BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Oswald von Wolkenstein

um 1376 - 1445

 

Handschrift B

 

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1r

I

(HS A 1r/v, HS B 1r, HS c 1r-2v, Klein 1)

 

I

AJN anefangk/
   an göttlich forcht die leng und kranker gwiſſen/

und der von ſünden ſwanger iſt/

das ſich all maiſter fliſſen/

5

an got allain mit hohem liſt/

noch möchten ſy das end nicht machen güt/

 

Des bin ich kranck/

an mein' ſel zwar ich uerklag mein ſterben/

und bitt dich junckfrow Sant kathrein/

10

tü mir genad erwerben/

dort zu Marie kindelein/

das es mich haben well jnſeiner hüt/

 

Jch danckh dem herren lobeſan/

das er mich also grüßt/

15

mit der ich mich uerſündet han/

das mich die ſelber büßt/

bey dem ein yeder ſol verſten /

das lieb an laid die leng nicht mag ergen /

 

II

AJin frowen pild/

20

mit der ich han mein zeit ſo lang uertriben/

wol drewzen jar und dennocht mer/

jntreuen ſtet beliben/

zu willen nach jrs herczen ger/

das mir auf erd kain menczſch nye liebers ward/

 

25

Perg holcz geuild/

jn manchem land des ich uil hab erritten/

und ich der güten nye uergaß/

mein leib hat uil erlitten/

nach jr mit ſeinklichem haß/

30

jr rotter mund hett mir das hercz uerſchart /

 

Durch ſy ſo han ich uil betracht/

uil lieber hendlin los/

infreuden ſy mir manig nacht/

uerlech jr ermlin blos/

35

mit trauren ich das vberwind/

ſeyd mir die bain und arm beſlagen ſind –

 

III

UOn liebe zwar/

hab wir uns offt dick laides nicht erlaſſen/

und ward die lieb nye recht entrant/

40

ſeyd das ich lig unmaſſen/

geuangen ſer jnirem band/

nu ſtët mein leben krenklich auf der wag/

 

Mit haut und här/

ſo hat mich got ſwërlich durch ſy geuellelt/

45

von mein' groſſen ſünden ſchein/

des pin ich überſnellet/

ſy geit mir büſs und ſenlich pein/

das ich mein not nicht halb betichten mag/

 

Vor ir lig ich gebunden uaſt/

50

mit eyſen und mit ſail/

durch manchen großen veberlaſt/

emphrembt ſy mir die gail/

o herr du kanſt wol richten ſain/

die zeit iſt hye das du mich büſſeſt rain –

 

IV

KAin weyſer man/

mag ſprechen icht er ſey dann vnuernünftig/

das er den weg icht wandern well/

der jm ſol werden künftig/

wann die zeit bringt glück und vngeuell /

60

und bſchaffen ding fur war ward nye gewant/

 

Des ſünders pan/

die iſt ſo aubenteurlichen verrichtet/

mit mangē hübſchen klügen lacz/

kain maiſter das voltichtet/

65

wann got der yedem ſein geſatz/

wäglichen miſſt mit ſeiner heilgen hand/

 

Er eyfert man und fröwelein/

auch alle creatur/

er wil der liebſt gehalden ſein/

70

jnſeiner höchſten kur/

wer das verſaumpt des ſünd gereyfft/

er hengt jm nach bys jn ain lacz ergreifft –

 

V

LIeb iſt ein wort/

ob allem ſchacz wer lieb nuczlich volbringet/

75

lieb vberwintet alle ſach/

lieb got den herren twinget/

das er dem ſünder vngemach/

verwennt und geit jm aller freuden troſt/

 

Lieb ſüſſer hort/

80

wie haſtu mich unlieplichen geploſſet/

das ich mit lieb dem nye vergalt/

1v

der ſeinen tod uolendet/

durch mich und mangen ſünder kalt/

des wart ich hye jngroſſen ſorgen roſt/

 

85

Hett ich mein lieb mit halbem füg/

got nuczlich nach uerzert/

die ich der frowen zärtlichen trüg/

die mir iſt alſo hert/

ſo für ich wol an alle ſünd/

90

O wertlich lieb wie ſwër ſind deine pünt –

 

VI

ERst rewt mich ſer/

das ich den hab ſo fräuelich erczürnet/

der mir ſo lang gebitten hat/

und ich mich nye enthürnet/

95

von mein' groſſen miſſetat/

des wurden mir fünf eyſny läcz berait/

 

Nach ſeiner ger/

ſo uil ich jn die zwen mit bayden füſſen/

inainen mit dem tengken arm/

100

mein daumen müßten büſſen/

ein ſtahel ring den hals erwarb/

der wurden fünff als ichs uor hab geſait/

 

Alſo hiels mich mein frow zu fleiſs/

mit manchem hertten druck/

105

ach huſch der kalten ermlin weyß/

unlieplich was ir ſmuck/

was ich jr klagt meins herczen laid/

jr parmung was mit klainem troſt berait –

 

VII

MEin hercz das ſwindt/

110

jnmeinem leib und bricht uon groſſen ſorgen/

wenn ich bedenck den bittern tod/

den dag die nacht den morgen/

ach we der engeſtlichen not/

und wayß nicht wo mein arme ſel hyn fert/

 

115

O maria kind/

ſo ſte mir wolkenſteiner bey jn nöten/

da mit ich uar indein' huld/

hilff allen die mich tötten/

das ſy gebüſſen hie jr ſchuld/

120

die ſy an mir begangen haben hert/

 

Jch nym es auf mein ſterben ſwër/

ſo ſwer ichs doch genüg/

das ich der frowen nye geuër/

uon ganczem herczen trüg/

125

ſchaid ich alſo uon diſer werlt/

ſo bitt ich got das ſy mein nicht engelt/