B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Meister Ingold
um 1380 - 1440/50
     
   


D a s   p ü c h l i n
v o n   d e m   g u l d i n   s p i l .


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VON DEN ROCHEN.

     [20a] Juste judicate qui judicatis terram, ir süllend recht richten die da richtend das ertrich. Zů ainem rechten gericht gehörend dreu ding. Das erst ist ain rechtz gemüt und mainung, das ander ain redlichü sach, das drit ain rechtü ordnung. Dar umb wirt das gericht verkert, so man rechtet auß pösser mainung und von gunst oder von ungunst. Es spricht Seneca: alles recht zergat, wenn die sach komend zů gunst. Das gericht wirt verkert von pößen sachen, als die zwen richter täten Susanna der unschuldigen frawen, als man lißt in dem půch Daniel an dem XIII. capitel. Das gericht wird verkert von unordnung wegen, als Cayphas tet; er gab von ersten urtayl und dar nach fraugt er erst umb, do er unseren herren verurtaylet zů dem tod. Pylatus der erkant unseren herren unschuldig, und dar umb so wůsch er sein hend, und über das alles do sass er nider ze gericht und urtaylet Jhesum Cristum zů dem tod; do ward die ordnung des gerichtz verkert. Also geschiht es noch hüt bey tag. Nun sind auf dem spil zway roch, die gand gar weit und fer auf aim schlechten ebnen weg, und sind dem küng gar nütz, und behütend und bewarnend das gantz spil. Und ist man in gar gefär, wie man sy und den küng gfieng auf aim veld, wan man mag nicht sprechen schach roch auf ungeleichen velden. Unde versus: disparibus campis nunquam schach roch tibi fiet. Ain richter sol den küng nit so lieb han noch in geleichhayt bey im stan, das er von seinen wegen unrecht richt. Es spricht Aristotiles: Plato ist mein fründ, die warhayt ist mein fründ. Doch so sol die warhayt vor allen dingen geert werden. Die roch sind die richter des küngs, dar pey bedüt uns die gaystlich und die weltlich gewalt. Das sind [20b] zway schwert die das gantz reich behütent und beschirmend, und die zway schwert werdend uns bedüt bey den zwain sünen Zebedey, von den geschriben stat das ir můter sprach zů unserem herren: herr, sprich das die zwen mein sün sitzen ainer zů der gerechten hand, der ander zů der glingen hand in dem reich des himels. Die richter und vögt der gerechtikayt sind des küngs füss, wan sy enthalten den küng auf und das küngkreich. Sy gebend got er, dem menschen mitleiden und in selber aufenthaltung in natur. Und das ist: der erst gat schlechte wege weder zů der rechten noch zů der glingen hand, und nit krumme weg, als etlich dye naygend sich zů dem swären tayl dem gelt nach und nit der gerechtikayt nach, so sy nemend schenk und miet. Wir lesen von aim küng von Frankreich, in des gegenwertikayt gab ain richter urtail wider des küngs sach. Do sprach der küng: ich fröw mich von gantzem hertzen, das in meim reich noch so vil gerechtikayt ist in meiner angesicht. Wir lesen das der groß Alexander kom an ain gericht beklaydet als ain knecht unbekant, und hort da zwen die kriegten mit ainander umb ain schatz ze verlieren. Der erst sprach: ich han das haus kauft und nit den schatz, der schatz hört mir nit zů. Der ander sprach: ich han das haus verkauft und was in dem haus was, und han das main her auss genomen, der schatz ward nie mein und wil sein nit. Und also sprachen sy dem richter zů, er solt den schatz nemen und geben wem er welt. Der richter sprach: ich wil sein auch nit, ir woltend mir die sünd auff legen. Also nam Alexander den schatz und taylt den in drey tayl, und gab [21a] dem richter ain tayl und den zwayen auch yetwederm ain tail. Ich fürcht aber, gar übel gechäch ietzt ain sölichs, es würd anders urtayl dar umb gan. Es kom Alexander in ain land und fraugt nach dem richter. Sy sprachen: wir haben kain richter, ain ieglicher ist sein selbs richter; dar umb so bedurffen wir kains richters. Der da nempt ain