BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johans, der Jansen Enikel

um 1230/40 - nach 1300

 

Weltchronik

 

Geschichte Roms: Papstgeschichten

Verse 22285 - 22740

 

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22285

Under den bæbsten gemein

was einer unrein.

ob die andern wæren

reht mit ir gebæren

und mit heiligem leben,

22290

ob in got die êr hêt gegeben,

des kan ich reht gewizzen niht,

wan got hât mit den rehten pfliht,

daz weiz ich sicherlîchen wol;

die rehten di sint freuden vol.

 

22295

Dâ ze Rôm was ein wîp,

diu hête wolgestalten lîp

und het sich gestellt als ein man.

nieman für ein wîp sie kunde hân.

diu wart ze bâbst dâ erwelt,

22300

wan man sie hêt für einen helt,

der got rehter wære,

doch was si wandelbære,

daz si was wîp und wolt sîn man –,

dâ von man si zi bâbst nam.

22305

waz si wunders dâ getreip,

di wîl si bâbst dâ beleip,

des kan ich niht gar gesagen,

dâ von sô muoz ich stille dagen,

wan einez weiz ich von ir wol,

22310

daz ich iu für wâr sagen sol:

dô man der wîpheit inne wart,

dô wart niht lenger gespart,

man tæt sie fuder zehant,

daz ist mir von ir wol bekant,

22315

wan si den spot dar umb enpfie,

der ir an ir êre gie,

und muost von Rôm scheiden.

den liuten begund si leiden

umb ir bœse missetât,

22320

die ir lîp begangen hât.

 

Ze Rôm wart bâbst ouch ein man,

als ich von im vernomen hân;

wie ez dar zuo kæme,

daz man in ze bâbst næme,

22325

daz hât man mir kunt getân,

dâ von wil ich iuchz wizzen lân.

er was des êrsten ein spilær,

aller tugend was er lær,

wan daz er wol gelêrt was,

22330

daz er wol schreip unde las

swaz man im vor zalt;

die niuwen ê und die alt

kund er gar ân mâzen vil.

dâ von ich niht verswîgen wil,

22335

ich well den liuten tuon bekant,

wie er bâbst wurd genant.

er was ein arm vlætic man,

wan der würfel gewan im an,

daz er was guotes alsô bar,

22340

daz ich ez niht gesagen tar.

 

Ze einen zîten er gedâht

daz in zuo der bâbstheit brâht.

er gedâht in sînem sin:

wie lang sol ich arm sîn?

22345

ich wil dem tiufel geben

sêl, lîp und mîn leben.

dâ mit er an ein gewick gie.

er sprach: «war umb oder wie

sol ich armer hie bestân?

22350

ich wil dem tiufel mîn sêl lân.»

vor angst was im heiz.

er umbreiz sich in einem kreiz

unde ruoft dem tiufel dar.

dar kom er offenbar

22355

mit engstlîcher vart,

sô bitters nie gesehen wart.

er sprach: «waz wil dû, loterpfaff?

dû bist ein rehter aff,

daz dû mich müest sô sêr.»

22360

der nakent man sprach: «ich wil dîn lêr

gern haben umbe guot.

mîn armuot mir unsanfte tuot.»

der tiufel: «wil dû mir

volgen, sô lêr ich dich schier,

22365

daz dû wirst ein gewaltic man

und die kristen dir all undertân

werdent gemeine.

gip mir dîn sêl aleine,

sô wil ich dich mit sachen

22370

ze Rôm bâbst machen.

gip mir von dîner sêl ein lêhen:

wann ich dich süll an sehen

ze Jerusalêm in bâbstes wât,

und daz dîn muot ze singen gât

22375

ze Jerusalêm ûf dem altær,

daz ich dich danne mit swær

füer swâ ich hin welle,

in die wîz odr in die helle.»

 

Do gedâht im der loterpfaff:

22380

tæt ich des niht, ich wær ein aff.

wan kum ich ze Jerusalêm,

daz mich dan der tiufel hin næm?

daz geschiht an mir nimmer.

ich bin frî vor dir immer.

22385

wer siht mich enhalb meres gân?

also gedâht im der tumb man.

dô west er niht die geschiht,

daz er daz Jerusalêm niht

meint, daz enhalb meres lac.

22390

daz was dem tumben mac ein slac.

er meint ein kleinez kirchlîn,

daz muoz stæt ze Rôm sîn,

und muost ein ieglîch bâbest zwâr

einest besingen in dem jâr.

