BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clara Hätzlerin

um 1430 - 1476/77

 

 

Das Liederbuch

 

Bl. 208v - 211v (I, 70)

 

Originalhandschrift Bl. 208v und 211v

 

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Ain lere wie Katho

sein Sun hiesz leben

 

Ain Maister, wol erchannt,

Der was katho genant,

Vor Cristi gepurt der was.

Gůt ler er seinem Sun las

5

Vnd sprach: vil lieber Sun mein,

Wilt du mir gehorsam sein,

Du magst von meiner ler

Gewynnen gůt vnd Er.

Lys vnd hör mein gepott,

10

Vernym es recht durch got.

Wer liszt, des er nit verstavtt,

Wie gar sich der versavmbt hatt.

Bitt Got mit hertz vnd synnen,

Dein friund solt du ye mynnen,

15

Hab ‹dein› nächsten recht lieb.

Sůch den ‹marck›, fliuch den dieb,

Mit gůten lüten won vnd leb.

Behalt gar wol, was man dir geb.

Chom nymer an den ratt,

20

Daran man dich nit beten hatt.

Mit fleisz so grüsz die lüt.

Dein elich weib d‹u› trew:t.

Bis dem obern vndertavn.

Grosz scham solt du havn.

25

Dein hab solt du vol bewaren

Vnd lasz främdes gůt faren.

Du solt dein hus besorgen.

Bewar dich aubent vnd morgen.

Sich recht, wem du porgest,

30

Das du darnach nit sorgest,

Du solt auch geren gelten

Vnd hab wirtschafft selten,

Das dich das gůt nit lasz.

Dein ‹z›eren sey mit masz.

35

Wann alltag wirtschaft

Macht öd hoffstat.

Zu zeitten sol man hoch zeren,

Vnd darnach sich cost entwëren,

Schlauff nit durch trägkait

40

Vnd halt dein ge‹sw›oren aid.

Misch alle zeit deinen wein,

So magst du nymmer truncken sein.

Streitt vmb deines vatters lannd,

Gelaub dem bösen nit ze hannd,

45

Lasz dir vnstätt gar laid wesen.

Pücher solt du geren lesen,

Behalt, was man dir sag.

Ler deine chind zucht alltag.

Du solt dich senft machen,

50

Züren nit on sachen,

Bys auch gespöttig nicht,

Gang geren zu dem gericht.

Bis, da man täding hatt

Vnd gib de‹m› pesten ratt,

55

Das spilprett solt du fliehen

Vnd gůter schrifft zu ziehen.

Du solt nyemantz neiden,

Das du nit chomst z‹u› leiden.

Mach senft deinen zoren,

60

Vertrag, von dem du seyest geporen.

Den armen nit verschmäch,

Durch dein gewalt bis nit ze gäch,

Wer dir wol hab getan,

Den solt du de‹r› genyessen lavn,

65

Du solt dich dick erparmen,

Sprich recht vrtail dem armen.

Dein zung sey nyemant vail,

Bewar wol deiner sel hail.

Stand vngerechtz nyemant bey,

70

Wie lieb dir ioch der friund sey.

Wach den tag vnd schlauff die nacht,

Das gibt dir crafft vnd macht

Bis ob deinem tisch fro,

An främder statt tů nit also.

75

Merck, was der wirt tů,

Vnd schweig du allzeitt darzů,

Bis der wirt icht fraget dich,

So antwurt Im vnd sprich.

Schweigen ist ain grosse tugent,

80

Bald an alter vnd an iugent.

Fliuch new:e mär,

Bis der nit ain sager.

Schweigen schadet chainem man,

Vil claffen wol geschaden kan.

85

Du solt mit chainem erbern man

Mit worten zanck, noch streitt han,

Sich, das du weislich last,

Wes du grossen schaden hast.

Lasz dir nyemantz so lieb sein,

90

Damit du vergessest dein,

Glaub chainem bas, dann er dir.

