BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Max Herrmann-Neiße

1886 - 1941

 

Die Laube der Seligen.

Eine komische Tragödie.

 

1919

 

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Abend. Promenadenweg an einem Fluß. Rechts eine Laube. In der Mitte der Promenade eine Bank. Aus der Ferne hin und wieder Hundegebell. Am andern Ufer des Flusses von Zeit zu Zeit der vorüberhuschende Lichtschein eines Wagens. Frau Emma Maruschke, eine dicke, etwa 35 Jahre alte Witwe kommt Arm in Arm mit ihrem Zimmerherrn, dem 23jährigen schlanken und blonden Schriftsteller Joseph Wurzel.

 

Hans Blankes Bühnenbild zu «Die Laube der Seligen» (1919)

 

Emma

Die gottverfluchten Mücken! ... Ich bin schon ganz kaputt! Meine Arme sind ein einziger roter Fleck ... und meine Beine erst! Da meinen's die Biester besonders gut! Komm bloß hier weg! Gehen wir etwas schneller!

Joseph

Ich bin wohl krank ... Ich kann nicht mehr.

Emma

Schon wieder! Und das will ein Mann sein! –

Joseph

Setzen wir uns doch etwas auf diese Bank.

Emma

Es ist gewiß schon elf!

Joseph

Kann sein!

Emma

Wir werden die Elektrische kaum noch erreichen.

Joseph

Bei Gott! Es riecht hier nach Leichen! ...

Emma

Was redest du für Unsinn, du bist wirklich nicht gesund.

Joseph

Es riecht hier nach Leichen ... ganz deutlich ...

Emma

Ein toter Hund ward vielleicht hier verscharrt.

Joseph

Weg von hier, weg, bloß weg! Die Angst, der Schreck ... ich bin wie erstarrt! Ich kann im Dunkeln nicht leben, in der Stille, im Schweigen, unter den gespenstischen Zweigen. Die Angst immer im Hals – Oh, das ist ein Ort des Grauns, eine Stätte des Schicksals ... Komm!

Emma

Aber beruhige dich doch, mein Josel, mein Lieber, du hast ja das Fieber! Erst willst du dich setzen, hier niederlassen, jetzt voller Entsetzen den Platz schnell verlassen. Ich bin doch bei dir!

Sie zieht ihn auf die Bank.

So! Leg deinen Arm um meine Hüften.

Joseph

Der Gestank von tausend Grüften liegt über mir, in mir ...

Emma

Das ist alles Quatsch! So! Leg deinen Kopf an meinen Busen, gib mir deine rechte Patschhand, und vor allem rauch eine Zigarre!

Joseph

Zigarre! Ich kann das Zeug nicht vertragen!

Emma

Damit wir die Mücken verjagen und den Geruch, der dich bedrückt, hier sind Streichhölzer!

Joseph zündet seufzend eine Zigarre an.

Ach, ich bin ja verrückt!

Emma

Siehst du, du wirst schon wieder vernünftig mein Schatz. Jetzt komm her und gib mir einen herzhaften Schmatz!

Joseph

Du tötest mich! Wenn du mich wenigstens wirklich zu Tode quältest! Was soll ich? Ich kann nichts mehr schaffen! Du machtest mich ganz zu deinem Affen! Dabei liebe ich dich gar nicht, ich kann dich nicht einmal leiden: Du riechst so nach Schweiß, du bist zu dick, zu heiß! Ich möchte dich so gern vermeiden! Du stinkst so nach gebratenem Fett, dein Hemde ist schmutzig, du bist so gewöhnlich! Wie oft schwor ich schon, von dir zu gehn – und doch lag ich jeden Morgen wieder bei dir im Bett – – –

Emma gibt ihm wütend ein paar Ohrfeigen.

Das sieht dir ähnlich! So ein Idiot, ein gemeiner Lump, er saugt mich aus, er lebt auf Pump, er verpraßt mein Geld, er tut nichts, hat nichts! Na, dir werd ich zeigen, wer Herr ist im Haus: Du fliegst raus!

