter euch. Nur den Gerechten ist das Himmelreich versprochen.
      Wenn ihr Christen seid, so erinnert euch der Worte Christi, als die Erfüllung aller Gebote dem Reichen ein Leichtes, aber das der Gütervertheilung ihm zu schwer war.
      Reich oder ungerecht sein heißt ferner: die Macht oder Mittel haben, mehr genießen zu können als man braucht, ohne dafür arbeiten zu müssen. Also müssen doch die Uebrigen für den Reichen arbeiten; das, was er verschwendet, müssen sie doch entbehren! Durch sie und für sie geschieht es, daß Millionen von euch mit Arbeiten beschäftigt werden, die euch gar nichts nützen; und doch wollen diese Millionen sich kleiden und nähren, und ihr müßt also für sie ebenfalls mit arbeiten, ohne daß sie euch durch ihre Arbeiten wesentlich nützlich sein könnten.
      So lange aber als es noch Menschen giebt die entbehren, sind alle Arbeiten, die nicht für die Existenz und die Wohlfahrt Aller nothwendig sind, unnütze Arbeiten. Was nützen alle mit so außerordentlichem Fleiß verarbeiteten Luxusartikel der Mehrheit, die sie doch nicht haben kann; aber die Menge der mit ihnen beschäftigten Arbeiter würde der Gesellschaft nützen, denn durch sie würde die nothwendigste Arbeit erleichtert werden, von welcher alle nothwendig haben um zu leben; denn Jeder will sich vor Witterung und Kälte schützen, sich kleiden und nähren. Nun rechnet noch die Unzahl von bezahlten Müßiggängern, und die welche in ihren Diensten stehen, um ihren Bequemlichkeiten zu frönen, so wie die Bajonettenheere, um ihre Ungerechtigkeit zu beschützen, und ihr müßt erstaunen über die ungeheure Zahl rüstiger Arme, welche der nützlichen Beschäftigung entzogen werden, und deren Arbeitstheil die Andern mit übernehmen müssen.
      Aber die Ungerechtigkeit dieser Feinde der Menschheit begnügt sich nicht damit, alle eure Geistes- und Körperkräfte zu ihrem alleinigen Vortheil zu verwenden, ihre Habsucht verweigert euch auch den gleichen Genuß der Lebensgüter; von welchen der größte und beste Theil, so wie sie es in ihrer künstlichen, betrügerischen, sogenannten bürgerlichen Ordnung eingerichtet haben, von ihnen für sich, oder für die welche für sie freiwillig oder gezwungen arbeiten, in Anspruch genommen wird. Darum hat man die besten Lebensbedürfnisse vertheuert, und euern Lohn so eingerichtet, daß ihr nur immer wenig von den schlechtem haben könnt. Man würde euch gar nichts mehr zukommen lassen, wenn ihr dann nicht sterben würdet; aber dann müßten sie arbeiten, und das ist ihnen unerträglich.
      Wird Fleisch oder anderes Nahrungsmittel in die Stadt gebracht, so nimmt euer Oberherr, heiße er nun Kaiser oder wie immer, für sich und die ihm dienen den besten Theil. Dann kommen die Andern mit Stücken Goldes und beweisen ihre Ansprüche auf das Uebrige; und wenn für euch nichts übrig bleibt, so könnt ihr euch den Mund mit trockenem Brod stopfen, wenn euch das noch vergönnt ist: denn sie lieben wohl ihre fetten Hunde, aber der hungrige Arbeiter macht ihnen keinen Kummer.
      Je ärmer der Arbeiter ist, für desto mehr Händler und Krämer muß er arbeiten, welche sich alle auf seine Unkosten zu bereichern suchen; nicht immer aus eigenem bösen Willen, sondern weil die ganze Gesellschaft nach dem Wuchersystem organisirt ist, und der Gerechte darin sein Brod betteln muß.
      Der Arbeiter kauft seine Bedürfnisse in geringer Quantität von den kleinem Krämern, und muß das Wenige daher immer theurer bezahlen, weil er nicht im Ganzen kaufen kann; denn die, von denen er kauft, und die sich mit dem Kleinhandel beschäftigen, wollen auch leben.
      Wenn der Arbeiter Credit braucht, muß er, wenn er ihn erhält, dem Wucherer fürchterliche Zinsen zahlen; wo hingegen der Reiche, wenn er zur Vergrößerung seines Betriebes Kapitalien aufnimmt, nur mäßige Zinsen entrichtet; und alle Zinsen und Abgaben drückt er wieder unter andern Namen auf die Schultern des Arbeiters.
      Wird in Folge des Wuchers eine Vertheuerung der Lebensmittel oder sonstiger Bedürfnisse herbeigeführt, so will weder der von den Gütern Abgaben Nehmende, noch der damit Handelnde, davon eine kleine Bürde übernehmen.
      Das ist wieder der Arbeiter, der die ganze Last auf seine Schultern nehmen muß, und wenn er der Last erliegt, so wird selten eines dieser steinernen Herzen ihm zu Hülfe eilen, um ihm seine Last zu erleichtern, und ihm würde selten geholfen werden, wenn nicht in der Brust seiner Leidensbrüder ein besseres Herz schlüge.
      Ihr fühlet alle den Druck der Lasten, unter denen ihr seufzt, aber viele von euch kennen keine Mittel dagegen. Die Einen, man nennt sie Meister, suchen sich durch die Verringerung des Lohnes ihrer Gesellen oder Arbeiter zu helfen; während diese Maaßregel ihnen selbst, so wie dem ganzen Handwerke schadet; denn der Preis der Arbeit sinkt herunter mit der Verkürzerung des Lohnes der Arbeiter, weil keine geregelte Taxe besteht, ihn aufrecht zu erhalten, und weil Jeder seiner Selbsthülfe überlassen ist.
      Wenn das Wild euren Feldern schadet, so ziehet ihr gegen dasselbe zu Felde, um euch und eurem Vieh die nöthige Nahrung zu erhalten; und keiner von euch wäre wohl so feige, lieber demselben die Nahrung zu verringern oder selber Mangel zu leiden. Warum wehrt ihr nicht auch dem Wilde, das in den Produkten eurer Arbeiten Verheerungen anrichtet?
      Ihr sucht immer die Ursache eurer Noth in eurer nächsten Umgebung, während sie in Pallästen, auf Thronen und weichen Teppichen ruht.
      Andere schieben die Schuld auf die ganz unschuldigen Maschinen, die ein Glück für die Menschheit sein werden, wenn sie einst wie eine große Familie in Gütergemeinschaft lebt; denn sie leihen der Menschheit die Kraft und Geschwindigkeit, welche ihre Natur nicht zu erreichen im Stande ist, und mit deren Hülfe soviele Arbeiten und Mühen erspart werden. Je mehr nun aber im jetzigen Zustande der Gesellschaft Maschinen erfunden werden, und je mehr man sie vervollkommnet, desto elender ist der Zustand der Mehrzahl der Menschheit, denn ohne Maschinen würden die Millionen müßiger, oder unnütz beschäftigter Hände, doch der Anstrengung aller übrigen nothwendig haben, um ihre Begierden sowie ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und man würde Keinen ohne Arbeit lassen, der nicht zum Faullenzer berechtigt wäre.
      Da man aber Maschinen hat, die mit geringer Beihülfe Unglaubliches leisten, so hat man die Menge der Arbeiter nicht mehr nöthig, der Wucher berechnet gleich, daß das, was jeder Nothwendiges braucht, in die Länge und Menge, ein Ungeheures beträgt; und statt dessen kann man wieder neue Kapitalien, d. h. neue Schwelger und Faullenzer-Privilegien zusammenschachern. So geschieht es in unserem jetzigen erbärmlichen Zustand, daß die Erfindung und Erbauung der Maschinen, welche die Bestimmung haben, die Arbeit des Arbeiters zu erleichtern, nur dazu haben dienen müssen, sein Elend zu vermehren, ohne seine Arbeit zu erleichtern; denn die Arbeitszeit des beschäftigten Arbeiters ist dieselbe geblieben, wo sie nicht verlängert worden ist. Und so lange dieser Zustand dauert, werden die ungerechten Menschen immer das, was der Arbeiter zur Verbesserung seiner Lage ersinnt und erfindet, zu ihren niederträchtigen selbstsüchtigen Zwecken benutzen. Dem Erfinder wird höchstens ein Fettbrocken unter die Nase geschoben, um den Eifer der Uebrigen nicht erkalten zu lassen, und das ist Alles.
      Ihr beklaget euch so oft, daß die Zeiten schlecht sind, untersuchet aber selten, warum sie es sind, und wenn ihr darüber Untersuchungen anstellt, so kommt ihr selten auf den rechten Grund. Der Fabrikarbeiter beklagt sich über die Maschinen, der Handwerker über Zunftgesetze, Gewerbsfreiheit, zu geringen Aufwand der Vornehmen; der Landmann über gute und schlechte Jahre, und Alle über Theurung der Lebensbedürfnisse; und wenige treffen den Nagel auf den Kopf.
      Die Ursache dieser immerwährenden schlechten Zeiten ist aber nur die ungleiche Vertheilung und Genießung der Güter, so wie die ungleich vertheilte Arbeit zur Hervorbringung derselben; und das Mittel, diese gräßliche Unordnung zu erhalten, ist das Geld.
      Wenn es von heute an kein Geld mehr gäbe, oder geben könnte, so würden Reiche und Arme bald genöthigt sein, unter einander in Gütergemeinschaft zu leben. Aber so lange es noch Geld gibt, nach der jetzigen Bedeutung des Worts, wird niemals die Welt frei werden. Wie viel Elend und Unglück hat nicht schon die Menschheit seit der Einführung desselben erlitten. Machet euch ein Verzeichniß aller Laster und Fehler der Menschheit, und ihr werdet einsehen, daß die Mehrzahl, und zwar die schrecklichsten, die öffentliche Wohlfahrt am meisten betrübenden, ohne dasselbe nicht vorhanden sein würden, und mit der Entfernung desselben und der Einführung der Gütergemeinschaft verschwänden. Proklamirt Freiheit und Gleichheit, stürzt Throne, Adel und Pfaffen, schafft die stehenden Heere ab, und besteuert die Reichen, wohl habet ihr dann viel erreicht, aber ihr habt das Glück der Menschheit dann noch nicht gegründet. Wenn unser Werk vollkommen sein soll, so dürfen wir hier nicht stillstehn. Unsere Pflicht ist es, den großen Augenblick zu benutzen, in welchem die Menschheit nach Hülfe ringt. Wenn denn der Kampfpreis Blut, Leben und Freiheit ist: so werden wir doch eher nach dem Vollkommnen streben, als nach dem Unvollkommnen, das gleiches Opfer kosten würde.
      Die durch die Ungleichheit der Stände herbeigeführte Sittenverderbniß trägt ebenfalls dazu bei, das Elend der Menschheit zu vermehren. Der Adel trägt die Nase höher als der Krämer, dieser dünkt sich mehr als der Handwerker, der direkte Steuer zahlende Meister glaubt mehr zu sein als der Arbeiter, den sie alle verachten, und so wieder Jeder in jedem Stande, der etwas mehr hat als der Andere. Selbst dem Arbeiter ist, wenn er ein neues Kleid angelegt hat, der andere Arbeiter, der das nicht hat, nicht anständig.
      Es ist sehr traurig, daß solche Fälle selbst unter euch Arbeiter vorkommen. Aber daran ist eure Unwissenheit und eure Feigheit schuld; denn wenn ihr wüßtet, daß ihr die nützlichsten Menschen des Erdbodens seid, so würdet ihr den Muth haben, auf die aufgeputzten Unterdrücker und Narren einen stolzen Blick zu werfen, anstatt ihr euch bemüht, es ihnen an Thorheiten gleich zu thun, und mehr auf diese als auf eure Gesundheit sehet.
      Einem Menschen, welcher der Kleiderpracht ergeben ist, würde es nicht wohl anstehen, Gütergemeinschaft zu predigen, ebenso wenig einem Schwelger oder Säufer, ausgenommen, wenn sie sich bekehren, dann können sie noch wie der Apostel Paulus, die besten Lehrer werden; wer aber von diesen Leidenschaften frei ist, und seinen unglücklichen Bruder Mangel leiden läßt, wenn er ihm helfen kann, auf dessen Bekehrung und Mitwirkung rechnet nicht, denn ihm fehlt die Liebe und was ist der Mensch ohne diese? — Ein tönendes Erz und eine klingende Schelle.
      Wenn ihr mäßig lebt, und gerne dem Dürftigen mittheilt, so werden eure Worte sein wie ein fruchtbarer Regen über ein dürres Land.
      Die Mäßigkeit ist die Erhalterin jeder guten Ordnung und die Grundbedingung der Gütergemeinschaft.
      Die Unmäßigkeit ist die Zerstörerin alles irdischen Glücks und die unversöhnlichste Feindin der Gütergemeinschaft.
      Der Zustand aber, in dem wir jetzt leben, ist der Zustand der ausschweifendsten Unmäßigkeit. Die Einen arbeiten wenig oder gar nichts, und schwelgen im Ueberfluß, während die andere größere Zahl unmäßig arbeitet, und dabei öfters gar noch darben muß.
      Die Gütergemeinschaft ist kein Schweiger- oder Faullenzer-Privilegium, aber sie ist das gemeinschaftliche Recht der Gesellschaft, unbesorgt in dauerndem Wohlstand leben zu können; und die Mehrzahl wird nie einen Versuch machen, dieses Recht zu zerstören, weil es ihr eigenes, das Recht der Mehrzahl ist.
      Ihr habet Wünsche, die ihr gerne erfüllt sehen möchtet; ihr trachtet bald nach diesem, bald nach jenem Gute, das entweder eurer Nothdurft abhilft, oder euren Wohlstand sichert. Ihr arbeitet und müht euch ab, um das zu erstreben, wonach ihr euch sehnt; und die Hoffnung und die Geduld verlassen euch niemals.
      Ihr saget: eure Wünsche verstoßen nicht gegen die Mäßigkeit, noch gegen das Recht Anderer. So bringt sie vor, ohne Rückhalt; die Gütergemeinschaft kann sie alle erfüllen. Sie theilt ihre Gaben nicht stiefmütterlich aus. Wer sich dereinst zu ihren Fahnen gesellt, der kann die Welt als sein Eigenthum betrachten.
      Nehmen wir an: ihr hättet im Zustande der gesellschaftlichen Gleichheit euer Tagewerk vollbracht, so hättet ihr dann nicht nöthig zu erwarten, was ihr dafür bekommt, sondern nur zu nehmen, was ihr braucht.
      Ihr wollet z.B. nach eurem Geschmack und Appetit speisen. — Das könnet ihr, denn es ist Ueberfluß an Allem.
      Ihr wollt in Gesellschaft mit Andern zu Bier oder Wein gehen. — Das könnt ihr täglich, ohne Geld nöthig zu haben.
      Ihr wollt mit eurer Familie einige Stunden von hier auf dem Lande zu Nacht speisen. — Ihr könnet hinaus und herein fahren; ihr braucht nicht mehr 8 Tage lang auf ein Paar traurige Erholungsstunden zu warten, alle Tage ist s Sonntag; alle Tage könnet ihr Theater und Bälle besuchen, wenn ihr wollet. Ist das nicht eben so gut, als wenn ihr jetzt alle Tage die Taschen voll Geld hättet, was ihr nicht habt? — Ihr seid große Liebhaber vom Reisen. — Gut, reiset! ihr könnet alle Tage nach der Arbeitszeit eine kleine Reise machen.
      Selbst wenn ihr zu Fuß reiset, könnet ihr die Woche leicht 30 Stunden machen, wogegen ihr auf Eisenbahnen wohl 300 Stunden machen könnet. Und welcher Geldmann könnte jetzt auf seinen Reisen mehr Vergnügen haben als ihr, die ihr überall Familientafel und Brudergruß fändet?