22395

des enwest nicht der man.

er sprach: «mac ich die êre hân,

daz ich werd bâbst und mug gesîn,

sô hab dir lîp und sêl mîn.»

der tiufel sprach: «des gip mir

22400

dînen brief vil schier,

alsô daz ich mit dînem bluot

schrîb an einen brief guot,

daz der mîn wortzeichen sî,

daz dû sîst mîn und niht frî.»

 

22405

Zehant dem schuolære

was diu red niht swære.

er stach in den vinger guot,

alsô daz im daz rôt bluot

dâ zuo dem vinger her ûz ran.

22410

dâ schreip der vâlandes man

einen brief mit dem bluot.

daz was dem schuolær niht guot.

er sprach: «ich wil dich lêrn,

dû solt zuo dem bischof kêrn,

22415

dâ wil ich dich berâten wol,

daz dû wirst ganzer freuden vol.»

 

Zehant er zuo dem bischof gie.

nieman in dâ schôn enpfie.

dâ stuont er ûzen an der tür.

22420

nieman liez in hin für.

des bischofs schrîber von im schiet,

als im der tiufel riet,

daz er gieng zuo einem wîn,

und trunk, daz er niht trunkner möht sîn.

22425

dô wolt der bischof an der stat

sînen brief senden drât.

er sprach: «ir sült mir bringen drât

mînen schrîber in ein kemnât,

und îlet des baldiclîch.

22430

ich muoz in haben wærlîch.»

daz west der tiufel an der stat,

der in zuo dem wîn geschündet hât;

der liez niht vinden den schrîbær.

dem herren macht er in unmær.

22435

vil vast er ûz der kamer rief:

«wær ieman der mir einen brief

kund schrîben ze einer stunde,

sîn armuot im verswunde.»

daz hôrt der arm nackent man.

22440

«getörst ir iuch an mich lân,»

sprach er, «ich schrîb iu sicherlîch.

ich bin gar künst rîch.

daz sehet ir wol an mîner hant,

und solt ez sîn umb ein lant,

22445

ir wært mit mir versûmet niht;

an mîner geschrift man daz siht.»

 

Der bischof geloubt im gar.

die materje gap er im dar.

dâ mit schreip der nackent man

22450

einen brief, daz nieman

sô guotes briefes hêt gesehen;

des muost im der bischof jehen.

dô er den brief dâ gelas,

des getihtes er vil frô was,

22455

daz er was sô künst rich.

er sprach: «ich sag dir wærlîch,

woldest dû daz würfelspil lân,

ich wolt mich umb dich nemen an.»

des swuor er im manigen eit.

22460

er sprach: «ich wil mîn stætikeit,

herr, niht zerbrechen.»

do begund der bischof sprechen

zuo sînem kamerære:

«ring im sîn swære

22465

und gip im an niuwe kleit,

ob er mir biet sînen eit,

daz er well daz würfelspil

lân, wan er kan sîn vil.»

dâ für bôt er mangen eit,

22470

daz er wolt sîn stætikeit

dar an lâzen für gân.»

dô gap man im kleider an,

von Îper daz beste,

daz ieman dâ weste.

22475

geriten macht er in iesâ,

daz ie man moht sprechen dâ,

er wær der baz geritenst man,

im wær bereit der êren van.

dâ mit er dient zwâr

22480

dem bischof wol ein jâr,

wan swann er begreif daz spil,

der tiufel in niht liez vil

verliesen, wan er in lêrte,

den würfel er im kêrte

22485

zuo dem besten nâch gewinn,

daz des nieman wart inn.

dâ von der schuolære

gewan âne swære

allez daz er wolde,

22490

wan im der tiufel helfen wolde.

 

Daz treip er wol ein jâr.

der schrîber wart dem bischof gar

liep sicherlîche;

er macht in rîche.

22495

dô er sînen muot erkant,

ze Rôm er in dem bâbst sant

mit einer frömden botschaft.

er gap im zerung die kraft.

des was der schrîbær gemeit.

22500

zuo dem bâbest er dô reit

und warp sîn botschaft als ein man,

der kranken muot nie gewan.

dâ von wart er dem bischof liep.

«er müest sîn ein übel diep,

22505

der mich von dir wolt scheiden.

kristen, juden noch heiden

mac mich von dir gescheiden niht.

diu sæld muoz mit dir haben pfliht.»

alsô sprach der bischof guot:

22510

«ich trag dir holden muot.»

 

Ze einen zîten daz geschach,

daz der bischof zuo dem schrîber sprach,

er solt balt ze Rôm varn

und solt sich dar zuo bewarn.