Dein selbs lob verpir,

Lasz dich loben nit ze vil,

Ob yemantz by dir römen wil,

95

Wellicher man ist selber bös,

Der redet geren hinderkös,

Wurdest du gůtes v:berladen,

So hüt dich wol vor groszem schaden,

Wann vns allen ist gegeben

100

Ain har‹tz›, vngewisz leben.

Setz zu got dein zuuersicht

Vnd yrr ein anders nicht,

Du wardest nackent geporen,

Lasz dir nit wesen zoren,

105

Ob dir dein armůt

Ze zeitten vnsavnft tůt

Wilt du fürchten den tot,

So mů du leben in not

Tůst du deinem friund gut,

110

Vnd er v:bel an dir tůt,

Beschuldig got nit damit,

Vergib Ims, wann er dich pitt.

Wer chind hat vnd arm ist,

Der leren yeglichs ainen list,

115

Damit sy erwerben,

Das sy nit verderben.

Ain ‹yeglich› chind sich darnach sendt,

Als es die můter hatt gewendt.

Zylicher ding beger,

120

Wilt du, das man dich gewer.

Wellich ding dir sey vnbechannt,

Frag, die sein kunt havnd.

Mit dienst manigualten

Sol man den friund behalten.

125

Hab chain zoren lange zeitt,

Lasz von vnbechanntem streitt.

Zoren veryrret dick den můt,

Das ainer nit waisz, was er tůt.

Wer nun hatt gedultig sitt,

130

Dem volget säld vnd hail mit.

Du solt mit loszpůchen

Gottes willen nit versůchen,

Hab lieb vor allen dingen got,

Das ist mein ler vnd mein gepott

135

Hab a gericht vesten můt,

So man dir vnrecht tůtt;

Sich frät nit lang der man,

Das er mit vnrecht gewan.

Wer alle mär wissen will,

140

Dem gelaub auch nit ze vil.

Da solt verschweigen tag vnd nacht,

Was dir nit schad, des nit enacht

Hüt dich vor ainem man,

Der mit listen kiesen kan,

145

Das er wert lange frist.

Der ainualtig mit Worten ist,

‹Ains andern red vnd seinen ratt

Die dich nit vil an gătt›

Die lasz dir wol geuallen,

150

So liebst du dich In allen.

Wann dir got bescheret gůt,

So wart, wie es dir werd behůt,

Vnd wie du es mügst gemeren:

So altest du mit eren,

155

Wann verliusest du dein hab,

So gestavnd dir all dein friund ab

Du solt verschweigen nicht,

Wav ain poszhait by dir geschicht,

Man went anders, auch du

160

Rattest vnd helffest darzu.

Wer schweigen vnd reden kan,

Mit dem nym dich nit kriegens an

Sich, das du das laszst,

Darzu du chain recht hast.

165

Pflig gůter gewonhait;

Das mag dir wesen nymer laid.

Du solt das weib erchennen wol,

Das dir zu der Ee werden sol.

Vnrecht gůt solt du lassen.

170

‹Mynn› den pfening ze massen

Vnd schaff, das dein můt

Vor böser gesellschafft sey behůt.

Wilt du mit eren werden alt,

So hab deines munds gewalt

175

Ain man vil eren haben sol;

Wann er wil, so laszt ers wol.

Gew‹y›nnt er aber lasters vil,

Die latt er nicht, wann er wil. 

Wilt du sälig werden

180

In himel vnd vff erden,

So meid böse weib vnd spil,

Sy verderben Junger mann vil.

Yrre weib vnd spiles lieb

Machen gar manigen ze dieb,

185

Bewar dich vor trunckenhait,

Das pringt schand, schad vnd laid.

Was schaden pringt den eren.

Sun, dauon solt du dich cheren.

Volgst du diser ler mir,

190

So wisz, das gelück volget dir,

Dein sei, leib, gůt vnd er

Wirt geschwechet nymermer.