B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Eine Augsburger Sittenlehre
1476
     
   


E i n e   A u g s b u r g e r
S i t t e n l e h r e   1 4 7 6


f o l .   1 7 5 v   -   1 8 2 r

_________________________________________________


[175v]
Hienach volgen die fünff anfechtungen dÿe
ein ÿegklicher mensche besteen můß in seinen leczten zeÿten.
mitsampt fünff heilsamen gepeten die offt und nüczlich
zů sprechen sind mit andacht

NUn seÿd malen der gang des todes auß disem gegenwürtigen ellend von unwissenheit des sterbens / vil leüten geistlichen und weltlichen zů mal schwer / vorchtsam und erschrockenlichen scheinet. wann under allen erschrockenlichen dingen der tod des leibs aller erschröckenlichest ist. doch so ist der tod der sele so vil erschrockenlicher und mer zů fliehen so vil als die sel edler ist denn der leÿb und aber die sterbenden menschen an iren [176r] leczten enden gar schwer anfechtung haben schwerer dann sÿ in dem leben vor nÿe gehabt haben Mitnamen fünff allertreffenlichster artickel die einem ÿeden menschen umb heÿls willen seiner sele. und wÿe er den widerstandt geben sol. notturfftig sind zů wissen. Dÿe erst anfechtung ist in dem gelauben. wann der gelaub ist alles heÿles und aller gůten ding eÿn fundament Es kan auch nÿemant kein ander fundament gelegen denn das da gelegt ist. das ist cristus jhesus. Es ist auch nit müglich got zů gevallen on den gelauben. wann wer nit gelaubt der ist ÿeczunt geurteÿlt Seit nun kein heÿl noch selikeit on den gelauben gesein mag. und darumb so understeet sich der teüfel den menschen am leczten zů betriegen und in jrrung ungelaubens und keczereÿ [176v] zů bringen / mit fürhebung des gelaubens der Juden / heÿden / keczer und verzweifelten oder der geleichen. damit dz er betrogen werd. doch also lang der mensch allen seinen willen und gůte vernufft hat so mag im der teüfel in diser noch in dem andern anfechtungen nit angesigen noch überwinden / darumb so sol ein gůter cristen des teüfels erschrockenlichkeÿt und einplasung nit vörchten / noch in keinem stuck des gelaubens anfahen zů jrren wann als palde er jrret so tritt er ab dem weg des heiles. und spricht also. Almechtiger ewiger got. seÿd das warer gelaub alle ding vermag und erwirbt / so pit ich dich verleihe mir nit allein die haubt artickel des gelaubens. sunder auch die ganczen heiligen geschrifft / und die gesecz der heiligen römischen kirchen zůgelauben und darjnn vestigklichen zů beleiben und zů sterben. Thů mich stercken mit [177r] dem gelauben der altväter und der zwelffpoten der unzalpern schar der marterer und der peichtigern und der junckfrauen. die da herr durch dein gelauben selig worden seyn.
      Die ander anfechtung ist verzweifflung die ist wider dz hoffen und getrauen dz der mensch zů got sol haben. wann so der siech in eiden und schmerczen hat an dem leib so fägt im der teüfel einen schmerczen zů dem andern. und würffet im für sein sünd die er nit gepeichtet hat / auf dz er in zů verzweiflung bring. Aber darumb sol niemant verzweiflen an der genad gotes Hett er halt sovil raubes / todschleg / und diebstal getan als tropffen in dem mere sind / und hett auch nun zemal nit vermügen es zů peichten / dann so es an im nit gepricht so hat er genůg mit warer reü. dann got verschmecht nit rewige herczen. sunder als [177v] dick der sünder erseüffczet so ist er behalten und so nun die vergangen übel nit schaden so sÿ dem menschen mißvallen. und allein die missetat der verzweÿfflunf die ist die nÿemant geheilen mag. so sprich. Aller sterckester unüberwindtlichster herre jhesu criste / durch die gestalt des pittern leidens das du gelitten hast für much und für alle sünder an dem stam des heÿligen creüczes verliech mir hoffnung und getrauen in dein parmherczikeÿt / und leid meiner sünd widerstant der verzweÿfflung / und sterck mich mit sant peter der dein verlaugnet. Berüff mich mit sant pauls der die cristenheit durchechtet Tröst mich als den schacher an dem creücz und vergib mir als du maria magdalenam vergabst. und allen sündern die es begeren in ewikeÿt vergibst. [178r]