Joseph apathisch

Meinswegen, schad't nichts!

Emma heulend

Erst tut man ihm alles Liebe und Gute, und nun man hat keinen Dank dafür! Alle Liebe verschmäht! Mit meinem Herzblute hätt ' ich dich genährt, alles hab ich dir gewährt ... grausam, so grausam!

Joseph

Heule nicht, du weißt, ich kann das nicht vertragen – Du kannst dich nicht beklagen, du nicht?

Man hört Schritte.

Still! Es kommt wer!

 

Franziskus mit Babette Gistel.

 

Babette

Wohin führst du mich?

Franziskus

In die Stille. Zur Laube der Seligen. Wo wir ungestört sind. Komm!

Er zieht sie in die Laube.

Babette

Da ist jemand drin ...

Franziskus

Der geniert nicht mehr!

Babette schreiend

Ein Erhenkter!

Franziskus hält sie fest

Bleib! Ein von der Schule des Lebens Geschwenkter, wie ich! Bloß daß er allein herkam und das Beste vergaß; während ich dich mitnahm zum Teufelsfraß!

Schaukelt den Leichnam hin und her.

Das ist das Leben: ein Purzeln, ein Schweben, ein schlotterndes Baumeln, zu Tode sich Taumeln, ein tolles Geschlenker, am Ende der Henker! Verruchtes Gegaukel die Liebesschaukel! Ein hopsender Schluß!

Stößt Babette gegen den Toten.

Gib doch dem auch einen Kuß! Hast ja so viele geküßt. – – –

Babette fällt mit einem Schrei in Ohnmacht.

Franziskus

Ha, so zart! War das zu viel schon, zu hart! Wach auf!

Er zwickt sie. Sie erwacht.

Babette zitternd

Was willst du?

Franziskus

Was ich haben muß! So hast du viele betört, sie um schmeichelt, verführt, bald zu Tränen gerührt, bald gehätschelt, bald verlacht und zum Narren gemacht. Hast dich gegeben, hast gelockt, hast dir nun selber die Giftsuppe eingebrockt! Nahmst ihnen die Kraft, alles umsonst verpafft! Gabst ihnen Küsse so viel, Griffe da und dort, und fast am Ziel schicktest du sie lachend fort, mit der Begier und dem Brand, dem ungestillten Feuer. Hohläugig sind wir, blaß, gelähmt und matt – aber ich hab es satt! Gib dich mir ganz! Ließest mich dich nackend sehn – wollte schier vergehn! – gesichert hinter verschlossener Glastür spreiztest du deine Beine – aber als du dann hervortratst, warst du wieder ganz die unnahbar Reine, zugeknöpft bis zum Hals und Reformhosen ebenfalls. Wie ich dich auch beschwor – – – Daß ich mich dann je nach Bedarf immer aufs Sofa warf und meine Jugend und Stärke an mir selber verlor!

Babette

Gab ich dir nicht genug, so viel ich konnte! Du weißt, daß ich einen andern heiraten muß, einen Reichen, keinen deinesgleichen. Ich muß an meine Eltern denken, was willst du dich darum kränken. Tat ich nicht soviel für dich, alles aus Liebe – – –

Franziskus

Du verdienst Hiebe! Du betrügst mich und uns alle und deinen Bräutigam auch. Du tatst soviel! Ah! ich war dir auch nur ein Spiel. Du weidest dich an meinen Leiden, du lachst über meine wankenden Kniee: du gehst über den grausamsten Heiden, du stehst tief unter dem Viehe! – Willst du nun oder nicht?

Babette schmeichelnd

Hier doch aber nicht. In der Nähe von Leichen. Wir wollen schnell nach Hause schleichen. In meinem kleinen Zimmer bei rosigem Ampelschimmer schenk ich mich dir ganz, du ungestümer, ungestümer Franz!