22515

dâ mit der schrîber niht enliez,

swaz in der bischof tuon hiez.

er was im gar bereit.

er fuor ze Rôm mit stætikeit.

als er ûf dem weg reit

22520

wol fünf tagweid, als man seit,

dô kom ein bot und seit mær,

daz der bischof tôt wær;

daz seit man im sicherlîch.

dô sprach der bâbst rîch:

22525

«schrîber, lieber friunt mîn,

dû solt selber bischof sîn.»

zehant er im daz bistuom liez.

vil wol er im dar zuo gehiez,

als dem bâbst der tiufel riet,

22530

wan er in vil gern hiet.

 

Dô der schrîber bischof wart,

dô wart niht lenger gespart,

er liebt sich den besten.

kunden unde gesten

22535

gap er sîn brôt willeclîch.

sîn muot der wart freudenrîch.

dô er daz treip driu jâr,

dô starp der bâbst, daz ist wâr.

dô viel diu wal gar an in,

22540

daz dûht den tiufel ein gewin,

wan er ze allen zîten riet,

wan er den schrîber gern hiet.

patriarken und kardinâl

und die fürsten, die die wal

22545

hêten gemein,

die lobten in ein,

daz er bâbest wurde.

daz wart im ein burde.

dô wart niht lenger gespart,

22550

der bischof ze bâbst wart.

do besaz er den stuol schôn,

daz was des tiufels lôn.

 

Dar nâch giengen eines tages für in

und sprâchen mit guotem sin

22555

sîn kappellân gemeine:

«herr guot und reine,

ez ist morgen daz reht dîn,

daz dû ze Jerusalêm solt sîn

und solt daz ampt dâ begên,

22560

vil schôn ob dînem alter stên.»

dô daz der bâbst erhôrt und sach,

wider die kapplân er dô sprach:

«wie sol daz immer an mir ergên?

nû muoz doch Jerusalêm stên

22565

enhalb mers. ich muoz verzagen!

wie sol ich in sô kurzen tagen

die kirchen dâ besingen?

wie möht mir sô wol gelingen,

daz ich möht in tag und in naht

22570

über mer, als ir habt gedâht?»

dô sprâchen die kapplân:

«herr, ez mac alsô niht ergân.

ez ist ein kirch hie nâhen bî,

dâ solt dû morgen sorgen frî

22575

inne singen, daz muoz ergên,

des mac dhein bâbst ab gestên.

diu kirch Jerusalêm ist genant

und ist vil wîten erkant.»

der bâbst gedâht: hôch geborn!

22580

sô ist mîn sêl, mîn lîp verlorn.

 

Alsô diu sorg mit im ranc,

unz daz der morgen ûf dranc.

doch muost er mit den kardinâl

varn, daz im daz herz erhal.

22585

er gedâht: ich muoz varn dar!

gegen berg sô gie im daz hâr,

unz er kom ze Jerusalêm geriten.

zehant dô wart niht vermiten,

er gerwet sich an, sicherlîch,

22590

alsam ein bâbest rîch,

sam er daz ampt solt begân.

dô gienc er ûf den letter stân.

er sprach zuo vier knappen sîn:

«iuwer triu sol an mir werden schîn;

22595

ich hân iu hie getrouwet wol.

ir habet mîn red hie für vol.

swer mir iur ieglîcher einen eit

hie vor diser kristenheit,

daz ich iuch heiz schaffen

22600

mit leien und mit pfaffen,

daz ir daz tuot ân widerstrît

hie bî mir an diser zît.»

die knappen sprâchen alle vier:

«herr, ir sult gelouben mir,

22605

wir schaffen hie gern iuwer dinc.»

do sprach under in ein junglinc:

«daz uns niht gêt an daz leben,

daz süln wir nimmer wider streben.»

dâ swuoren si vil schiere

22610

starker eid viere.

dô der bâbst vernam ir eit –

den swuorn si bî ir wârheit –,

er sprach: «nu bringet einen stoc her,

daz ist mînes herzen ger.

22615

dâ bî sô sol ein bîl sîn,

daz niht scharfer müg gesîn,

und ein vil starkez mezzer,

daz nimmer möht sîn bezzer.»

 

Dô man daz allez dar brâht,

22620

«ich sag iu, wes ich hân gedâht,»

sprach der bâbest zehant.

