BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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Der Totentanz.

 

Sonntag nachmittag (7. Mai) war sehr aufregend. Ich selbst merkte, daß mein Körper und meine Nerven in der Widerstandsfähigkeit nachließen. Inzwischen ist es wieder Nacht geworden. Eine sonderbare Ruhe war in der ganzen Baracke. Sie wirkte einerseits sehr wohltuend, andererseits aber dachte ich dauernd an Fritz Dressel. Was passiert nun? Wird er doch am Leben bleiben? Ich konnte es nicht glauben, daß er selbst Hand an sich gelegt hat.

Die Ruhe sollte bald unterbrochen werden, denn die „Wache Steinbrenner“ war nicht nur vollzählig in ihrem Zimmer, sie hatte auch noch Besuch, wie ich durch die von mir mit dem Messer ausgekratzte Spalte zwischen zwei Brettern meines vernagelten Fensters feststellen konnte.

Es waren zwei SA-„Sanitäter“. Ihre Aufgabe war, den Genossen Dressel zu „pflegen“. Den Genossen Dr. Katz, der am Nachmittag dem Genossen den ersten Verband angelegt hatte, ließ die Mörderbande nicht mehr zu Dressel in die Zelle.

Während ich so, auf der Kante der Holzpritsche sitzend, über das, was da noch alles kommen wird, nachdachte, zuckte ich plötzlich mit dem Körper, als hätte mir jemand einen Stich in den Rücken versetzt, ich sprang auf – die Bestien begannen in ihrem Zimmer zu musizieren. An den Tönen unterschied ich eine Zither, eine Gitarre und eine Harmonika.

Es war ein wahnsinniges Schreien, ein wildes Johlen. Sogenannte „Schnadahüpferl“-Lieder wurden gesungen, mit Musik begleitet. Daß sie auch dabei gesoffen haben, hat mich nicht mehr gewundert. Das gehört ja zum geselligen Beisammensein einer solchen Gesellschaft. Mein Gedanke war bloß: was wird Fritz machen? Wie muß ihm das weh tun, wenn er in seinem Zustand als „Abwechslung“ statt durch Schläge durch Musikinstrumente gefoltert wird.

Ich klopfe an die Wand. Rufe den Götz an: „Sepp, hörst sie?“

„Ja, ja, das ist der Totentanz“, gab er mir zurück.