BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Germaine de Staël

1766 -1817

 

Über Deutschland

 

Dritter Theil. II. Abtheilung.

 

___________________________________________________________

 

 

 

Sechstes Capitel.

 

――――――

 

Von dem Schmerze.

 

Man hat das Axiom der Mystiker, „daß der Schmerz ein Gut ist,“ vielfältig getadelt. Einige Philosophen des Alterthums haben behauptet, daß er kein Uebel sey. Es ist indeß bei weitem schwerer, ihn mit Gleichgültigkeit, als mit Hoffnung zu betrachten 1). In Wahrheit, wenn man nicht überzeugt wäre, daß das Unglück ein Mittel der Vervollkommnung ist, bis zu welchem Uebermaß von Erbitterung würde es nicht führen? Warum uns ins Leben rufen, um uns von demselben verzehren zu lassen? Warum alle Foltern und alle Wunder des Universums in einem schwachen Herzen concentriren, das da fürchtet und hofft? Warum uns die Macht zu lieben geben, und uns dann alles, was [262] wir mit Liebe umfaßt haben, entreißen? Endlich, wozu der Tod, der schreckliche Tod? Wenn die Täuschung der Erde ihn uns vergessen macht, wie stark meldet er selbst sich bei uns an! Inmitten von allen glänzenden Scenen dieser Welt entfaltet er seine schwarze Fahne.

 

Cosi trapassa al trapassar d'un giorno

Della vita mortal il fiore e'l verde;

Ne perchè faccia indietro April ritorno,

Si rinfiora ella mai, ne si rinverde 2).

 

Man hat auf einem Ballfeste jene Fürstin 3) gesehen, welche, als Mutter von acht Kindern, noch den Zauber einer vollkommnen Schönheit mit aller Würde mütterlicher Tugenden vereinigte. Sie eröffnete den Ball, und die melodischen Töne der Musik bezeichneten die der Freude geweiheten Augenblicke. Blumen schmückten ihr schönes Haupt; und Putz und Tanz mußten sie in die ersten Tage ihrer Jugend zurückversetzen. Gleichwol schien sie eben die Freuden zu fürchten, an welche so viele glückliche Erfolge sie hätten fesseln können. Ach! wie wurde dies unbestimmte Vorgefühl verwirklicht! Plötzlich werden aus den zahllosen Kerzen, welche den Glanz des Tages ersetzen, eben so viel verzehrende Flammen; und die abscheulichsten Leiden treten an die Stelle des glänzenden Luxus eines Festes. Welch ein Contrast! Wer könnte ermüden, [263] darüber zu denken? Nein, nie waren menschliche Größe und menschlicher Jammer einander so nahe gebracht; und unser beweglicher Gedanke, der sich durch die düsteren Drohungen der Zukunft so leicht zerstreuen läßt, wurde in derselben Stunde von allen glänzenden und fürchterlichen Bildern getroffen, welche das Geschick auf der Bahn der Zeit gewöhnlich von einem Zwischenraum zum andern ausstreut. Indeß hatte kein Unfall die Frau berührt, die nur aus eigener Wahl sterben sollte. Sie war gerettet; sie konnte den Faden des so tugendhaften Lebens, das sie seit fünfzehn Jahren führte, wieder anknüpfen. Aber eine von ihren Töchtern ist in Gefahr; und das zarteste und furchtsamste Wesen stürzt sich in eben die Flammen, vor welchen Krieger zurückweichen würden. Alle Männer werden gefühlt haben, was sie empfunden haben muß? Wer aber könnte sich stark genug fühlen, ihr nachzuahmen? wer so auf sein Gemüth rechnen, um nicht die Schauder zu empfinden, welche die Natur beim Anblick eines scheußlichen Todes aufruft? Eine Frau hat ihnen getrotzt; und wiewohl der Todesstreich sie in eben diesem Augenblicke traf, so war doch ihre letzte Handlung die einer Mutter. In diesem erhabenen Moment trat sie vor Gott, und was ihr hienieden übrig blieb, konnte nur an dem Namenszuge ihrer Kinder erkannt werden, welcher den Ort bezeichnete, wo dieser Engel heimgegangen war. Ach! alles was in diesem Gemählde schauderhaft ist, wird durch die Strahlen der himmlischen Glorie gemildert. Diese hochherzige Pauline wird künftig die Heilige der Mütter seyn; und wenn ihre Blicke sich noch nicht gen Himmel wagen sollten, so werden sie ausruhen [264] auf dieser lieblichen Gestalt und sie bitten, daß sie den Segen Gottes für ihre Kinder erflehe.