Franziskus

Nein, hier! Grade hier! Du wirst dich nicht wieder von mir stehlen, im Angesicht des Todes sollst du dich mir vermählen! Komm, schon zittern meine Hände, mach ein Ende! In meinen Armen – – –

Babette

Erbarmen! – Erbarmen! Ich kann ja heut nicht, sowieso nicht ... Nimm doch Vernunft an!

Franziskus stürzt auf sie zu, fällt mit ihr hin, ihn rührt der Schlag.

Babette

Franz – Franz! Wa.. was? Das ist ein schlechter Spaß! Kalt, ganz kalt! Heiliger Vater ich stehe in deiner Gewalt! Laß mich glücklich diesem Schrecknis entrinnen, bringe mich lebendig von hinnen! Bloß lebend nach Hause, geschwind, geschwind ...

Emma gerührt

Komm her du unglückliches Kind!

Babette erschreckend

Ich ...ä ... ich ...

Emma

Wir tun dir nichts zu Leide, ängste dich nicht!

Joseph

Oh! um mich häuft sich der Schmutz, berghoch! Ich ersticke! Freilich, du nimmst deinesgleichen in Schutz!

Emma

Halts Maul!

Babette hat die Situation erfaßt

Haben Sie Nachsicht mit mir! Ja wenn alles so wär, wie er gesagt, meiner Ehr!, ich wär eine ehrvergessene Magd! Aber der Ärmste litt ja an Hallizunationen, an Verfolgungswahn, eifersüchtig wie ein Barbar. Der Ärmste – er war! Mein Fränzel tot! (Weint.) Der Laute, Frohe, etwas Rohe, und doch so Traute, nun so stumm, so still! ...

Joseph

Krokodil!

Babette

Kein Krokodil! Du kennst mich nicht! Wenn ich ihn nicht liebte, wär ich nicht mit hierhergegangen. Wie hab ich an dem Mann gehangen! Trotz seiner Kapriolen und bizarren Launen – – –

Joseph

Der Teufel soll euch holen! ... Wer weiß? Wer kann in euch hinein? Verschlossene goldene Türen! Wer traut euren Schwüren? Wer kann auf eure Treue bauen, euch trauen? Wer? Fiel nicht jeder bisher hinein? Wer kann euch glauben? Kein Schwein! Erst gibt man euch alles, dann ewiger Dalles und einsam verreckt ...

Emma

Jetzt hat sich der auch angesteckt!

Babette

Du bist gewiß nur recht unglücklich ...

Emma

Verrückt ist er, Größenwahn! Dabei so ein Hasenfuß! Vielleicht ist er schon ganz naß vor Schreck! Und spielt sich plötzlich auf als Mann, der Geck! Du hattest ja so Angst, daß du nicht gestorben bist, wundert mich nur!

Joseph

Angst – wovor? Keine Spur! Jetzt nicht mehr! Alles fiel ja ab, alles Kleine! Nur dieses: das Verlogne, Gemeine, das heimtückisch Niedere, das Weibliche! –-

Emma

Und der Erhenkte?

Babette schnell

Es ist Max.

Joseph

Ha, du nennst ihn, du kennst ihn, wie? Vielleicht deinetwegen, auch deinetwegen ...

Babette

Fränzels wegen! Sein bester Freund! Er war auch in mich verschossen; da Franz meine Liebe genossen, ging er in die Lasterhöhlen, in die Spelunken, hat aus vergiftetem Becher getrunken. Dann verseucht bis auf die Knochen kam er hierher gekrochen und machte Schluß. Was fand er kein Maß im Genuß, warum konnte er sich nicht zügeln!

Joseph

Oh, könnte ich euch mit glühenden Gabeln striegeln! Ihr, ihr Ewig-Teuflischen, ihr! – Ich kannte auch einen – wenn ich daran denke, muß ich weinen! Kellnerinnen führten ihn in das Mysterium ein. Seine Mutter war zu gelehrt, die hat sich den Satan um ihr Kind geschert. Da wurde er so hundsgemein. Am Ende, es war um ihn jammerschade, eine Kugel durch den Kopf auf der Promenade, auch auf einer Fluß-Promenade, wie hier gerade. Wir haben ihn trauernd zu Grabe getragen, seine Mutter promovierte in denselbigen Tagen! Ach, ihr seid euch ja alle gleich, die eine so, die andre so, und alle verlogen, selbstsüchtig und roh: der Hölle Bereich!