      Die dritt anfechtung ist ungedult die ist wider die lieb die wir schuldig seÿn zů got zů haben über alle ding. Als beschicht von den die da sterben süllen / den grosser schmercz des leibs zů fellet. und mit schweren siechtagen gepeiniget werden und ungern sterben. Auch geprechen haben an warer lieb / und ungedultig werden / und mürmelent wider got das sÿ dick ir vernufft verlieren. wann wer den tod mit leÿd enpfacht / das ist ein zeichen dz es got nit genůg lieb hat. Darumb ist zů mal unrecht dz wir von rechten leÿden murmelen. Seid doch eÿn ÿegklicher mensche in gedult sein sel besiczet und behaltet. und durch ungedult die sele verdamet und verleurt. wann aber ware lÿebe gedultig ist und alle ding leidet. und wir durch gedult under heÿl besiczen. und siechtag vor dem [178v] tod nit anders ist dann ein fegfeür. so pit er got also. Herre jhesu christe / jch erman dich deiner gruntlosen parmherczikeÿt / gedult und lieb die du hettest in deinen leÿden / dz du mir wöllest verleihen gedultigklich zů gefüget werden damit ich mein sünd püß / und mein sel reÿnigen. O herre prenne und seüde mich hÿe das du mir dort ewigklichen verzeÿhest. Gib mir krafft und widerstandt aller ungedult / und geselle mich zů der schar der unzalpern marterer in ewigkeÿt beÿ in zů beleiben. nun und allweg. Das helff uns der vater. und der Sun / und der heilig gest Amen.
      Die vierd anfechtung ist sein selbs wolgefallen. dz ist ein geÿstlich hoffart / Durch dÿe der tewfel [179r] den geistlichen und volkummen menschen mit vil anfechtung nicht kan von dem gelauben oder zů verczweÿflung / oder zů ungedult bringen. so vicht er in an mit sein selbs wolgefallen. und plaset im ein sölche gedancken. O wie pist du so gůt in dem gelauben / und so starck in deiner hoffnung / und so vest is deiner gedult. O wz hast du gůter werck getan und des geleichen Aber er sol sich nit überheben noch rümen / oder unzimlich erhöhen. und sol im selbs nichcz gůcz zůschreiben. wann es möcht der mensch sovil eÿgens wolgevallens an im selber haben dz er verdamet würt. Seÿd nun ein ÿegklicher durch dz gůt dz er gethan hat sich selber erhebt / vor dem schöpffer der demütikeÿt velet und wir nit wissen ob wir hasses oder liebe / himelreichs oder helle gegen got wirdig sein So sprich Herr himlicher vater / jch fleüch [179v] und erheb mein gemüt zů deiner gruntlosen parmherczikeÿt / wann du den tod des sünders nit begerest. verleihe mir mit warer rew zů betrachten all mein sünd die ich wider dich getan hab in rechter demütikeÿt wider die anfechtung der hoffart die zů beseüfczen und zů beweinen. Erheb mich mit sancto Anthonio wider dz nÿdertrucken des teüfels und mach mich demütig und nÿder wider die hoffart und erhebung des veindes.
      Die fünfft anfechtung allermeÿst ist die weltlichen und zeÿtlichen dinck gegen der haußfrauen / kinden leiplichen freünden / reichtum und ander dinck die die leüt in iren lebtagen lieb haben gehabt. wann wer wol und sicher sterben will. der sol alle zeÿtliche und außerliche dinck gar und genczlich von im legen. und sich gancz und volkummenlich got bevelhen. Seÿd [180r] doch ein ÿegklicher siech der den tod willigklichen gehillet. und seinen willen gedultigklich darzů geit genůg thůt für all teglich sünd und auch ein teil für sein tötlich sünde. wiß auch dz der teüfel den menschen in disen anfechtungen nit überwinden mag. er verwillig sich im dann mit gůter vernunfft. da vor sich ein iegklicher cristen mensch hüten sol Wann cristus sein liebe můter under den creücz verließ / und den willen seines vaters volbracht Und der gedultig Job weib und kind und gůt umb gotes willen übergab. so ist uns auch notturfftig alle zeitliche ding von dem herczen zů verlassen und got an zů růffen.
