Die Authentizität von Siegeln
als Beglaubigungsmittel vor Gericht

bearbeitet von Marie-Luise Heckmann

(Erstanlage: 7. März 2005; letzte Änderung: 11. Dezember 2007)


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Zur Sphragistik


Die Authentizität von Beglaubigungsmitteln wurde seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert unter Rechtsgelehrten zunehmend debattiert, da die Siegelurkunde und das Notariatsinstrument eine wachsende Bedeutung vor Gericht erlangten und den Zeugenbeweis allmählich verdrängten. Die Siegelurkunde war wohl deshalb so erfolgreich, weil das Siegel den Aussteller der Urkunde sowohl für Literate wie für Illiterate beinahe leibhaftig vergegenwärtigte. Päpstliche Bullen, die sich seit der Amtszeit Leos IX. in der Mitte des 11. Jahrhunderts mit der Rota und später auch mit einer Bleibulle versehen waren, fanden ohnehin uneingeschränkte Anerkennung vor den geistlichen Gerichten. Königliche oder kaiserliche Diplome, die mit einem entsprechenden Monogramm oder einer Unterschrift ausgestattet waren, wurden hingegen nur mit Blick auf die jeweilige Gewohnheit eines Landes als rechtswirksame Beweismittel zugelassen. Die Aufbewahrung des schriftlichen Beweismittels an einem sicheren Ort, die Verwendung von Chirogrammen oder die Registerführung traten mancherorts an die Seite der gerade genannten Beglaubigungsmittel. Da diese Beglaubigungsformen keine grundsätzliche Anerkennung durch das Kirchenrecht fanden, blieb ihre Anwendung allerdings oft auf weltliche Gerichte beschränkt.

Auf den nachfolgenden Seiten wird die Diskussion um Siegelurkunden, Notariatsinstrumente und andere Beglaubigungsmittel im Spiegel des Kirchenrechts, der Kanonistik und der Volksrechte nachgezeichnet. Die ganz oder im Ausschnitt wiedergegebenen Quellen wurden ins Neuhochdeutsche übertragen, ohne dass diese Übertragungen den Anspruch auf philologische Exaktheit erheben. Sie sollen vielmehr auch dem, der des Lateinischen oder Mittelhochdeutschen weniger kundig ist, den Inhalt der vorgestellten Quellen erschließen.

Kirchenrecht

Kanonistik

Volksrechte






Kirchenrecht




Decretalium Gregorii papae IX compilationis liber II titulus XXII (De fide instrumentorum)


Edition: Corpus Iuris Canonici, Pars Secunda. Decretalium Collectiones. Decretales Gregorii p[apae] IX, hg. von Emil Ludwig Richter und Emil Friedberg,
Leipzig 1881.

Elektronischer Text: Angus Graham, Sultan Qaboos University (Oman); html-Version: Ulrich Harsch, Fachhochschule Augsburg (Bibliotheca Augustana): Gregorii papae IX compilationis .

Dort kursiv wiedergegebene Textstellen werden hier rot hervorgehoben, Tippfehler sind berichtigt, die Zeichensetzung wurde für eine bessere Lesbarkeit stellenweise geändert.


Übertragungen: Marie-Luise Heckmann.





De fide instrumentorum


Von der Glaubwürdigkeit der Beweismittel




Capitulum I. Capitulum_II.
Capitulum III.
Capitulum IV.
Capitulum V. Capitulum VI.
Capitulum VII.
Capitulum VIII.
Capitulum IX.
Capitulum X.
Capitulum XI.
Capitulum XII.
Capitulum XIII.
Capitulum XIV.
Capitulum XV.
Capitulum XVI.


Capitula 


Capitulum I.

Instrumenti exemplum non solenniter sumptum fidem non facit absque originali.

H. d. secundum ipsius mentem. Gregorius: "Si scripturam authenticam non videmus, ad exemplaria nihil facere possumus. [Sed Florentino, etc.]"



Erstes Kapitel

Der Aufweis eines Beweismittels, welches nicht feierlich angenommen worden ist, veranlasst kein Vertrauen ohne [den Aufweis] des Originals

H.d. [gilt] sinngemäß. Gregor [der Große]: "Falls wir die authentische Schrift nicht erblicken, können wir nichts für die Abschriften veranlassen. [An den Florentiner jedoch, usw.]."



Capitula


Capitulum II.


Corruit instrumentum, si testes inscripti decesserint, nisi sigillum habeat authenticum, vel a notario sit confectu

Alexander III: "Scripta vero authentica, si testes inscripti decesserint, nisi
forte per manum publicam facta fuerint, ita, quod appareant publica, aut authenticum sigillum habuerint, per quod possint probari, non videntur nobis alicuius firmitatis robur habere."


Zweites Kapitel

Das Beweismittel vergeht, wenn die Zeugen, die es unterschrieben haben, gestorben sind, außer wenn es ein authentisches Siegel aufweist oder von einem Notar angefertigt worden ist

Alexander III.: "Authentische Schreiben scheinen uns aber keine Kraft der Befestigung zu haben, wenn die Zeugen, die unterschrieben haben, gestorben sind, außer wenn diese [Schreiben] auf starke Weise durch eine öffentliche Hand hergestellt worden sind, sodass sie als öffentlich erscheinen oder ein authentisches Siegel aufweisen, durch das sie bewiesen werden können."



Capitula



Capitulum III.

Rescriptum apostolicum propter rasuram in loco non suspecto non censetur vitiosum

H. de secundum mentem.
Idem:  "Ex literis vestris evidenter accepimus, quod, quum causam, quae inter magistrum A. de Hillesdale et R. de Alta ripa super capella de Ambitoria vertitur, de mandato nostro susceperitis terminandam et nostras literas in communi audientia perlegi fecissetis, praefatus R. literarum sibi copiam fieri postulavit. Qui literis diligenter inspectis, quum eas argueret falsitatis, hac de causa scilicet, quia in narratione facti abrasae sunt, ubi scriptum est: iura parochialia, [asseverans, se probaturum in praesentia nostra, quod tales literae de cancellaria nostra non emanassent; vos autem videntes formam literarum a rationis tramite minime deviare, ab exsecutione causae desistere noluistis, praefato R. iuramentum deferentes, quod nec subterfugii nec dilationis causa hoc allegasset, sed quod ita esse credebat. Iuramento autem ad diem praefixam non praestito, memoratum H. in possessionem causa rei servandae iudicastis induci, et quod quidam laicus serviens eidem R. vestro iudicio restitit, excommunicatus est et ex ecclesia sub interdicto exclusus, praedictus R. ad nos accedens, et tacens, prout dicitur, quod in commissione appellatio fuit inhibita, nec mentionem faciens abrasionis literarum, aut iuramenti eidem delati et non praestiti, seu sententiae missionis in possessionem causa rei servandae, literas ad Londoniensem ei Norwicensem episcopum impetravit in hunc modum, ut si quid in praeiudicium memorati R. occasione prioris commissionis factum fuisset, nostra auctoritate in irritum revocetur. Quumque praefatus H. citatus a Norwicensi episcopo, qui suas et Londoniensis episcopi vices gerebat, coram eo literas tacita veritate impetratas diceret, metuens exsecutionem sententiae fieri, Norwicensem episcopum suspectum habens, cui praefatus R. multa familiaritate coniunctus, ut qui Londoniensis episcopi nepos erat, et eius panem quotidie comedere dicitur, ad nos appellavit. Unde quoniam propria fraus nulli debet prodesse aut patrocinium ministrare,] nos inspicientes literas nostras dicimus, quod propter abrasionem illam iudicari falsae non possunt, nec etiam haberi suspectae, praesertim quum et privilegia in possessionibus abradantur, et literae in narratione facti, si erratum est, possunt incunctanter abradi."


Drittes Kapitel

Ein apostolisches Antwortschreiben soll wegen einer Rasur an einer nicht zweifelhaften Stelle nicht als mangelhaft bewertet werden

H. de [gilt] sinngemäß. Derselbe: "Aus eurem Brief namens 'Offenkundig' entnehmen wir, dass in der Sache, die zwischen dem Magister A. von Hillesdale und R. von Alta Ripa wegen einer Kapelle zu Ambitoria angestrengt worden ist, ihr auf unseren Befehl hin die Beendigung angestrebt und unseren Brief in der Gemeinde öffentlich verlesen gelassen habt, woraufhin der vorgenannte R. sich die Anfertigung eienr Abschrift des Schreibens erbeten hat. Er hat, nachdem er den Brief aufmerksam betrachtet hatte, seine Falschheit ins Feld geführt, und zwar aus dem Grund, weil in der Narratio einige Rasuren gemacht worden sind, [und zwar] dort, wo 'die Pfarr-Rechte' geschrieben steht. Er hat zugleich ernsthaft behauptet, dass es in unserer Gegenwart bewiesen würde, dass dieser Brief nicht aus unserer Kanzlei stamme. Ihr aber scheint von der Durchführung der Rechtsangelegenheit nicht abkommen gewollt zu haben, weil ihr die Form des Briefes, die in der Sache nur geringfügig vom Weg abwich, wahrnahmt. Ihr erwartet [daher] von R. den Eid, dass er sich weder auf Grund eines listigen Entgehens noch auf Grund eines Aufschubs auf dieses eingelassen habe, sondern dass er davon überzeugt sei, dass es sich so verhalte. Nachdem der Eid aber am dafür vorgesehenen Termin nicht geleistet worden war, habt ihr geurteilt, dass der erwähnte H. im Besitz des Streitgegenstands bleiben solle. Derjenige Laie, der dem R. dient und eurem Urteil standgehalten hat, ist exkommuniziert und aus der Kirche unter dem Interdikt ausgeschlossen worden. Der vorgenannte R. ist [inzwischen] zu uns gekommen, hat aber, wie bereits gesagt, verschwiegen, dass für das Verfahren eine Appellation anhängig ist. Er hat auch weder einen Hinweis auf die Rasur des Briefes noch auf den ihm abverlangten, aber nicht geleisteten Eid oder auf den Richterspruch, wonach der Streitgegenstand in Besitz [von A.] verbleiben soll, gegeben. [Zudem] hat der Bischof von Norwich in der Weise ein Schreiben an den Londoner [Bischof] gerichtet, dass, falls etwas in der früheren Durchführung in Hinsicht auf den erwähnten R. als Präjudiz geschehen sollte, es auf Grund unserer Amtsgewalt als ungültig wiederrufen werde. Als der vorgenannte H. zum Bischof von Norwich gerufen wurde, der den Londoner [Bischof in dieser Sache] vertrat, erwirkte er ihm bei unter Verschweigen der Wahrheit einen Brief, der besagte, dass er die Ausführung des Richterspruches fürchte und [sogar] den Bischof von Norwich in Verdacht habe. Ihm sei der vorgenannte R. in großer Vertrautheit verbunden, sodass behauptet werde, er sei der Neffe des Londoner Bischofs, esse täglich sein Brot und habe daher an uns appelliert. Da jedoch eigener Betrug niemanden weiterbringt oder zur Verteidigung dient, haben wir [daraufhin] unter Betrachtung unseres Briefes entschieden, dass jener weder wegen der Rasur als falsch betrachtet werden darf noch einen Argwohn hervorruft, zumal auch Besitzprivilegien radiert werden und Briefe bei der Erzählung des Tatbestands, sofern sie irren, zweifellos radiert werden dürfen."



Capitula



Capitulum IV.

Redarguenti privilegium de falso, iudex faciet illud exhiberi coram iudice et paucis, et in loco congruo et securo, et interim stabitur sententiae latae per illud

Idem Eboracensi Archiepiscopo: "Accepimus literas, quas dilectus filius noster R. abbas sancti Augustini contra venerabilem fratrem nostrum Cantuariensem archiepiscopum apostolicae sedis legatum transmisit. (Et infra:) Nos igitur attendentes, tempus ad prosequendam appellationem praescriptum nullatenus exspectandum, Quum privilegia non inspecta non valeant argui falsitatis, et difficile sit et periculosum, ea apud sedem apostolicam exhiberi, praecipimus, [de communi fratrum nostrorum consilio] ut vel exhibeantur privilegia eidem archiepiscopo in claustro praedictorum fratrum, vel in alio loco ipsis congruo et illi securo ad arbitrium vestrum usque ad Nativitatem proximam sancti Ioannis Baptistae. [Nolumus autem exhiberi omnia simul, sed uno exhibito et ipsis inspiciendi et conscribendi, si necesse fuerit, copia praestita, reddatur illud fratribus ipsis, et aliud praesentetur. Deinde usque ad purificationem B. Mariae sequentis anni archiepiscopus sufficienter instructus ad redarguenda privilegia praedicta per se vel per sufficientem responsalem ad apostolicam sedem accedat.] Si vero nec venerit, nec sufficientem responsalem miserit, ei suisque successoribus perpetuum silentium imponatis ipsa [privilegia] ulterius arguendi. Interim autem nolumus illa privilegia vacillare: sed praecipimus, sententiam, quae eorum obtentu super statu monasterii lata est, inviolabiliter observari. [Mandamus etiam, ut sententia in clericos eiusdem monasterii vel ecclesias appellatione remota denuncietur publice non tenere. Et qui prohibuerunt literis apostolicis obediri aut eas recipi, compellantur suspensi ad sedem apostolicam laborare. Quia igitur quanto amplius de prudentia vestra et honestate confidimus, tanto studiosius et fidelius decet vos commissum experientiae vestrae negotium ventilare, discretioni vestrae mandamus atque praecipimus, quatenus in facto iuxta formam, quam praescripsimus, omni gratia et timore postposito, sublato appellationis diffugio procedatis, et in praescripto festo Purificationis rescripta privilegiorum, quae vobis exhibita fuerint, cum literis vestris rei veritatem continentibus sub sigillis vestris nobis transmittatis inclusa. Ne autem contentio prae multitudine oriatur,] Iubemus etiam, ut archiepiscopum in inspectione privilegiorum XII. hominum numero faciatis esse contentum. Sententiam quoque si quam in clericos et ecclesias monasterii post appellationem interpositam pronuntiatam esse inveneritis nulla appellatione obstante denuncietis publice non tenere."


