B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Georg Wickram
um 1505 - vor 1562
     
   



D a s   R o l l w a g e n b ü c h l i n .

L X V I I .

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      Von einem Pfaffen / der by nacht auff einem
      wasser seltzam obentheür erfaren hatt.


      EIn gûter frummer einfaltiger Pfaff / so nie mit dem Teüffel zû schûlen gangen waß / gieng auff ein zeit über fäld. Er was in seinen tagen nit vil gewandret / hatt wenig von weltlichem brauch erfaren. Das gût Herrlin kam in einen seer dicken wald / darinn überfiel in die nacht so gar gächlin‹H7r›gen / das er nit wußt wo auß oder wo hin er solt / es umbgab in ein seer grosse angst / er gieng hin und wider in dem wald. Zûletst kam er zu einem grossen wasser / da ward er gewar das leüt vorhanden waren / erst lüff im die katz den rucken auff: dann er sorgt es weren Mörder so ir auffenhaltung in dem wald hetten. Der gut Pfaff saumpt sich nicht lang / kroch zû aller nechst am wasser in ein dicke hurst / sich vor den leüten so er reden hort zû verbergen. Der Mon schein gar hell das er weit auff das wasser sehen mocht / in dem sieht er vier Fischer in zweyen Weydschiffen daher schalten / die wurffen ire garn gleich an den Hammar in das wasser da der Pfaff in der hurst stackt. Als sy die garn wider ziehen wolten was in ein grosser dorn in das garn kummen / darvon sy gantz unwirsch unnd ungedultig wurden / fiengen gar grawsam an zû schweren. Als das der Pfaff hort ward im gar angst / dann er gedacht Gott wirt das gantz erdtrich / von wegen solcher ungebürlichen schwúr underlassen gan / wie es dann nit ein wunder wer. Nun als die Fischer die dörn auß dem garn geledigt hetten / stigen sy in iren grossen wasser stifflen an das land / zogen ire brotseck harfür / und wie ir brauch ist / fiengend sy dapffer an zû schlemmen. Stigen nach dem schlam wider inn ire schiff unnd fûren weiter nach irer narung. Diß alles hatt der gût Pfaff gesehen und gehört / kundt oder wußt sich aber gar nichts darauß zû verrichten. Er erwartet deß tags mit grossen sorgen / als der jetzund vorhanden was / [130] kroch er auß der hurst / ‹H7v› gieng so lang biß er auß dem wald kam. Do sahe er erst wo er daheimen waß. Den nechsten Sunnentag als er seine Predig vollendet und nach gemeinem brauch für alle stend Geistlich und weltlich bitten ward / fieng er zûletst an und sagt: «O lieben fründt helffend mir Gott bitten / für das volck in den grossen stifflen so zû nacht auff dem wasser faren / das inn kein dorn ins garn kumm / sunst fahen sy an zû schweren / es möcht der himmel herab fallen. Ich sag eüch / das es ein unnütz volck ist / was ander lüt deß tags ersparen / fressen sy zû nacht. Gott sey gedanckt / so mir von dem unnützen fressigen gesind geholffen hatt.» Dise Fabel sy gleich ein gedicht oder ein geschicht / so ist es doch leider ein solcher böser brauch by den Fischern entstanden (aber nit by allen) das ich glaub / man under allen Hantierungen / nit ein sollich ruchloß volck find / so an irer bittern sauren und sorglichen arbeit Gott also lesteren / daß warlich nit ein wunder wer / Gott strieff sy gleich an der stett.
      Der Herr geb sein genad / damit semlich Gottslesterung by disem und anderm volck ein end nemme / und sy darfür seinen Heyligen nammen preyssen unnd eehren. Darzû helff uns Gott der Vatter / Gott der Sun / unnd Gott der Heilig Geist / Amen.

      End deß Rollwagens Búchlin.