Wenn es gelungen wäre, die Quelle der Religion auf Erden auszutrocknen, was würde man Denen sagen, welche das reinste aller Schlachtopfer fallen sehen? was denen, die es geliebt haben? Und mit welcher Verzweiflung, mit welcher tiefen Furcht vor dem Schicksal und seinen geheimen Tücken würde das Gemüth nicht erfüllt seyn!

Nicht bloß, was man sieht, sondern auch was man sich vorstellt, würde den Gedanken niederschmettern, wenn in uns nicht etwas vorhanden wäre, was uns von dem Ungefähr befreiet. Hat man nicht in einem dunklen Kerker gelebt, wo jede Minute ein Schmerz war, und wo man nur so viel Lust genoß, als nöthig war, die Leiden wieder anzufangen? Der Tod, sagen die Ungläubigen, muß von Allem befreien. Aber wissen sie denn, was der Tod ist? Wissen sie, ob der Tod das Nichts ist? Und in welches Labyrinth von Schrecknissen kann uns nicht der Verstand ohne Führer hinzerren?

Wenn ein rechtschaffener Mann – und die Umstände eines leidenschaftlichen Lebens können leicht ein solches Unglück herbeiführen – wenn, sag' ich, ein rechtschaffener Mann einem unschuldigen Wesen ein Uebel zugefügt hätte, das sich mit keinem Ersatz verträgt – wie wollte er sich, ohne den Beistand der religiösen Sühne, jemals darüber trösten? Wenn das Schlachtopfer da im Sarge liegt, an wen soll er sich wenden, wenn es keinen Verkehr mit demselben giebt, wenn Gott selbst den Todten nicht die Seufzer der Lebenden verständlich macht, wenn der erhabene Vermittler der Menschen nicht zum Schmerze sagt: „es ist genug;“ – zur Reue: [265] – „du hast Verzeihung gefunden?“ – Man glaubt, der Hauptvortheil der Religion sey, Gewissensbisse zu wecken: allein sie dient eben sowohl zu Beruhigung derselben. Es giebt Gemüther, in welchen die Vergangenheit vorherrscht; Gemüther, welche die Reue wie ein lebendiger Tod verzehrt; Gemüther, an welche sich die Erinnerung wie ein zerfleischender Geier klammert. Für solche ist die Religion eine Erleichterung der Gewissensbisse, die sie empfinden.

Eine Idee, welche immer dieselbe bleibt und doch tausend verschiedene Gestalten annimmt, ermüdet zugleich durch ihre Lebendigkeit und ihre Eintönigkeit, Die schönen Künste, welche die Macht der Einbildungskraft verdoppeln, vermehren mit ihr die Lebhaftigkeit des Schmerzes. Ist das Gemüth nicht mehr in Harmonie mit sich selbst, so wird selbst die Natur lästig: die Ruhe, die man so sanft fand, reizt, wie die Gleichgültigkeit; die Wunder des Universums verdunkeln sich vor unsern Blicken und mitten im Sonnenglanz wird alles zu Erscheinung. Die Nacht beunruhigt, als ob die Dunkelheit irgend ein Geheimniß unser Leiden verberge, und die strahlende Sonne scheint dem Kummer unsers Herzens zu spotten. Wo so vielen Leiden entfliehen? Etwa im Tode? Aber die Angst des Unglücks macht es zweifelhaft, ob Ruhe im Grabe sey, und die Verzweiflung ist für Atheisten selbst eine düstere Offenbarung der Ewigkeit der Strafen. Was würden wir dann thun – o mein Gott, was würden wir thun, wenn wir uns nicht in deinen Vaterschooß werfen könnten? Der, welcher Gott zuerst Vater nannte, begriff weit mehr von dem menschlichen Herzen, als die tiefsten Denker des Jahrhunderts.