      Nun giebt es aber auch mitunter widernatürliche Fresser und Säufer, die sich unglücklich fühlen, wenn sie ihren Trieb nicht befriedigen können, was übrigens seltene Fälle sind. Diese, meist durch die Erziehung beförderten Fälle, werden aber aufhören, durch die Veredlung derselben. Ein altes Sprüchwort sagt: Es ist kein Fresser geboren, er wird erzogen: nämlich zum Vielfresser. Solche Ausnahmsfälle kann man übrigens unter .die Kategorie der Krankheiten rechnen, wenn man sie nicht als das Laster der Unmäßigkeit betrachten will, und für diese werden unsere künftigen Aerzte schon Mittel wissen.
      Die Arbeit wird keine Last mehr sein, die Kürze und Abwechslung werden sie zum Vergnügen umschaffen. Die Arbeitszeit der Einen ist Vormittags, die der Andern Nachmittags, und die wieder Anderer in der Nacht. So wählt euch aus und gesellt euch zu den Arbeitern eurer Profession, deren Arbeitsstunden euch die gelegensten sind. Der Bäcker braucht nicht die ganze Nacht zu backen, er kann die halbe Nacht schlafen und hat den andern Tag frei oder vielmehr jeden Tag. Das Oehl, die Lichter, den Gas, den wir jetzt Abends in Werkstätten verbrennen, können wir für Theater, Tanz- und Hörsäle, Lese- und Conzertversammlungen verwenden. Die Arbeit, die wir alle für unsere Existenz und Wohlstand bedürfen, erfordert nicht, daß wir unsere Gesundheit und Augenlicht bei dem kleinen Lämpchen verzehren, denn wir arbeiten nicht mehr für verschwenderische Faullenzer, sondern für uns; nicht blos für unsere Nothdurft, sondern auch für unseren Ueberfluß.
      Aber vielen leuchtet es nicht ein, welche große Annehmlichkeiten eine Lebenslage haben kann, in welcher man nicht erwerben, oder allein besitzen kann. Ihr könnet ja erwerben, es liegt nur an euch, es zu wollen. Bereichert euch mit Künsten und Wissenschaften, den wahren Gütern der fortschreitenden Menschheit, deren tausendfältige Interessen der Ruhm und die Ehre der Mit- und Nachwelt sind. Kennet ihr denn nicht mehr das Sprichwort: Sammelt euch nicht Schätze, die der Rost und die Motten fressen, denen die Diebe nachgraben und stehlen, und weiter: denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz (Matth. 6, 19. 21). Niemand kann zweien Herren dienen, ihr könnet nicht Gott dienen und dem Mammon (Matth. 6,24).
      Einige sind so weit gekommen, daß sie zugeben, dem Erwerb müssen Grenzen gesetzt werden, über die er nicht hinaus gehen kann, um mit dem Ueberschuß die nöthigen Staatsausgaben zu bestreiten. Aber dann hätten wir doch noch dieselbe Ungleichheit der Arbeit und des Genusses, und das sogenannte Arbeiten des Geldes, oder das Umsonstfressen, wäre dann noch immer der Krebsschaden der Gesellschaft.
      Nehmet es wohl in Acht: Jede gesellschaftliche Verbesserung, die man durch Kapitalien-Vertheilung bezweckt, und worin das Geld die Hauptrolle spielt, kann keine vollkommene sein. Solche Gütergleichheit würde, wie Lamennais sagt, wenn man sie Morgens herstellte, oft Abends nicht mehr existiren. *) Durch die Errichtung einer Nationalbank, welche jedem Arbeitsverständigen Credit giebt, ist der Arbeiter nur versichert, die Mittel zu bekommen, um arbeiten zu können, die Arbeit selbst muß er suchen. Aber wenn keine gleiche Arbeitsvertheilung statt findet, durch welche nur allein die Menge der von Jeden zu liefernden Arbeiten, oder vielmehr die Arbeitszeit bestimmt werden kann, wie ist es da möglich, daß Jeder versichert ist, immer welche zu finden? Die Gesellschaft wäre alsdann doch verpflichtet, ihm welche zu verschaffen, und zwar unter eben so vortheilhaften Bedingungen, wie er sie in der Gesellschaft suchte und nicht fand. Mit einem Worte, die Gesellschaft müßte außer der Nationalbank noch Nationalwerkstätten und Colonien gründen, in welchen alle arbeitslosen Arbeiter unter annehmlichen Bedingungen Beschäftigung fänden. Um diese Anstalten zu heben, wäre aber ein immerwährender Credit, d.h. Staatsverlust erforderlich; denn die verarbeiteten Gegenstände müßten verkauft werden, und um den Verkauf zu erleichtern, müßte man die Preise heruntersetzen. Dadurch würde aber der Credit der Nationalbank beeinträchtigt und zerstört werden, und mit ihm der Wohlstand aller nicht für die Nationalanstalten Arbeitenden. Das Zwittersystem der Nationalbank würde dann durch das immer steigende Bedürfniß der Vermehrung der Nationalanstalten, welches das Vorspiel der Gütergemeinschaft ist, unterdrückt. Es ist also klar, daß eine Regierung, die wirklich das Interesse des Arbeiters im Auge hat, dasselbe mit der Gründung einer Nationalbank allein nicht erreichen kann; und wenn sie das Wohl Aller nur mit Hülfe des Geldes bezwecken will, durchaus den oben angeführten Weg einschlagen muß. Aber wer bürgt uns dafür, daß nicht dieselbe, durch die, in Folge der Vermehrung der Nationalfabriken, Werkstätten und Colonien, entstehende Crisis gedrängt, um ihr Original-Beglückungssystem, die Nationalbank, nicht sinken zu lassen, nicht lieber vorzieht, den Lohn, der in und für die Staatsanstalten Arbeitenden zu verkürzen, und ihre Arbeitszeit zu verlängern. Das würde ihr nicht schwer werden, da die ganze Nationalbank-Philisterschaft sie hierbei unterstützen würde; denn die Interessen beider Arbeiter-Classen stehen sich fast schroff gegenüber. Alle, welche von der Nationalbank unterstützt wurden, und trotz erhaltenem Vorschuß ihr Auskommen nicht haben finden können, bilden also eine besondere Classe im Staat, deren Produkte der Arbeit mit den Produkten der Andern concurrirten. Diese hätten dann aber eben so wie jetzt die Aussicht, in Kurzem die Preise fast aller Artikel heruntergebracht zu sehen. Nun aber ist leicht anzunehmen, daß die ganze Wucher- und Krämerzunft der Regierung lauten Beifall zollen würde, wenn sie mit der Herabsetzung der Preise der Produkte auch den Lohn dieser vom Staat beschäftigten Arbeiter verringerte. Manche würden es gar für ungerecht halten, solchen vom Staat Beschäftigten die gleichen Rechte oder besondere Vortheile, wie sie es nennen, zu gewähren.
      Mißtrauen wir also den mittelst Kapitalien berechneten Reformen, so wie den Geldmännern; von beiden haben wir das Vollkommene nicht zu erwarten, wohl aber gestellte Fallen, vor denen sich die Guten nie genug in Acht nehmen können. Wenn wir die großen Geldhaufen kleiner machen, so haben wir in moralischer Beziehung mehr geschadet als genützt; denn wir haben dann einige Tausend mehr vom Wuchergeist angesteckt, dem unsere Generation nicht leicht widerstehen kann.
      Das Geld ist der Sündenbock der Menschheit, und wer seine Ideen von der gesellschaftlichen Reform nicht darüber hinausträgt, wird sich schwerlich von den Leidenschaften desselben aufrichtig frei sprechen können. Mit der Beibehaltung des Geldes, in der jetzigen Bedeutung des Worts, ist der ungleiche Genuß, so wie die ungleiche Vertheilung der Arbeit, untheilbar; Verschiedenheit der Stände, Mangel und Ueberfluß, mit ihren durch sie erzeugten Lastcrn, alles das bleibt dasselbe; und das wollen auch die Vertheidiger der Geldsysteme so, weil es ihnen doch gar zu behaglich ist, etwas mehr zu haben als ein anderer Bruder, und gar zu hart, ihnen zumuthen zu wollen, mit einem Handwerker oder Bauer gleichen Tisch zu führen.
      Ich sage euch aber: Jeder, der seiner größern Kenntnisse und Geschicklichkeit wegen auch mehr zu genießen, oder weniger zu arbeiten verlangt, als die Andern, ist Aristokrat.
      Glaubt Jemand geschickter und gelehrter zu sein als viele Andere, so hat er nur noch die Bescheidenheit hinzu zu fügen, es sich nicht merken zu lassen, und seine Talente werden unter seinen Mitmenschen Anerkennung finden.
      Die Achtung der Mit- und Nachwelt geht einem braven Manne über alle irdische Habe. Sie läßt sich weder erkaufen noch erzwingen, und wenn man Königreiche dafür feil böte.
      Hat Jemand besondere Vorzüge des Geistes, und seine Moralität entspricht den Sitten des Volkes, in dem er lebt, so wird die öffentliche Meinung nicht ermangeln, ihm seinen Platz in der Gesellschaft zu bezeichnen, auf welchen er ihr am meisten nützen kann und Gelegenheit hat, das ihm geschenkte Zutrauen zu rechtfertigen. Aber warum soll er darum unser Herr sein, warum ein besseres Leben führen als wir, das wäre dann immer noch die heutige Ungerechtigkeit und Ungleichheit.
      Wer den Genüssen lebt, wird durch die Genüsse, wer aber dem Geiste lebt, wird durch den Geist Belohnung finden.
      Was die Aufmunterung für den Fleiß und Fortschritt in Künsten und Wissenschaften anbetrifft, so wird nach Einführung der Gütergemeinschaft und Ersterbung des letzten Wuchersystems, darin Riesenhaftes geleistet werden, indem alsdann die Menschheit einen hohen Grad wissenschaftlicher Bildung erreicht, weil Jeder, ohne Unterschied, Zeit und Mittel besitzt, sich nach seinen Anlagen Kenntnisse zu erwerben, welche jetzt unter 100 Menschen 99 entbehren.
      Wenn sich die Gütergemeinschaft bisher unter den Christen kein dauerndes Reich gründen konnte, so hat das, wie immer, an der Verdorbenheit der Mächtigen und Priester gelegen. Bis ins dritte Jahrhundert nach Christo lebten seine Nachfolger als würdige Erben seiner Lehre in Gütergemeinschaft. Die Bedingung der Aufnahme in das Christenthum war der Verkauf der Güter des neu Aufzunehmenden und die Vertheilung derselben unter die Armen. Die Uebertreter dieses Gesetzes wurden schwer gestraft, und wir finden in der Bibel auf einen solchen Fall selbst die Todesstrafe (Vgl. Apostelgeschichte 5, 1-11).
      Nachdem man außer mehreren Großen auch einen Kaiser in die neue Lehre aufgenommen hatte, ohne daß man sie anhielt, die Bedingungen der Aufnahme zu erfüllen, war es um die christliche Gleichheit geschehen. Entsagung von Macht und Reichthum, Selbsterniedrigung und Aufopferung waren die Basis der Lehre Christi. Die Aufnahme des Kaiser Constantins in den christlichen Glauben, und die darauf von seiner Seite erfolgte Erhebung der Priester über die Gesellschaft, erschütterte dieselbe in ihren Grundfesten.
      Seit dieser Zeit lagerte sich eine schwarze Nacht über die reinen Prinzipien des Christenthums. Das Reich des Betruges und der Gewalt begann. Millionen verzuckten schon in ihren giftigen Krallen, und von der Finsterniß beschützt, würgen die Ungeheuer fort im Herzen der Völker. —
      Aber die Nacht beginnt sich zu lichten. Noch ein Sturm und die gequälten Völker werden sich zusammenschaaren, um die Ungeheuer von der Erde zu vertilgen.
      Wäre die Buchdruckerkunst früher erfunden worden, und die ersten Christen hätten alle lesen können, so wäre Constantin wohl schwerlich ein christlicher Kaiser geworden, denn es steht geschrieben: die weltlichen Fürsten herrschen und die Oberherrn haben Gewalt; aber so soll es unter euch nicht sein, sondern, wer der erste unter euch sein will, sei euer Diener, und wer der größte unter euch sein will, sei der Diener Aller (Matth. 20, 25-27).
      Aber die Priester aller christlichen Sekten suchen ihre Irrthümer ebenfalls aus den Bibelstellen zu rechtfertigen. Dazu kommt ihnen die Methode Christi, in Gleichnissen zu reden, so wie einige Verirrungen der Apostel in den wahren Prinzipien seiner Lehre, trefflich zu statten.
      Diese Gleichnisse bedürfen, so wie mehrere Bibelstellen, nach ihrer Meinung, der Auslegung, d.h. der Verdrehung und Verfälschung, um den Massen verständlich zu werden.
      Wenn es aber keine Reiche und keine Könige unter denselben gäbe, so hätten sie der Auslegung und Verdrehung nicht nothwendig, dann würden sie die Stelle wohl verstehen: So wenig ein Kameel durch ein Nadelöhr geht, so wenig kann ein Reicher das Reich Gottes erlangen. Jetzt aber bedarf es wohl mehr als des blinden Glaubens, um mit den Auslegungen der Verdorbenheit und des Betruges zufrieden zu sein.
      Richtet euch in allen Stücken nur streng nach der Lehre Christi, so werdet ihr allen Versuchungen widerstehen.
      Will man euch aus den gedruckten Briefen seiner Apostel an die damaligen Völker Stellen citiren, welche das Prinzip der gesellschaftlichen Gleichheit in Zweifel stellen, um euch in feiger Sclaverei und niederer Dienstbarkeit zu erhalten, so antwortet ihnen: daß Jeder fehlen könnte, selbst der Gerechte 7 mal 70 mal nach den bildlichen Reden Christi. Paulus wüthete gegen seine Bekenner, Thomas glaubte ihm nicht, Petrus verläugnete ihn und Judas verrieth ihn. Können diese sich nicht auch als irrende Menschen in der Aufsetzung ihrer Lehrbriefe entweder unwissentlich oder aus besonderer Rücksicht gegen die Prinzipien ihres Meisters verstoßen haben?
      Ihr habt Christi Gebot der Nächstenliebe, das ist der Probierstein, an welchem ihr die Echtheit aller andern erkennen könnet.
      Glaubet Denen nicht, welche sich bemühen, anders zu reden als sie handeln; sie sind entweder Schwächlinge oder Betrüger, und in beiden Fällen als Volkslehrer schädlich.
      Derjenige aber, welcher selbst sein Lebensglück opfert, um die Menschheit von Knechtschaft und Unterdrückung befreien zu helfen, welcher die Wahrheit lehret und das Recht, der an unserer Befreiung mitarbeitet, der das Volk aus seinem Todesschlaf rüttelt, es gegen seine Bedrücker unter die Waffen ruft und Glück und Unglück mit ihm theilt: der ist ein würdiger Priester des Volks. Die Religion, welche dieser euch lehrt, ist keine verfälschte; es ist die Religion der Gleichheit und christlicher Liebe.
      Solche Männer findet ihr aber wenig in den Kirchen und nie in Pallästen. Wenn das Elend der Knechtschaft eure Wimpern netzt und Rache kocht in eurer fühlenden Brust, hört ihr zuweilen ihre begeisternde Stimme. Die Gefängnisse sind Palläste, die man ihnen baut, und das Schaffot ihr Paradebett; aber Gott wird ihr Rächer sein!
 

