B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Augustin Tünger
1455 - post 1486
     
   


F a c e t i a e   L a t i n a e
e t   G e r m a n i c a e


1 4 8 6

B e m e r k u n g e n   d e s   H e r a u s g e b e r s
A d a l b e r t   v o n   K e l l e r   1 8 7 4


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     Was ich über den verfasser der vorstehenden schrift weiß, entnehme ich aus dem buche selbst.
     Augustin Tünger ist geboren zu Endingen (bl. 21. 26 f.), dem jetzt zum württembergischen oberamt Balingen gehörigen pfarrdorfe, ohne zweifel im jahre 1455 (bl. 41b). Er studierte in Erfurt (50b. 116b), wo als sein lehrer in der grammatik Johannes Beck aus Marburg bezeichnet wird. Von den dortigen lehrern wird auch noch Johann von Koburg (15) erwähnt. 1478, 23 jahre alt, heirathete er, gegen den wunsch seiner angehörigen, seine frau Clara (14b) und lebte damals in bedrängten verhältnissen.
     Tünger nennt sich procurator des hofs Constanz (bl. 1) und den bischof von Constanz seinen gnädigen herrn (bl. 93). Zum grafen Eberhard von Wirtenberg und Montpelgard, dem ältern, stand er in dienst- oder unterthanenverhältnis. Sein geburtsort Endingen ist altwürttembergischer besitz. Vgl. C. v. Stälin, wirtembergische geschichte 2, 506. 3, 409. Dieser graf Eberhard kann kein anderer sein, als der 1445 geborne graf Eberhard im bart; er heißt der ältere zum unterschied von seinem vetter, Eberhard dem jüngeren, graf Ulrichs söhn. Stälin a. a. o. 3, 549 f.
     1486, also 31 jahre alt, schrieb Tünger die schwänkesammlung, die er als seine erstlingsarbeit bezeichnet (bl. 59. s. 77). Andere schriften des verfassers kenne ich nicht.
     Um den Bodensee scheint Tünger am meisten heimisch. Von Constanz aus berechnet er gerne die entfernungen anderer orte; er nennt Aigoltingen (bl. 34), Arbon (bl. 36b), Rorschach (bl. 36b), Lindau (bl. 29b), Buchorn (bl. 48b), Reichenau (bl. 28), Mülheim (bl. 10b), Maura (bl. 11b), das Hegau (bl. 45b), sodann orte der Schweiz, Basel (s. 79), Zürich (bl. 15b), Winterthur (bl. 11), Chur (bl. 19b. 31b. 76b), Vorarlbergs wie Ems (bl. 29b), dann rheinabwärts Straßburg (bl. 9b. 17. 50. 119), Hagenau (s. 90), Kappel (bl. 52. 119), Speier (bl. 17b), weiterhin Frankfurt (bl. 22), Erfurt (bl. 18. s. 91) u. s. w.
     Mit diesen ortsangaben stimmt auch die eigenheit der sprache. Sie ist nicht rein hochdeutsch, sie trägt vielmehr die färbung des südschwäbischen idioms, welches an das alemanische streift. Die alemanische form gesin (bl. 81b) findet, sich noch jetzt im Balinger bezirk. Die kürzung des stammvocals in zittlich (bl. 82), wofern die gemination eine bedeutung hat, ist gleichfalls schweizerische eigenheit. Die diphthongierung des à zu au (d. h. ao) wie raut (bl. 78), missraut (bl. 78b), Zaubern (bl. 94) ist jetzt nicht mehr balingisch und weist mehr nach osten.
     Die schwänke sind lateinisch geschrieben, der zeitsitte gemäß. Da aber graf Eberhard nicht Latein verstand (s. C. v. Stälin, wirtembergische geschichte 3, 549 f.), ist eine deutsche übersetzung angehängt.
     Die handschrift habe ich in meinem katalog altdeutscher handschriften unter n. 113 verzeichnet und beschrieben. Sie gehörte früher dem kloster Weingarten, jetzt der k. handbibliothek in Stuttgart und ist 1486 auf pergament geschrieben. Das buch ist in holzdecken, mit weißem gepresstem leder überzogen, eingebunden. Auf der vordern und hintern decke befinden sich je an der innenseite alte colorierte federzeichnungen, im buche selbst gemalte anfangs-buchstaben und arabesken. Der erste buchstabe bl. 1 D ist ausgemalt und stellt auf goldgrund einen engel dar, welcher 2 wappen-schilde hält, in der rechten hand das württembergische, die hirschhörner und die mömpelgardischen fische, in der linken das der gemahlin Eberhards, Barbara, markgräfin von Mantua. Die handschrift ist im ganzen hübsch, aber nicht sorgfältig, geschrieben; viele rasuren und correcturen sollen nachträglich den text bessern.
     Daß Uhland auf die handschrift aufmerksam gewesen ist, weiß man aus dessen schriften zur geschichte und sage 7,622. Das buch galt einige zeit für verloren.