BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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Der Mord an Genossen Dressel.

 

Am Sonntag, dem 7. Mai nachmittags, hörte ich auf einmal rufen: „Ja, wie kommt denn der zu dem Messer?“

Es war klar, daß etwas passiert ist. Um zu sehen oder zu erfahren, was geschehen ist, klopfte ich an die Tür und verlangte, austreten zu dürfen. Da ich mehrmals an die Tür pochen mußte, ahnte ich schon, daß sie mich nicht rauslassen wollen. Endlich kam ich heraus – Entsetzen! Ich zitterte an allen Gliedern. Vor der Tür des Genossen Dressel stand ein Verbandkasten. Als ich wieder aus dem Klosett kam, war der SS-Mann, der mir die Zelle aufgesperrt hatte, verschwunden. Diese Gelegenheit benützte ich und öffnete vorsichtig die nicht verschlossene Tür der Zelle 4. Es war leider wahr, was ich geahnt hatte: auf dem Steinboden eine große Blutlache. In der Zelle war schon ein Nürnberger Genosse damit beschäftigt, das Blut aufzuwischen. „Was ist da los?“ fragte ich den Genossen. Er antwortete: „Der Fritz hat sich aufgeschnitten.“ – „Wo ist er?“ – „Im Revier“, war die Antwort, „er lebt noch.“ Da ich immer noch allein war, verständigte ich durch den „Spion“ (das Guckloch) die Genossen Götz und Hirsch. „Das wird ja immer schlimmer“, meinte ich. Sepp Götz erwiderte: „Nein, das glaub ich nicht. Wirst sehen, es wird jetzt besser. Das ist ja schon der dritte, und so können sie doch nicht weitermachen.“ – „Ich glaub nicht daran, sie machen uns alle kaputt, sie haben dir wie mir gesagt, daß wir da nicht mehr lebendig herauskommen“, konnte ich noch sagen. Dann kam der SS-Mann wieder, der gar nicht mehr wußte, daß er mich rausgelassen hatte, und schloß mich in die Zelle. Ich war noch gar nicht lange in der Zelle, da hörte ich, daß sie Dressel auf Befehl des Kommandanten vom Revier entfernten und ... wieder in seine Zelle trugen.