«lieben liut, sît an mich gemant!

ich wil mich bîhten offenbâr

vor diser kristenheit für wâr,

22625

unde daz ir wizzet drât,

wie mich der tiufel hât

betrogen als ein krankez wîp:

ich lobt im sêl unde lîp,

daz er mich bâbst machet hie.

22630

alsô er mit mir umbegie,

daz ez ist hie von im geschehen,

des wil ich vor iu allen jehen.

hiut sol er mich füeren hin.

nû hân ich noch zuo got den sin,

22635

daz er sich erbarm über die getât,

die mîn lîp begangen hât.»

er sagt in reht, als ez geschach,

und als der tiufel gegen im jach.

dar nâch hiez er dar gân

22640

die vier knappen wol getân.

er sprach: «slaht mir die füez hin,

die truogen mich zuo dem tiufel hin.

daz wart schier dâ getân.

er sprach: «ich wil die hende lân,

22645

dâ mit ich im geschriben hân,

dem selben tiufelschen man.»

dar nâch seit er in mit guotem sin:

«snîdet mir diu ôren hin,

dâ mit hân ich gehœret in;

22650

des muoz zergên mîn lîp, mîn sin.

mîn nas muoz daz lîden:

si wolt des niht vermîden,

si wolt den tiufel smeckend sîn.

sô stich mir ûz diu ougen mîn,

22655

diu kunden in vil reht spehen,

wan si in habent an gesehen.

sô ist daz mînes herzen ger,

daz man mir ûz dem rachen her

snîd mîn fleischlîch zunge:

22660

diu hât ir ordnunge

zebrochen, wan si mit im ret,

dâ von si ez güetlîch tet.»

er sprach mit guotem sin:

«werft ez alz den tiufeln hin,

22665

daz si ez in ir rîche

füern gewalticlîche.»

 

Den tiufeln ez geworfen wart.

dô wart niht lenger gespart,

si spilten da mit des bales schôn

22670

und hêten in diu kleinet ze lôn.

daz sâhen alle die gemein

in der kirchen, grôz und klein,

die dar komen wâren

bî den selben jâren.

22675

wie ez got mit im schuof dort,

des ist noch nieman an ein ort

komen, an ein wârheit,

wan ez nieman her wider seit.

 

Ich tuon iu allen daz bekant,

22680

daz man ze Rom einen bâbst vant,

der was genant Leô;

die pfaffen nennent in alsô.

wie si dar zuo kômen,

des hân ich niht vernomen,

22685

daz in die Rœmære

blanten âne swære

und sniten im ûz die zungen,

wan si zuo im drungen

mit grôzem gewalt

22690

tâten si im leit manicvalt.

 

Ein bâbst was under in allen,

der got niht moht gevallen,

und ez was ein unreht man,

als ich vor mir gehœrt hân.

22695

dô er der unreht treip genuoc,

dô was der tiufel alsô kluoc,

daz er in fuort von Rôme hin,

daz was des tiufels gewin.

er fuort in in der helle grunt,

22700

daz ist den wîsen pfaffen kunt.

waz er unbillîchs hât getân,

des ich noch niht vernomen hân.

 

Ein bâbest ze Rôm was,

von dem man schreip unde las.

22705

ob der selb wære,

daz seit niht daz mære,

wan einz ist uns von im bekant,

daz man in tôten ligent vant,

wan in ein mûr sluoc zwâr;

22710

des muost er tôt ligen gar.

 

Nû hân ich gehœret einen strît,

der mir grôzen zorn gît.

ich hân gehœrt von mangem man,

der einer niht diu buoch kan,

22715

die wellent des gewis wesen,

daz die bæbst sîn alle genesen.

daz widerred ich ze aller zît

und muoz immer sîn mîn nît.

 

Ein bâbest ouch ze Rôm wart,

22720

der selb hêt grôz hôchfart.

der mûret ein hûs sô hôch,

daz ez über alliu hiuser zôch

fünfzehen ellen, daz ist wâr.

in Rôm stêt ez offenbâr.

22725

der selb bâbst was milt.

er hiez entwerfen hundert schilt

an daz hûs sicherlîch.

ez was gar kostrîch,

daz man zalt dem hûs starc,

22730

ez kost siben tûsent marc

und hundert marc, daz ist wâr.

ich kund iu niht gesagen gar,

wie kostrîch ez dâ was.

diu venster wârn mit glas

22735

geworht alsô schôn,

und solt her Absolôn

dar inne schôn sîn gewesen.

mit êren mac man dâ von lesen.

er hêt gezieret des palasts wend.

22740

dar nâch nam er den gæhen end.