Es ist nicht wahr, daß die Religion den Geist [266] beschränke; eben so wenig ist es wahr, daß die Strenge religiöser Grundsätze zu fürchten sey. Nur Eine Strenge kenne ich, die für empfindsame Seelen furchtbar ist: die der Weltmenschen. Sie sind es, die nichts begreifen, nichts entschuldigen von dem, was unwillkührlich ist. Sie haben sich ein menschliches Herz nach ihrer Fantasie gemacht, um recht bequem darüber zu urtheilen. Ihnen könnte man wiederholen, was den Herrn von Port-Royal gesagt wurde, die übrigens viel Bewunderung verdienten: „Es wird euch leicht, den Menschen zu begreifen, den ihr geschaffen habt, aber den, der ist, kennet ihr nicht.“

Die meisten Weltmenschen sind gewohnt über alle unglückliche Lagen des Lebens gewisse Dilemmata zu machen, um sich so schnell als möglich von dem Mitgefühle los zu sagen, das jene von ihnen fordern. „Nur zwei Partheien lassen sich ergreifen – sagen sie –; man muß entweder ganz das Eine oder ganz das Andere seyn, man muß ertragen, was man nicht verhindern kann, man muß sich trösten über das, was unwiederruflich ist.“ Oder auch: „Wer den Zweck will, will auch die Mittel; man muß alles thun, um das zu erhalten, was man nicht entbehren kann“ u. s. w.; und tausend andere Axiome dieser Art, welche die Gestalt der Sprichwörter angenommen haben, und wirklich der Codex der gemeinen Weisheit sind. Aber welches Verhältnis giebt es denn zwischen diesen Axiomen und den Herzensqualen? Dies alles ist gut für die gemeinen Angelegenheiten des Lebens; aber wie soll man dergleichen Rath auf moralische Leiden anwenden? Sie sind verschieden, je nach den Individuen, und zusammengesetzt aus tausend Umständen, die Jedem [267] unbekannt sind, außer unserem vertrautesten Freunde, wenn es einen giebt, der sich mit uns identifiziren kann. Für Den, der mit Feinheit beobachtet, ist jeder Charakter beinahe eine neue Welt, und ich kenne in der Wissenschaft des menschlichen Herzens keine allgemeine Idee, die sich auf alle besonderen Beispiele anwenden ließe.

Nur die Sprache der Religion paßt für alle Lagen des Lebens und für alle Empfindungsarten. Bei der Lectüre von J. J. Rousseau's Träumereien, diesem beredten Gemälde eines Wesens, das mit einer starken Einbildungskraft im Kampfe liegt, habe ich mich gefragt, wie ein Mann von einem, durch den Umgang mit der Welt gebildeten Geiste, und ein religiöser Einsiedler Rousseau'n zu trösten gesucht haben würden.

Er würde sich darüber beklagt haben, daß man ihn hasse und verfolge; er würde sich den Gegenstand des allgemeinen Neides und das Opfer einer Verschwörung genannt haben, die sich vom Volke bis zu den Königen erstrecke; er würde behauptet haben, daß alle seine Freunde ihn verrathen hätten, und daß selbst die Dienste, die man ihm leiste, Fallstricke wären. Was nun würde der Mann von einem durch die Welt gebildeten Geiste auf diese Klagen geantwortet haben?