Emma

Du Narr, du blöder Tolpatsch, Hanswurst, Clown!

Babette

Still! Ein neues Pärchen!

Emma

Kauer dich hierher! Sie gehen auch nach der Laube. Das réine Schauermärchen!

Joseph

Ich schnappe heut noch völlig über; ich glaube, ich halte das nicht mehr lange aus! Zum Überlaufen voll ist der Topf! Großer Gott, mein armer zermarterter Kopf!

Emma

Psst!

 

Friedel und Ewald.

 

Ewald

Zur Laube der Seligen! Der Überstandenen, der Ewig Fröhlichen! Guten Abend, meine Herren! Zwei Vorgänger! Wie schön wir's trafen: schon zwei im Hafen, wir sind doch nicht ganz allein. Wünsche wohl zu schlafen!

Friedel

Zwei Tote!

Ewald

Zwei verglimmte Flammen. Schaure nicht zusammen, zwei Kollegen! Zwei, die uns vorangingen auf diesen verschlungenen Wegen. Wie ihre Seelen uns zuklingen! Hörst du es nicht? Sie sind schon drüben im Licht, wir hocken noch im Trüben – – Ich grüße euch einst weilen! Bald, bald sind wir bei euch. Wir wollen uns beeilen!

Friedel

Ach dieser schreckliche Geruch!

Ewald

– Kein Segen, kein Fluch! Abgestreift wie einen bunten flatternden Schleier! Küsse, Küsse! – – – Ein Totenfest aufjauchzender Zecher, eine silberne Leichenfeier, dann das purpurne duftende Gift in den Becher – Der Rest – – –

Friedel

Muß es denn sein?

Ewald

Du weißt es selbst! Ich habe für dich, für uns gedarbt, ich habe Not und Verfolgung erlitten, ich habe für dich gekämpft und gestritten, ich habe meine Eltern verlassen, ich habe für dich gehungert – wochenlang bin ich ohne eine Wohnstätte herumgelungert, ich bin für dich verkommen in Schmutz und Leere, ich gab für dich meine Kunst – meine Ehre – hast du je ein Wort der Klage von mir vernommen? Ich hab es nie bereut, nun da mich bereits der Mantel des Allmächtigen umschwebt, bekenne ich dankbar: Ich habe gelebt!

Friedel

Warum können wir nicht weiterleben?

Ewald

Du weißt es selbst! Ich habe an dich in allem, mit allem geglaubt; – schließlich hab ich für dich geplündert und geraubt. Soll ich meine Freiheit verlieren, ich, so stolz – nein! Was kann mir das Leben nach dem, nach dir noch Köstliches geben, noch Süßeres bringen –

Friedel

Wir könnten fliehen, nach Amerika!

Ewald

Ich will dich nicht zwingen. Du wolltest selbst mich begleiten – lebe du! Ich danke dir für alle Seligkeiten, die du mir beschertest. Bleibe zurück!

Friedel

Ohne dich ... ohne mein Glück!

Ewald

So komm! Sage der Welt ade, den tausend Lichtern in der Ferne, der Stadt und dem geheimnisvoll auf leuchtenden Strom, dem Duft, so zart, so matt ...

 

Ein großer dunkler Dampfer, am Vorderteil ein

rotes Licht, gleitet lautlos auf dem Flusse vorüber.

 

Friedel

Hu das Gespensterschiff! Das bedeutet Unheil!

Ewald

Nein! Das Glücksschiff, das Leben! Mit dem Hoffnungsschimmer gleitet es träumend in die Ferne, unser Leben – – – gleitet mit seiner reichen Last an Bord ... wohin? Wo liegt das Ziel – – – Fort! Sonst nichts! O Himmel, o Sterne, o Fülle des Lichts! Euch sende ich meinen letzten Gruß, der unter Tränen lacht! Gib mir noch einen letzten seligen Kuß!