      O himlischer fürst gewaltiger ewiger getreüer got / der du uns nit last angefochten werden über unser vermügen. Jch pit dicz dz du gebest demütikeÿt in meinem sterben. alle zeitliche und fleischliche lieb der welt[180v]lichen ding genczlich in mir erleschest. und meinen willen volkummenlich zů dir ziehest in sterbender not. mir ware rew und gedultikeÿt gebest / und mich an meinem leczten ende nymmer mer verlassest Amen.
      Seÿd nun cristus an dem creücz seiner lieben můter und allen heiligen und engeln / und auch die pösen veind einem ÿegklichen menschen an seinen hinzug erscheinet. dem gůten zů einem trost / und dem pösen zů merung irer pein. So sprich. Aller höchste gotheÿt du unmessiges gůt / aller milteste und gerechteste drivaltikeit / du öberste lÿeb und mÿnne. Erparm dich über mich armen sünder / wann ich bevilhe dir meinen geist Got aller miltester vater der parmherczikeÿt. Hilff mir in diser leczten not. kumm mir zůhilff herr der dürfftigen sele die trostloß ist. dz sÿ nit von dem hell[181r]ischen hunden verschlunden werde. Du aller mynnsamester herre jhesu criste des lebentigen gotes sun durch dÿe ere und krafft deines aller seligsten leidens willen. Heiß mich enpfangen werden under die zal deiner außerwelten / Mein behalter und erlöser ich gib mich gancz dir eigen. jch kumme zů dir nit schlahe mich auß. Herr jhesu criste jch heisch dein paradiß nit von werde meines verdienes wann ich staub und asch pin. und der unparmherczigest sünder in krafft und würcken deines aller heiligsten leidens / dar durch du mich ellenden sündigen menschen hast wöllen erlösen / und mit deinem rosenfarben plůt mir dz paradeiß aufschliessen. sprich zů dreien malen also. Herr du hast zůprochen mein pand darumb wil ich dir opffern dz opffer des lobes. O herr durch dein pitterkeit die du geliten hast von meinem willen an dem creücz zů den stunden [181v] allermeist da dein aller heÿligeste sel auß gangen ist von deinem heiligen leichnam Erparm dich über mein arme sel in irem außgang von irem leibe amen. Darnach růff der siech unser frauen an und sprech. Künigin der himel. můter der parmherczikeÿt. zůflucht der sünder. versöne mich mit deinem eingepornen sun. dz du sein miltikeÿt wöllest ermanen für mich unwirdigen sünder das er durch dein liebe mir wölle mein sünd vergeben. und mich füre in sein ere amen. Darnach růffe er an die engel und sprech Aller seligesten und himlischen geÿste und engel. Jch pit eüch das ir mir außgenden menschen von diser welt beistant tůn wöllent und erlösent mich miltigklichen von allen meinen widersachen bekorungen und hinderhůten. und nement mein sel in ewer geselschafft. aller meÿst du heÿliger engel den [182r] mir got zů hůte zůgefüget hat amen.
      Und darnach rüff er an die heiligen und sprech Der frid unsers herren jhesu christi / die krafft seines leidens / und dz zeichen des heiligen creüczes. und die umbfleckung der aller heÿligesten junckfrauen Marie. der segen aller heiligen. die hůt aller engeln / und dÿe hilff aller außerwelten gotes freünd seÿn zwischen mir und allen meÿnen veinden sichtigen und unsichtigen in der stund meines todes. Amen

Gedruckt zů augspurg jm lxxvj. jar