BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Minnereden

1300 - 1500

 

Minnereden

 

Quelle:

Cod. Pal. germ. 313

(Die Blattangaben führen jeweils zu den

Originalseiten der Heidelberger Handschrift)

 

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5.

Klage eines Liebenden

Fassung III

 

[364r]

Wan ich bedenck die selden stund

wie sich in rechter lieb enczund

myn hercz zu einer frauwen zart,

so ersuffezt zu der selben fart

5

hercz mut unnd all myn synn.

[364v]

mynes herczen keyserynn

ist sie, die zart mynniglich, die wolgetan.

von gold ein keysers kron

stuend billich uff irm heubt.

10

sie hatt mir dick bereubt

myn hercz vor unmut,

die mynniglich, die gut.

sie kan mir wol frewd machen.

wan sie begind zulachen,

15

das han ich mir halbs zu geczelt,

den andern teil, wer ir gevelt,

dem mag sie auch wol mit teyln.

sie kann mir wol heiln

myn hercz, das sie hat verwundt.

20

sich hatt in rechter lieb enczundt

ein nuew frewd in mynem herczen,

solich verlanngen unnd smerczen

kan sie mir wol buessen.

der lieb gott muß mir sie grüssen

25

zu allen ziten, dan ich alzit by ir bin.

hercz, mut und all myn synn

das soll ir uemer wesen underthan.

diewil ich das leben hann,

so sol man mich also finden, anders nicht.

30

myn hercz ist gancz dar zu gericht

das es in ganczen frewden streb

in irem dienst dwil ich leb.

ob ich des nit gnyssen mag

das ich so gros lyden in herczen drag,

[365r]

so geschicht mir doch ye unrecht,

wan ich in truewen ir knecht

bin gewest gar manig czit.

gancz all myn hoffnung an ir lyt,

das mag sie mir gelauben wol.

40

myn hercz ist aller frewden vol

wan ich sie hoer nennen.

sie mag billich erkennen

gancz myns herczen steten syn.

Ob ich zu cziten by ir bin,

45

so gethar ich ein wort nit sprechen.

ach got, das macht zwen gebrechen:

der ein das ich spat unnd frẅ

vorcht das es mercken thü

ein claffer, dem ich es nit engund

50

das er nem ein urkünd

unnd yement da vonn seyt

unnd brecht lieb zu leyt;

das wolt er sin gerumpt.

dasselb vil frewd verdümpt;

55

das wolt ich gern nun bewarn

unnd da mich alczit sparn.

wan ich mit der lieben reden will,

so gedenck ich hin und her uff das zill

das es kein falsch hercz erfar.

60

darumb ich ein wort nit reden dar

mit ir nach myns herczen gir.

sie mag billich glauben mir

das sie hat gancz myns herczen steten mut

fur alles das lieb uff erden dut

65

den andern gebrechen mochtent ir wol

[365v]

vornemen: so ich redenn sol

mit der czarten mynniglich,

so thu ich alczit forchten mich

das es ir nit behag;

70

darumb ich heimlich liden drag,

darzu senden smerczen.

wan ich in mynem herczen

gedenck, ich wol ir ieczunt

machen mynen willen kunt

75

unnd mynen komer clagen,

alsbald thu ich verczagen

unnd swig aber still.

Ach gott, myn blöder will

hatt mich so gar verleyt,

80

ich hann leyder zulanng gebeyt!

hett ich ir gethun kunt

zu der selben stunt

da ich die zitt bas hett

(das ich leyder nit endett),

85

es hulff mich an mynen krefften.

sust lest mich sie hefften

ussen an der linden,

mit andern blöden kinden

lauffen an der sonnen;

90

der kunst ist mir entrunnen.

nun ducht ich mich also gefug.

ach gott, der mich nun schlug

mit eynem gertlin lind!

wan einem solchen bloden kind

95

kan nyemer wol gelingen.

[366r]

Ach gott, mocht ichs noch darzu bringen

das die czart, die myniglich

wolt glauben das ich

uff erden nit liebers hann!

100

wes wolt sie mich engelten lan?

sie nem myn dinst noch für vol.

ich gedrüw ir wiplich guet wol

sie las mich also nit verderben.

kuend ich irhuld noch erwerben,

105

furwar ich hett noch klein verspilt.

gen ir mich lidens nit befilt.

ob mir glück noch frewd brecht

das sich die myniglich bedecht,

der ich zu dinst geboren bin,

110

das sie iren steten syn

in mich wolt seczen

unnd mich myns leidts ergeczen,

die ich in gutem willen drag

in mynem herczen nacht und dagk,

115

so verges ich ir doch nummer me.

mir geschech wol oder we,

so ist daran kein abgang;

hercz, synn, mut unnd gedang

das soll ir uemer wesen undertan,

120

die wil ich das leben hann!

Amen.