Er umfängt sie heiß und lang.

Und nun: Gute Nacht! Hier nimm den Revolver, ich will dein Mörder nicht sein ... Du liebe, süße ... Ich ... kann dich nicht sterben sehn. Aber ich will dich dann weich betten und dir die Augen zudrücken und dann will ich mich an dein Herz legen, ganz nahe will ich bei dir liegen, und dann werden wir drüben wieder eins sein! ...

Drückt ihr die Hand und dreht sich um. Leb wohl!

Friedel

Da!

Schießt plötzlich auf Ewald.

Ewald schlägt hin

Kanaille!

Friedel will fortlaufen

Ich will leben, leben! Frei! Lieben! Ich geh ins Bordell!

Ewald greift nach ihrem Fuß, so daß sie hinfällt

Fertig ... ist ... die Laube! – (Stirbt.)

Friedel rafft sich schnell auf. Rast davon.

Joseph

Aas!

Will ihr nach.

Emma will ihn halten, er schlägt sie.

Babette schmeichelnd

Nicht so wild nicht so wild! – – Armer Herr, bekamst heut freilich ein trostloses Bild von uns zu sehen!

Joseph zeigt auf Emma

Sie auch – – sie ist auch so eine! Weg! Du sollst weggehen! Hörst du nicht?

Babette

Komm hierher – so! Leg deinen Kopf an meine Brust. Was mußt du gelitten haben! So, so weich ... Das ist unser Reich! Unser! Der Mehrzahl, der meisten von uns!

Gibt ihm einen Kuß.

Ein seliges Vergessen! Ein Träumen unter duftenden, weißen blühenden Bäumen ... halb unbewußt ... vergiß den lastenden Alb in meinem Schoß ... Dein Haupt in meinem Schoß – – –

Emma

Hierher kommst du! Lernst du wohl wieder parieren! Ich will dich exerzieren! Ließ ich dir einmal die Zügel zu locker, wie? Läßt dich von jeder Dirne kapern, fällst jeder hergelaufenen Metze in ihre Netze.

Joseph

Hund!

Babette

Laß ... laß!

Joseph

Sie wird sofort weggehen – Du sollst sofort weggehen – so – fort! Ich will dich nicht mehr sehen!

Emma

Oho! Der Hasenfuß will den großen Herrn markieren – Mir tut's nicht pressieren! Ließ ich dich allein, ganz allein, wär jene nicht mehr bei dir, vor Angst wär es um dich geschehen! Schlappschwanz!

Joseph

Nicht mehr! Ich habe Himmel und Hölle gesehen in einem Augenblick – soviel Hölle! Ja – – weg! Auf der Stelle! Ich breche dir das Genick!

Emma

Schrei dich nicht heiser, mein Wurzel, du Wurzel alles Übels, du Fünfpfennigheld!

Joseph

Forrrt!

Emma

Und mein Geld? – – – Hä?

Joseph

Ich nehme dir das Leben!

Emma

Kommst du nach Hause, werde ich dir die Peitsche geben. Wegen mir bleib hier und wälz dich im Drecke – – aber wenn du in ein paar Tagen wieder gewinselt kommst, zerrissen, verlumpt, in verlausten Fetzen, werde ich meinen Hund nach dir hetzen! Oder ich lasse dich an den Haaren hereinzerren und werde dich in einen engen Käfig sperren, mir zum Zeitvertreib, und hin und wieder kannst du dich mit der Hündin paaren, und meine Gäste werden in Scharen kommen, um sich über dich zu amüsieren, und schließlich werde ich dir die Haut von den Knochen schinden und dir einen Maulkorb um machen und dich an Händen und Füßen binden, und auf deinem krummen Rücken heiß einen anderen an mich drücken – und wir werden uns über deine ohnmächtige knirschende Wut zu Tode lachen!