      ZWEITES KAPITEL

Wenn ihr Glauben und Vertrauen in eure gerechte Sache habt, so habt ihr sie schon halb gewonnen; denn mit eurem Glauben könnt ihr Berge versetzen. Selig sind die nicht sehen und doch glauben. Doch nicht der blinde Glaube führt zum Ziel, sondern der aus der Ueberzeugung entstandene.
      Nun giebt es eine auf Christi Lehre und die Natur gegründete Ueberzeugung, nach welcher ohne die Verwirklichung folgender Grundsätze kein wahres Glück für die Menschheit möglich ist.

  1. Das Gesetz der Natur und christlichen Liebe, ist die Basis aller für die Gesellschaft zu machenden Gesetze.
  2. Allgemeine Vereinigung der ganzen Menschheit in einem großen Familienbunde, und Wegräumung aller engherzigen Begriffe von Nationalität und Sektenwesen.
  3. Allen gleiche Vertheilung der Arbeit und gleichen Genuß der Lebensgüter.
  4. Gleiche Erziehung, so wie gleiche Rechte und Pflichten beider Geschlechter nach den Naturgesetzen.
  5. Abschaffung alles Erbrechtes und Besitzthums des Einzelnen.
  6. Hervorgehung der leitenden Behörden aus den allgemeinen Wahlen. Verantwortlichkeit und Absetzbarkeit derselben.
  7. Kein Vorrecht derselben bei der gleichen Vertheilung der Lebensgüter, und Gleichstellung ihrer Amtspflicht mit der Arbeitszeit der Uebrigen.
  8. Jeder besitzt, außerhalb des Rechts Anderer, die größtmöglichste Freiheit seiner Handlungen und Reden.
  9. Allen Freiheit und Mittel der Ausübung und Vervollkommnung ihrer geistigen und physischen Anlagen.
  10. Der Verbrecher kann nur an seinem Rechte der Freiheit und Gleichheit gestraft werden; an seinem Leben nie, und an seiner Ehre nur durch Ausstossung und Verbannung aus der Gesellschaft auf Lebenszeit.