"Sie übertreiben sich, würde er gesagt haben, die Wirkung, die Sie hervorzubringen glauben, auf eine auffallende Weise. Unstreitig sind Sie ein sehr ausgezeichneter Mann; aber da jeder von uns doch auch seine eigenen Angelegenheiten und selbst seine eigenen Ideen hat, so füllt ein Buch nicht alle Köpfe aus. Die Ereignisse des Krieges oder des Friedens, und selbst minder wichtige Dinge, wenn [268] sie uns nur persönlich angehen, beschäftigen uns weit mehr, als ein Schriftsteller, wie berühmt er auch seyn möge. Man hat sie verbannt; aber einem Philosophen, wie Sie, müssen alle Länder gleich seyn. Und wozu dienen denn die Moral und die Religion, die Sie in Ihren Schriften so vortrefflich entwickelt haben, wenn Sie die Unfälle, die Sie getroffen, nicht zu ertragen verstehn? Unstreitig werden Sie von Einigen unter ihren Mitschriftstellern beneidet; aber dies kann sich nicht auf diejenigen Classen der Gesellschaft erstrecken, die sich sehr wenig um die Buchstabenwelt bekümmern. Und wenn Ihnen denn Ihre Berühmtheit so lästig ist, so ist kaum noch etwas leichter, als ihr zu entrinnen: schreiben Sie nicht mehr, und nach wenigen Jahren sind Sie vergessen, und können so ruhig seyn, als ob niemals etwas von Ihnen ausgegangen wäre. Sie sagen: Ihre Feinde legten Ihnen Fallstricke, indem sie die Mienen annahmen, als wollten sie Ihnen nützlich werden. Wäre es denn so ganz unmöglich, daß in Ihrer Art, über persönliche Beziehungen zu urtheilen, nicht eine leichte Abstufung von romanhafter Uebertreibung sey? Um die neue Heloise zu schreiben, bedarf es einer schönen Einbildungskraft; aber für die Angelegenheiten dieses irdischen Lebens ist ein wenig Vernunft vonnöthen, und wenn man anders will, so sieht man die Dinge, wie sie sind. Sollten Ihre Freunde Sie wirklich betrügen, so müssen Sie mit Ihnen brechen; aber Sie würden den Verstand verloren haben, wenn Sie sich darüber härmen wollten. Denn von beiden kann nur eins Statt finden: entweder sie sind Ihrer Achtung werth, und dann thun Sie Unrecht daran, daß Sie Mißtrauen [269] hegen; oder Ihr Verdacht ist gegründet, und dann verdienen solche Freunde kein Bedauern.“

Nach Anhörung einer solchen Dilemma hätte J. J. Rousseau noch eine dritte Parthie nehmen können, nemlich die, sich ins Wasser zu stürzen.

Aber was würde ein religiöser Einsiedler ihm gesagt haben?

„Mein Sohn, ich kenne die Welt nicht, und weiß nicht, ob man Dir übel will. Aber wenn dem so seyn sollte, so hättest Du dies mit allen Guten gemein, die gleichwol ihren Feinden verziehen haben; denn Jesus Christus und Sokrates, der Gott und der Mensch, haben das Beispiel gegeben. Damit die Prüfung der Gerechten hienieden vollendet werde, muß es gehässige Leidenschaften geben. Die heilige Therese sagte von den Bösen; die Unglücklichen, sie lieben nicht, und dennoch leben auch sie, damit es ihnen nicht an Zeit zur Reue fehle.

Du hast vom Himmel bewundernswürdige Gaben empfangen. Wenn sie Dir gedient haben, das Gute als liebenswürdig darzustellen, wie solltest Du dann nicht den Genuß gehabt haben, ein Vertheidiger der Wahrheit auf Erden gewesen zu seyn? Hast Du durch deine hinreißende Beredsamkeit die Herzen gerührt, so werden von den Thränen, die durch Dich geflossen sind, auch Dir einige zu Gute kommen. Feinde hast Du in deiner Nähe, Freunde in der Ferne unter den Einsiedlern, die dich lesen, und Du hast Unglückliche besser getröstet, als wir Dich selbst trösten können. Warum habe ich nicht das Talent, mich Dir verständlich zu machen! Es ist eine schöne Sache um das Talent, mein Sohn. Die Menschen suchen oft, es anzuschwärzen; [270] sie sagen, daß wir es im Namen Gottes verdammen, und das ist doch nicht wahr. Es ist eine göttliche Bewegung, welche die Beredsamkeit einhaucht, und wenn Du sie nicht gemißbraucht hast, so verstehe den Neid zu ertragen; denn eine solche Ueberlegenheit ist wohl der Leiden werth, die sie gebären kann.

Indeß, mein Sohn, fürchte ich, der Stolz mische sich in Deine Leiden, und sieh, das gerade würde ihnen Bitterkeit geben; denn alle Schmerzen, bei welchen man demüthig bleibt, pressen nur sanfte Thränen aus, aber im Stolze ist Gift, und der Mensch wird wahnsinnig, wenn er sich ihm hingiebt. Dies ist ein Feind, der sich zu seinem Ritter macht, um ihn desto sicherer zu verderben.