Joseph dringt auf sie ein

Satan! Ich werde dich das zu Tode Lachen lehren!

Packt sie an der Kehle und würgt sie.

Emma wehrt sich

Wahnsinniger! Da!

Schleudert ihn von sich.

Joseph fällt sie erneut an

Räudiger Hund!

Stößt sie in den Strom.

Emma

Hilfe! Hilfe!

Klammert sich mit den Händen ans Ufer.

Joseph tritt auf ihre Finger, so daß sie losläßt und völlig hineinplumpst

Saustück!

Emma glucksend

Scheiß.. k.. k.. erl!

Sinkt unter.

 

Aus der Ferne gellt der schrille Ton einer Sirene durch die Nacht.

 

Joseph keuchend

Apachentanz des Lebens!

Babette will enteilen.

Joseph

Bleib! Hast du doch ein böses Gewissen?

Babette

Entsetzlicher, was hast du getan!

Joseph

Reinen Tisch gemacht! Den Alb abgeschüttelt! Und das dank ich dir! Du, du ... komm nun zu mir, du, hier auf meinen Schoß! Heile mich ganz – – –

Babette

Was muß sie dich gequält haben die ganzen Jahre! ...

Joseph

Wie einen Hund! Erniedrigt! Durch den Morast gezerrt! – – – – Aber du ... du! Du wirst weich mit mir sein – ja? Streiche mir leise über meine Haare .... verscheuche mir das – – – – jag es ... jag es davon ... ich werde fast wahnsinnig – – – Toll – – toll – – – Wohin ich blicke, sehe ich euch ... Grausame Katzen! ... Grinsende gemeine Fratzen voll verstecktem Hohn! Ich sehe nur euch ... überall – – – mit Stricken und Beilen, mit Geißeln und Pfeilen, im Palast und im Stall ... Euch! ... Euch! ... Ich fühle mit Entsetzen, wie sie mich durch die Dornen hetzen, zu Fuß und zu Pferde – – – wie sie mich gebunden zum Schlachtplatz führen, mit obszöner Geberde über mich triumphieren – – – Und du? – – Und du? – – – – – – – – Ich weiß nicht – – bist du unter ihnen? Ist unter all diesen verzerrten Mienen auch dein Mädchengesicht? ..... Wie? ....

Streift über ihr Antlitz.

Bist du geschminkt? Nein? .... Bist du die Schenkin, die mein Blut kredenzt? – – Trinkt! Trinkt! Wie eure Hinterbacken glühn von meinem verschluckten Blute – – – ihr seid ja alle geschwänzt, was? – – – Hätte ich doch eine handfeste Rute, wie solltet ihr noch rosiger blühn! – – – Warum habt ihr das Ungeziefer über mich geschickt, Läuse, Seuchen, Pestilenz, warum habt ihr mich mit Blattern bespickt! – – – Ha, ich glänze wie eine Exzellenz im Schmuck meiner eiternden Schwären – – – wollte ich euch nicht die Liebe predigen, he? – – – –

Babette

Jesus, er ist verrückt! Wie kann ich mich seiner erwehren, ich muß mich seiner entledigen!

Joseph

Einige sind splitternackt, einige tragen nur lange schwarze Strümpfe mit lila Schleifen – – – Zweie haben sich am Hals gepackt und wälzen sich am Boden, sie kratzen über ihre Leiber sich rote Streifen – – – Einige sind im Korsett und in seidenen Höschen, sie rufen sich mit nassen Koseworten: Schnappelchen, Mimöschen! – – – Und allen muß ich Kunststücke machen! – – Bald bin ich ihr Kind und kriege Schläge, bald fordern sie von mir die gräulichsten Sachen, bald lieg ich in der Sonne ihr Schoßhund träge, bald reiten sie auf meinem Rücken durchs Zimmer, bald kitzeln mich alle Hände, entlocken mir ein klägliches Gewimmer, entzünden in mir Feuerbrände. Bald muß ich ihnen ein Hurenlied hersagen; manchmal darf ich an einem Apfel nagen. Aus Vorsicht haben sie mich verschnitten, mir einen Ring durch die Nase gezogen, meine Füße nach innen gebogen – – –

Babette

Was hast du gelitten!