magnatenstain auf die wag, so zücht er die wag auff, und der in legt under die wag so zücht er sy her ab, als da spricht der mayster von den geweichten. Also tůt auch ain bösser richter, wan er legt gar ungleich auf die wag des rechten des armen und des reichen sach. Wir lessen das ainer het grossü ding ze handlen, und der schikt gen Rom groß miet und schenk, und die von Rom beschlüssend die tor und wolten des gůtz nit. Ain küng der schand ainen falschen richter und beschlůg den richtstůl mit der hut, und macht sein sun richter und satzt in auf den richtstůl, das er gedächt das er recht richtet. Ain armü fraw het ain ků, und des richters ků sties der armen frawen ků, das sy in das waser viel und erdrank. Nun ward sy gelert das sy köm für den richter und spräch: mein ků hat die ewern gestossen in das wasser das sy ist ertrunken. Do sprach der richter: ich gib ain urtayl das du mir mein ků bezalen solt, wan dein ků hat mir die mein ertrenkt. Do sprach die fraw: mir gefelt das urtayl wol, aber ich haun missrett, wan ewer ků hat mir mein ků ertrenkt. Da sprach der richter: es sol nieman urtayl geben in aigner sach, ich widerrüff das urtayl. Es was ain průder in aim wald, dem starb sein vater, und der richter urtaylet im sein väterlich erbtayl. Die fründ komen zu im und sprachen: nym da taussend pfund, das ist [21b] dein erbtayl und ist dir gefallen mit urtayl; wan dein vater der ist tod, des sind acht tag das er starb. Der průder sprach: ich wil des unglikhaften gůtz nit und wil auch unglik nit erben. Ist mein vater tod in acht tagen, so bin ich vor hin tod es ist wol zwaintzig jar, kain toder sol nit erben. Es was ain küng, des künkreich gieng under und verdarb, und er fraugt die weissen mayster in den schůlen, war umb das wär. Da waren fier mayster, und ieglicher schraib ain spruch an die porten, und het die stat vier porten. Der erst schrayb: Cum nummus fit judex, fraus est mercator in urbe; Nec lex est domini nec timor in pueris. Der ander schrayb: Ingenium dolus est, amor omnis ceca voluptas Ludus rusticitas, gulaque festa dies. Der drit schrayb: Etas ridetur, mulier pulsatur amore, Dives laudatur, pauper adheret humo. Der vierd schrayb: Prudentes ceci, nobiles de genere scandunt, Mortuus ignoratur, nullus amicus amat. Der erst sprach: der pfenning ist richter worden, in der stat ist untrü der kaufman, die herren hand kain gesatzt, und ist kain vorcht in den kinden. Der ander sprach: klůghayt ist worden bößhayt, alle lieb ist ain blinder wollust, der schimpf ist worden pürisch und hochzeitliche tag fraußhayt. Der drit sprach: alter wird verspotet, die weib werdent bewegt zů lieb, der reich wirt gelobt, der arm sitzt auf der erden. Der fiert sprach: die weissen sind blind, die edlen verlieren iren adel, man vergißt des tods, kain fründt hat lieb. Es ist ain fraug, ob gerechtikayt nottürftiger sey dem menschen oder fraintschafft, und sprechent die mayster: und wäre der mensch in unschuld beliben, er het kainer gerechtikayt bedurft, er het aber wol bedurft fraintschafft, wan allü ding waren woll bestanden in ainer geleichen [22a] fraintschaft. Nun spricht Aristotiles in dem fünften půch der sitteu: es sind zwů gerechtikayt, aine ist gemain und hayßt ain auß taylende gerechtikayt, die geit auß nach dem rechten, got die er und lob, dem nächsten das sein, und im selber auch das sein, aim me, dem andern minder, nach wirdikayt der menschen. Die ander hayßt ain verwandlende gerechtikayt, die geit ains umb das ander in kaufs weis, dem küng als dem hirten, dem armen als dem reichen in geleichayt. Die gericht geleichend dem spinnenwepb, sy vahend allain nit anders den klain flügen und lassen die grossen hin durch faren. Die richter und die sakpfeiffen sind geleich, wan die sakpfeiff můs allweg plaust haun und der richter allenfantz, anders ietweders dönt nit.
     Hie endend die roch und vahend an die venden.