Viertes Kapitel

Derselbe an den Erzbischof von York: "Ich habe einen Brief empfangen, den uns unser Sohn R., Abt von St. Augustin's [in Canterbury], gegen unseren ehrwürdigen Bruder, den Erzbischof von Canterbury, den Gesandten des apostolischen Stuhls, übersandt hat.' Und innen: 'Indem wir also beachten, dass die vorgeschriebene Zeit, um die Appellation zu  verfolgen, in keiner Weise abgewartet werden muss, weil die nicht gelesenen Privilegien nicht den Wert haben, der Falschheit angeklagt zu werden, schreiben wir auf gemeinsamen Rat unserer Brüder vor, dass es sowohl schwierig als auch gefährlich ist, diese beim apostolischen Stuhl vorzulegen. [Ich überlasse es] eurer Willensentscheidung, die Privilegien bis zum nächsten Geburtstag des heiligen Johannes des Täufers [24. Juni] entweder dem Erzbischof im Kloster seiner oben genannten Brüder oder an einem anderen dafür geeigneten und für ihn sicheren Ort zu zeigen. Wir wollen nicht, dass alle zugleich gezeigt werden, sondern einer, der sie gesehen hat, in sie hineinschaut und - wenn es nötig ist - eine Abschrift davon anfertigt und dieses an die Brüder zurückgibt und jenes ihnen präsentiert. Wenn der Erzbischof daraufhin bis zum Reinigungsfest der seligen Maria [2. Februar] des nachfolgenden Jahres auf befriedigende Weise unterrichtet worden ist, soll er die vorgenannten Privilegien entweder von sich heraus widerlegen oder mit einer ausreichenden Antwort an den apostolischen Stuhl vorschreiten. Wenn dieses aber nicht eintritt und er auch keine ausreichende Antwort schickt, so erlegt ihm und seinen Nachfolgern ein ununterbrochenes Stillschweigen auf, gegen diese [Privilegien] weiter vorzugehen. Inzwischen wollen wir aber nicht, dass jene Privilegien unzuverlässig sind. Wir schreiben vielmehr vor, dass der Spruch, der über den Zustand ihres Klosters erlassen worden ist, unverletzt eingehalten werden soll. Wir ordnen auch an, dass die Kirchen nicht gehalten sind, den Richterspruch über die Kleriker jenes Klosters bzw. über die zurückgerufene Appellation öffentlich zu verkünden. Und diejenigen, die sich weigern, dem apostolischen Brief zu gehorchen oder zu empfangen, werden mit Gewalt dazu gezwungen, für den apostolischen Stuhl zu arbeiten. Weil ich also umso mehr auf eure Klugheit und Ehre vertraue, gehört es sich umso mehr, eifrig und getreu das Geschäft, das eurer Erfahrung übertragen wurde, auszuführen. Ich verlasse mich auf eure Urteilsfähigkeit und ordne an, dass ihr im Tatbestand gemäß der Form, die ich mit aller Gnade und der nachher auferlegten Furcht vorgeschrieben habe, zum auferlegten Auseinanderstieben der Appellation fortschreitet und am vorgeschriebenen Fest der Reinigung die Rescripta der Privilegien, welche euch gezeigt worden sind, mit euren Briefen, welche die Wahrheit der Sache enthalten und mit euren Siegeln verschlossen worden sind, uns übersendet. Damit kein Streit unter der Menge entsteht, befehlen wir außerdem, dass der Erzbischof zur Durchsicht der Privilegien die genügende Anzahl von zwölf Männern aufbietet. Auch seid ihr, falls ihr entdeckt, dass der Richterspruch den Klerikern und Kirchen [erst]  nach der eingegangenen Appellation verkündet werden soll, nicht gehalten, das Nichtergehen der Appellation öffentlich zu verkünden."



Capitula



Capitulum V.

Instrumentum vel privilegium, quo quis utitur coram iudice, adversario integraliter legi non debet, sed solum illud capitulum, de quo agitur, edi debet

Coelestinus III. Abbati sancti Secundi: "Contingit interdum, ut dicitis, quod quandocunque cum aliquo litem in causis habetis, et privilegium vestrum adversae parti cogimini plenius exhibere, unde accidit, quod forte occasione unius capituli, super quo convenimini, plurima litigia suscitantur, +et sic aemuli multarum cavillationum argumenta recipiunt, quibus pacem et tranquillitatem vestram impugnant. Quia igitur nostra interest iurgiis obviare suscitandis, et suscitata decidere, Consultationi tuae quum super hoc proposuistis taliter respondemus et volumus, ut, quandocunque super exhibendo privilegio, vel indulgentia seu instrumento fueritis requisiti, praesente iudice, aut aliquibus prudentibus viris deputatis ab ipso iudice, audiente parte contraria, tantummodo recitetur ita, quod privilegium ad transscribendum nullo modo tradatur; verum si super uno tantum privilegii capitulo quaestio fuerit, illud capitulum solummodo rescribatur, et adversae parti copia eius fiat."


Fünftes Kapitel

Ein Beweismittel oder Privilegium, das vor dem Richter benutzt wird, braucht dem Gegner nicht vollständig verlesen zu werden, sondern nur jenes Kapitel, über das verhandelt wird

Coelestin III. an den Abt von St. Secundus: "Es hat sich inzwischen ergeben, wie ihr gesagt habt, dass, sobald ihr mit irgendjemand einen Streit in Rechtssachen habt, ihr die entgegenstehende Partei vollständig versammelt, um ihr euer Privileg zu zeigen, woraus hervorgeht, dass bei einer dringenden Gelegenheit zahlreiche Streitereien um ein Kapitel, über das ihr mit ihr übereingekommen seid, ausgelöst worden sind. Daraus beziehen aber die Nachahmer vieler Spitzfindigkeiten Argumente, mit denen sie euren Frieden und eure Ruhe bekämpfen. Da es aber bei uns liegt, auszulösende Nöte abzuwehren und über ausgelöste [Nöte] zu entscheiden, antworten wir auf deine Anfrage, welche ihr dazu eingebracht habt, in der Weise und wünschen, dass, sobald auch immer jemand um den Aufweis eines Privilegs, eines Nachlasses oder eines Beweismittels nachsucht, dieser in Gegenwart des Richters oder einiger kluger, dazu vom Richter bestellter Männer verlesen wird, während die gegnerische Partei zuhört, [und zwar] in der Weise, dass das Privileg auf keine Weise zur Abschrift übergeben wird. Falls es aber nur um ein Kapitel des Privilegs geht, soll nur dieses Kapitel erneut abgeschrieben und davon für die gegenüberstehende Partei eine Abschrift angefertigt werden."



Capitula



Capitulum VI.

Instrumentum publica manu non confectum, habens sigillum, cuius literae non sunt legibiles vel scripturae deletae, vel enormem patitur fracturam, non probat

Hoc dicit, prout magis facit ad titulum. Et est casus quotidianus et notabilis pro istis sigillis antiquis. Panorm[itanus].


Innocentius III. Mediolanensi Archiepiscopo: "Inter dilectos filios G. abbatem sancti Donati de Scozula ex una parte nomine monasterii et W. B. Mediolanensem canonicum procuratorem tuum nomine Mediolanensis archiepiscopatus ex altera super subiectis articulis diu fuit in nostro auditorio litigatum. Petebat siquidem dictus abbas nomine monasterii sui a praefato procuratore tuo nomine Mediolanensis ecclesiae restitui monasterio memorato portum Scozulae sive Sexti, cum honore, districtu et iurisdictione loci praefati et castellaniae, dicens, ad monasterium haec omnia pertinere, hoc ipsum dicens de hominibus, qui habitant in curte Berunensi et tenent res monasterii memorati, scilicet in Gralia, Carpuneno, Vesterpeno, Cadempleno, Baveno [et Insula superiori, Bolgerate ac Lisia. Petens etiam ut Mediolanensis archiepiscopus cessaret ab inquietatione hominum, qui habitant in loco Baveni,] super manso de curte, de quibus monasterium obtinuerat in iudicio possessorio per sententiam episcopi Veronensis. +[Item, ut cessaret ab inquietatione vicariorum, id est, communium et terrarum in territorio Sexti sive Scozulae et in eius castellania positarum, ab inquietatione quoque albergariae praedicti loci Scozulae sive Sexti, et illius etiam castellaniae. Rursus, ut non inquietaret monasterium antedictum in possessione vel quasi possessione piscariae totius aquae Ticini usque ad raviam Castelleti vel Pigaroli. Et]

haec omnia petebat cum omnibus fructibus inde perceptis, salvo in omnibus iure addendi vel diminuendi, satagens multipliciter comprobare omnia, quae praemissa sunt, ad suum monasterium pertinere. Primo per privilegium Luitardi comitis, quondam episcopi Lucani, qui monasterium ipsum fundaverat, et ei, quae praemissa sunt, donaverat universa. Secundo per instrumentum sententiae Asperti quondam Mediolanensis archiepiscopi, quam ex delegatione Lodovici imperatoris tulit super his, pro monasterio saepe dicto contra A. praefati Luitardi nepotem, qui super his monasterium molestabat. Tertio per privilegia Romanorum imperatorum et praesertim Henrici, qui praemissa omnia monasterio confirmabat, vel etiam conferebat. Quarto per instrumenta locationum, quas fecerant diversis personis abbates monasterii memorati. Testes quoque produxerat, per quos nitebatur probare, quod monasterium a LX. annis et citra, et a L. annis et supra tenuerat et possederat omnia supradicta, et quod fama publica erat, ea omnia praefato monasterio a iam dicto Luitardo fuisse donata.

Sed contra privilegium donationis a procuratore tuo multa fuerunt obiecta. Primo, quia ibi maxime apparebat consumptum, videlicet in annotatione indictionis, ubi potuisset falsitas facilius deprehendi. Secundo, quia, quum charta vetustissima videretur, recentior apparebat scriptura, tanquam non illo tempore facta fuisset. Tertio, quia falsum sigillum vitiose videbatur appositum, eo, quod a media parte sigilli apparebat quaedam imago, non cum mitra in capite, sed cum pileo, nec induta pontificalibus, sed regalibus indumentis, tenens in manu non baculum pastoralem, sed quasi sceptrum regale, cuius facies non apparebat integra, sed dimidia, tanquam in illa medietate respiceret aliam mediam, quae tamen tota vacua remanebat.
Sed quaedam imago videbatur ex ea fuisse deleta, quia cera in ea parte nec in colore, nec in planicie reliquae parti similis apparebat. Unde non episcopi, sed imperatoris videbatur fuisse sigillum, quia in una medietate Caesaris imaginem exprimebat, et in altera medietate praesumebatur, vel filii vel coniugis imaginem habuisse. Nam et in ipso sigillo nullae aliae literae apparebant, nisi quae nomen proprium cum hac adiectione: 'Dei gratia', designabant. Sed quum proprium nomen ipsius episcopi fuerit Luitardus, in nomine proprio, quod exprimebat sigillum, deletae fuerant duae literae, secunda, quae erat inter 'I' et 't', et sexta, quae fuerat inter 'r' et 'v', ita, quod, si secunda fuisset 'o', et sexta fuisset 'i', procul dubio non Luitardus, sed Lotharius legeretur. Quod etiam inde convinci poterat, quod secundum dispositionem aliarum literarum inter 'I' et 't' non erat spatium, nisi quod potuisset unam literam continere, quum secundum integritatem huius nominis Luitardus inter 'I' et 't' duae literae sint diversae. Praeterea inter 'r' et 'v' tam modicum erat spatium, ut in eo nec haec litera 'd', quae maius occupat spatium, sed haec litera 'i', quae minimum occupat, videretur formata fuisse. Rursus quum cera sigilli ab interiori parte vetustissima esset, cera, quae posita erat ab exteriori parte, quasi ad conservationem sigilli, recens erat et mollis. Quod quum diligenter investigatum fuisset, certo certius est compertum, quod sub vetusto sigillo charta fuerat perforata, et per glutinum novae cerae, quae posita fuerat exterius, quasi ad conservationem sigilli vitiose fuit ipsi chartae subiunctum. Eadem falsitatis specie, per vitiosam videlicet appositionem sigilli, cetera fere privilegia Romanorum imperatorum praeter privilegium Henrici vel falsa reperta sunt, vel falsata. Sed et ipsum Henrici privilegium ad fidem instruendam non videbatur sufficere, quia nec erat publica manu confectum, nec sigillum habebat authenticum, eo, quod erat ex media fere parte consumptum, nec plus de nomine proprio, nisi ultima medietas, videlicet icus, nec de ceteris literis, nisi haec adiectio 'Dei gratia' apparebat, ita, quod ex literis ipsis non magis poterat comprobari fuisse sigillum Henrici, quam Lodovici.

Instrumentum quoque sententiae multis modis inveniebatur suspectum, tum quia in ipso quaedam apparebant liturae, tum quia subscriptio notarii videbatur manus alterius fuisse, quam subscriptio instrumenti; quum tamen notarius in subscriptione profiteretur, se instrumentum manu propria conscripsisse. Litera quoque recentior videbatur, quam charta, et aqua videbatur encaustum infectum, ut antiquius appareret. In omnibus autem imperialibus privilegiis, quae posteriora fuerant, nulla prorsus est habita mentio de illa sententia, quamvis in eorum aliquibus mentio facta fuerit Luitardi, qui dicebatur donationem fecisse.

Porro si legitimum esset et verum instrumentum sententiae, per illam tamen sententiam nullam Mediolanensi archiepiscopatui praeiudicium poterat generari, quum ipsa sententia lata fuerit inter alios, et res inter alios acta alii non praeiudicet. Nec attestationes, quae continebatur in instrumento sententiae, per quas legitima donatio Luitardi videbatur esse probata, poterant eidem archiepiscopatui documentum aliquod irrogare, quum inter alias personas et in alio iudicio receptae fuissent. Ceterum memorati Henrici privilegium, quod non solum confirmationis, sed etiam donationis videbatur fuisse, unde rerum dominium donatarum intelligi forte poterat monasterio acquisitum et traditum, quamvis ex forma petitionis, quae in ipso privilegio declaratur, et quibusdam aliis verbis, quae ponuntur in ipso, confirmatorium tantum fuisse videretur, ut tamen intelligatur eo modo, quo magis posset valere, distinguendum utique videbatur, ut idem Henricus alia donaverit, et alia confirmaverit, quum eadem legitime nequivissent et confirmari pariter et donari; confirmari, tanquam prius habita et possessa; donari, tanquam tunc tradita et concessa. Donaverit, inquam, illa, quae ipse intra trium milliarium spatium monasterio concedebat; confirmaverit autem, quae prius ipsi nonasterio concessa fuerant et donata, inter quae illa continebantur, quae deducta sunt in iudicium. Ac per hoc illa non poterant intelligi per privilegium illud donata, sed confirmata, quum iuxta legum sanctiones, quod meum est, ex alia causa meum fieri non possit, nisi desierit esse meum; +praesertim quum pars monasterii nixa fuerit comprobare tum per privilegium concessionis, tum per instrumentum sententiae, quod illa legitime fuerint a Luitardo donata, et illi donationi per totum iudicium est innixa; unde post donationem huiusmodi eadem eidem non poterant redonari.Quum igitur privilegium Henrici confirmatorium tantum exstiterit, saltem quoad illa, quae deducta sunt in iudicium, si principale non tenuit, nec accessorium, quod ex eo vel ob id dignoscitur esse secutum.