Diese Grundsätze lassen sich in wenig Worte zusammenfassen; sie heißen: liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
      Ohne diese Grundsätze und deren Verwirklichung ist kein wahres Heil für die Menschheit zu erwarten. Die Uebel, die seit Jahrtausenden derselben so viel Thränen ausgepreßt haben, werden nicht verschwinden, so lange deren Verwirklichung den Anstrengungen der Völker noch nicht gelungen ist.
      Die Massen der dürftig von ihrer Hände Arbeit Lebenden sind wohl unsern Fahnen gewiß, schon wegen der materiellen Vortheile, die wir ihnen bieten können, so wie aus Haß gegen die Reichen und Mächtigen, deren Uebermuth und Verschwendung ihnen ein Dorn im Auge sind.
      Aber es bedarf auch Apostel der neuen Lehre, welche die Massen über den wahren Zustand der Gütergemeinschaft aufklären, damit sie in denselben zur lebendigen Ueberzeugung werde, die allen Anlockungen und Versuchungen kräftig Stand hält, und sich durch kein unerwartetes Mißgeschick der guten Sache in ihrem Glauben wankend machen lassen.
      Es bedarf der vorherigen Aufklärung, damit nach Umsturz der alten Verfassungen, das Volk sich geschwind in der neuen Ordnung der Gesellschaft zurecht finden kann, und nicht in Anarchie versinke, oder einigen andern Tyrannen in die Hände falle.
      Es ist eine heilige Pflicht, seinen Mitmenschen den Weg zu bezeichnen, der zum Zielc führt, und vor Irrwcgen sie zu warnen. Wer eine große, vielbestrittene, und nirgends verwirklichte Wahrheit in seinen Busen verschließt, macht sich einer schweren Verantwortlichkeit schuldig.
      Alle große Wahrheiten, alle gute und vollkommene Gaben kommen von oben herab, vom Vater des Lichts.
      Nun wurde euch Volkslehrern schon vor 1800 Jahren gesagt: lasset euer Licht leuchten vor der Welt, und stellt es nicht unter einen Scheffel. Und doch brennt trotz dem Geiste des Fortschrittes noch so manches Licht unter dem Scheffel; wahrscheinlich um dem Zugwinde nicht ausgesetzt zu sein, der draussen in der Finsterniß wehet, und in behaglicher Ruhe unter dein Schutze des Scheffels ausglimmen zu können. Daher kommt es, daß der nach dem Licht strebende Wanderer sich so oft an die Scheffel stößt.
      Der Ausspruch der Wahrheit ist den Menschenfeinden unerträglich, denn er bedroht ihre Macht und Existenz; und darum sind schon seit Menschengedenken von ihnen die fürchterlichsten Strafen ersonnen worden, und zum Theil mit in die heutige Civilisation übergegangen, um ihn zu verhindern.
      Unsere Gefängnisse, Zuchthäuser, Galeeren und Schafotte liefern die schauderhaftesten Beweise davon.
      Und immer neue Märtyrerschaaren drängen sich herzu, und die Martern wollen nicht enden, bis das Maaß der Schuld voll ist und über die Häupter der Uebelthäter ausgegossen wird.
      Dann leset ihnen die Stelle vor: mit dem Maaße damit ihr messet, wird euch wieder gemessen werden; aber richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.
      Glaubet nicht, daß ihr durch Vermittlung mit euern Feinden etwas ausrichten werdet. Euere Hoffnung liegt nur in euerem Schwerte. Jede Vermittlung zwischen euch und ihnen ist zu euerem Nachtheile berechnet. Ihr habt schon so oft davon die Erfahrung gemacht, es ist hohe Zeit, Nutzen daraus zu ziehen. Es ist eine traurige Erfahrung, daß sich die Wahrheit einen Weg durch Blut bahnen muß; darum sagt Christus:
      Ihr sollt nicht wähnen, daß ich gekommen sei, Frieden auf Erden zu senden; ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert (Matth. 10, 34).
      Die Männer der Arbeit und der Entbehrung, so wie jene, welche beides nicht fühlen, es aber mittelst Aufopferung von Hab und Gut den Andern zu erleichtern suchen, das sind die Männer, die mit unsern Fahnen ziehen, die in unsern Reihen kämpfen werden. Mißtrauet allen Andern, und hütet euch besonders, ihnen ein Amt anzuvertrauen.
      Oeffentliche Aemter, welche die gleiche Vertheilung der Arbeit und der Lebensgüter besorgen, kann man ohne Gefahr keinem Eigennützigen und überhaupt Niemanden anvertrauen, welcher nicht nach dem Gesetz der gesellschaftlichen Gleichheit handelt. Ihr könnt zur Pflegung euerer Gärten keine Böcke gebrauchen.
      Betrachtet aber auch Niemanden als eueren Feind, blos darum, weil er einer anderen Meinung ist als ihr, denn wir durchlaufen alle dieselbe Reihe von Irrthümern, ehe wir geläutert werden.
      Hütet euch darum, das anzugreifen, was Andern heilig ist; verschont es der guten Sache wegen, wenn es sonst nicht in euerer Feinde Hände zur Waffe gegen euch wird. Das Leben euerer gefangenen Feinde sei euch heilig und unverletzlich; desgleichen das Eigenthum Aller, die nicht gegen euch auftreten; denn das eingewurzelte Vorurtheil des Rechts des Besitzthums würde jede von euerer Seite erzwungene gewaltsame Herausgabe des Ueberflusses als eine Ungerechtigkeit ansehen, und ihr vermehrtet nur die Menge euerer Feinde.
      Lasset nur das gute und das böse Kraut zusammen wachsen bis zur Zeit der Ernte.
      Um die Möglichkeit und den Vortheil der Gütergemeinschaft ohne Geldsystem anschaulich zu machen, kann nachfolgender Plan einer Constitution der Gesellschaft dienen.
      Dieser Plan ist nur für Diejenigen zu beachten, welche, so wie ich, keine Gelgenheit hatten, einen Plan über die Gütergemeinschaft, wie es deren von Fourier und mehreren andern giebt, zu lesen. Es ist nicht gesagt, daß hier das vollkommenste Ideal der gesellschaftlichen Reform aufgestellt ist, sonst müßten wir annehmen, daß die Quelle des Wissens zu erschöpfen wäre. Jede Generation hat ebenso wie jedes Individuum ihren eigenen Begriff von Vollkommenheit. Der Mensch kann wohl sich ihr immer mehr nähern, aber nie in diesem Leben sie ganz erreichen.
      Die Vollkommenheit, das ist der allmächtige Gott; und streben sie zu erreichen, heißt ihm ähnlicher werden.
      Alle Pläne der gesellschaftlichen Reform, die bisher geschrieben worden sind, sind Beweismittel der Möglichkeit und Nothwendigkeit derselben; und je mehr Werke darüber geschrieben werden, desto mehr Beweise sprechen dafür zum Volke. Das beste Werk darüber werden wir aber wohl mit unserm Blute schreiben müssen.
      Die Wahl der Constitution gehört der Gesellschaft selbst, der Mehrheit ihrer Glieder an, und die Zeitbegebenheiten tragen gar viel zu denselben bei. Die Abweichungen in den verschiedenen Systemen der Gütergemeinschaft werden bei einstiger praktischer Anwendung zu demselben Ziele führen, nämlich zu einem allgemeinen Familienbunde der ganzen Menschheit; und sollte selbst die Ausführung dieser Vervollkommnung des gesellschaftlichen Zustandes noch auf bedeutende Hindernisse stoßen, so sei dieselbe doch das beständige Ziel unseres Strebens, und weder Ketten noch Tod soll uns in unserem Entschluß wankend machen; denn leben wir, so leben wir dem Herrn; und sterben wir, so sterben wir dem Herrn; wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.
 

      DRITTES KAPITEL

      Constitution des großen Familienbundes der Menschheit

Die zwei wesentlichen Bedingungen des menschlichen Lebens, des persönlichen so wie des gesellschaftlichen, sind Arbeit und Genuß; und das vollkommenste gesellschaftliche Zusammenleben besteht in der gleichen Vertheilung dieser beiden Bedingungen unter alle zur Gesellschaft gehörende, nach den Gesetzen der Natur und christlichen Liebe handelnde Glieder.
      Die gesellschaftliche Gleichheit, als das höchste Ideal und die festeste Basis irdischen Glückes und gottähnlicher Vollkommenheit, besteht nach den zwei wesentlichen Bedingungen des menschlichen Lebens, nämlich der Arbeit und des Genusses, in zwei Ordnungen, in welchen jedes einzelne Glied des großen Bundes, nach den Gesetzen der allgemeinen Gleichheit zu handeln verpflichtet ist. Die eine ist die Familienordnung, oder die Ordnung des Genusses; die andre die Geschäftsordnung.

      Die Familienordnung

      Sie besteht aus Familien unter der Aufsicht der Familienältesten.
      Ungefähr 1.000 Familien bilden einen Familienverein, und wählen eine Vereinsbehörde.
      10 Familienvereine bilden einen Familienkreis, und wählen gemeinschaftlich wie die ersten, oder auch durch Wahlen ihrer Vereinsbehörden, eine Kreisbehörde.
      Jede Kreisbehörde wählt einen Abgeordneten in den Congreß des großen Familienbundes; und dieser Congreß einen Senat, welcher die höchste gesetzgebende Behörde des großen Familienbundes ist.

      Die Geschäftsordnung

      Sie besteht aus dem Bauern-, Werk- und Lehrstande und der industriellen Armee.

      Der Bauernstand

      10 Bauern bilden einen Zug, und wählen als Aufseher und Leiter ihrer Arbeiter einen Zugführer. 10 Zugführer wählen einen
      Ackermann. Er ist der Geschäftsführer über 100, und hat die ihm angewiesene Arbeit unter die Zugführer gleich zu vertheilen, so wie über die treue und pünktliche Verrichtung derselben zu wachen. 10 Ackermänner wählen einen von ihnen in den
      Landwirthschaftsrath. Dieser wählt in jedem Zweige der Landwirthschaft, als Getreide-, Wein- und Hopfenbau; Obst-, Bienen- und Schafzucht u.dgl. einen Präsidenten in das Ministerium des großen Bundes.
      Dieses besteht aus den auf diese Art vorn Bauern-, Werk- und Lehrstande gewählten Präsidenten.

      Der Werkstand

      Zu dieser Classe gehören alle, welche sich mit Handwerken, Künsten, Maschinen und Fabrikarbeiten beschäftigen.
      Sie wählen, wie der Bauernstand, zu 10 ihren Geschäftsführer, zu 100 ihren Meister; und je 10 Meister ihren Werkvorstand.
      In einem Bezirk von 100 Werkvorständen besteht eine Meistercompagnie, welche aus Arbeitern gebildet ist, die eine dem Wohle des ganzen nützende Erfindung gemacht haben. Die Meistercompagnien wählen im Verein mit je 100 Werkvorständen ihres Bezirks einen Mann in den Gewerbsausschuß, welcher dasselbe für den Werkstand, was der Landwirthschaftsrath für den Bauernstand ist; und dieser Gewerbsausschuß von jedem besonderen Geschäfte einen Präsidenten in das Ministerium des großen Bundes.
      Jeder Mensch gehört durch die in den Erziehungsanstalten empfangenen Vorkenntnisse diesen beiden Ständen zugleich an, in welchen er nach seinen Neigungen in den verschiedenen Zweigen arbeitet. Darum kann es sich treffen, daß Jemand, der in einem Gewerbe Werkvorstand ist, zur Erntezeit, oder wenn es sonst nothwendig ist, bei der Feldarbeit als einfacher Arbeiter mitarbeitet.
      Jeder kann sich nach seinem Belieben einem oder mehreren Geschäften zugleich widmen. Zu dem Ende werden die Arbeiten alle 2 Stunden abgewechselt.

      Der Lehrstand

      Ihm ist die Besetzung aller, ein mehrjähriges Studium erforderlichen Stellen in den 3 Zweigen der Geschäftsordnung anvertraut.
      Zu diesem Zwecke hat jeder Familienvercin eine Erziehungsanstalt; jeder Familienkreis außer mehreren Kunst- und Gewerbeschulen eine hohe Schule, und je 10 Familienkreise oder je eine Million Menschen eine Universität.
      Die Professoren des großen Familienbundes wählen von jeder Fakultät einen Präsidenten in das Ministerium.
      Außer diesen wählt noch jede Universität, nämlich die Studirenden derselben, welche einen großen Grad von Gelehrsamkeit erreicht haben, 10 ihrer Mitglieder in den Gelehrtenausschuß.
      Dieser bleibt wie der Landwirthschaftsrath und der Gewerbsausschuß bis zu den neuen Wahlen beisammen.
      Der Senat wählt aus dem Gelehrtenausschuß die Professoren, und besetzt mit ihnen alle durch den Lehrstand zu besetzenden wichtigen Stellen. Ebenso wählt er aus dem Landwirthschaftsrath seine Direktoren oder Aufseher von je einer Million Menschen, und aus dem Gewerbsausschuß die Vorsteher und Buchhalter großer Gewerbslager.
      Jeder aus dem Lehrfache ist verpflichtet, sich die Praktik irgend einer Handarbeit eigen zu machen, mit welchen er seine Arbeitszeit ausfüllt, wenn das Fach, das er bekleidet, dieselbe nicht ganz in Anspruch nimmt.
      Jeder ohne Unterschied kann nach seinen Neigungen an dem Unterricht Theil nehmen.
      Der Unterricht in den Universitäten und hohen Schulen wird nur ausgezeichneten Schülern als Arbeitszeit angerechnet.
 

      VIERTES KAPITEL

      Die industrielle Armee für die allgemeinen Bundesarbeiten

Alle gesunde und kräftige Menschen sind verpflichtet, darin 3 Jahre zu arbeiten.
      Die Arbeitszeit ist wie in den übrigen industriellen Zweigen, und die Dienstzeit ist von 15 bis 18 Jahren.
      Sie wählen ihre Aufseher bis zu 100; die Uebrigen, sowie die Leiter der verschiedenen zu verrichtenden Arbeiten, welche wissenschaftliche Kenntnisse erfordern, werden aus dem Lehrfache besetzt.
      Die Aufseher können nur aus Denen gewählt werden, welche nach ihrer Dienstzeit noch bei der Armee bleiben.
      Außer der Arbeitszeit sind ihnen alle mögliche Unterrichtsanstalten offen, weswegen sie auch angehalten sind, während der dreijährigen Dienstzeit sich noch die Kenntniß eines beliebigen Geschäftes anzueignen, oder sich in dem Geschäfte zu vervollkommnen, in welchem sie sich schon vor ihrer Dienstzeit, oder noch in den Schulanstalten übten.
      Jeder, der nach den verflossenen drei Jahren sich in keiner Sache Vorkenntniß erworben hat, ist verpflichtet, noch eine Zeitlang bei der Armee zu bleiben, kann aber dann als Aufseher gewählt werden.
      Die Armee zerfällt in verschiedene Corps, deren jedes seine besondere Arbeit übernimmt.
      Tritt bei irgend einem Corps Mangel an Freiwilligen ein, so entscheidet bei den vollzähligsten Corps das Loos, welche Glieder in die schwachen Corps abzugehen verpflichtet sind.
      Jedes Glied kann alle 6 Monate verlangen, zu einem andern Corps verlegt zu werden.
      Es giebt ein Ehrencorps, welches alle beschwerlichen Arbeiten freiwillig übernimmt. Wer darin ein Jahr freiwillig dient, ist der übrigen zwei Jahre entledigt.
      Das Stimmrecht oder die Mündigkeit tritt nach Verlauf der verpflichteten Dienstzeit ein.
      Bis dahin sind Alle ihren Obern pünktlichen Gehorsam, so wie früher ihren Eltern und Lehrern schuldig, was nämlich die Ausführung der zu liefernden Arbeiten betrifft.
      Die industrielle Armee ist militärisch organisirt und steht unter der unmittelbaren Leitung des Senats. Sie wird in den Gegenden, wo sie arbeitet, bei den Familien einquartirt, zu welchem Zwecke sich in jedem Hause Fremdenzimmer befinden.
      Ist ihre zu verrichtende Arbeit lange Zeit auf eine unbewohnte Gegend beschränkt, so errichtet sie daselbst für sich leichte Wohnungen.
      Sie ist verpflichtet, alle Geschäfte zu übernehmen, welche ihr vom Senat bezeichnet werden.
      Die vorzüglichsten Arbeiten, mit welchen sie sich beschäftigt, sind der Bergbau, die Errichtung von Eisenbahnen und Dämmen, der Bau von Kanälen, Straßen und Brücken, die Lichtung von Wäldern, die Trockenlegung von Sümpfen, die Urbarmachung bedeutender unfruchtbarer Strecken, der Transport der Wagen und Produkte, die Reinigung von Häfen, Straßen und Gebäuden, so wie die Colonisirung entfernter Länder.
      Von der Zeit an, wo die Jugend in solcher Arbeit erstarkt, hört die bleiche, fieberhafte und kränkelnde Generation auf, und ein neuer Menschenschlag, stark an Geist und Körper, wird aus ihr erstehen.
 