Joseph

Es ist ein Leben zum Verrecken! Mittags muß ich ihnen den Schweiß von den Füßen lecken. Als Springbrunn dien ich in ihrem Garten. Auf meinem Nabel spielen sie Karten – – – – –

Babette

Pfui! Still! Mir graut!

Joseph

Eine Ziege halten sie mir als Braut, und tue ich nicht, was man von mir heischt, werd ich von ihren Nägeln zerfleischt. Dafür erhalt ich als Braten und Brot schmutzige Knochen und Küchenkot – – – Sie trieben in meinen Nacken einen schweren eisernen Zacken. Und am Leibe wilde Wanzen muß ich auf dem Roste tanzen. Schließlich krieg ich die Karbatsche, bis ich vor Verzweiflung natsche, Striemen und Striemen, blutigtief, und sie lachen sich dabei halb schief, greifen sich vor lauter Lust zwischen die Schenkel und zwischen die Brust, wälzen sich in Extase und zucken, während mir der Pelz tut jucken – – – Püffe krieg ich, Stoß auf Stoß! – – –

Babette

Du fieberst! Komm, leg dein Haupt in meinen Schoß! so – – – Dies violette Tuch auf deine Stirn, seiden, kühl – – – so, verschlaf den Aufruhr in deinem Gefühl – – – die Schrecken in deinem Gehirn!

Breitet ein seidenes violettes Tuch über sein Gesicht.

Joseph

– – – – – O Nelkenduft der violetten Tücher! – – – – – – Ich hocke daheim in meiner Kammer, und um mich rings nur Bücher, Bücher! – – – – Und gradeüber dröhnt der Schmiedehammer, und Rauch dringt mir herein durchs offne Fenster, und ein Geruch von schweren dumpfen Tiefen, und in dem Rauche drohen die Gespenster, die in den Höhlen dieser Gasse schliefen. Und wenn ich, hoffend auf das Silberblaue und auf der weißen Wolken weiten Segen, mich selbst verlierend in die Höhe schaue, grinst mir ein Weib aus einem Loch entgegen ... Schon wieder das Weib! – – Und senke ich schneller die Augen nieder, steigt in meine Bücher die süßliche Fäulnis aus einem Hurenkeller – – Der Nelkenduft der violetten Tücher! – – –

Zusammenschauernd

Ach das Geschlechtliche ist das Verächtliche! Warum zu unserem Fluche gelüstet uns immer wieder nach dem violetten Tuche! – – – –

Babette drückt ihm das Tuch auf die Augen

Es tut so wohl, es kühlt, schon mancher hat hier sein Leben wieder gefühlt; war er noch so zerschunden, das ließ ihn gesunden – bald blühst du wieder stolz und freier –

Hat ihre Hutnadel herausgezogen und bohrt sie ihm ins Gehirn.

So! Gottseidank! Hol dich der Geier!

Joseph stirbt.

Babette läßt ihn von ihrem Schoß gleiten

Gottlob! An die Nacht werd ich denken! Wär ich erst glücklich zu Haus! – – – – Ach was, mach dir nichts draus! – – – – –

Will davon.

Der Leichnam Josephs erhebt sich starr und steil.

Er spricht mit schneidendem Tone.

Der Leichnam Josephs

Das will ich dir eintränken!

Babette vor Schreck gelähmt, stotternd

Aber – – da – – das .. i .. ist .. ist ja .. a nicht .. mö .. mö .. möglich! – – – –

Der Leichnam Josephs erdrosselt sie, indem er murmelt

Es ist ja freilich nicht alltäglich! Aber euch Weibern kommt man nur bei durch Wunder, List, Zauber und Hexerei!

Der Leichnam Josephs fällt danach wieder ganz senkrecht um und schlägt wie ein Stück Holz auf.

 

Ende.