+Pari modo cetera privilegia Romanorum imperatorum, etiam si vera fuissent et sine suspicione, ad probationem tamen invalida probarentur. Per instrumenta vero locationis nec est utique probata proprietas, nec etiam ad plenum possessio, quum iuxta legitimas sanctiones ad probationem rei propriae sive ad defensionem non sufficiat facta locatio. [Licet autem his et aliis modis saepedictus procurator tuus intentionem abbatis videretur elidere, cautumque sit in iure civili, quod actore non probante is, qui convenitur, etsi nihil praestiterit, obtinebit; ad ostendendam tamen evidentius iustitiam tuae partis, per testes videbatur probare, quod Mediolanensis archiepiscopus omnia, quae praemissa sunt, a sexaginta annis infra possederat inconcusse. Verum contra praescriptiones huiusmodi dictus abbas interruptionem medii temporis civilem pariter et naturalem obiecit. Olim enim Gozovio quondam comite a Frederico imperatore super his iudice delegato, quum post citationes legitimas Mediolanensis archiepiscopus se contumaciter absentasset, pro monasterio fuit lata sententia, et ipsius nomine corporalis possessio assignata, quam per sex annos et amplius habitam in bello Mediolanensium asserebat amissam; per quod allegabat praescriptionem civiliter et naturaliter interruptam. Porro ad exceptionem praemissam saepedictus procurator tuus taliter replicabat, quod bonae memoriae Ioannes Anagninus sanctae Mariae in Porticu diaconus cardinalis, postea sancti Marci presbyter, et tandem episcopus Praenestinensis, tunc apostolicae sedis legatus, attendens quam barbarica feritate et insatiabili odio ecclesiam et civitatem Mediolanensem Fredericus imperator funditus vellet evertere atque in supremam redigere servitutem, quicquid ipse vel aliquis iudex seu ministerialis eius in ecclesias, clericos vel cives Mediolanenses statuerant tempore illo, in irritum revocavit. Cuius factum felicis recordationis Alexander Papa praedecessor noster approbans confirmavit, unde quod a praefato comite factum fuerat in odium Mediolanensium, quos dictus imperator acrius infestabat, Mediolanensi ecclesiae praemissa ratione non poterat praeiudicium generare. Porro rationem huiusmodi pars adversa frivolam reputabat, quum factae causae nulla iuris constitutione fieri possint infectae.]

Quum autem super his,
quae praemisimus, in nostra et fratrum nostrorum praesentia fuisset diutius litigatum, quia legitime probata non fuerant ea, quae petebantur ad monasterium pertinere, de communi fratrum nostrorum consilio ab impetitione ipsius praefatum procuratorem tuum nomine tuo et Mediolanensis ecclesiae sententialiter duximus absolvendum, quoniam, quum obscura sunt iura partium, consuevit contra eum, qui petitor est, iudicari. [Super manso vero etc. Dat. Lat. XVI. Kal. Maii. 1199.]"


Sechstes Kapitel

Ein Beweismittel, das nicht mit öffentlicher Hand gefertigt ist, aber ein Siegel hat, dessen Buchstaben aber nicht lesbar sind oder dessen Schrift zerstört ist oder einen ungeheuerlichen Schnitt aufweist, hat keinen Beweiswert

Das heißt, dass dieses mehr für den Titel macht. Und es handelt sich um einen alltäglichen, aber für jene alten Siegel bemerkenswerten Fall. [Kommentar des] Panorm[itanus].

Innozenz III. an den Erzbischof von Mailand: "Unter den geliebten Söhnen befinden sich G., Abt von St. Donatus zu Sesto Calendo, im Namen des Klosters auf der einen Seite und W.B., Kanoniker in Mailand, dein Prokurator, im Namen des Erzbistums von Mailand auf der anderen Seite über die unten angeführten Artikel schon lange vor unserem Auditorium im Streit. Der genannte Abt hat nämlich im Namen seines Klosters von deinem vorgenannten Prokurator gefordert, dass
der Hafen in Sesto Calendo bzw. in Sesto dem erwähnten Kloster im Namen der Kirche von Mailand restituiert wird, und zwar zusammen mit der Ehre, dem Bezirk und der Gerichtsbarkeit des vorgenannten Ortes sowie der Kastellanei. Er hat behauptet, dass dieses alles zum Kloster gehöre, und dasselbe auch für die Leute [gelte], die auf dem Hof zu Belluno wohnten und Dinge des erwähnten Klosters innehätten, das heißt in Gralia, Carpuneno, Vesterpeno, Baveno sowie auf der oberen Insel, in Bolgerate und Lisia. Er hat außerdem behauptet, dass der Erzbischof von Mailand wegen der Unruhe der Leute, die an dem Ort Baveno wohnten, über die Größe des Hofes säumig geworden sei. Das Kloster habe den Hof auf Grund eines Urteils durch einen Rechtsspruch des Bischofs von Verona als Besitz erhalten. Weiterhin [hat er behauptet], dass er wegen der Unruhe der Vikare der Kommunen und Länder im Territorium Sexto bzw. Scozula säumig geworden sei, und auch wegen der Unruhe der in seiner Kastellanei gelegenen Herbergen, [nämlich] des Ortes Sesto Calendo oder Sesto und auch seiner Kastellanei. Erneut [hat er gefordert], dass der Erzbischof das vorhergenannte Kloster weder an seinem Besitz noch an seinem Quasi-Besitz hinsichtlich der Fischerei am Wasser des Tessin bis zum Ufer von [S. Maria di] Castelleto bzw. Pigaroli beunruhigen solle. Und er hat dieses alles mit allen Früchten, die dort empfangen werden, gefordert, wobei ausgeschlossen bleiben solle, dass etwas an den übrigen Rechten ergänzt oder gemindert werde. Und er wolle seine Forderung vielfach beweisen, dass [nämlich] alles, was hier aufgeführt worden ist, zu seinem Kloster gehöre. [Er wollte seine Forderung beweisen:] Erstens mit einem Privileg des Grafen Liutard, einst Bischof von Lucca, der das Kloster selbst gegründet und ihm das, was aufgeführt worden ist, insgesamt gegeben habe. Zweitens mit einem Beweismittel über einen Rechtsspruch Asperts, des Erzbischofs von Mailand, welcher auf Grund einer Delegierung Kaiser Ludwigs über dieses erging, [und zwar] für das oft genannte Kloster gegen A., den Neffen des vorgenannten Liutard, welcher sich darüber beim Kloster beschwert habe. Drittens durch Privilegien der römischen Kaiser und insbesondere Heinrichs, der alle aufgeführten Dinge dem Kloster bestätigt oder auch übertragen habe. Viertens durch Lokationsurkunden, die von verschiedenen Personen an die Äbte des erwähnten Klosters gerichtet worden seien. Er hatte auch Zeugen beigebracht, durch die er zu beweisen suchte, dass das Kloster seit mehr als sechzig Jahre, mindestens aber seit fünfzig Jahren, die oben genannten [Dinge] innehabe und besitze. Es bestehe zudem die öffentliche Meinung, dass alle diese [Dinge] von dem genannten Liutard an das vorgenannte Kloster gegeben worden seien.

Dein Prokurator hat allerdings viele Einwände gegen dieses Besitzprivileg vorgebracht: Erstens, dass es [genau] dort am meistens zerstört schien, wo eine Fälschung besonders leicht wahrgenommen werden konnte, nämlich bei der Angabe des Steuerzyklus. Zweitens, dass der Schriftzug - obwohl die Charta sehr alt erschien - jünger aussah, so wie man ihn in jener Zeit [noch] nicht ausgeführt habe. Drittens, dass ein falsches Siegel auf so mangelhafte Weise angehängt worden sei, dass sich in der Mitte des Siegels ein Bild befand, das es nicht mit einer Mitra auf dem Kopf, sondern mit einem Hut, nicht mit Pontifikalgewändern, sondern mit königlichen Kleidern versehen war. Es hielt in der Hand keinen Hirtenstab, sondern gleichsam ein königliches Szepter. Sein Gesicht erschien nicht vollständig, sondern nur halb, gleich als ob aus jener Mitte eine andere Mitte zurückblickte, die jedoch ganz leer verblieb. Aber dieses Bild schien aus sich zerstört zu sein, weil das Wachs an dieser Stelle weder in der Farbe noch in der Fläche dem übrigen Teil [des Siegels] ähnlich war. Es schien sich nicht um das Siegel eines Bischofs, sondern um dasjenige eines Kaisers zu handeln, weil es nämlich in der einen Hälfte das Bild des Cäsars zeigte und in der anderen Hälfte das Bild eines Sohnes oder einer Ehefrau erahnen ließ. Auf dem Siegel selbst erschienen keine anderen Buchstaben als der Eigenname mit einer Ergänzung, die 'in der Gnade Gottes' bedeutet. Während aber der Eigenname des Bischofs 'Liutardus' war, waren bei dem Eigennamen, den das Siegel zum Ausdruck brachte, zwei Buchstaben zerstört, [nämlich] der zweite, der sich zwischen 'L' und 't' befand, und der sechste, der sich zwischen 'r' und [dem zweiten] 'u' befand, sodass, falls der zweite ein 'o' und der sechste ein 'i' gewesen wäre, ohne Zweifel nicht 'Liutardus', sondern 'Lotharius' zu lesen gewesen wäre. Was ferner zur Überführung des Irrtums hätte führen können, war, dass gemäß der Stellung der übrigen Buchstaben zwischen 'L' und 't' kein Zwischenraum verblieb, der mehr als einem Buchstaben Platz geboten hätte, während gemäß der Vollständigkeit jenes Namens zwei verschiedene Buchstaben zwischen 'L' und 't' hätten stehen müssen. Außerdem gab es zwischen 'r' und 'u' in der Weise einen Zwischenraum, dass in ihm nicht der Buchstabe 'd', der ja einen größeren Zwischenraum beansprucht, sondern eher der Buchstabe 'i', der nur sehr wenig [Zwischenraum] einnimmt, Gestalt anzunehmen schien. Zudem war das Wachs, das am äußeren Rand gleichsam zur Erhaltung des Siegels angebracht worden war, jünger und weicher, während das Wachs im inneren Teil älter war. Außerdem wurde durch aufmerksame Untersuchung mit großer Sicherheit herausgefunden, dass die Charta unter dem sehr alten Siegel durchlöchert war und durch den Leim neuen Wachses, welcher außen gleichsam zur Erhaltung des Siegels aufgetragen worden war, mangelhaft mit der Charta verbunden war. Diese Art der Fälschung, das heißt durch eine mangelhafte Aufhängung des Siegels, erwies auch fast alle übrigen Privilegien römischer Kaiser außer dem Privileg Heinrichs als falsch oder verfälscht. Aber auch das Privileg Heinrichs selbst schien kein Vertrauen einzuflößen, weil es weder durch eine öffentliche Hand angefertigt worden war noch ein authentisches Siegel aufwies, weil auf diesem nur beinahe die Hälfte erhalten war, nicht viel mehr als der Eigenname, während die andere Hälfte, das heißt das Bild, von den übrigen Buchstaben nur die Hinzufügung 'in der Gnade Gottes' aufwies, sodass aus diesen Buchstaben heraus nicht mehr zu beweisen war, dass es ein Siegel Heinrichs, sondern vielmehr, dass es eines von Ludwig war.

Auch das Beweismittel für den Richterspruch wurde auf vielerlei Weise für verdächtig befunden, weil in ihm mehrere Verbesserungen erschienen. So schien die Unterschrift des Notars von anderer Hand zu sein als die Unterschrift des Beweismittels, obwohl doch der Notar durch seine Unterschrift öffentlich verkündet, dass das Beweismittel von seiner eigenen Hand geschrieben worden sei. Die Buchstaben schienen jünger als die Charta zu sein, und ein Brand schien durch Wasser gelöscht worden zu sein, gleichsam um sie [die Charta] älter erscheinen zu lassen. In allen kaiserlichen Privilegien, die später [entstanden] sind, wird [zudem] mit keinem Wort Bezug auf jenen Richterspruch genommen, während in vielen von ihnen an Liutardus erinnert wird, dem nachgesagt wird, die Schenkung veranlasst zu haben. Weiterhin: Falls es sich doch um ein legitimes und wahres Beweismittel für den Richterspruch handeln sollte, so könnte doch aus keinem Richterspruch ein Präjudiz für das Erzbistum von Mailand erwachsen. Der Richterspruch ist nämlich zusammen mit anderen hervorgehoben worden, und ein Ding, das sich zusammen mit anderen begibt, präjudiziert nicht. Auch können Zeugnisse, die sich auf das Beweismittel für den Richterspruch beziehen, durch welche die Schenkung Liutards als legitim bewiesen schien, dem Erzbistum keinerlei Beweisstück auferlegen, weil sie zwischen anderen Personen und an einem anderen Gericht angenommen worden sind.

Im Übrigen scheint das Privileg des erwähnten Heinrich nicht nur eines der Bestätigung, sondern auch eines der Schenkung gewesen zu sein. Sowohl aus der Form der Bitte, die in diesem Privileg formuliert wird, als auch aus gewissen anderen Worten, die in ihm niedergelegt sind, scheint es sich um eine Bestätigung der Herrengüter der Schenker, welche von dem Kloster empfangen und an es übertragen worden sind, zu handeln, sodass es [vor Gericht] in der Weise wahrgenommen werden muss, dass es besonders wertvoll wäre, zwischen dem zu unterscheiden, was dieser Heinrich anderes gegeben, und dem, was er bestätigt hat. Es [das Privileg] ist nämlich [als Beweismittel] nicht auf dieselbe legitime Weise imstande, zugleich zu bestätigen und zu geben; bestätigt wird etwas, das bereits inngehabt und besessen wird; gegeben wird etwas, damit es übergeben und zugestanden wird. Ich sage: Gegeben hat er jene [Dinge], die er innerhalb eines Zwischenraums von drei Tausendsteln dem Kloster zugestanden hat; bestätigt hat er aber die [Dinge], die dem Kloster [bereits] vor ihm zugestanden und gegeben worden sind. Unter diesen befinden sich aber jene [Dinge], die vor Gericht beansprucht worden sind. Und durch dieses Privileg können jene nicht als gegeben, sondern nur als bestätigt nachgewiesen werden, weil nämlich Verfügungen darüber, was mein sei, es gemäß den Rechten nicht aus einem anderen Rechtsgrund zu meinem [Eigentum] machen können, außer wenn es dieses bereits ist. Insbesondere weil die Partei des Klosters weder durch das Bestätigungsprivileg noch durch das Beweismittel für den Richterspruch, wonach jene [Dinge] ihm auf legitime Weise von Liutardus gegeben worden seien, etwas hat beweisen können, ist auch das ganze Urteil in Hinsicht auf jene Schenkung nichtig. Daher dürfen diese [Dinge] ihm [dem Kloster] nach der Schenkung in keiner Weise erneut gegeben werden. Das Bestätigungsprivileg Heinrichs erweist sich somit nur in Hinsicht auf jene, die vor Gericht beansprucht worden sind, als Bestätigungsprivileg, nicht aber als grundlegend oder auch nur als beiläufig, sodass aus ihm oder wegen ihm eine Schlussfolgerung abgeleitet werden muss oder darf.