      FÜNFTES KAPITEL

      Der Senat und das Ministerium

Ersterer geht aus den Wahlen der Familienordnung hervor und ist die höchste gesetzgebende; letzteres geht aus den Wahlen der Geschäftsordnung hervor, und ist die höchste vollziehende Behörde des großen Familienbundes.
      Die Familienordnung bestimmt die Bedürfnisse Aller und die Geschäftsordnung die Mittel, erstere zu bestreiten.
      Was die Familienordnung oder die gleiche Vertheilung der Bedürfnisse Aller anbetrifft, so setzt der Senat über die zehn Familienkreise, also ungefähr über jede Million Menschen, zur Erleichterung der Verwaltung einen Direktor.
      Sie haben von allen in ihrem Bezirk gewonnenen Gütern, nach Abzug des Bedarfs für den Bezirk, den Ueberschuß dem Senat anzuzeigen, und dann genaue Rechenschaft abzulegen.
      Desgleichen über die gleiche Vertheilung der ihnen für den Bedarf ihres Bezirkes gelieferten rohen und verarbeiteten Produkte.
      Die Gesammtheit der Verzeichnisse aller Direktoren setzt den Senat in den Stand, die Quantität und Qualität der Bedürfnisse aller Glieder des großen Bundes genau zu kennen und zu berechnen. Hierauf werden die Verzeichnisse der für Alle zu liefernden Arbeiten dem Ministerium vom Senat übergeben, welches dieselben unter sich vertheilt, so daß Jeder die Classe von Arbeiten übernimmt, deren Präsident er ist; der Architekt die Bauten, der Tischler die Möbeln, der eine Oekonom den Weinbau, der andere den Getreidebau, der Chemist den Bergbau usw.
      Die Präsidenten vertheilen nun die Quantität und Qualität der zu liefernden Arbeiten unter die Amtmänner, Werkvorstände und Oberoffiziere der industriellen Armee; und diese wieder an ihre Wähler und so fort bis zum Einzelnen.
      Der Senat leitet alle Arbeiten durch die von jedem Geschäft hierzu Gewählten. Er sorgt für die zur Wohlfahrt Aller nöthigen Gegenstände, als Nahrung, Wohnung, Kleidung, Kunst und Wissenschaft, Bequemlichkeit und Vergnügungen und für Alle auf gleiche Weise.
      Die neuen Wahlen finden alle Jahre oder höchstens alle drei Jahre Statt, je nach der Größe des Bundesgebietes.
      Bei jeden neuen Wahlen wird nur immer ein Drittel vom Senat neu gewählt.
      Mit der Dienstzeit eines Drittels des Senats geht auch jedesmal die Dienstzeit eines Drittels des Congresses zu Ende.
      Die Stimmenmehrheit von zwei Dritteln entscheidet im Senat. Kann dieser diese Mehrheit nicht zusammenbringen, so entscheidet die absolute Mehrheit des Congresses.
      Wenn ein Glied das zweite Mal oder öfters in das Ministerium gewählt wird, so verdoppelt sich jedesmal die Dauer seiner neuen Dienstzeit.
      In der Geschäftsordnung ist das weibliche Geschlecht bei jeder Classe von Arbeiten, in denen es mitwirkt, wahlfähig und wählbar.
 

      SECHSTES KAPITEL

      Allgemeine Bestimmungen

Jede Familie hat eine geräumige Wohnung mit der vollständigsten Einrichtung und einen Garten.
      Die Sorge für Reinlichkeit und gute Ordnung in derselben ist die Pflicht jedes Familiengliedes. Der Hausvater oder Familienälteste hat über die Erfüllung dieser Pflichten zu wachen.
      Die Kinder können bis ins sechste Jahr in den Familien bleiben, von welcher Zeit an sie in die Schulanstalten abgehen.
      Die Familien halten mit einander gemeinschaftliche Küche. Die Köche erhalten den täglichen Bedarf aus den Magazinen des Vereines, diese den monatlichen aus denen des Kreises, und die Kreise erhalten die jährliche Zufuhr von den nicht in denselben hervorgebrachten, aber für dieselben nothwendigen Produkte vom Senat angewiesen.
      Der allgemeine Wohlstand, die Ergiebigkeit der Ernten, die Produkte des Climas, so wie der Geschmack der Bewohner bestimmen die Wahl der Speisen, und den Ueberfluß der Tafel.
      Jeder Familienkreis hat außer den kleinen Familiengärten, welche jede Familie nach ihrem Geschmacke einrichtet, noch einen großen gemeinschaftlichen Garten, dessen Früchte für den Nachtisch der gemeinschaftlichen Tafel bestimmt sind.
      Jeder Durchreisende hat in dem Hause, bei der Familie, wo er einquartirt ist, gleiches Gastrecht.
      Wenn er sich, ohne eine Geschäftsreise für die Bundesverwaltung zu haben, über die allgemeine Arbeitszeit darin aufhält, so ist er verpflichtet, dieselbe mitzuhalten, oder sich dieselbe aus dem Commerzbuche streichen zu lassen.
      Dem Reisenden stehen alle möglichen Reisebequemlichkeiten zu Dienste. Geschäftsreisende, nämlich solche, die im Auftrag der Behörden reisen, haben den Vorzug auf die Fahrgelegenheiten.
      Die Pläne aller neuen Bauten, die auf Bequemlichkeit, Schönheit und Oekonomie berechnet sind, gehen vom Ministerium aus, und werden, nachdem sie vom Senat gebilligt sind, durch den Präsidenten der allgemeinen Bauten und dessen Wähler geleitet.
      Der Stoff zu den Kleidern und das Material zu den Bauten und Möbeln werden ebenfalls nach den Plänen des Ministeriums angefertigt und zugerichtet.
      Den Schnitt und die Formen derselben bestimmen die Vereinsbehörden mit Zuziehung der Werksvorstände von jedem Gewerbe.
      Die Arbeitszeit für die von den Vereinen bestimmten Formen der Möbeln und Kleider darf aber die dafür vom Ministerium taxirte nicht übersteigen, und muß, wenn dieses der Fall ist, durch Commerzstunden ausgeglichen werden.
 

