BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ulrich von Liechtenstein

ca. 1200 -1275

 

Vrowen dienst

 

1255

 

Ulrich läßt sich den Finger abschlagen

und schickt ihn zusammen mit dem 2. Büchlein

seiner frouwen. Tief betroffen erlaubt sie ihm in

ihrem Dienst seine Venusfahrt anzutreten.

(Strophe 437 - 469)

 

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Âventiure wie der herre Uolrîch sînen vinger abe sluoc

und sant in sîner frowen.

 

437

Dô gie ich von dem boten dan,

dô, ich vant einen biderben man:

der was von Hasendorf genant

her Uolrîch, der wol bekant

5

was von sîner frümecheit:

er was ze dienste mir bereit.

den bat ich durch die triuwe sîn,

daz er abę slüege den vinger mîn.

 

438

Dô sprach er: «neinâ, herre, nein!

sô wæren iwere sinne clein,

und wære ein grôziu missetât.

vergâht iuch niht: daz ist min rât.

5

ir sült iuch sus verderben niht.

mîn munt von wârheit iu des giht:

ob ir ez tuot, dêst missetân.

dâ von sô sült irz gern lân.»

 

439

Ich sprach: «zwâr ich lâze sîn niht,

swaz schaden mir dâ von geschiht;

und man iuch des, ob ich iu ie

noch würde liep, daz sült ir hie

5

erzeigen sô, daz ir slaht abe

den vinger mîn, sît ich in habe

ungerne. ez ist friundes muot,

swes ich iuch bite, daz ir daz tuot.»

 

440

«Ich tuon daz und rehtę, swaz ir welt.

ich hân ze friunt iuch mir erwelt

und bin iu dienstes undertân

und wil des nimmer abe gestân.»

5

dô nam ich sâ daz mezer sîn

und satzt ez ûf den vinger mîn

und sprach: «nu slach dar, biderb man!»

er sluoc: der vinger der spranc dan.

 

441

Diu wunde diu bluot krefticlîch.

dar kom mîn bote zühte rîch,

der vil verholne zuo mir gie.

er sprach: «wie nû? waz tuot ir hie?

5

habt ir den vinger abe geslagen,

sô muoz ich daz von herzen klagen,

daz iuch mîn ouge ie gesach

und ich ie wort gein iu gesprach.»

 

442

«Friunt, nu lâ dîn zürnen sin

und füer ir hin den vinger miîn

und sage ir von mir daz für wâr,

daz ich ir diene mîniu jâr

5

mit rehten triwen sunder wanc.

und wil si mirs niht wizen danc,

daz ich si vor allen vrowen hân

ze liebe erkorn, dêst missetân.»

 

443

«Mir ist leit, daz ir ez habt getân,

sît daz abęr ez nu ist ergân,

sô sült ir rihten ein botschaft,

diu mit süezen worten kraft

5

habe, und sult si senden ir

und ouch den vinger hin bî mir.

ich füer si willeclîchen dar.

got gebe, daz ich iu wol gevar!»

 

444

«Ich volgę dirs gern, sît ich ez kan.»

zehant ich tihten dô began

ein vil gefüege büechelîn.

bî dem sant ich den vinger mîn

5

hin, dâ diu reine, süeze was.

in einen samît als ein gras

want man daz büechel an der stat.

ein goltsmit ich mir würken bat

 

445

Zwei britelîn von gold aldâ:

dar in bant man daz büechel sâ.

daz diu sperre solde sîn,

daz was alsô zwei hendelîn

5

gemachet harte lobelîch:

den vinger dar in meisterlîch

machte wir. sâ an der stat

der bot mich urloubes bat.

 

446

Ich sprach: «nu müez dînęr saelde pflegen

got dort und ouch under wegen!»

mit solher rede er von mir reit:

ich was hie und het senediu leit.

5

dô er hin zuo der guoten quam,

daz büechlîn er verholne nam:

mit grôzen sorgen er hin gie,

dâ in diu tugentrîch enpfie.

 

447

Si sprach: «ich wil grüezen dich,

swie dû doch hâst beswæret mich.

sagę an: sagęstû iht niwes mir,

daz wil ich wol erlouben dir.»

5

«jâ, vrowe», sprach der bot zehant.

«iu hât bî mir dâ her gesant

mîn herre ein cleinez büechelîn:

daz bringet iu den vinger sîn.»

 

448

Der bote daz büechelîn gab ir.

ir sült für wâr gelauben mir,

dô sî den vinger reht ersach,

die reine, guote, süeze sprach:

5

«owê, ditz ist ein grôz geschiht!

ich ęnsolt der tumpheit trûwen niht,

daz immer ein versunnen man

im selben hete daz getân.»

 

449

Daz büechel tet si ûf zehant,

dar an si wol geschriben vant,

daz ich ir wolde dienen gar

mit triuwen elliu mîniu jâr,

5

und daz mîn herzę, lîp unde leben

ir gar ze dienste wær gegeben.

daz büechel ir für wâr des jach.

nu sült ir hœren, wie ez sprach:

 

Daz ist ein büechlîn, daz ander.

 

[ . . . ]

 

465

« . . . Bot, durch alle triuwe dîn,

nu var ôt aber ze dẹr vrowen mîn

und sage ir, wie ich welle varn.

bit sî ir güete an mir bewarn

5

alsô, daz sî mit willen mir

erlaubẹ, daz ich den dienest ir

diene, als ich doch willen hân.

ob sî daz tuot, dêst wol getân.»

 

466

Der bot sâ zuo der vrowen fuor,

der des ûf sîn sælde swuor,

daz ich ir diente mîniu jâr

mit triuwen sunder wenchen gar.

5

mîn vart er ir vil rehte saget:

er sprach: «vrowe, ob iu behaget

sîn ritterlîcher dienest niht,

daz ist unbilde, ob daz geschiht.»

 

467

Sî sprach: «bote, du solt im sagen,

von mir die botschaft niht verdagen.

und ist, daz er die vart getuot,

als dû mir sagest, si ist im guot,

5

im wirt dar umbe ein sölher solt,

daz im di biderben werdent holt,

ob ez im gegen mir niht enfrumt,

an lobe ez im ze staten kumt.»

 

468

Der bot mit freuden von ir fuor

zuo mir; er vant mich bî der Muor

ze Liehtensteine, dâ was ich.

dô ich in sach, des vreut ich mich.

5

ich sprach: «vil wol gezogner knabe,

sage mir, ob sich wol gehabe

diu herzenliebiu vrowe mîn,

sô wil ich hôhes muotes sîn.»

 

469

Er sprach: «si ịst schœn und dar zuo frô,

si hât anboten iu alsô

umb iwer vart, ob ir di tuot,

si sî iu endelîchen guot.

5

ob sî iu niht ze staten kumt

gein ir, an êrẹn si iuch gefrumt,

si trœstet iuch des endelîch,

daz ir dâ von wert êren rîch.»