Auf ähnliche Weise werden auch die übrigen Privilegien der römischen Kaiser, selbst wenn sie wahr und ohne Argwohn sind, dennoch als zu schwach für einen Beweis empfunden. Eigentum wird üblicher Weise nicht aus Beweismitteln für eine Lokation bewiesen, nicht einmal voller Besitz [kann aus ihnen bewiesen werden], da eine erfolgte Lokation gemäß der rechtskräftigen Vorschriften zum Beweis oder zur Verteidigung einer eigenen Sache nicht ausreicht. Dein oft genannter Prokurator scheint aber die Absicht des Abtes auf diese und andere Weisen zerschlagen zu haben. Und es ist im Zivilrecht sichergestellt, dass der, der mit einem Handelnden übereinstimmt, von demjenigen, der keinen Beweis erbringt, es [das Streitobjekt] behauptet, wenn diesem nichts anderes entgegensteht. Um dennoch auf offenkundige Weise die Gerechtigkeit deiner Partei nachzuweisen, erschien es [sinnvoll], durch Zeugen zu beweisen, das der Erzbischof von Mailand alle [Dinge], die angeführt worden sind, mindestens seit sechzig Jahren unerschüttert besessen hat. Der genannte Abt hat aber gegen die Vorschriften eine zivile und ebenso eine natürliche Unterbrechung der Zeitmitte beansprucht. Einst hat nämlich ein gewisser Graf namens Gozovius, der von Kaiser Friedrich [I. Barbarossa] als Richter in dieser Sache eingesetzt worden war, einen Richterspruch für das Kloster gefällt, nachdem der Erzbischof von Mailand nach den legitimen Aufrufen trotzig [dem Verfahren] ferngeblieben war, und in seinem [nämlich des Gozovis] Namen wurde [dem Kloster] der körperliche Besitz bestätigt, welcher den Mailändern vor mehr als sechs Jahren im Krieg verloren gegangen war. Dadurch aber, so brachte er [der Abt] vor, sei die Vorschrift auf zivile und natürliche Weise unterbrochen worden. Dein oft genannter Prokurator beanspruchte daraufhin eine Ausnahme. Der verstorbene Johannes von Anagni, Kardinaldiakon von St. Maria in Portico, vorher Priester von St. Markus und danach Bischof von Pränestina, daraufhin Gesandter des apostolischen Stuhls, habe nämlich befürchtet, dass Kaiser Friedrich die Kirche und die Stadt Mailand durch barbarische Wildheit und unersättlichen Hass völlig habe umdrehen und in höchste Knechtschaft habe zurückführen wollen. Er habe daher das, was auch immer er oder ein irgendein Richter bzw. sein Dienstmann zu jener Zeit für die Kirchen, Kleriker und Bürger von Mailand festgelegt hatten, als ungültig widerrufen. Seine Handlung hat Papst Alexander [III.], unser Vorgänger seligen Angedenkens, zustimmend bestätigt. Daher konnte aus dem, was der vorgenannte Graf aus Hass gegenüber den Mailändern vollzogen hatte, die der genannte Kaiser [zuvor] auf harte Weise angegriffen hatte, aus dem unterstellten Grund kein Präjudiz erwachsen. Weiterhin hat die gegenüberstehende Partei auf diese Weise einen frivolen Rechtsgrund unterstellt, indem nämlich bereits vollzogene Rechtsangelegenheiten ohne Errichtung eines [neuen] Rechts als nicht vollzogen gelten sollten. Weil aber über die [Dinge], die wir vorausgeschickt haben, auf längere Weise in unserer und der Gegenwart unserer Mitbrüder gestritten worden ist und weil die [Dinge], die von dem Kloster als ihm zugehörig beansprucht worden sind, als nicht legitim bewiesen worden sind, deswegen halten wir den vorgenannten Prokurator, der in deinem Namen und im Namen der Mailänder Kirche [gehandelt hat], auf den gemeinsamen Rat unserer Brüder hin auf Grund seiner Eingabe für absolviert. Sofern die Rechte [bei]der Parteien dunkel sind, wird nämlich gewöhnlich gegen den, der der Kläger ist, entschieden. Über das Land aber, usw. Gegeben im Lateran an den 16.  Kalenden des Mai [= 16. April] 1199."


 
Capitula



Capitulum VII.

Non valent literae super absolutione voti per cruce signatos impetratae tacita veritate vel expressa falsitate

Idem Cantuariensi Archiepiscopo: "Quod super his (Et infra: [cf. c. 8. de voto III. 34.]) quaesivisti praeterea, quid agere debeas circa cruce signatos, qui dicentes, se ab apostolica sede redire, super absolutione sua ignota cardinalium sigilla reportant, quum eis super impedimentis expositis non fuisset de levi credendum. Ad quod tibi respondemus, quod, quum nos, si quandoque talibus literas apostolicas indulgemus, illis, qui personas et facultates eorum plenius noverunt, hoc modo scribimus, ut super impedimentis expositis inquisita diligentius veritate, statuant circa illos quod animarum saluti et succursui terrae sanctae magis noverint expedire, providentes attentius, sicut superius continetur, ne quid in fraudem voti fallaciter confingatur; unde, si tales per suppressionem veritatis aut falsitatis expressionem literas non solum cardinalium, sed etiam nostras, nec solum dubias, sed etiam certas constiterit impetrasse, carere volumus impetratis, et, eis non obstantibus, ad voti exsecutionem vel redemptionem compelli praecipimus, appellatione remota, sicut superius est expressum."


Siebtes Kapitel

Die Briefe über eine Absolution, die durch ein Kreuzzeichen gekennzeichnet worden sind, reichen nicht aus, um eine verschwiegene Wahrheit aufzudecken oder eine ausdrückliche Falschheit zu widerlegen

Derselbe an den Erzbischof von Canterbury: "Du hast (...) auch danach gefragt, was du mit den Kreuzzeichen anfangen sollst, welche behaupten, dass sie auf den apostolischen Stuhl zurückgingen, und zu ihrer Lossprechung mit unbekannten Siegeln von Kardinälen versehen sind. Diesen ist, sofern sie über den Hindernissen angebracht sind, nicht leicht zu glauben. Ich antworte dir daher diesbezüglich, dass wir - sobald wir so beschaffene apostolische Briefe erlassen - diejenigen, die an Personen oder ihre Fakultäten vollständig neu ergehen, in der Weise verfassen, dass auf sorgfältige Weise die Wahrheit über die angebrachten Hindernisse erfragt wird. Sie sollen in Bezug auf jene [Punkte], dass das Seelenheil und die erfolgte Unterstützung der heiligen Erde (!) umso mehr zum Vollzug [des Urteilsspruchs] beitragen sollen, beschließen und aufmerksam dafür sorgen, sowie es weiter oben enthalten ist, dass nichts zur Täuschung des Urteilsspruches auf betrügerischer Weise erdichtet wird. Daher wollen wir, dass die erwirkten [Dinge] als nicht erwirkt gelten, falls Briefe von Kardinälen oder auch von uns durch die Unterdrückung der Wahrheit oder den Ausdruck der Falschheit nicht nur Zweifel geweckt, sondern sogar Sicherheit vorgetäuscht haben. Und wir schreiben vor, dass unter Nichtbeachtung dieser Briefe zum Vollzug des Urteilsspruches oder zur Aufhebung der Anklage geschritten werden soll, [und zwar] unter Ablehnung einer Appellation, so wie es weiter oben ausgedrückt worden ist. Weil aber, usw. (...) Gegeben in Rom bei St. Peter an den 14. Kalenden des Januar 1204 [= 19. Dezember 1204 gemäß dem Calculus Florentinus]."



Capitula



Capitulum VIII.


Si de extravaganti dubitatur, an decretalis sit authentica, aut est iuri consona, et tunc iudicatur secundum illam; aut dissona, et tunc Papa consulitur

Idem Heliensi Episcopo: "Pastoralis (et infra: [cf. c. 28. de off. iud. del. I. 29.]) quaesivisti etiam, quibus indiciis fides habenda sit decretalibus, de quarum auctoritate iudex potest non immerito dubitare, quum plures inveniantur in compilatione scholarium, et allegentur in causis, de quibus per bullam non constitit, nec ipsae per metropol[it]es insinuatae fuerunt. Quia igitur saepe contingit, quod etiam coram nobis decretales huiusmodi proponuntur, quas esse authenticas dubitamus. Fraternitati tuae benignius respondentes auctoritate praesentium duximus statuendum, ut, quum aliqua decretalis, de qua iudex merito dubitet, allegatur, si eadem iuri communi sit consona, secundum eam non metuat iudicare, quum non tam ipsius, quam iuris communis auctoritate procedere videatur. Verum, si iuri communi sit dissona, secundum ipsam non iudicet, sed superiorem consulat super ea. [Quoniam autem etc. (cf. c. 4. de exc. II. 25.) Dat. Rom. ap. S. Petr. XIV. Kal. Ian. 1204.]"


Achtes Kapitel

Falls für eine Extravagante Zweifel bestehen, ob die Dekretale authentisch ist, so soll, sofern sie mit dem Recht übereinstimmt, gemäß diesem Recht geurteilt werden. Sofern sie nicht mit ihm übereinstimmt, soll der Papst zu Rate gezogen werden

Derselbe an den Bischof von Ely: "Als Hirte hast du außerdem (...) gefragt, welchen Hinweisen in den Dekretalen Glauben zu schenken ist, auf Grund welcher Amtsgewalt ein Richter [also] ganz sicher sein kann. Es finden sich nämlich viele [solcher HInweise] in der Zusammenstellung der Scholaren. Und sie werden in Rechtsangelegenheiten vorgelegt, für die keine Bulle erlassen worden ist und die auch nicht durch Metropoliten mitgeteilt worden sind. Es ereignet sich nämlich oft, dass sogar uns auf diese Weise Dekretalen vorgelegt werden, deren Authentizität wir anzweifeln. Wir antworten deiner Brüderlichkeit auf gütigere Weise mit der Autorität des gegenwärtigen [Schreibens] und legen fest, dass jede Dekretale, an der ein Richter zweifelt, vorgelegt wird. Falls sie mit dem allgemeinen Recht übereinstimmt, soll er sich nicht scheuen, gemäß diesem [Recht] zu urteilen, denn er erscheint [dann] als jemand, der sowohl nach der eigenen Autorität wie nach der des allgemeinen Rechts vorgeht. Wenn sie aber nicht mit dem allgemeinen Recht übereinstimmt, so soll er nach diesem nicht urteilen, sondern den Höheren über es zu Rate ziehen. Weil aber, usw. (...) Gegeben in Rom bei St. Peter an den 14. Kalenden des Januar 1204 [= 19. Dezember 1204 gemäß dem Calculus Florentinus]."



Capitula



Capitulum IX.

Post publicatas attestationes usque ad conclusionem possunt instrumenta produci. Hoc primo. Consuetudine loci facit instrumentum authenticum. Hoc secundo

Idem Episcopo sancti Andreae et Abbati de Broch: "Quum dilectus (et infra: [cf. c. 6. de arb. I. 43.]) ad secundam autem quaestionem taliter duximus respondendum, quod utraque pars potest instrumenta etiam post publicationem attestationum usque ad diffinitivae sententiae calculum exhibere, antequam sit in causa conclusum. Super tertio vero articulo taliter respondemus, quod inquiratis diligentius veritatem, et, si consuetudo illius patriae obtinet approbata, ut instrumentis illius regis fides adhibeatur in talibus, vos ea secure poteritis admittere, praesertim quum supradictus rex tantae fuerit honestatis, quod ipsius instrumenta maximae auctoritatis sint in partibus Scoticanis. [Ad quartum etc. (cf. c. 6. de causa poss. II. 12.) Dat. Lat. XVI. Kal. Apr. Ao Xo 1207.]"


Neuntes Kapitel

Beweismittel können nach veröffentlichten Bezeugungen zur Schlussfolgerung führen. Dieses [gilt] vorrangig. Durch die örtliche Gewohnheit wird ein Beweismittel authentisch gemacht. Dieses [gilt] nachrangig

Derselbe an den Bischof von St. Andrews und den Abt von Broch: "Wir führen nämlich in Hinsicht auf die zweite Frage an, diese so zu beantworten, dass jede Partei Beweismittel auch nach der Veröffentlichung von Zeugen bis hin zur Abwägung über den verbindliche Rechtsspruch beibringen kann, [also] bevor irgendetwas in der Rechtsangelegenheit abgeleitet worden ist. In Hinsicht auf den dritten Aritekl aber antworten wir dir in der Weise, dass du auf sorgfältige Weise die Wahrheit erfragen sollst und, sofern sie die Gewohnheit jenes Vaterlandes als Beweise zulässt, erbiteest, dass den Beweismittel jenes Königs Vertrauen in den Dingen geschenkt werde, in denen ihr der Sache sein könnt, insbesondere weil der genannte König von so beschaffener Ehrwürdigkeit ist, dass seine Beweismittel im Gebiet von Schottlands größte Autorität besitzen. Zum vierten, usw. (...) Gegeben im Lateran an den 16. Kalenden des April, im zehnten Jahr [unseres Pontifikats], 1207 [= 17. März 1206 gemäß dem calculus Florentinus]."



Capitula



Capitulum X.

Falsitas instrumenti vel, quod deest instrumento, probari potest per testes

Idem Petro civi Viterbiensi: "Quum Ioannes Eremita a te centum triginta libras Senenses ex causa mutui coram Donadeo et Ioanne iudicibus Viterbiensibus petiisset, et tu ex adverso proponeres, quod, quum idem Ioannes in centum et octoginta libris tibi pro pretio domus, quam eidem vendideras, teneretur, centum triginta libras ex illis non immerito in mutuo debebat compensare. Tandem, quum super hoc et quibusdam aliis articulis inter vos fuisset aliquamdiu litigatum, iidem iudices, utriusque partis rationibus intellectis et diligenter inspectis attestationibus et publicatis instrumentis, te sententialiter condemnaverunt, ut eidem Ioanni praedictae domus possessionem vacuam traderes, et a creditoribus liberatam. (Et infra:) Quum igitur ab hac sententia ad nostram duxeris audientiam appellandum, et nos tam tibi quam praedicto Ioanni dilectum filium nostrum T. subdiaconum et capellanum nostrum dederimus auditorem, ex parte tua fuit propositum coram eo supradictae domus venditionem non puram, sed conditionalem potius exstitisse, ac nullatenus te teneri ad traditionem ipsius, quatuor nihilominus testibus ad hoc probandum inductis, quod, etsi novum esset capitulum, pendebat tamen ex veteri, qui iurati deposuerunt, se interfuisse contractui inter te et praedictum Ioannem super eadem domo posita in ora S. Blasii, celebrato, pro qua centum octoginta librarum pretium tibi fuerat constitutum, tali videlicet adiecta conditione, ut tu domum ipsam inhabitares libere in vita tua et post obitum tuum M. et R. natis tuis, eiusdem Ioannis nepotibus, remaneret. Cuius conditionis intuitu domum ipsam eidem Ioanni pro minori pretio vendidisti, quum a G. Morandi pro ipsa ducentas libras potuisses habere; anni vero, mensis et diei, quo venditio facta fuit, iidem testes se dixerunt minime recordari.