      SIEBENTES KAPITEL

      Die Commerzstunden

Die gleiche Vertheilung der Arbeit und der Lebensgüter ist nicht allein im Stande, der Menschheit ein dauerndes Glück zu gewähren. Eine streng zugemessene einförmige Gleichheit würde ihm vorkommen, wie dem von der Reise abgematteten hungrigen Fremdling ein ungesalzenes Gericht, wonach er Anfangs begierig langt; das er aber von Tag zu Tag unschmackhafter findet, und ihm zuletzt davor ekelt.
      Der stets rege Geist des Menschen muß einen Spielraum haben, auf welchem er sich herumtummelt, damit ihn nicht die Langeweile überfällt.
      Wohl ist die strengste Gütergemeinschaft schon im Stande, dem menschlichen Geist, außer der sechsstündigen Arbeitszeit, hinreichende Beschäftigung und Unterhaltung zu gewähren, durch Unterricht in allen Wissenschaften, durch öffentliche Feste und Vergnügen; aber es giebt leidenschaftliche Menschen, die sich unglücklich fühlen würden, wenn sie nicht nach ihrem freien Willen und Gelüsten handeln könnten, öfters blos darum, um sich vor andern auszuzeichnen.
      Dem Einen fällt es ein, diesen oder jenen Tag nicht zu arbeiten. Einem Andern gefällt die Bundestracht und die Form der Bundesmöbeln nicht. Wieder einem andern fällt es ein, noch dieses oder jenes zu essen oder zu trinken, was nicht im allgemeinen Küchenzettel vorkommt. Der möchte gerne eine goldene Repetiruhr haben, aber nicht ohne Minutenzeiger; wieder ein anderer eine Stubenuhr, aber sie muß ihm beliebige Stücke spielen. Und so hat Jeder sein besonderes Verlangen, seine besonderen Gelüste; und das lüsterne Auge des Menschen hat ein weites Feld zu durchlaufen, ehe es sich an dem Anblick übersättigt; und diese Begierden werden immerfort vermehrt, durch die rastlose Thätigkeit des menschlichen Geistes.
      Diese Thätigkeit des menschlichen Geistes wird aber auch um so viel mehr Spielraum nöthig haben, als es gewiß ist, daß nach bestandener, in Frieden verlebter 20jähriger Gütergemeinschaft, die für die Wohlfahrt und den Lebensgenuß Aller nothwendige Arbeitszeit von täglichen 5 Stunden leicht auf 3 heruntergebracht werden kann.
      Darum muß das Prinzip der gesellschaftlichen Gleichheit mit dem Prinzipe der persönlichen Freiheit innig verschmolzen werden. Wohl werden dadurch unsere jetzt schon bekannten vielen Bedürfnisse noch vermehrt werden, aber diese Vermehrung ist für die Gesellschaft keine Last mehr, und kann nur den Personen zur Last werden, welche von diesen unnöthigen Bedürfnissen Gebrauch machen.
      Die richtige Bestimmung der Ausdehnung der persönlichen Freiheit, innerhalb der Grenzen der gesellschaftlichen Gleichheit werden den künftigen, in Gütergemeinschaft lebenden Generationen noch immer Stoff zu neuen, vollkommnern Gesetzen geben, bis die Menschheit dem höchsten, jetzt nicht denkbaren Ideal irdischer Vollkommenheit immer näher rückt, wo weder die Freiheit noch die Gleichheit eines von Menschen gemachten Gesetzes bedarf, und die Liebe und Eintracht ihr zur zweiten Natur geworden sind.
      Um also bei der Einrichtung der Gütergemeinschaft, den verschiedenen Neigungen der Menschen außerhalb der Grenzen der Rechte Anderer allen nur möglichen Spielraum für ihren natürlichen Freiheitstrieb zu lassen, muß es Jedem erlaubt sein, außer der allgemeinen bestimmten Arbeitszeit, noch freiwillige Arbeits- oder Commerzstunden zu machen.
      Diese Commerzstunden werden unter der Aufsicht der Alten, die nicht mehr arbeiten, gehalten.
      Jedes Glied der Gesellschaft führt ein Buch, in welches alle Commerzstunden eingetragen werden.
      Wenn ein Geschäft mit Arbeitern überfüllt ist, so wird es gesperrt, d.h. es werden in diesem Geschäfte keine freiwilligen Arbeits- oder Commerzstunden gemacht.
      Die Commerzstunden sind immer in den Geschäften offen zu lassen, die am dringendsten Arbeiter brauchen.
      Der industriellen Armee können in keinem Geschäfte die Commerzstunden gesperrt werden.
      Für die Arbeiten der industriellen Armee werden immer Commerzstunden angenommen. Da nun hierin Jeder ohne Vorkenntniß arbeiten kann, und dieselbe auch überall verbreitet ist, so benimmt die Sperrung eines Geschäfts Niemanden das Recht, Commerzstunden zu machen.
      Die Familienvereine oder Kreise, können für die Anfertigung der verschiedenen, nicht zum nothwendigen Gebrauch gehörenden, aber den verschiedenen Neigungen ihrer Mitglieder entsprechenden Artikel, Werkstätten oder Fabriken errichten. Die darin verfertigten Gegenstände werden in die Magazine und Ausstellungssäle des Bundes abgeliefert, und hier für Commerzstunden ausgegeben.
      Die Ausstellungssäle der in diesen Anstalten gelieferten Arbeiten stehen unter der Aufsicht der Alten, oder solcher Glieder, welche zu einer andern Arbeit unfähig sind.
      Alle darin verfertigten Gegenstände sind nach der Arbeitszeit berechnet.
      Wenn der zu diesen Artikeln nöthige Verbrauch von Material und rohen Produkten den allgemeinen Bedürfnissen nachtheilig wird, so steht dem Senat das Recht zu, dafür mehr Commerzstunden als Arbeitszeit anrechnen zu lassen.
      Die Arbeiter in den Commerzartikeln sind eben so organisirt, wie die von den übrigen Geschäften. Sie wählen in der Geschäftsordnung mit einer andern ähnlichen Geschäftsclasse, welche dasselbe Material verarbeitet, so lange sie nicht zahlreich genug sind, einen Präsidenten zu wählen.
      Will nun der Arbeiter außer seiner Nationalkleidung, noch dieses oder jenes Kleidungsstück, oder sonst einen Gegenstand haben, welcher kein Bedürfniß ist, so läßt er sich so viel von den gemachten Commerzstunden aus seinem Buche abschreiben, und in das große Buch des Ausstellungssaales eintragen, als dafür Arbeitszeit angerechnet ist. Auf diese Art wird also jede auf einen unnöthigen Gegenstand verwandte Arbeitszeit durch denjenigen, welcher davon Gebrauch macht, immer wieder eingebracht; die Gesellschaft verliert nichts dadurch, und das Individuum gewinnt; denn es braucht bei dem Austausch der Arbeitsstunden nur den Arbeiter zu vergüten, muß aber dabei nicht, wie heut zu Tage, den Wucher und den Müßiggang mästen.
      Der Werth aller Produkte wird nach der Arbeitszeit berechnet.
      Alle Arbeiten werden nur in den dazu errichteten Gebäuden, unter der Aufsicht der vom Geschäft gewählten Vertreter, sowie der von den Behörden eingesetzten Rechnungsführer, verfertigt. Bei kleinen Handarbeiten, deren Arbeitsdauer schon bekannt ist, sind hiervon Ausnahmen zu machen.
      Alle durch Commerzstunden erworbene Artikel werden nach dem Tode des Erwerbers in die Ausstellungssäle zurückgeliefert, und können wieder für Commerzstunden ausgegeben werden.
      Der auf diese Art entstehende Ueberschuß von Commerzstunden wird alle Jahre durch eine allgemeine Geschäftssperre ausgeglichen, welche so lange dauert, bis eine gleiche Zahl von Commerzstunden in den Arbeiten der industriellen Armee oder dem Bauernstande gemacht worden sind.
      Wenn die Arbeiten des Bauernstandes dringender sind, so fällt diese allgemeine Geschäftssperre jedesmal in die Erntezeit. Diese Maßregel soll dazu dienen, in der Geschäftsordnung immer das gehörige Gleichgewicht zu erhalten und den nützlichen und dringenden Geschäften immer eine hinreichende Zahl freiwilliger Arbeiter zu sichern.
      Alle Geldstücke, und überhaupt alles Gold und Silber, wird eingeschmolzen, um daraus Gegenstände für den allgemeinen Gebrauch zu verfertigen.
      Die Einschreibebücher der Commerzstunden werden die Ersatzmittel des Geldes sein.
      Um das Zusammenhäufen der Reichthümer zu verhindern, bedienten sich die Spartaner großer Eisenstücke, die zuvor in Essig abgekühlt wurden, um sie zu jeden andern Gebrauch zu verderben. Der Raum, den diese Stücke einnahmen, sollte die zu große Anhäufung derselben und die dadurch entstehende Ungleichheit verhindern.
      Seit dem das Papier und die Buchdruckerkunst erfunden wurde, hat die Menschheit kräftigere Mittel gefunden, den Wucher zu verhindern und die gesellschaftliche Gleichheit zu erhalten, möchte sie nur recht bald davon Gebrauch machen.
      Durch die Maßregel der Commerzstunden sind allen Lieblingsneigungen der Menschheit Thor und Thür geöffnet; selbst der Verbrauch der Luxusartikel wird sich eher vermehren als vermindern. Um aber zu verhindern, daß derselbe durch seine Ausschweifungen nicht den guten Sitten schade, steht den Behörden das Recht zu, die Commerzstunden zu verlängern oder zu verringern, je nachdem ihre Wirkung eine für die Wohlfahrt des Ganzen heilsame Richtung nimmt.
      Ein noch kräftigeres Mittel für diesen Zweck ist die Geschäftssperre.
 

      ACHTES KAPITEL

      Das Erfindungsprivilegium oder die Meistercompagnien

Die Meistercompagnien bestehen aus solchen Gliedern der Gesellschaft, die eine nützliche Erfindung oder Entdeckung gemacht haben.
      Sie haben in der Geschäftsordnung mit den über 1.000 Gewählten gleiches Stimmrecht.
      Sie sind während der Dauer ihres Privilegiums an keine bestimmte Arbeitszeit gebunden.
      Sie können Commerzstunden machen wie die Uebrigen, doch muß wenigstens der dritte Theil derselben im Unterricht bestehen, den sie in den Kunst- und Gewerbeschulen geben.
      Jedes Geschäft hat wo möglich eine oder mehrere Meistercompagnien, welche den Nutzen, der in selbigem Geschäft gemachten neuen Erfindung oder Entdeckung prüfen, und die Dauer des Privilegiums bestimmen.
      Die Folgen dieses durch die Gesellschaft in die Gesellschaft gestreuten Privilegiums werden der Fortschritt derselben in wissenschaftlicher und industrieller Bildung und mithin die Wohlfahrt und das Glück Aller sein; denn die Vermehrung und Vervollkommnung der Kenntnisse ist die Alles belebende Seele der Gesellschaft, ohne welche für dieselbe keine Wohlfahrt möglich ist.
      Der allgemeine Nutzen ist die Bedingung dieses Privilegiums. Derjenige, welcher der Gesellschaft schon Beweise von der Ueberlegenheit und nützlichen Anwendung seiner Geisteskräfte gegeben hat, kann derselben der wichtigen Dienste noch mehr leisten, und darum ist es im Interesse dieser, ihm völlige Freiheit seiner Zeitverwendung zu lassen.
      Vermöge seines natürlichen Freiheitstriebes strebt der Mensch nach größtmöglichster Unbeschränktheit, und dieses Streben wird der Sporn seiner kühnsten Handlungen, und seine geistige und physische Gewalt wird der Ausdruck dieses Strebens.
      Alle rohe Kraft kann aber der Gesellschaft nützlich oder schädlich werden, je nachdem man derselben eine gute oder schlechte Richtung gibt.
      In einer fehlerhaft gebauten Maschine kann die sie bewegende rohe Kraft im Kessel verschlossenen Dampfes allen dabei Arbeitenden gefährlich werden.
      Eben so der ungezügelte Freiheitstrieb des Menschen in einer schlecht organisirten Gesellschaft.
      In unsern schlecht organisirten Gesellschaften genießen die Reichen und Mächtigen auf Unkosten der Arbeiter einer wahrhaft ungezügelten Freiheit. Das Gesetz besteht für sie fast gar nicht. Für die Verbrechen, die sie begehen, haben sie ganz andere Namen erfunden, welche nach den Gesetzen, die sie gemacht haben, entweder nicht strafbar sind, oder doch mit einer kleinen Geldsumme getilgt werden können.
      Aber das ist für sie eigentlich keine Strafe; denn solchen Verlust wissen sie dem Arbeiter auf die eine oder die andere Art schon wieder aufzupacken.
      Wenn euch Reichen und Mächtigen der gemeine Dieb schon ein so verächtliches Wesen ist, glaubt ihr denn, daß das Volk auf die vornehmen Diebe mit weniger Verachtung sieht?
      Alles Gut, dessen ihr euch rühmt, habt ihr oder eure Vorfahren es nicht auf die eine oder die andere Weise dem Volke gestohlen? Die Contributionen und Steuern die ihr uns auferlegt, die Zinsen, die eure Kapitalien aufschwellen, die Bankerotte, die ihr macht, die falschen und kostspieligen Prozesse, die ihr uns aufhängt, sind das keine Diebereien? — Die Arbeiter, die ihr in den dumpfen Fabriken und Werkstätten vor den Jahren verblühen macht, sind das keine Morde, die ihr an der Gesellschaft verübt? — Eure Gefängnisse, Schafotte und Bajonettenheere, preligen sie nicht überall den Mord? —
      Die verächtlichsten Diebe sind die, welche den Armen bestehlen; und die verächtlichsten Mörder sind die, welche den Schwachen morden.
      Je mehr Jemand jetzt Macht und Geld hat, desto freier und unabhängiger ist er. Um dieses und durch dasselbe die größtmöglichste Unabhängigkeit zu erlangen, jagt man heute auf verschiedenen krummen Wegen, als: Handels- und Börsenspekulationen, Wucher, Verkäuflichkeit, Betrug u.dgl.
      In einer gut organisirten Gesellschaft sind diese, die Rechte des Andern verletzenden und die Gleichheit der Gesellschaft zerstörenden Schleichwege für alle gesperrt; und nur auf der Bahn der Talente steht es Jedem frei, seinem Unabhängigkeitstriebe die Zügel schießen zu lassen.
      Wer heute reich und mächtig ist hat nicht nöthig sich auf Erfindungen zu verlegen, sein Geld bringt ihm auf den krummen Wegen mehr ein. Auch ist der Unbemittelte, wenn er eine Entdeckung oder Erfindung gemacht hat, genöthigt, sich wegen Mangel der nöthigen Mittel zur Ausführung mit dem Geldmanne zu verständigen, welcher sich dann, ohne einen andern Antheil als den des dargeleihten Geldes zu haben, den größten Theil des Gewinns dafür ausbedingt.
      Der Arme hat wieder die Mittel nicht, seine Kenntnisse in dem Fache auszubilden, zu welchem er die meiste Neigung hat; und findet er sich auch in einem ihm angenehmen Geschäfte, so sind seine Geisteskräfte doch nicht immer in ihrer Fülle beisammen; Nahrungssorgen, Mühen und Elend gönnen ihm des Jahres kaum einige Ruhetage.
      Ganz anders ist dies im Zustande der Gütergemeinschaft; hier haben alle gleiche Erziehung und gleiche Freiheit und Mittel, ein beliebiges Geschäft zu wählen, und sich darin zu vervollkommnen: denn die Gesellschaft bietet Alles auf, um den Eifer für den Fortschritt stets rege zu erhalten.
      Dazu das Erfindungspnivilegium oder der Beweis besonderen Zutrauens der Gesellschaft zu dem Individuum, ihm in Folge des ihr freiwillig erwiesenen nützlichen Dienstes die Wahl seiner Zeitverwendung selbst überlassend.
      Der Zweck der freien Wahl zwischen Arbeit und Müßiggang, den dieses Privilegium ausspricht, ist, nicht letzterm zu frönen, sondern dem Privilegierten freien Spielraum zu lassen, um neue Produkte seines Scharfsinnes hervorzubringen. Hat er in der Zeit seines Privilegiums etwas Neues der Art geleistet, so wird ihm ein zweites ertheilt, wo nicht, so arbeitet er nach Verlauf desselben wieder in einem beliebigen Geschäfte.
 