Das Genie soll uns dienen, die überschwängliche Güte des Herzens an den Tag zu legen. Viele Menschen haben diese Güte, ohne das Talent, sie auszudrücken. Danke Gott, daß Du den Zauber der Worte besitzest, der gemacht ist, die Einbildungskraft der Menschen zu leiten. Aber sey nur stolz auf das Gefühl, das diese Worte dictirt. Alles wird sich in Dir besänftigen, wenn du immer religiös gut bleibst; die Bösen selbst werden ermüden, Dir weh zu tun; denn ihr Gift erschöpft sich. Und dann, giebt es denn nicht einen Gott, der den Sperling, welcher vom Dache fällt, und das Herz des leidenden Menschen mit gleichem Erbarmen umfaßt?“

„Du sagst, daß deine Freunde Dich verrathen wollen. Nimm Dich aber wohl in Acht, eine ungerechte Klage gegen sie zu erheben. Wehe dem, der irgend ein liebendes Gefühl zurückgewiesen; denn die Engel des Himmels senden uns dergleichen, [271] und haben sich diesen Theil in dem Schicksal des Menschen vorbehalten. Gestatte deiner Einbildungskraft nicht, Dich in die Irre zu führen. Mag sie immerhin in den Regionen der Wolken schweben; aber nur das Herz urtheilt über ein anderes Herz, und Du würdest sehr schuldig seyn, wenn Du eine aufrichtige Freundschaft verkennetest. Denn die Schönheit des Gemüths besteht in seinem großmüthigen Vertrauen, und die menschliche Klugheit wird dargestellt unter dem Bilde einer Schlange.

Wohl wäre es möglich, daß Du zur Abbüßung einiger Verirrungen, von welchen deine große Fähigkeiten die Ursache sind, auf Erden verdammt wärest, die vergiftete Schaale des Verraths eines Freundes zu trinken. Sollte dem also seyn, so beklage ich Dich; die Gottheit selbst hat Dich beklagt, indem sie Dich bestrafte. Aber empöre Dich nicht gegen ihre Züchtigungen; liebe noch immer, wenn gleich Lieben dein Herz zerrissen hat. In der tiefsten Einsamkeit, in der grausamsten Vereinzelung, muß man die Quelle liebender Gefühle nicht in sich vertrocknen lassen. Seit langer Zeit glaubt man nicht, daß Gott geliebt werden könne, wie man seinen Nächsten liebt. Eine Stimme, die uns antwortet, Blicke, die den unsrigen begegnen, scheinen voll Lebens, während der unermeßliche Himmel schweigt: aber allmählig erhebt sich das Gemüth dahin, daß es Gott wie einen Freund neben sich führt.

Mein Sohn, beten muß man, wie man liebt, indem man das Gebet in alle Gedanken mischt. Man muß beten, weil man dann nicht allein ist. Und wenn die Ergebung sich zu Dir herabläßt, so wende deine Blicke nach der Natur hin; denn hier [272] findet Jeder die Vergangenheit seines Lebens wieder, wenn unter den Menschen davon keine Spur mehr anzutreffen ist. Sinne über deinen Kummer, wie über deine Freuden, indem Du die Wolken betrachtest, die, bald düster, bald glänzend, von dem Winde verjagt werden. Und es sey nun, daß der Tod Dir deine Freunde geraubt, oder daß das noch grausamere Leben die Bande zerrissen habe, die Dich mit ihnen vereinigten, so wirst Du in den Sternen ihr vergöttlichtes Bild erblicken; sie werden Dir erscheinen, wie Du sie einstens wiedersehen wirst.“

 

――――――――

 

1) Der Kanzler Bacon sagt: „die Glückseligkeiten sind die Segnungen des Alten Testaments, und die Widerwärtigkeiten die des Neuen.“ 

2) So schwindet, mit dem Schwinden Einer Sonne,

Der Menschenblüthe kurzer Tageslauf.

Der Frühling kehrt zurück, mit ihm die Wonne;

Doch nimmer blüht Erstorbnes wieder auf.

(Tasso's befreites Jerusalem, sechszehnter Gesang) 

3) Die Fürstin Pauline von Schwarzenberg.