Dictus vero Ioannes venditionem
ipsam non conditionalem, sed puram proposuit exstitisse, ad hoc probandum publicum exhibens instrumentum [anno dominicae incarnationis MCCVI. mense novembri die quarto confectum], in quo profitebaris, te propria voluntate vendidisse ac tradidisse domum ipsam eidem Ioanni Eremitae et postea CLXXX. librarum pretium recepisse. Tabellionem quoque, qui confecerat instrumentum, et unum ex testibus in instrumento subscriptis ad id probandum induxit. +Sed licet tabellio venditionem puram exstitisse firmavit, prout in serie instrumenti continetur, [et etiam testis asseruit venditionem esse factam,] utrum tamen sub conditione vel pure fuerit contractus initus, dixit se minime recordari. Porro quum dubitatio fuisset exorta, utrius deberet probatio praevalere, pro tua fuit parte propositum, quia, etsi secundum legitimas sanctiones eandem vim obtineant instrumentorum fides et depositiones testium in litibus exercendis, non tamen quodlibet instrumentum tanti debet esse momenti, ut trium vel plurium idoneorum testium depositionibus praeferantur. +Satis est etenim, si propter tabellionis auctoritatem, qui suum officium fideliter adimplere praesumitur, quum ad hoc ex iuramento teneatur, tanta fides adhibeatur instrumento confecto, quanta foret duobus idoneis testibus adhibenda. Sed quum per quatuor testes omni exceptione maiores fuerit manifeste probatum, supradictam venditionem fuisse conditionaliter celebratam, eorundem depositiones asseruisti instrumento merito praeferendas. Ad hoc autem idem Ioannes ex adverso respondit, quod, quum intentionem suam per iam dictum fundaverit instrumentum, cui fides est indubitata adhibenda, quum nec cancellatum nec abolitum nec corruptum sit in aliqua parte sui, ac tu in modum exceptionis venditionem ipsam non pure, sed conditionaliter celebratam esse proponas, nec per testes ad hoc a te inductos de certo fuerit tempore facta fides, et ideo non appareat, quod super illa venditione deponant, quam constat per dictum instrumentum determinato tempore fuisse contractam.

Huiusmodi probatio videbatur inefficax ad intentionem contrariam elidendam. Verum responsionem istam esse proponebas invalidam, quoniam, quum utraque pars a nobis interrogata fuisset in iure confessa, quod unica tantum venditio super domo contracta fuerit et ex depositionibus testium liqueat venditionem conditionalem fuisse, ex utriusque confessione colligitur, eiusdem domus venditionem conditionalem exstitisse, non puram. Non obstante, quod ipsa interrogatio facta fuerit, postquam a partibus exstitit in causa conclusum, quum iudex, qui usque ad prolationem sententiae debet universa rimari, possit interrogare de facto, quotiens dubitationis aliquid occurrit.
His ergo et aliis tam coram nobis quam coram dicto capellano propositis et plenius intellectis de consilio fratrum nostrorum pronunciavimus venditionem praedictae domus fuisse conditionaliter celebratam et te ob hoc nullatenus obligatum ad traditionem ipsius. Super hoc memorato Ioanni silentium imponentes perpetuum. Sententiam vero iudicum praedictorum, qui alias iuste pronunciasse noscuntur, quum huiusmodi exceptio coram ipsis nec probata fuerit nec obiecta, quoad dictum capitulum infirmamus eam quoad alios articulos auctoritate apostolica confirmantes."


Zehntes Kapitel

Die Falschheit oder das Fehlen eines Beweismittels kann durch Zeugen bewiesen werden

Derselbe an Petrus, Bürger zu Viterbo: "Johannes der Eremit hat von dir hundertdreißig Sieneser [Pfund] gefordert, [und zwar] wegen einer gegenseitigen Rechtsangelegenheit, die vor Donadeus und Johannes, den Richtern zu Viterbo, [ausgetragen worden ist]. Und du hast dagegen vorgebracht, dass - weil derselbe Johannes von dir hundertachtzig Pfund [bereits] als Preis für das Haus, das du ihm verkauft hast, erhalten habe - er dir im Gegenteil noch hundertdreißig Pfund von jenen auszugleichen habe. Eigentlich hätten doch die Richter, als es einst darüber sowie über andere Artikel zwischen euch zu einem Streit gekommen sei und nachdem sie die Argumente beider Parteien wahrgenommen und die angezeigten Bezeugungen sowie die veröffentlichten Beweismittel sorgfältig in Augenschein genommen hätten, dich doch durch einen Richterspruch dazu veruteilt, dass du dem Johannes den freien Besitz des vorgenannte Hauses übertragen und ihn von Schuldnern befreien solltest." Und innen: "Als du aber von diesem Rechtsspruch aus eine Appellation an unseren Gerichtshof gesandt hast, haben wir dir und dem vorgenannten Johannes unseren geliebten Sohn T., unseren Subdiakon und Kaplan, als Erhörer gegeben. Du hast ihm von deiner Seite vorgeschlagen, den Verkauf des oben genannten Hauses nicht als vorbehaltlos, sondern eher als bedingt zu bewerten. Du seiest durchaus nicht zu seiner Übergabe angehalten gewesen und habest, um dieses zu beweisen, vier Zeugen herbeigeführt. Auch wenn dieses ein neues Kapitel gewesen wäre, so erwuchs es doch aus dem alten. Die Eidleistenden haben nämlich niedergelegt, dass zwischen dir und dem vorgenannten Johannes über dasselbe Haus, das am Saum von St. Blasius lag, eine feierliche Vereinbarung getroffen worden sei, wonach dir ein Kaufpreis von hundertachtzig Pfund für es zugestanden worden sei. Als zusätzliche Bedingung sei ausgehandelt worden, dass du dieses Haus während deines Lebens frei bewohntest und es nach deinem Tod M. und R., deinen Kindern, den Neffen des Johannes, verbleibe. Mit Rücksicht auf diese Bedingung habest du das Haus selbst dem Johannes zu einem geringeren Kaufpreis verkauft, obwohl du von G. Morandus sogar zweihundert Pfund hättest erhalten können. Die Zeugen behaupteten [allerdings], sich weder an das Jahr noch an den Monat oder den Tag, an dem der Verkauf vollzogen wurde, nur im Geringsten zu erinnern.

Der genannte Johannes aber schlug vor, den Kauf nicht als bedingt, sondern als vorbehaltlos zu bewerten. Um dieses zu beweisen, zeigte er ein öffentliches Beweismittel vor, das im Jahr der Geburt des Herrn 1206, am 4. Tag des Monats November, ausgestellt worden ist. Du hast hier angegeben, das Haus aus eigenem Willensentschluss Johannes dem Eremiten verkauft und übertragen und später dafür einen Kaufpreis von hundertachtzig Pfund erhalten zu haben.  Er hat zudem den Tabellionen, der das Beweismittel ausgefertigt hat, und einen der Zeugen, die das Beweismittel unterschrieben hatten, als Beweis für den Verkauf herbeigeführt. Aber während es dem Tabellionen möglich war, den Verkauf als vorbehaltlos zu bestätigen, weil er in der Serie der Beweismittel aufgeführt wird, und er auch versicherte, dass der Verkauf vor Zeugen stattgefunden habe, behauptete er, sich nicht im Geringsten daran zu erinnern, ob er zu Beginn mit einer Bedingung oder vorbehaltlos ausgehandelt worden sei. Daraufhin kam Zweifel darüber auf, welcher der beiden Beweise vorzuziehen sei. Für deine Seite ist vorgebracht worden, dass ein wie auch immer geartetes Beweismittel kein solches Gewicht besitzt, um es den Aussagen von drei oder mehr geeigneten Zeugen vorzuziehen, sofern die Vertrauenswürdigkeit von Beweismittel und die Aussagen von Zeugen überhaupt gemäß den legitimen Vorschriften dieselbe Kraft für die Durchführung von Streitigkeiten [vor Gericht] innehätten. Dagegen hat aber Johannes eingewandt, dass er seine Ansicht durch das genannte Beweismittel abgestützt habe. Seine Glaubwürdigkeit stehe außer Zweifel, da es weder kanzelliert noch verworfen oder an irgendeinem Teil verderbt sei. Wenn du aber behauptetest, den Verkauf als eine Art von Ausnahme nicht vorbehaltlos, sondern bedingt vollzogen zu haben, so waren sich doch die Zeugen, die du herbeigeführt hattest, der Zeit [des Verkaufs] nicht sicher [und] flößten [daher kein] Vertrauen ein. Es hatte nicht den Anschein, als ob sie über denjenigen Verkauf eine Aussage träfen, der gemäß dem genannten Beweismittel zur festgelegten Zeit ausgehandelt worden war.

Auf diese Weise schien der unwirksame Beweis in die gegenteilige Ansicht auszuschlagen. Du wandtest aber ein, dass diese Antwort schwach sei, weil beide Parteien auf unser Befragen hin zu Recht beteuert hätten, dass der Verkauf, welcher über das Haus ausgehandelt worden ist, ganz und einer sei, aus den Aussagen der Zeugen aber hervorgehe, dass es sich um einen bedingten Verkauf gehandelt habe. Aus dem Bekenntnis beider Seiten sei [schließlich] gefolgert worden, den Verkauf als bedingt und nicht als vorbehaltlos zu bewerten. Dem stehe [auch] nicht entgegen, dass die Befragung erst dann vollzogen worden sei, nachdem die Parteien in der Rechtsangelegenheit miteinander verhandelt hätten. Ein Richter, der bis zur Niederlegung des Richterspruches alle [Dinge] erforscht, dürfe nämlich [auch] nach dem Vollzug [einer Handlung] fragen, sofern darüber irgendein Zweifel bestehe. Nachdem also dieses sowie anderes vor uns und vor dem genannten Kaplan ausgebreitet worden ist und wir es vollständig wahrgenommen haben, verkünden wir mit dem Ratschlag unserer Brüder feierlich, dass der Verkauf des vorgenannten Hauses bedingt vollzogen worden ist und du daher in keiner Weise zur Übergabe verpflichtet warst. Darüber erlegen wir dem erwähnten Johannes ununterbrochenes Stillschweigen auf. Den Richterspruch der vorgenannten Richter, die dafür bekannt sind, anderes gerecht verkündet zu haben, sodass eine Ausnahme davon vor ihnen weder bewiesen noch widerlegt zu werden braucht, entkräften wir in Bezug auf das genannte Kapitel, während wir ihn in allen anderen Punkten mit unserer apostolischen Autorität bekräftigen."



Capitula



Capitulum XI.

Defectus literae non vitiat rescriptum

Honorius III.: "Ex parte carissimae in Christo filiae B. quondam Anglorum reginae fuit propositum +coram nobis, quod, quum nobilis vir W. de Guerchia et complices eius Nannetensis, Rodenensis et Andegavensis dioecesis ipsam castro de Segreio, ad eam ratione sui dotalitii pertinente, pro suae voluntatis arbitrio spoliarint, et ipsa super hoc contra eum a bonae memoriae I. Papa praedecessore nostro ad nos literas impetraverit. Quia rescriptum apostolicum pro eo, quod in hac dictione spoliarunt, haec figura o deerat, asseritur vitiosum, +licet iam a nobis tres citationes vel quatuor emanassent, vos tamen, admissis huiusmodi exceptionibus frivolis, in ipso negotio procedere distulistis. Nos ergo de discretione vestra non modicum admirantes, quum per praecedentia et subsequentia intelligantur, licet ex scriptoris vitio vel occupatione praedictum o fuerit omissum, satis vobis potuerit de mandatoris intentione constare, nec eius mandatum in ipsius obitu exspiraverat, eo, quod res integra iam non erat, ac volentes, ut finis litibus imponatur, discretioni vestrae per apostolica scripta mandamus, quatenus hoc non obstante in negotio ipso iuxta priorum continentiam literarum, sublato cuiuslibet contradictionis et appellationis obstaculo, ratione praevia procedatis. [Dat. Lat. XV. Kal. Nov. A. I. 1216.]"


Elftes Kapitel

Der Verlust eines Buchstaben macht kein Antwortschreiben unbrauchbar

Honorius III.: "Von Seiten unserer Tochter in Christo, B., der ehemaligen Königin von England, ist uns vorgebracht worden, dass der adlige Mann W. de la Guerche [dép. Ille-et-Vilaine, arr. Rennes]  und seine Komplizen in den Diözesen von Nantes, Rodez und Angers ihr die Burg von Ségrie [dép. Sarthes, arr. Mamers], welche zu ihrem Heiratsgut gehöre, aus freien Willensentscheidung geraubt hätten und dass sie darüber bei dem verstorbenen Papst I. [= Innozenz III.], unserem Vorgänger, ein Schreiben von uns gegen ihn erbeten habe. Weil das apostolische Schreiben für das, was sie in diesem Bezirk geraubt hatten, nicht den Buchstaben "o" aufweise, sei es als mangelhaft einstuft worden. Obwohl von uns bereits drei oder vier Zitationen ausgegangen sind, habt ihr euch dennoch geweigert, in diesem Geschäft voranzuschreiten, nachdem ihr dafür anmaßende Ausnahmen in Anspruch genommen habt. Wir aber sind über eure Unterscheidungsgabe nicht wenig erstaunt, weil durch die vorhergehenden [Dinge] die darauffolgenden [Dinge] wahrgenommen werden. Das vorgenannte "o" ist doch wohl aus dem Fehler oder der Beanspruchung des Schreibers verloren gegangen, was euch ausreichen müsste, um die Ansicht des Auftraggebers darauf beruhen zu lassen. Vielleicht hat ihn [den Schreiber] aber bei seinem Auftrag auch der Tod erteilt, wodurch die Sache nicht mehr vollständig wurde. Auch wünsche ich, dass den Buchstaben das Ende angefügt wird, und gebe euch mit apostolischem Schreiben den Auftrag, dass ihr - ohne darauf Rücksicht zu nehmen - in dem Geschäft selbst gemäß dem Inhalt des ersten Schreibens nach dem vorherigen Rechtsgrund voranschreitet, nachdem ihr das Hindernis eines wie auch immer beschaffenen Widerspruchs oder einer Appellationen bei Seite geräumt habt. Gegeben im Lateran an den 15. Kalenden des November, im ersten Jahr [unseres Pontifikats], 1216 [= 18. Oktober 1216]."



Capitula



Capitulum XII.

Licito appellatur a iudice, qui parti hoc petenti non facit edi communia instrumenta

Gregorius IX. priori sancti Bartholomaei et decano de arcubus Londoniensibus: "G[gregorius] perpetuus vicarius ecclesiae de Rechan[ensi] nobis exposuit, quod, quum prior et conventus de Ledis eum super decimis coram iudicibus auctoritate apostolica convenissent, et dictus G. super similibus coram ipsis reconvenisset eosdem, quia dicti iudices copiam quorundam instrumentorum communium, quae habebat pars altera, et per quae intendebat intentionem suam super principali fundare, fieri non faciebant eidem hoc cum instantia postulanti, nostram audientiam appellavit. Ideoque mandamus, quatenus, si est ita, revocato in statum debitum, etc."