      NEUNTES KAPITEL

      Richteramt und Besserungsanstalten

Das Richteramt kommt den Greisen von unbescholtenen Lebenswandel zu.
      Durch die Wahlen jedes Familienkreises werden 30 von ihnen als Gerichtsausschuß bestimmt. Unter diesen wählt nun der Kläger sowie der Verklagte jeder 6. Hierauf hat jeder von Beiden das Recht, 3 von den Gewählten seines Gegners auszuschließen. Die übrigen 6 entscheiden über die Schuld oder Nichtschuld des Verklagten.
      Die Oberoffiziere der industriellen Armee, die Eltern sowie die Lehrer in den Erziehungsanstalten, haben das Richteramt über ihre Untergebenen, die noch nicht das Alter der Stimmfähigkeit erreicht haben.
      Die Strafen bestehen in theilweiser oder gänzlicher Ausstoßung aus den Arbeiter- oder Familienzirkeln, welche durch das Verbrechen beleidigt worden sind. Ferner bestehen sie in theilweiser Ausschließung von der Theilnahme an den öffentlichen Festen und Belustigungen, Ausstreichungen aus dem Commerzbuche, dann in Fasttagen die in Entziehung der Fleischspeisen und geistigen Getränke bestehen, und endlich in Abgehung in die die Besserungsanstalten und Deportation in die Bergwerke und Colonien.
      Es gibt in der industriellen Armee ein Sühnungscorps; jedem Verbrecher steht die Wahl frei, seine Schuld darin abzubüßen.
 

      ZEHNTES KAPITEL

      Materielle Vortheile der Gütergemeinschaft

Die durch dieselbe zu bewirkende Oekonomie ist so beträchtlich, daß sie ans Wunderbare grenzt. Nehmen wir z.B. unmittelbar nach deren Einführung die Nothwendigkeit neuer Bauten an. Diese sollten so eingerichtet werden, daß es in Zukunft weder zu große Städte noch elende Dörfer gibt.
      Die Glieder jedes Familienvereines wohnen in 5 Gemeindegebäuden, welche so angebaut sind, daß sie ein Fünfeck bilden. In der Mitte des Fünfecks befindet sich das Vereinsgebäude. Dieses enthält die Wohnungen und die Geschäftszimmer der Behörden, die Erziehungsanstalt, die Vorrathsmagazine, das Post- und Transportgebäude, die Wohnungen für die Einquartirung der Reisenden und der industriellen Armee, die Volkshalle mit der Rednerbühne, das Schauspielhaus, die Sternwarte und den Telegraphen. In der Nähe befindet sich der gemeinschaftliche Vereinsgarten.
      Die Gemeindegebäude sind die Wohnungen aller übrigen Mitglieder des Familienvereines. Zu dem Ende hat jedes derselben eine Volkshalle, einen Ball- und Speisesaal, eine Bibliothek, einen Telegraphen, Kunst- und Gewerbeschulen, Vorrathsmagazine und Ausstellungssäle. Das Innere dieser Gebäude muß Bequemlichkeit, Schönheit und Oekonomie bieten. Zu dem Ende sind die innern Straßen dieser Gebäude mit Glasdecken zum Schutz gegen Regen und Wind versehen, und mit angebrachten Zugfenstern zur Abkühlung im Sommer. Ferner muß die Bauart derselben so eingerichtet sein, daß die innern Wohnungen derselben alle nach einer gleichen Temperatur geheizt werden können: desgleichen daß kein Waarentransport den innern Verkehr störe. Die Gemeindegebäude sind mit dem Vereinsgebäude durch Eisenbahnen verbunden. Wenn also jedes 5 Stunden von demselben entfernt wäre, so könnte doch der ganze Verein in einer halben Stunde beisammen sein.
      Heute sehen wir den Bauer oft seine Schuhe in die Hand nehmen, um sie nicht auf der Landstraße zu zerreißen, und der Handwerksbursche schleppt seinen Bündel mühsam in der Welt herum, wie die Schnecke ihr Haus, und doch mangelt es weder an Pferden und Wagen, noch an Schuhen.
      Solche Selbstschindereien werden wir nicht mehr nöthig haben. Die Feldarbeiter werden auf Wägen nach den zu bestellenden Aeckern hin und zurück geführt werden; und ihre Arbeiten können sie, vor Regen und Sonnenbrand geschützt, unter tragbaren Zelten verrichten. Anstatt der 300 Feuer, die jetzt 1.600 Menschen ungefähr nöthig haben, um ihre Küche zu bestellen, genügen dann 3. Dieselbe Ersparniß ist bei der Heizung und den Feuerarbeiten der Fall. Man verbraucht also jetzt 9 Mal mehr Brennmaterialien, als man in Gütergemeinschaft, nach Aufführung der neuen Bauten, nöthig hat.
      Anstatt daß jetzt 100 Milchweiber alle Tage 100 halbe Tage in der Stadt verlieren, genügt eine mit einem Milchwagen. Dieselben unnöthigen Mühen und denselben unnützen Zeitverlust haben die vielen Land-, leute, die an Markttagen mit vollbepackten Rücken in die Stadt ziehen; sowie die vielen kleinen Krämer und Tütenmacher, die den ganzen Tag die Wagschale der Gerechtigkeit in der Hand haben. Von diesen allen könnte der zehnte Theil mit geringerer Mühe der Gesellschaft dieselben Dienste leisten, ohne daß dieselbe der Gefahr des Betruges und der Verfälschung ausgesetzt wäre.
      Der Mangel keines Produktes wird in der einen Gegend gefühlt werden, wenn ihn die andere im Ueberfluß besitzt.
      Warum soll der, in dessen Gegend nur Kartoffeln wachsen, nicht auch sein Glas Wein trinken und der Weinbauer nicht auch ein Stück Fleisch essen? Der Raum der sie vielleicht von einander trennt, wird durch Eisenbahnen und Dampfwägen auf den zehnten Theil reducirt werden. Jede Frucht wird man in den Boden und Klimat pflanzen, das ihr am zuträglichsten ist. Wo das Getreide gut geht, hat man dann nicht mehr nöthig Kartoffeln, Tabak oder Rüben zu pflanzen; und in einer Weingegend keine Getreidearten. Man wird auch nicht mehr nöthig haben, aus Aeckern künstliche Wiesen und aus Wiesen Acker zu machen. In Gegenden vortrefflicher Weide braucht man die Viehzucht nicht zu vermindern, um Acker für die zum Unterhalt der Bewohner nöthigen Feldfrüchte zu haben. Nun erwäge man noch die Ersparung von Pferden, die aus der Zerstörung des Alleinbesitzes und der Auflösung der stehenden Heere hervorgeht, noch mehr aber durch die alsdann allgemeine Verbreitung der Eisenbahnen; ferner die Wegräumung aller unnöthigen Grenzen, Zäune, Mauern und Gräben; die Theilnahme Aller an dem Ackerbau; den Frohsinn, die Munterkeit und Kraft, die mit Allen zur Arbeit geht; sowie die Liebe die einer für den andern hat, denn Niemand braucht mehr für sich zu sorgen. Die gefürchtete Sorge und der giftige Brodneid werden in den Herzen der Menschen keine Nahrung mehr finden; denn wessen Wohlstand könnten sie beneiden, als den ihrigen, und um was sich besorgen, um das nicht alle Anderen besorgt sind? Sie sind dann nicht mehr die Sclaven von heute; die Arbeit macht sie keinen Tag zu müde und die reichliche gesunde Nahrung ersetzt ihnen reichlich ihre verlorenen Kräfte.
      Diese und andere Vortheile sind so einleuchtend, daß man annehmen kann, daß eine dreifache Produktenvermehrung schon im fünften Jahre der Gütergemeinschaft Statt findet.
      Da nun aber unser Mangel nicht von der zu geringen Erzeugung der Bedürfnisse, sondern von der ungleichen Vertheilung derselben herrührt, so wird uns nach Einführung der Gütergemeinschaft eine dreifache Produktenvermehrung einen ungeheuren Ueberfluß gewähren. Wo aber Ueberfluß ist, braucht man sich keinen Abbruch zu thun, und die Gesellschaft hat, um die allgemeine Wohlfahrt und die Freuden der Tafel nicht zu stören, nur die Unmäßigkeit als Verbrechen zu erklären.
      In den ersten 14 Tagen eingeführter Gütergemeinschaft wird freilich die Unmäßigkeit manche Verheerungen an unsern Vorräthen anrichten; aber wenn die verhungerte Generation erst satt ist, hört das von selbst auf. Der Mensch ist nur begierig auf das, was zu erlangen man ihm erschwert.
      Füllt ihm alle Tage seine Tafeln, und die Unmäßigkeit wird in dem Grade abnehmen, als sie in unserer jetzigen verdorbenen Gesellschaft mit dem Hunger zunimmt.
      Nur außerordentliche Fälle, die in den ersten Jahren der Gütergemeinschaft eintreten können, und woran unsere Feinde die Ursache sind, können die Maßregel einer genauen Zumessung der Bedürfnisse entschuldigen, wenn nämlich der Krieg mit unseren Feinden ein allgemeines Aufgebot erfordert und viele unserer Magazine verbrannt oder geplündert sind. In diesem Falle müssen wir die größten Opfer bringen; dann können die Bundesglieder nur das unter sich theilen, was nach Abzug der Bedürfnisse der Armee übrig bleibt; denn unsere Krieger dürfen keinen Mangel leiden. Haben die Uebrigen dann Entbehrungen zu leiden, so entbehren sie mitsammen; denn Alles was man mitsammen erträgt, fällt keinem zu schwer; wir haben dann wenigstens das Aergerniß nicht mehr, Andern das Fett vom Maule fließen und in seinen Schränken Dutzende von Anzügen zu sehen, während wir darben und frieren.
      Und wenn in einem Bezirk von 1.000.000 Einwohnern dann 200.000 die Waffen für die Gleichheit ergreifen, so werden die Andern mit Freuden, außer der für Alle festgesetzten Arbeitszeit von 6 Stunden, auf die Dauer des Krieges, noch täglich 3 Stunden mehr übernehmen, damit die für Alle nothwendige Produktion keine Stunde Arbeitszeit verliere.
      Sie leben dann, ungeachtet dieser außerordentlichen Opfer, in physischer und moralischer Beziehung, noch immer glücklicher als die große Mehrzahl in unserer jetzigen Civilisation.
      Aus diesen Beweisen der Möglichkeit und Nothwendigkeit der Gütergemeinschaft ergibt sich zugleich der überwiegende Vortheil derselben im Kriege. Keine andere Verfassung ist im Stande solche Anstrengungen zu machen und solche Opfer zu bringen, als gerade diese. Ein kleiner Landstrich, mit nur 3 oder 4 Millionen Einwohner, könnte es im Nothfalle mit allen Volksfeinden Europas zugleich aufnehmen und nur siegreich aus dem Kampfe gehen; denn mit jedem Schritte den der Feind vorwärts macht, verdoppelt es seinen Muth und seine Anstrengungen; und mit jedem Schritte den er rückwärts macht, befreiet es seine Brüder, und verstärkt seine Mittel zum Kampf.
 

