BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Schubartgymnasium Aalen

gegründet 1912

 

Aus den Zeiten der Lateinschule

 

Oberstudienrat Herbert Plickert:

Aus der Geschichte unserer Schule

(bis 1914)

 

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Und die Schüler?

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Nur wenig erfährt man über die Schüler. Die Mehrzahl stammte aus der Reichsstadt selbst. Die Tatsache, daß sie nur ein bescheidenes Schulgeld zu entrichten hatten, erlaubte es wohl auch den ärmeren Bürgern und Beisitzern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Die finanzielle Belastung war nicht zu groß. Denn es war auch Brauch, während der Sommermonate die Kinder zu Arbeiten daheimzuhalten. Da auf diese Weise den Lehrern das Schulgeld entging, protestierten sie wiederholt dagegen. So schritt der Rat gelegentlich gegen allzu säumige Eltern ein. Aus der Schulordnung von 1696 ersieht man, daß auch von auswärts Schüler nach Aalen kamen. Wie man aus den Verhandlungen zur Einstellung Böckelers im Jahre 1673 erfährt, wohnten die Auswärtigen bei dem lateinischen Präzeptor. Böckeler räumte seinem älteren Kollegen Molitor ausdrücklich das Recht ein, „Edle (d. h. adlige) Kostgänger samt den anderen lateinischen Schulgängern“ in seinem Hause zu behalten. Daß Adelsfamilien der Umgebung ihre Söhne auf die Lateinschule schickten, muß anscheinend auch schon vor dem 30jährigen Krieg der Fall gewesen sein. Als nämlich 1617 Propst Johann Christoph II. von Ellwangen 6000 Gulden zur Gründung eines Jesuitenkollegs stiftete, lehnten die Patres den Plan ab u. a. mit der Begründung, daß die Nachbarschaft der reichsstädtischen Schulen in Schwäbisch Gmünd und Dinkelsbühl, vor allem aber in Aalen, dem Unternehmen nicht günstig sei. Denn die Jesuiten rechneten ja hauptsächlich mit Zöglingen aus den sozial höherstehenden Schichten.

Die Schüler waren nicht nur im Unterricht beschäftigt. Verpflichtungen, wie sie sich aus der Jahrtagstiftung von 1447 ergaben, traten allzu oft an sie heran: bei Begräbnissen, Trauungen, Taufen und den sonntäglichen Gottesdiensten wirkten besonders die Lateinschüler mit. So mochte die alljährliche, auf Antrag der Lehrer bewilligte Vakanz von der Jugend als große Erleichterung empfunden worden sein, auch wenn sie sich nur auf den Nachmittag erstreckte. Der Vormittagsunterricht fiel wegen der Ferien nicht aus.

Einsichtige Eltern werden es wohl gern gesehen haben, wenn ihre Kinder nach Unterrichtsschluß noch zu der „Nachschule“, einer Art Privatunterricht, gehen konnten, den die Lehrer einschließlich des lateinischen Präzeptors erteilen durften. Rieder, der sich in seinem Amt als durchaus tüchtig erwies, hatte in der von ihm 1760 entworfenen und vom Rat gebilligten Schulordnung eine Versetzung der Schüler – etwas zu großartig „Promotion“ genannt – eingeführt. Sie wurde alle 6 Monate nach einer in Gegenwart der 3 Bürgermeister, der 2 Geheimen und der beiden Geistlichen vorgenommenen Prüfung ausgesprochen. Diese Versetzung und die bei den jährlichen Schulvisitationen erteilten Lobsprüche und Prämien waren für ehrgeizige Schüler sicherlich ein Ansporn.

Auf der anderen Seite blieb es nicht aus, daß Eltern den in Wirklichkeit nicht sehr rigoros gehandhabten Schulzwang als lästig empfanden. Dann hielten sie mit ihrer Kritik und ihrer Verärgerung nicht hinter dem Berg. Der Rat mußte den Ehrenschutz seiner Schuldiener übernehmen. So wurde 1717 eine Bürgerin wegen Beleidigung des Präzeptors Kern zur „Geige“ verurteilt. Die Kritik der Eltern blieb ihren Kindern natürlich nicht verborgen. Sie reagierten auf ihre Art: durch Ungezogenheiten. Herumlaufen und Prügeleien in und außerhalb der Schule. Schreien, Lachen und Schwatzen und andere Störung des Unterrichts sind in der Schulordnung von 1696 besonders aufgeführt als Zuchtlosigkeiten, die der Rat auf jeden Fall unterdrücken wollte. Daß die Schulräume unseren heutigen Vorstellungen in keiner Weise entsprachen, kann der Disziplin auch nicht förderlich gewesen sein. Zudem kam das in manchen Fällen wenig vorbildliche Verhalten mancher Lehrer. Doch muß man sich in diesem Punkt darüber im klaren sein, daß die Maßstäbe hierfür reichlich streng waren. „Dawacktrincken under dem Thor“ war ein „Ärgernis“ der Schuljugend. Die Frage der Disziplin beschäftigte den Rat immer wieder. Man sparte nicht mit Ermahnungen an den Lehrer, den Stock nicht zu schonen. Manche der Schulmeister und Herren Präzeptoren trieben es mitunter arg: 2 Mädchen wurden grün und blau geschlagen, einem anderen wurde ein Zahn ausgestoßen; Buben wurden mit Füßen getreten und an den Haaren gerissen. Schülerleben war kein Herrenleben.

Mitunter gab es auch Festtage für die Schuljugend, so 1775 anläßlich der 200-Jahr-Feier der Einführung der Reformation. Die Knaben in Haarzöpfen und die Mädchen mit aufgeputzten Zöpfen sammelten sich mit ihren Lehrern vor dem Rathaus. Dann ging es mit Trompeten und Pauken, mit Zinken und Posaunen in feierlicher Prozession an Marktbrunnen, Pfarrhaus und Schule vorbei in die Kirche hinein. Nach dem Gottesdienst hörten besonders die Buben voll Spannung und Eifer zu, wie die Kanonen auf den Türmen abgeschossen wurden. Nachmittags folgte ein zweiter Festzug. Und jedes Kind erhielt aus der Stadtkasse 6 Kreuzer als Festgabe. Das waren die Erlebnisse, von denen die Schuljugend noch lange sprach.