Zwölftes Kapitel

Auf erlaubte Weise bringt der Richter eine Appellation ein, der die Partei, die dieses erklagt, nicht veranlasst, gemeinsame Beweismittel herzustellen

Gregor IX. an den Prior von St. Bartholomäus und den Dekan der Londoner Bogenschützen: "Gregor, immerwährender Vertreter der Kirche von Reckham (?), hat uns dargelegt, dass der Prior und der Konvent von Leeds mit ihm vor den Richtern apostolischer Autorität über die Zehnten übereingekommen sind und der genannte G. sich erneut mit ihnen über Ähnliches vor diesen [Richtern] getroffen hat. Weil die genannten Richter jedoch eine gewisse Abschrift der gemeinsamen Beweismittel, welche die andere Partei hatte und durch die sie ihre Ansicht von Grund auf abzusichern beabsichtigte, für ihn nicht anfertigen ließen, obwohl er dieses mit Beharrlichkeit erbat, hat er an unseren Gerichtshof appelliert. Daher ordnen wir an, dass - sofern es sich so verhält - es in den geschuldeten Zustand  zurückgerufen wird, usw."



Capitula



Capitulum XIII.

Scripturae contrariae ab eodem productae fidem non faciunt

Idem: "Imputari ei potest, qui contrarias inter se scripturas in iudicio protulit, fidem sibi adinvicem derogantes, quum in ipsius fuerit potestate quam voluerat non proferre."


Dreizehntes Kapitel

Entgegenstehende Schreiben, die von demselben [Ding] hergestellt worden sind, sind nicht vertrauenswürdig

Derselbe: "Es wird dem auferlegt, der einander widersprechende Schreiben vor Gericht hervorholt, ihm das Vertrauen für beide Seite abzusprechen, weil er aus ihnen die gewünschte Amtsgewalt nicht herausziehen wollte."



 Capitula



Capitulum XIV.

Si in instrumento debiti exprimitur causa, condemnatur debitor, nisi probet indebitum. Si non exprimitur, necesse est, ut creditor probet, id fore debitum

Idem: "Si cautio, quam a te indebite proponis expositam, indeterminate loquatur, adversarius tuus tenetur ostendere debitum, quod continetur in ea. Sed si causam, propter quam huiusmodi scriptura processerit, expresseris in eadem, confessioni tuae statur, nisi probaveris, te id indebite promisisse."


Vierzehntes Kapitel

Falls in einem geschuldeten Beweismittel eine Rechtsangelegenheit zum Ausdruck kommt, wird der Schuldner verurteilt, falls er nicht nachweist, dass er [das Beweismittel] nicht erbringen musste. Falls [in ihm keine Rechtsangelegenheit] zum Ausdruck kommt, ist es notwendig, dass der Schuldner nachweist, dass dieses [Beweismittel] erbracht werden muss

Derselbe: "Falls die Gewährleistung, die von dir zwar nicht geschuldet, aber [als Beweismittel] vorgeschlagen wird, unbegrenzt angesprochen wird, ist dein Gegner gehalten, das Geschuldete vorzuzeigen, das in ihr enthalten ist. Wenn du aber die Rechtsangelegenheit, wegen derer das Schreiben auf diese Weise voranschreitet, in ihr [der Gewährleistung] zum Ausdruck bringst, wird an deinem Bekenntnis festgehalten, wenn du nicht nachweist, dass du nicht verpflichtet warst, dieses zu erbringen."



Capitula



Capitulum XV.

Auctoritate ordinarii potest notarius tabellionis mortui notas in publicam formam redigere

Idem I. tabellioni: "Quum P. tabellio morte praeventus quaedam non perfecerit instrumenta, quae in nota redacta fuerant ab eodem, ad petitionem eorum, ad quos pertinent, auctoritate ordinarii iudicis poteris ea fideliter in publicam formam redigere, habitura per hoc perpetuam firmitatem."


Fünfzehntes Kapitel

Ein [einfacher] Notar darf Bekanntmachungen eines verstorbenen Tabellionen mit der Amtsgewalt des Ordinarius in die öffentliche Form bringen

Derselbe an den Tabellionen I.: "Weil der Tabellione P., dem der Tod zuvorkam, ein gewisses Beweismittel nicht ausgefertigt hat, darfst du mit der Amtsgewalt des ordentlichen Richters diese, die als Notizen von jenem redigiert worden sind, auf Bitte derer, die sie betreffen, in getreuer Weise in die öffentliche Form bringen, damit sie dadurch ununterbrochene Festigkeit erhalten."



Capitula


Capitulum XVI.

Instrumentum exemplatum per tabellionem auctoritate ordinarii, eandem vim habet cum originali

Idem: "Si instrumenta propter vetustatem vel propter aliam iustam causam exemplari petantur, coram ordinario iudice vel delegato ab eo specialiter praesententur. Qui, si ea diligenter inspecta in nulla sui parte vitiata repererit, per publicam personam illa praecipiat exemplari, eandem auctoritatem per hoc cum originalibus habitura."


Sechzehntes Kapitel

Ein Beweismittel, das durch einen Tabellionen mit der Amtsgewalt des Ordinarius vorgelegt wird, hat dieselbe Kraft wie das Original

Derselbe: "Falls Beweismittel wegen ihres Alters oder aus einem anderen gerechten Grund auf Bitte vorgezeigt werden, sollen sie vor dem ordentlichen Richter oder dem, der speziell dafür bestellt ist, vorgelegt werden. Er soll, wenn er die Beweismittel auf sorgfältige Weise in keinem Teil verdächtig findet, anordnen, dass sie einer öffentlichen Person gezeigt werden und dadurch dann dieselbe Autorität erhalten wie die Originale."



Capitula




Kanonistik




Die folgenden, teilweise weiter vervollständigten Quellenzitate nach: Wilhelm Ewald, Siegelkunde (Handbuch der mittleren und neueren Geschichte, Abtlg. IV), München-Berlin 1914, S. 43-48 (ND Darmstadt 1969; 1975).

Die Zeichensetzung sowie die Groß- und Kleinschreibung sind vorsichtig verbessert, vokalisches "v" ist zu "u" und konsonantisches "u" zu "v", vokalisches "j" zu "i"  normalisiert, statt "&" wird "et" gesetzt, e-caudata wird mit "e" wiedergegeben. (...) zeigt meistens ausgelassene Verweise auf Stellen aus dem Kirchenrecht an.


Übertragungen: Marie-Luise Heckmann





Tankred von Bologna
Gottfried von Trani
Guillaume Durant


Anfang

Tankred von Bologna (um 1185-um 1236) war ein bedeutender Kanonist, Schüler von Laurentius Hispanus, Johannes Galensis und Azo. Er verfasste die "Glossa ordinaria" zur Compilatio I und die meisten Glossen zur Compilatio II und III des Kirchenrechts, eine "Summa de sponsalibus et matrimonio" und nach 1234 mit dem "Liber de iudiciariorum ordine" ein wichtiges verfahrensrechtliches Werk. Hieran waren außerdem ein nicht näher bekannter Gratia aus Arezzo und ein gewisser Pileo, der aus Medicina östlich von Bologna stammte, beteiligt. Lit.: Alfons Maria Stickler, (Art.) Gratia (Aretinus), in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 4, Freiburg i.Br. ²1960 (ND Freiburg i.Br. 1986), Sp. 1168; Karl Borchardt, (Art.) T. (Tancredus) v. Bologna, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 8, Lachen am Zürichsee 1999 (ND München 2002), Sp. 458.
 

Pillius [de Medicina], Tancredus [Bononiensis] und Gratia [Aretinus], Libri de iudiciorum ordine III 13, hg. von Friedrich Christian Bergmann, Göttingen 1842, S. 248-257, bes. S. 248-254 (zu Gregorius papa IX, Decretalium compilationis liber II titulus XXII):

De exhibitione instrumentorum et fide ipsorum

Vidimus de probatione vivae vocis, scilicet quae fit per dicta testium. Nunc de ea, quae fit per vocem mortuam, id est per instrumenta, tractatum subiiciamus. Videamus igitur, quid dicatur instrumentum, quot sint eius species, quando sint exhibenda instrumenta, et qualiter, quibus instrumentis fides adhibeatur et quanta.

Instrumentum est scriptura facta ad assertionem seu probationem alicuius rei, dictum instrumentum, quia instruit, seu documentum, quia docet (...)

Instrumentorum duae sunt species, aliud est publicum, aliud est privatum. Publicum est, quod publicam habet auctoritatem. Et species eius sunt plures. Nam publicum instrumentum est, quod scriptum est per manum publicam, id est per manum notarii publici, hoc est tabellionis et in publica forma redactum  (...) Item dicitur publicum, quod authentico sigillo sigillatum est (...) / (...) Tertio dicitur publicum, quod iudicis auctoritate est exemplatum et authenticatum (...) Quarto dicitur publicum, quod in iudicio scribitur apud acta publica; et valet, per quemcumque scriptum sit (...) Quinto dicitur publicum, quod habet subscriptionem trium vientium testium (...) Sexto loco dicitur publicum, quod de archivo seu armario publico producitur, liber scilicet rationum; et ei creditur, si habet publicum testimonium scilicet, quod iudex confiteatur illum de archivo publico esse productum (...) Et cuilibet tali publico instrumento fides adhibetur, ut probatur per omnes supra dictas concordantias et alias multas. Et hoc quidem verum est, si originale, id est authenticum ipsum instrumentum introducatur. Ceterum, si exemplum vel sumtum (!), quod vocatur iudex, exhibeatur, ei non adhibetur fides (...) /(...) nisi auctoritate iudicis sit exemplatum, ut supra dictum est,vel nisi illud authenticum, de quo fit mentio, vel alia legitima probatio exhibeatur (...)

Privatum est omne aliud instrumentum, a quocumque sit scriptum, nisi aliquo dictorum modorum sit corroboratum. Privatorum instrumentorum tres sunt  species: nam aliquando facis scripturam tibi tantum, aliquando alii tantum, aliquando tibi et alii. - Illi scripturae, quam quis sibi facit, nulla fides adhibetur (...) / (...)

Quando sint exhibenda instrumenta, quaeritur (...)

Hoc modo exhibenda sunt instrumenta vel privilegia (...) / (...) / (...)

Solis publicis instrumentis vel alio modo authenticatis, prout superius dictum est, vel privatis, in casibus supra dictis, fides adhibenda est sine aliquo alio adminiculo dumodo instrumentum illud appareat sine vituperatione rasura, vel cancellatura, quae possint suspicionem inducere (...) Ubi autem instrumentum videtur vituperatione, vel alio simili, oportet eum, qui illud iuducit, probare veritatem; quod, si non fecitur, praesumitur falsarius (...) / (...)

Sequitur, quanta fides adhibeatur instrumentis in causis decidendis (...)


Vom Aufweis der Beweismittel und ihrer Glaubwürdigkeit

Wir haben auf den Beweis der lebendigen Stimme geblickt, das heißt auf den, der durch die Worte von Zeugen erbracht wird. Nun kommen wir zu dem, der mit der toten Stimme erbracht wird, das heißt wir handeln von dem Beweismittel durch  [schriftliche] Beweismittel. Lasst uns also sehen, was man unter einem Beweismittel versteht, welches seine Arten sind, und auf welche Weise welchen Beweismitteln Glauben geschenkt wird und inwieweit.

Eine Beweismittel ist eine Schrift, welche zur Absicherung oder zum Beweis irgendeiner Sache angefertigt wird. Sie wird Beweismittel genannt, weil sie unterrichtet, oder Dokument,weil es belehrt (...)

Es gibt zwei Arten von Beweismitteln, das eine ist das öffentliche [Beweismittel], das andere ist das private. Ein öffentliches [Beweismittel] ist das, das öffentliche Autorität hat. Und davon gibt es mehrere Arten. Denn das öffentliche Beweismittel ist das, was durch eine öffentliche Hand geschrieben worden ist, das heißt es ist durch die Hand eines öffentlichen Notars bzw. Tabellionen in öffentliche Form gebracht (...) Ebenso heißt das öffentliches [Beweismittel], was mit einem authentischen Siegel besiegelt ist (...) Als drittes heißt das öffentliches [Beweismittel], was auf Grund der Autorität des Richters aufgeschrieben und authentifiziert worden ist (...) Als viertes heißt das öffentliches [Beweismittel], was bei den öffentlichen Sitzungen vor Gericht aufgeschrieben wird; und es hat daher seine Kraft, weil es durch jemanden aufgeschrieben worden ist (...) Als fünftes heißt das öffentliches [Beweismittel], was die Unterschriften von drei lebenden Zeugen hat (...) Als sechstes heißt das öffentliches [Beweismittel], was vom öffentlichen Archiv oder Schrein hergestellt wird, also ein Verzeichnis; und ihm wird geglaubt, sofern es eine öffentliche Glaubwürdigkeit hat, das heißt dass der Richter davon überzeugt ist, dass es von einem öffentlichen Archiv hergestellt worden ist (...) Und einem solchen öffentlichen Beweismittel wird Vertrauen entgegengebracht, damit es alle oben genannten Übereinstimmungen und vieles andere beweist. Und dieses trifft zu, sofern es sich um ein Original handelt, das heißt es als authentisches Beweismittel eingeführt wird. Das übrige, sei es nach Ansicht des Richters eine einfache Abschrift oder eine bloße schriftliche Behauptung, verdient kein Vertrauen (...) / (...) außer wenn es, wie oben gesagt wurde, durch die Autorität des Richters abgeschrieben worden ist oder es sich um ein Authenticum handelt, auf das hingewiesen wurde, oder eine andere legitime Beweiswürdigkeit besitzt (...)

Privat heißt jedes andere Beweismittel, von wem auch immer es geschrieben ist, außer wenn es auf eine der vorgenannten Arten befestigt worden ist. Es gibtdrei Arten von privaten Beweismitteln: den es gibt Schriftstücke, die ganz an dich gerichtet sind, solche, die ganz an einen anderen gerichtet sind, und solche, die dich und den anderen betreffen (...) / (...)

Es wird gefragt, wann Beweismittel vorzulegen sind (...)

Auf diese Weise sollen Beweismittel oder Privilegien vorgelegt werden (...) / (...) / (...)

Allein gegenüber öffentlichen Beweismitteln oder auf andere Weise authentifizierten Beweismitteln, so wie es weiter oben gesagt worden ist, oder gegenüber privaten [Beweismitteln], in den oben genannten Fällen, muss Vertrauen entgegengebracht werden ohne irgendeine andere Stütze, [und zwar] solange, wie dieses Beweismittel keinen Tadel durch Rasur oder Kanzellierung aufweist, welche zu einem Argwohn führen könnten (...) Wo aber ein Beweismittel mit Tadel erscheint oder auf andere Weise [Argwohn hervorruft], steht es demjenigen, welcher es beurteilt, zu, seine Wahrheit zu beweisen; weil es nämlich als Fälschung gilt, wenn er dieses nicht veranlasst. (...) / (...)

Es folgt, wieviel Vertrauen Beweismittel in zu entscheidendenden Rechtsangelegenheiten besitzen (...)