      ELFTES KAPITEL

Wenn diese Ideen in Ausführung kommen, wird man überall nur den Bruder und die Schwester finden, und nirgends den Feind. Die dritte Generation der in Gütergemeinschaft lebenden Menschheit wird eine Sprache sprechen und gleich in Sitten und wissenschaftlicher Bildung sein.
      Der Handwerker und der Bauer werden zugleich Gelehrte, und der Gelehrte Handwerker und Bauer sein.
      Man wird nicht nur seinen Geburtsort kennen, sondern man wird alle Zonen und Welttheile bereisen, und überall in seiner Heimath sein.
      Die erste Generation wird eine von den schon bekannten todten Sprachen, oder eine von ihr selbst erfundene neue Sprache, als Weltsprache in allen ihren Erziehungsanstalten neben der Volkssprache lehren lassen. Die zweite Generation wird diese Weltsprache in allen Geschäfts- und Familienverbindungen einführen; und die dritte alle Nationalsprachen verschwinden machen, durch die Aufnahme der Kinder in die Erziehungsanstalten, von ihrer Geburt an; und dann wird ein Hirt und eine Heerde sein.
      Was heute der vielen Vorurtheile halber schwierig ist, das ist bei der zweiten, in Gütergemeinschaft lebenden Generation leicht, und die dritte verlangt es aus Nothwendigkeit.
      Bei der Einführung der Schutzblattern, widerstrebten die meisten Eltern derselben, aus Besorgniß ihren Kindern zu schaden, und schenkten ihr keinen Glauben. Heute würden sie dem Verbote der Einimpfung eben so entgegen sein, wie damals der Einführung derselben.
      Denket euch einen Mann, der zu den Zeiten Kaiser Augusts das Schießpulver und die Magnetnadel erfunden, und durch vorherige mehrjährige Prüfung sich von deren Wirkungen überzeugt hätte. Derselbe würde sich ungefähr mit folgenden Worten an dessen Minister gewendet haben:
      Mit dieser Kleinigkeit kann ich die Kriegskunst Alexanders und Cäsars ändern; ich kann damit Burgen in die Luft sprengen; in der Entfernung von einer Stunde die Städte zerschmettern; in eine Minute die Stadt Rom in einen Haufen Trümmer verwandeln; auf 3.000 Schritte weit eure Legionen vernichten; den schwächsten Soldaten dem stärksten gleich machen, und den Blitz in meiner Hosentasche tragen.
      Endlich kann ich mittelst dem in dieser kleinen Schachtel enthaltenen Instrument in der Dunkelheit den Stürmen und Klippen widerstehen; ein Schiff bei Nacht so sicher führen wie am hellen Tage; und es überall, ohne Erde und Himmel zu sehen, nach den Weltgegenden richten.
      Nach dieser Rede hätten die hohen Personen des damaligen Roms, als Mecene und Agrippa, den Erfinder für einen Träumer gehalten; und doch hätte er nichts als sehr mögliche Wirkungen versprochen; welche heute zu Tage schon den Kindern bekannt sind.
      Jede neue Erfindung, jede tiefdurchdachte Wahrheit finden heute dieselben Schwierigkeiten, und denselben Widerspruch, weil ihnen zu viele besondere Interessen und Vorurtheile entgegenstehen; aber am Ende dringen sie doch durch die Finsterniß, denn sie sind Kinder des Lichts.
      Grabet also muthig fort bis zu den Brunnen, der den köstlichen Quell verschließt, an welchen sich die künftigen Generationen erquicken werden.
      Wenn euch der erste Sieg gelungen ist, und ihr die alten morschen Bänder der Herrschsucht, der Tyrannei und des Eigennutzes zertrümmert habet, so gebet wohl acht auf die Wahl eurer neuen Verfassung.
      Sie gleiche nicht einer ausgebesserten Landstraße, deren Vertiefungen mit Sand und Steinen ausgefüllt sind, und auf welcher man zu Pferd, zu Fuß und zu Wagen reiset.
      Hier weichen die Wagen so gerne den steinigten Stellen aus, und befahren den ebenen Pfad der Fußgänger. Diese sehen sich dann oft genöthigt, den rauhen steinigten Pfad zu betreten, wenn sie nicht in dem aufgewühlten Koth steckenbleiben wollen.
      Die Gütergemeinschaft ist das Erlösungsmittel der Menschheit; sie schafft die Erde gleichsam zu einem Paradiese um, indem sie die Pflichten in Rechte verwandelt, und eine Menge Verbrechen aus der Wurzel vertilgt. Die verabscheuten Worte: Raub, Mord, Geiz, Diebstahl, Bettelei, und viele ihres Gleichen, werden in den Sprachen der Nationen veralten; und nur die Bücher der Weltgeschichte werden noch ihre traurige Bedeutung erklären, vor welcher unser künftiges Geschlecht zurückschaudern wird.
      Welche Hoffnung haben wir aber für die Einführung derselben, und wie können wir dahin gelangen?
      Durch Klugheit, Muth und Nächstenliebe.
      Seid klug wie die Schlangen und sanft wie die Tauben; und fürchtet euch nicht vor denen die den Leib tödten.
      Die Nächstenliebe stellt uns Heere mit kräftigen Armen.
      Die Klugheit entwindet unsern Feinden die Waffen; und der Muth ergreift jede Gelegenheit ihn damit zu bekämpfen.
      Wer den Muth hat, seinen Bedrückern die Steuern zu verweigern und ihre Polizeiknechte und Gensdarmen zum Hause hinaus zu werfen, hat so viel rühmliches gethan, als der, welcher einen Tyrannen niederschlägt. Wer aber um sein Leben zu fristen, für das Blut- und Thränengeld der Tyrannen, Schaffotte und Gefängnisse für seine Brüder errichtet, und die Hände müßig in den Schooß legt, wenn die Würger ihre Beute suchen, oder gar den fortgeschleppten Opfern gleichgültig nachsieht, der ist verächtlicher als ein Polizeiknecht und elender als der erbärmlichste Sklave. Die Namen dieser Feiglinge sollen aus der Menschheit verschwinden, denn sie sind nicht werth, daß ihre Kinder ihr Andenken ehren.
      An Klugheit und List sind uns unsere Feinde immer zuvor gewesen, und darum haben auch unserem Muthe immer die rechten Waffen gefehlt, sie damit zu bekämpfen; aber von Nächstenliebe ist bei ihnen keine Spur zu finden. Ihre Armeen ergänzen sie durch Zwang, und diese wären gerne schon in unsern Reihen.
      Gebet Beweise eures Muthes und eurer Entschlossenheit, den Kampf für eure Ueberzeugung zu bestehen. Schreibt auf eure Fahnen: wir wollen keine Armuth und keine Unterdrückung mehr! Wählt eure Anführer selber, und sehet dabei nicht auf die Reichen und Mächtigen. Euer General habe nicht mehr Recht auf den Genuß der Lebensgüter, als der jüngste Freiwillige. Er sei vor dem Feind euer Vater, und an der Tafel euer Bruder. Bedenket, daß die Schweiz einem Bauern ihre Freiheit verdankt. Der Tod verlangt von Allen seinen Tribut, und es ist besser, ihm für die Befreiung der Menschheit sein junges Leben in die eiserne Wagschaale zu werfen, als es dem Wucher und dem Uebermuth für ein Stückchen Brod in die Hände zu liefern, die sich von seinem Marke mästen, und es ausgesogen auf die Gasse werfen, unbekümmert um sein armes elendes Dasein.
      Heilig! dreimal heilig! seien der Mit- und Nachwelt die Namen der ersten Märtyrer, die unter dem Banner der Bruderliebe, die heimathliche Erde mit ihrem Blute tränken, und ihren unerschütterlichen Glauben mit ihrem Tod besiegeln.
      Auf dem Wahlplatze, wo sie gerungen, errichte die befreite Menschheit aus den zusammengeschmolzenen Bildsäulen und Kanonen der Tyrannen einen Piedestal; und auf der Plattform dieses überliefere der in eine Pyramide zusammengeschmolzene Mammon der erstaunten Nachwelt die Namen dieser Bekämpfer des Mammons und der rohen Gewalt.
      Und abermals dreimal heilig! die Namen derjenigen, die ausharren bis ans Ende. Ein gleiches Denkmal verkünde auf dem schönsten Punkte der Erde den künftigen Generationen ihren Ruhm.
      Und das werden die Heiligthümer der Menschheit sein.
      Aus allen Zonen werden sie strömen, um diese Heiligthümer zu sehen und ihren Eintrachtsbund vor denselben zu erneuen.
      Also lasset die Klugheit eure Führerin sein, der Muth euer Schild und Waffen, und die Nächstenliebe euer Losungswort; denn in diesen Zeichen werdet ihr siegen.
      Die Spartaner lebten 500 Jahre in Gütergemeinschaft.
      Ihnen fehlte es nicht an Klugheit und Muth, wohl aber an Nächstenliebe. Sie arbeiteten nicht, sondern zwangen die in den Kriegen gemachten und unter sich vertheilten Gefangenen für sie zu arbeiten. Sie kannten das Sprichwort nicht: wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen; und darum ging ihre Verfassung unter.
      Im sechzehnten Jahrhundert war der politische Horizont Deutschlands mit wichtigen Begebenheiten schwanger. Thomas Münzer, ein evangelischer Prediger in Sachsen, lehrte Gütergemeinschaft, vertrieb die Reichen aus den Städten und verschaffte sich großen Anhang. Aber es fehlte ihm an Muth. Als das Heer seiner Feinde gegen ihn anrückte, machte er seine 30.000 Mann, die er im Lager hatte, auf einen Regenbogen am Himmel aufmerksam; verkündete ihnen den Beistand der Engel, und verbot ihnen zu kämpfen. Sie wurden fast ohne Widerstand erschlagen.
      Der Schneider Johann von Leiden führte in derselben Zeit zu Münster in Westphalen ebenfalls die Gütergemeinschaft ein, vertrieb die Reichen aus der Stadt und ließ sich als König des Erdballs ausrufen. Nach einer Belagerung Münsters, seinen Feinden durch Verrath in die Hände gefallen, starb er einen grausamen, aber keinen Märtyrertod, denn er hatte die reine Lehre durch seinen Ehrgeiz entweiht.
      Diese Beispiele beweisen indeß, welchen elektrischen Zauber die Lehre der Gütergemeinschaft schon damals, trotz der Unvollkommenheit mit der man sie lehrte, auf die Massen ausübte.
      In demselben Jahrhundert wütheten in Schwaben, Franken und Oesterreich Heere aufrührischer Bauern, durch den Uebermuth der Priester und Großen aufgereizt, gegen ihre Tyrannen, deren Klöster, Schlösser und Burgen sie verbrannten.
      Wieder zur selbigen Zeit eiferte ein Priester in Sachsen gegen die Mißbräuche und Anmaßungen des Papstes und der Priester, sah aber nicht allein der Tyrannei der Großen durch die Finger, sondern munterte sie auf und unterstützte sie.
      Er gab den Fürsten den Rath, die aufrührerischen Bauern wie das Vieh zu erschlagen: und doch enthielten die 10 Artikel, für deren Gewährung diese kämpften, Billigkeiten und Rechte, welche heute Niemand bestreitet. Der Bauernkrieg wurde durch die Fürsten unterdrückt, aber die Reformation gelang unter dem Schutze derselben, und Deutschlands Einheit entschwand zu ihrem Vortheile. Wäre die Reformation mit dem Bauernkrieg Hand in Hand gegangen, und reine Volkssache geblieben, so wären wir der Tyrannei der Priester und der Großen mit einmal los geworden, und alle die Thränen und das Blut, das seither geflossen, hätte das Volk nicht zu bejammern. Wie lange wird es noch jammern? — In welchem Gau werden zuerst die Fahnen der deutschen Rächer wehen? — Aller Herzen schlagen ungeduldig den nächsten Ereignissen entgegen. —
      Die Reformation durchzuckte damals wie ein milder Lichtstrahl die finstere Welt. Das aus der Finsterniß auftaumelnde Volk blickte scheu um sich, um den Eingang des neuen Paradieses zu erspähen; aber es sah nur Schwerter und Kronen, deren blutiger Schimmer seine Augen schmerzte.
      Und seine Wimpern senkten sich wieder zu neuem Schlafe, ähnlich dem vorigen; nur ein matter Strahl des Evangeliums blieb in seiner hoffenden Seele zurück. Seitdem schleicht sich von Zeit zu Zeit die Zwietracht, bald von fremden bald von einheimischen Tyrannen geschickt, unter die Reihen der Schläfer; die Opfer aufrüttelnd, die sie zur Schlachtbank führen will. Armes betrogenes aber gutmüthiges Volk! — Schlafe fort bis dich die Trompeten und Sturmglocken zum jüngsten Gericht rufen. Dann kehre sie weg, die Männer von Wittenberg und Rom, die den Thronen und Geldsäcken, zum Hohn deiner Blöße, das Wort reden. Dann wird die Einheit die Standarte der Nächstenliebe in deinen Gauen aufpflanzen, deine Jünglinge werden mit ihr an der Welt Enden fliegen und die Welt wird sich in einen Garten und die Menschheit in eine Familie verwandeln.

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Vgl. F(élicité) Lamennais, Das Buch des Volkes, Biel 1838, S.63f.: „Selbst die Regsamkeit des geselligen Lebens setzt der Gleichheit des Besitzthums ein unüberwindliches Hinderniß entgegen. Würde sie des Morgens eingeführt, am Abend bestände sie nicht mehr; Sparsamkeit auf der einen, und Verschwendung auf der andern Seite, die mehr oder weniger kluge, mehr oder weniger thätige Betriebsamkeit, hätte sie schon aufgehoben.“ (Hg.)