 Kanonisten

Gottfried von Trani (um 1190-1245) stieg 1244 nach einem kanonistischem Studium, das er wahrscheinlich in Bologna absolviert hatte, an der römischen Kurie bis zum Kardinaldiakon von San Adriano auf. Er wirkte hier, wie sporadisch erhaltene Gutachten zeigen, vor allem als Rechtspraktiker. Während der Vakanz des päpstlichen Stuhls nach dem Tod Papst Coelestins IV.  verfasste er von 1241 bis 1243 mit der "Summa super titulis decretalium" sein Hauptwerk. Diese Rechtssumme fand im Mittelalter mit 280 Handschriften die weiteste Verbreitung nach der "Summa de poenitentiae" des Raymond von Penafort. Lit.: Martin Bertram, Der Dekretalenapparat des Goffredus Tranensis (Bulletin of Medieval Canon Law NS 1, 1971, S. 79-83); ders., (Art.) Goffredo da Trani, in: Dizinario biografico degli Italiani, Bd. 57, Rom 2001, S. 545-549; ders., Nochmals zum Dekretalenapparat des Goffredus Tranensis (Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 82, 2002, S. 638-662).


Gottofredo da Trani, Summa super titulis decretalium novissime cum repertorio et numeris principalium et emergentium questionum impressa, Lyon 1519 (ND Aalen 1968, 1992), S. 220-223 (fol. 109v-111r), bes. S. 220 f. (fol. 109v-110r):

De fide instrumentorum

(...) Instrumentorum due sunt species, aliud publicum , aliud privatum. Publicum, quod fit per manum tabellionis; cui, si fuerit in prima figura, hoc est non cancellatum, non abolitum, non viciatum vel vituperatum, (...) fides adhibetur sine alio adminiculo, (...) nisi is, contra quem profertur, [probet] falsum (...) Privatum aliud autenticum, aliud non autenticum, si confectum a duobus loco tabellionis in iudicio assumptis (...) Item instrumentum sive scriptum vel privatum sed autenticum est, cui appensum est sigillum autenticum (...) Est autem autenticum sigillum episcopi (...) et aliorum prelatorum (...) Item conventus (...) universitatis (...) cuiuslibet corporis vel collegii (...) Item autenticum est scriptum, etsi privata manu confectum, quod habet subscriptionem trium viventium testium (...) Et si de subscriptionibus dubitent, fiet comparatio per instrumenta publica, in quiibus hiisdem testes subscripserunt (...) Si vero testes inscripti decesserint, scriptus non videtur alicuius firmitatis robur habere (...) Sed privata scriptura scriptionem non habens generaliter fidem non facit (...) nisi contra illum, qui scripsit, et hoc in personalibus actionibus secus in realibus (...) Publicum igitur instrumentum auctoritati tabellionis innititur (...) / (...) Sed si de scriptura tabellionis dubitetur, fiet comparatio, ut (...)



Von der Glaubwürdigkeit der Beweismittel

(...) Es gibt zwei Arten der Beweismittel, eines [ist das] öffentliche, ein anderes das private [Beweismittel]. Öffentlich [heißt das Beweismittel], das durch die Hand des Tabellionen angefertigt wird; diesem (...) kommt Glaubwürdigkeit ohne irgendeine Stütze zu (...), wenn es von erster Gestalt ist, das heißt wenn es weder kanzelliert noch aberkannt, beschädigt oder getadelt worden ist. [Anders gelagert ist der Fall, wenn] derjenige, gegen den [das Beweismittel] vorgebracht wird, es als falsch erweist (...)  Das  private [Beweismittel] ist entweder authentisch oder nicht authentisch, sofern es [nämlich] von zwei an Stelle des Tabellionen vor Gericht in Anspruch genommen wird (...) Ebenso ist dasjenige Beweismittel oder Schreiben zwar privat, aber authentisch, dem ein authentisches Siegel angehängt worden ist (...) Authentisch ist das Siegel eines Bischofs (...) oder anderer Prälaten (...) Ebenso das eines Konvents, (...) einer Universitas, (...) eines irgendwie beschaffenen Körpers oder Kollegiums (...) Ebenso ist das Schreiben authentisch, das, obwohl mit privater Hand angefertigt, die Unterschrift von drei lebenden Zeugen aufweist (...) Und wenn Zweifel über die Unterschriften aufkommen, werde ein Vergleich mit öffentlichen Beweismitteln angestellt, welche diese Zeugen unterschrieben haben (...) Wenn aber die Zeugen des Aufgeschriebenen versterben, so scheint ein Schreiben keinerlei Kraft der Bestätigung mehr zu besitzen (...) Vielmehr hat ein privates Schreiben, das keine Unterschrift besitzt, keine Vertrauenswürdigkeit (...) außer gegen den, der es geschrieben hat, und dieses in persönlichen wie in realen Handlungen (...) Also genießt ein öffentliches Beweismittel die Autorität des Tabellionen (...) / (...) Wenn aber Zweifel an der Schrift des Tabellionen aufkommen, veranlasse er einen Vergleich wie [beschrieben in] (...)



Kanonisten

Guillaume Durant (um 1235-1296), genannt der "Speculator", war ein bedeutender Kanonist und Liturgiker. Als Bischof von Mende (gewählt 1285, geweiht 1286, eingeführt 1291) wenig erfolgreich, starb er als Rektor der Mark Ancona und der Romagna, nachdem er das Erzbistum Ravenna ausgeschlagen hatte. Sein Hauptwerk gilt dem mittelalterlichen Prozessrecht, das hier seinen inhaltlichen Höhepunkt erreicht. Lit.: Michel Hayez und Hartmut Zapp, (Art.) Duranti(s). I. D., Guillelmus [1] und [2], in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Lachen am Zürichsee 1982 (ND München 2002), Sp. 1469 f.

Johann Andreae (um 1270-1348) studierte und lehrte in Bologna beide Rechte und übernahm insbesondere für Papst Johannes XXII. zahlreiche Aufgaben. Er gilt als letzter Glossator, da von ihm die "Glossa ordinaria" zum "Liber Sextus" und zu den "Clementinen" stammt. Johann Andreae trägt vielleicht wegen seiner synthetischen und literaturhistorischen Arbeitsweise auch den Beinamen "Quelle und Horn des Rechts" (fons et tuba iuris). Lit.: Alfons Maria Stickler, (Art.) Johannes Andreae, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 5, Freiburg i.Br. ²1960 (ND Freiburg i.Br. 1986), Sp. 998.

Baldus degli Ubaldis (1327-1400), Doctor iuris utriusque, wurde in Perugia geboren, wo er auch das Studium beider Rechte absolvierte. Er lehrte von 1347 bis zu seinem Tod Zivilrecht in Perugia, Pisa, Florenz, Padua und Pavia. Aus seinen Vorlesungen sind Kommentare zu wichtigen Teilen des römischen Rechts hervorgegangen. Neben zahlreichen Gutachten zu kirchen- und tagespolitischen Fragen schrieb er außerdem Glossen zum "Vertrag von Konstanz" und Zusätze zum "Speculum iudiciale" des Guillaume Durant. Lit.: Peter Weimar, (Art.) Baldus de Ubaldis, in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 3, Lachen am Zürichsee 1980 (ND München 2002), Sp. 1375 f.


Guillaume Durant, Speculum iudiciale illustratum et repurgatum a Giovanni Andrea et Baldo degli Ubaldi I 3, Basel 1574 (ND Aalen 1975), S. 220-225, bes. S. 222:

De formis procuratorium

(...) Forma: Talis tali iudici tam vitae praesentis commoda, quam futurae vobis tenore praesentium intimamus, quòd in causa, quam A movet vel moturus est contra me, vel ego contra eum, coram vobis B. procuratorem meum constituo, concedens sibi generalem et liberam administrationem; dans etiam eidem potestatem agendi et defendendi, ratum habiturus et gratum quicquid per eum in dicta causa procuratum fuerit sive factum; promittens etiam sub hypotheca rerum mearum pro ipsum procuratore, si necesse fuerit iudicatum solvi: et hoc vobis significo atque parti, in cuius rei testimonium praesentem paginam feci sigillari, etc. ut supra.

Si autem velis sigillum authenticum apponi, quod utilius est, quia de eo non potest verisimiliter de facili dubitari; puta episcopi vel officialis vel alterius ordinariam iurisdictionem habentis (...) constituatur procurator in illius presentia; et tunc episcopus vel alius scribat, ut iam dictum est; et ubi dicitur, quòd nos fecimus, dicatur quòd magister B. Aug. etc. fecit, constituit, etc. ut in predicta forma. in fine autem iungatur sic: in cuius rei testimonium et certitudinem pleniorem, presens scriptum sigilli nostri appensione fecimus communiri, datum, etc.'


Zu den Formen der Vollmachten [eines Prokurators vor Gericht]

"Form: So beschaffen sei es für den so beschaffenen Richter für das jetzige wie für das zukünftige Leben ausreichend, wenn wir euch mit dem Tenor des gegenwärtigen [Schreibens] mitteilen, dass ich B. in der Rechtsangelegenheit, die A. gegen mich anstrengt oder anstrengen wird bzw. ich gegen ihn, bei euch zu meinem Bevollmächtigten einsetze, indem ich ihm die allgemeine und freie Ausübung [der Angelegenheit] zugestehe und ihm die Vollmacht gebe, zu handeln und zu verteidigen, was auch immer er in dieser Angelegenheit für rechtsgültig und wert erachtet, dass es veranlasst oder getan werde; indem ich unter Verbürgung aller meiner Dinge für diesen Bevollmächtigen verspreche, sollte dieses für nötig erachtet werden, dass ich euch und der Partei, der ich zum Beweis dieser Sache das gegenwärtige Blatt habe besiegeln lassen, dieses anzeige, usw. wie oben.

Wenn aber einem Pergament ein authentisches Siegel angehängt wird, wie es üblich ist, weil an diesem wahrscheinlich nicht so leicht gezweifelt werden kann, glaube ich ihm, weil es die ordentliche Gerichtsgewalt des Bischofs, seines Amtsträgers oder von jemand anderem hat. Es wird [dann] in seiner Gegenwart ein Bevollmächtigter eingesetzt, und dann schreibt der Bischof oder ein anderer in der genannten Weise. Und dort wird gesagt, dass wir es veranlasst haben. es wird gesagt, dass der Magister B. aus Aug. usw. veranlasst und usw. in der genannten Form eingerichtet hat, am Ende aber wird es [diese Aussage] so [mit dem Text] verbunden: 'Zum Beweis und zur vollständigen Sicherheit dieser Sache haben wir das gegenwärtige Schreiben mit dem Abdruck unseres Siegels zu befestigen veranlasst. Gegeben, usw.'"




Guillaume Durant, Speculum iudiciale illustratum et repurgatum a Giovanni Andrea et Baldo degli Ubaldi I 2, Bd. 1, Basel 1574 (ND Aalen 1975), S. 623-629, bes. S. 626:

De probationibus


(...) Curia Romana tenet, quod non creditur sigillo, nisi sit authenticum (...) Unde sigilla archiepiscoporum, officialium suorum, et principum, et abbatum exemptorum, et notariorum, iurisdictionem habentium, faciunt fidem in alienis negotiis, non autem aliorum abbatum inferiorum, vel decanorum, vel archidiaconorum, licet praesint iurisdictioni, nisi in his, quae sunt suae iurisdictionis; tunc enim cuilibet ordinario vel delegato creditur (...) Sigilla episcoporum, et (!) supra, faciunt fidem; inferiorum vero episcoporum non, nisi ut iam dictum est; et nisi consuetudo hoc habeat, quod eorum sigiliis credatur, de his, quae extra iudicium fiunt, et quantum eis credatur, pura usque ad certam summam, et inter quas personas, statur enim in hoc consuetudini, quae facit sigilla authentica (...) Sigillum autem cancellarii Parisiensis fidem facit, secundum dominum meum (...) Argument(ur) tamen contra, quod sigillum privatae personae fidem faciat (...) Et generaliter scias, quod creditur literis cuiusque de his, quae facere potest vel debet rationi officii sui (...) Et nota, quòd habens proprium sigillum, non debet cum alieno sigillare: sed nec debet quis cum alieno sigillare, nisi hoc in litera profiteatur. Item sigillum ad causas, non facit fidem in aliis (...) Illud etiam scias, quòd illud, quod ius civile vocat annulum (...), ius canonicum vocat sigillum (...)  Apponitur autem sigillum et subscriptio diversis ex causis: quandoque in signum consensus (...) quandoque in signum testimonii (...) quandoque in signum auctoritatis (...) quandoque in signum confirmationis, et ex pluribus alis causis: propter quod in litera debet dici semper, ad quid sigillum apponatur: de quo, et quid iuris sit de schedulis vacuis traditis, quid, et per quos, quando, et ad quem effectum in eis scribi debet, dic (...) Hoc autem certum est, quòd sigillis duorum, vel plurium executorum creditur (...)


Von den Beweisen

(...) Die römische Kurie ist gehalten, einem Siegel nicht zu glauben, außer wenn es authentisch ist (...) Daher sind die Siegel von Erzbischöfen, ihren Amtsträgern, und die von Fürsten sowie von exemten Äbten, und die von Notaren, die die Gerichtsbarkeit haben, vertrauenswürdig in fremden Geschöften, nicht aber die anderer, niederer Äbte, [ebensowenig wie] die von Dekanen oder Archidiakonen, es sei denn diese ständen ihrer [eigenen] Gerichtsbarkeit voran, und dann auch nur in den [Dingen], die ihre Gerichtsbarkeit betreffen. Es wird nämlich jedem ordentlich Eingesetzten oder damit speziell Beauftragten geglaubt (...) Die Siegel von Bischöfen sind, wie oben [angegeben], vertrauenswürdig, die [Siegel von Amtsträgern] unterhalb der Bischöfe hingegen nicht, außer wenn es sich so, wie schon gesagt, verhält. Und auch dann [haben sie nur Vertrauen], wenn die Gewohnheit so ist, dass ihren Siegeln Vertrauen geschenkt wird. Darüber, was sie außerhalb des Gerichts bewirken, und inwieweit ihnen geglaubt wird, [nämlich] nur bis zu einer gewissen Summe, und zwischen welchen Personen [ihnen Glaubwürdigkeit zukommt], wird gemäß derjenigen Gewohnheit festgelegt, die die Siegel authentisch macht (...) Das Siegel des Kanzlers von Paris aber ist gemäß meinem Herrn vertrauenswürdig (...) Es wird dagegen eingewandt, dass auch ein Siegel einer Privatperson Vertrauenswürdigkeit genieße (...) Und im Allgemeinen sollst du wissen, dass den Briefen von denen geglaubt wird, die ihrem Amtsträger einen Rechtsgrund geben können oder müssen (...) Und bemerke, dass der, der ein eigenes Siegel hat, nicht mit einem fremden [Siegel] zu siegeln braucht. Aber niemand darf mit einem fremden [Siegel] siegeln, außer wenn es in einem Brief vorgeschrieben wird. Ebensowenig begründet ein Siegel ad causas Glaubwürdigkeit in anderen [Angelegenheiten] (...) Wisse auch dieses, dass das, was im Zivilrecht Ring genannt wird, im kanonischen Recht Siegel heißt. Siegel und Unterschrift werden aber aus verschiedenen Gründen angebracht:  einmal als Zeichen der Zustimmung (...), sodann als  Zeichen der Bezeugung (...), weiterhin als Zeichen der  Autorität (...), ferner als Zeichen der  Bestätigung sowie aus vielen anderen Gründen (...) Daher muss in dem Brief immer gesagt werden, wozu das Siegel angebracht wird, aus welcher Ursache und nach welchem Recht die leeren Blätter übergeben worden sind, was, und durch wen, wann und zu welchem Zweck der Auftrag, dass sie beschrieben werden, gegeben wird (...) Auch dieses ist sicher, nämlich dass man den Siegeln von zwei oder noch mehr Testamentsvollstreckern Glauben schenkt (...)



Anfang

Kanonisten




Volksrechte





Schwabenspiegel
Konrad von Mure
Matthäus Paris




Der Schwabenspiegel über mächtige Siegel


Wilhelm Ewald, Siegelkunde (Handbuch der mittleren und neueren Geschichte, Abtlg. IV), München-Berlin 1914 (ND Darmstadt 1969; 1975), S. 43

Von insigel craft

Des pabstes insigel heizent pulle.
Swer diu mit rhet git und si mit rehte enphahet, so sint sie gut und reht.

Der kunge insigel hant oh groze craft.


Der phaffen fursten insigel und der leigen fursten insigel sint reht

und aller convent insigel sint reht

und werdent disiu insigel uber ander lute sache gegeben, so hant si also groze craft als uber ir selber sache.

Ander herren insigel hant nit craft wan umbe ir selber geschaefede und umbe ir lute geschaefede.
Die stete suln och insigel han, doch mir (!) ir herren willen
und hant si siu wider ir herren willen, so hant si deheine craft, so hant oh niht craft wan umbe ir stete geschaefede.
Ander lute mugen wol insigel han, diu hant niht craft, wan umb ir selber geschaefede.

Man mac wol ein insigel zu dem andern legen an einen brief, der brief ist niur deste vester.


Alle rihtaer mugen wol mit rehte insigel han, diu hant craft uber diu dinc, diu ir gerichte horent.



Schwäbisches Landrecht und Lehenrecht, hg. von Hieronymus von der Lahr und Karl August Eckhardt (Bibliotheca rerum historicarum Neudrucke 7), Aalen 1974, S.  465 f.:

Von insigel merck also

[1.] Des bapsts insigel heyßen bullen:
2. Wer die mit recht gibt. und sy mit recht empfahet so seind sy gut und gerecht.
II.
3. Der künig insigel habent auch groß recht und kraft.
III.
4. Der priester fürsten insigel unnd der leyenfürsten insigel seind recht.
IV.
5. Der prelaten und der capitel insigel seind recht. und aller convent insigel seint recht.
6. Und werdent sy (G) über ander sachen gegeben dann über ir selbs sach die habent also groß kraft als umb ir selbs geschefft.
V.
7. Sunder (H) herrn insigel habent nitt kraft wann umb ir selbs geschefft (I).
VI.
8. Die stet söllent auch insigel ha- / ben doch mit irer herrn willen (K).
9. So habent sy kein kraft wann umb ir stet gescheft.
VII.
10. Ander leüt mögent wol insigel haben die habent nit kraft. wann umb ir selbs gescheft.
VIII.
11. Man mag mit recht wol ein insigel zu dem andern legen an einen brieff zu merer vestung (L).
IX.
12. Alle richter mügent mit recht wol insigel haben die habent kraft über die ding die zu iren gericht gehörent.
X.
13. Wer hand vesti machet der sol czu dem minsten siben mann daran seczen die gezeüg seind. ist ir mer das ist auch gut.
14. An yegklicher hand vesti hilft der tod gezeüg als der lebent (M).
15. Wa man hand vesti machet da sol man unsers herrn jesu cristi jarzal anseczen. man mag (N) auch wol mit recht der gezeügen insigel daran legen.


Schwäbisches Landrecht und Lehenrecht, hg. von Hieronymus von der Lahr und Karl August Eckhardt (Bibliotheca rerum historicarum Neudrucke 7), Aalen 1974, S.  465 f.

De sigillis

[1.] Papae sigillum appellatur bulla.
2. Quando iuste hae (bullae literis) affiguntur et accipiuntur, tum res bene se habet; et validae sunt litterae.
II.
3. Regum sigilla  magnam habent vim et auctoritatem.
4. Omnino etiam valida sunt sigilla principum et ecclesiasticorum et laicorum.
IV.
5. Praelatorum ut et capitulorum, aliorumque conventuum sigilla valorem quoque habent.
6. Quodsi sigilla horum adhibentur in negotiis aliorum eandem vim habent, qua gaudent in negotiis propriis.
V.
7. Aliorum dignitatum sigilla valorem non habent quam in negotiis propriis.
VI.
8. Civitates quoque debent sigilla / habere, cum consensu dominorum suorum.
9. Nec (illa, quae cum dominorum consensu habent) valent, nisi in negotiis ipsarum civitatum.
VII.
10. Aliorum quoque sigilla valore carent, nisi in propriis adhibeantur negotiis.
VIII.
11. Potest unum sigillum adhuc alteri in litteris addi, quod si fit, literae illae sunt eo firmiores.
IX.
12. Quilibet iudex potest sigillo uti, sed id valet tantum in causis ab ipsius diiudicatione et iurisdictione dependentibus.
X.
13. Qui chirographum dat, ille ad minimum septem homines tanquam testes adsciscere debet; si plures (quam septem) adhibet, hoc quoque bene se habet.
14. Ad firmamentum chirographi aeque inservit testis mortuus (!) ac vivus (!).
15. Quando instrumentum aliquod conscribitur, tum inferi debet annus nativitatis domini nostri Iesu Christi, et pro lubitu adduntur testium sigilla.  
 


Von der Kraft des Siegels

Die Siegel des Papstes heißen Bullen. Wer sie mir Recht gibt und sie mit Recht empfängt, [für den] sind sie auf diese Weise gut und Recht. Die Siegel der Könige haben ebenfalls große Kraft. Die Siegel der geistlichen und weltlichen Fürsten sind Recht, und die Siegel aller Konvente sind Recht. Und werden diese Siegel aber in der Angelegenheit Dritter gegeben, so haben sie genauso große Kraft wie in ihrer eigenen Angelegenheit. Die Siegel anderer Herren haben keine Kraft außer in eigenen Geschäften und in Geschäften ihrer Leute. Die Städte sollen ebenfalls Siegel haben, doch mit der Zustimmung ihrer Herren, und haben sie sie gegen den Willen ihrer Herren, so haben diese keine Kraft. Sie haben auch keine Kraft als für die Geschäft der Stadt. Andere Leute können wohl Siegel haben, die haben aber keine Kraft außer für ihre eigenen Geschäfte. Man kann wohl ein Siegel zu dem anderen legen an einem Brief [gemeint ist eine Urkunde], der Brief ist nur umso fester. Alle Richter können wohl mit Recht Siegel haben, die haben Kraft für die Angelegenheiten, die ihre Gerichte hören. Wer ein Chirograph geibgt, muss mindestens sieben Männer als Zeugen aufbieten. Sollte er mehr als sieben aufbieten, so ist dieses auch gut. Um ein Chrirograph zu bekräftigen, dient ebenso ein Toter wie ein Lebender als Zeuge. Wenn irgendein Beweismittel  niedergeschrieben wird, muss es das Jahr der Geburt unseres Herrn Jesu Christi enthalten, und mit Recht werden außerdem die Siegel der Zeugen ergänzt.



Volksrechte 
 

Konrad von Mure, Die Summe de arte prosandi, hg. von Walter Kronbichler (Geist und Werk der Zeiten 17), Zürich 1968, S.   [erg#nzen]

Et, ecce, persone sunt ut episcopi et eorum pares vel superiores, quorum sigilla in foro contensioso authentica reputantur. Authentica non sunt, quibus in iudicio fidem non cogimur adhibere.

Quae autem sigilla, episcopis et eorum paribus et superioribus exceptis, in foro contensioso secundum ius scriptum seu consuetudinem terrae approbatam authentica reputantur vel debent reputari, non expedit explicare in presentis operis parvitate, quia glossatores iuris canonici et civilis in hoc casu dissimilia dicere videntur et diversa.

Legales etiam tabelliones, quales videmus in Lombardia, omnibus instrumentis, que scribunt manu sua, inpontunt quoddam signum seu karacterem specialem, quo signo seu quo karactere iidem utuntur pro sigillo. Et omnes, quibus ostensum fuerit huiusmodi instrumentum in iudicio vel extra iudicium, plenam et legitimam fidem ipsi adhibent instrumento, quia ipsi tabelliones ad assertionem veritatis astricti sunt prestito corporali iuramento. Unde rationabile est, ut in his terris et provinciis, in quibus non est usus legalium tabellionum, ne litigaturis copia defensionis propter defectum sigillorum, que ius appellat autentica, subtrahatur, consuetudo admittere debeat pro autenticis illorum sigilla, qui longe minores episcopis habent aliquas dignitates ecclesiasticas et personatus, alioquin multos in suo iure contingeret periculum sustinere.


Und, siehe, es handelt sich um Personen wie Bischöfe und ihres Gleichen oder Höhere, deren Siegel im streitbaren Gericht für authentisch gehalten werden. Als nicht authentisch gelten die, denen vor Gericht kein Glauben entgegengebracht wird.

Zu erklären, welche Siegel aber - abgesehen von denen der Bischöfe und ihres Gleichen oder von Höheren - beim streitbaren Gericht gemäß dem geschriebenen Recht oder der Gewohnheit des Landes als authentisch anerkannt werden oder werden sollen, dazu reicht die Kürze des gegenwärtigen Werkes nicht aus, weil nämlich die Ausleger des kanonischen und zivilen Rechts in diesem Fall Verschiedenes und Gegensätzliches zu sagen scheinen.

Die rechtmäßigen Tabellionen versehen, soweit wir es in der Lombardei sehen, alle Beweismittel, die sie mit ihrer Hand anfertigen, mit einem Zeichen oder besonderen Charakter. Sie benutzen dieses Zeichen bzw. diesen Charakter wie ein Siegel. Und alle, durch die das Beweismittel auf diese Weise vor Gericht oder außer Gericht gezeigt wird, beanspruchen die volle und rechtmäßige Glaubwürdigkeit für ihr Beweismittel, weil die Tabellionen verpflichtet sind, zur Absicherung der Wahrheit einen körperlichen Eid anzulegen. Daher ist es vernünftig, dass du in diesen Ländern und Provinzen, in denen es keinen Gebrauch rechtmäßiger Tabellionen gibt, nicht eine Abschrift des Streiführers der Verteidigung wegen eines Defekts an den Siegeln, die das Recht authentisch nennt, abgezogen wird. Die Gewohnheit verlangt nämlich, die Siegel derer für authentisch zu halten, die schon lange geringere kirchliche Würden und Gestalten haben als die Bischöfe. Widrigenfalls erwächst in ihrem Recht für viele Gefahr, die diese ertragen müssen.
 


Volksrechte


Matthäus von Paris, Chronica maiora, hg. von Henry Richard Luard (Rerum Britannicarum medii aevi scriptores 57), Bd. 2, London 1874 (ND New York- Nendeln/Liechtenstein 1964), S. 438:

Qui debeant habere sigilla autentica

Quoniam tabellionum usus in regno Angliae non habetur, propter quod magis ad sigilla autentica recurrere est necesse, ut eorum copia facilius habeatur, statuimus, ut sigillum habeant non solum archiepiscopi et episcopi, sed etiam eorum officiales; item abbates, priores, decani, archidiaconi et eorum officiales, decani rurales, necnon ecclesiarum cathedralium capitula, et caetera quaeque collogia, et conventus cum suis rectoribus aut divisim iusta eorum consuetudinem vel statum. Pro varietate quoque cuiuslibet praedictorum habeat unusquisque sigillum, nomen puta dignitatis, officii, collegii, et etiam illorum proprium nomen, qui dignitatis vel officii perpetui gaudent honore, insculptum notis et characteribus manifestis; sicque sigillum autenticum habeant. Denique illi, qui temporale officium susciperint, puta decani rurales et officiales, sigillum suum, quod tantum nomen (officii) habeat insculptum, finito officio, ei, a quo habeant officium, continue et sine mora resignent. Sane de custodia sigillorum curam haberi praecipimus diligentem, scilicet unusquisque per se illud custodiat, vel uni soli, de cuius fide confidat, custodiendum committat; qui etiam iuret, quod fideliter illud custodiet (nec ad sigillandum aliquid concedet alicui), nec etiam ipse aliquid inde sigillet, ex quo possit alicui praeiudicium generari, nisi quod dominus eius prius legerit et vederit deligenter (!) et sic praeceperit sigillari. In facienda vero sigilli copia fidelis et provida sit cautela; fidelis, ut indigentibus de facili praebeatur; provida, ut falsis et fraudulentis penitus denegetur. In principio quoque vel in fine cuiuslibet scripturae autenticae sufficientem datam inseri statuimus, diei, temporis et loci.


Wer authentische Siegel führen muss

Weil der Gebrauch von Tabellionen im Königreich England nicht eingehalten wird, ist es umso nötiger, zu authentischen Siegeln zurückzukehren. Wir legen fest, damit man ihre Abschriften leichter erhält, dass nicht nur Erzbischöfe und Bischöfe Siegel führen, sondern auch ihre Amtsträger, das heißt Äbte, Pröpste, Dekane, Archidiakone und ihre Amtsträger, ländliche Dekane wie auch Kapitel an Hochstiften und weitere Kollegien, und Konvente mit ihren Rektoren oder wie es die Rechtsgewohnheiten oder der Rechtszustand zuteilt. Endlich erhalten jene, die ein zeitliches Amt empfangen, das heißt ländliche Dekane und ihre Amtsträger, ihr Siegel, das den ganzen Amtsnamen eingeprägt erhält. Nach der Beendigung des Amtes resignieren sie gegenüber dem, von dem sie das Amt erhalten haben, [und zwar] sofort und ohne Verzögerung. Wir schreiben vor, dass sie fürwahr besondere Sorge für die Hut der Siegel haben, das heißt ein jeder hüte das Siegel für sich oder übergebe es zur Hut einem einzelnen, der sein Vertrauen genießt. Dieser soll ihm schwören, dass er es sorgsam behütet und es auch keinem anderen zum Siegeln überlässt. Und er auch selbst darf nichts Anderes damit siegeln, woraus sich irgendein Präjudiz etnwickeln könnte, außer wenn sein Herr es [das Schriftstück] vorher gelesen, sorgsam durchgesehen und zu siegeln befohlen hat. Bei der Anfertigung einer Koie des Siegels [eher: der Siegelurkunde] sei er getreu, vorhersehend und vorsichtig; getreu, damit es [bzw. sie] den Bedürftigen leicht dargeboten wird; vorhersehend, damit es [bzw. sie] kaum durch Fälscher und Betrüger verleugnet wird. Am Anfang oder am Ende des authentischen Schreibens soll auch ein ausreichendes Datum angebracht sein, so schreiben wir vor, ein Datum des Tages, der Zeitangabe und des Ortes.


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