BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Doctor Johann Faust

Ende des 17. Jahrunderts

 

Doctor Johann Faust

Schauspiel in zwei Theilen

 

Zweiter Theil

 

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Actus VII.

 

Faust und mehrere Studenten.

 

faust: Ihr Herren, die Ehre, so Ihr mir gönnt, zur schlechten Mahlzeit zu kommen, ist groß; ich bitte Sie wollen vorlieb nehmen.

erster student: Mein Herr Doctor, die Ehre, so wir genießen, ist groß. (Hier wird gedonnert.)

zweiter student: Was mag wohl das Donnerwetter bedeuten?

faust: Ich fürchte, das wird nichts Gutes bedeuten.

erster student: Ach, das erschreckt mich!

faust: Ist es wohl so? Ach! ach!

zweiter student: (für sich) Was bedeutet dieses, daß er so traurig wird?

faust: Ach! ach! ach!

erster student: Helft! helft! Herr Faust will etwas wanken!

erster und zweiter student: Der Himmel bewahre vor Unglück!

faust: O, ihr Herren erschreckt selbst, wenn ich mein schändliches Leben erzähle. Es begab sich [803] vor 24 Jahren, daß mein Eifer und großes Verlangen zu der abscheulichen Nigromantie mich so weit gebracht, meine edle Theologie zu verlassen. Alsdann hab ich mich verführen lassen, mich dem leidigen Teufel mit Leib und Seel zu verschreiben. O Schmerz! O Angst! die Jahre sind aus, die Stunde ist da. allwo ich die gemachte Schuld bezahlen muß!

erster student: O Herr Doctor, es ist übel gethan! Er kehre um zu Gott, er kann noch Errettung seiner Seele finden.

faust: Ach, ihr Herren, Euer Trost wär gut! aber es ist zu spät: das Gute hab ich verworfen und das Böse gethan. Holla, Wagner!

zweiter student: Nun wohlan! kann es nicht mehr anders seyn: wir verlassen ihn, mich kommt ein Grausen an! (Die Studenten ab.)

wagner: Hier bin ich.

faust: Sag mir, um welche Zeit ists?

wagner: Es wird allbereits um 11 Uhr seyn.

faust: Ach wie schrecklich werde ich in meinem Gewissen gepeinigt! Wagner, bewahre dich hinfüro vor falscher Lehr, die du bisher von mir gesehen. Geh von hier und leg dich nieder, und wenn du gefragt wirst, wo ich hinkommen sey, so sage, daß ich ein verfluchtes Ende genommen! (Es schlägt 11 Uhr.) Jetzt bin ich von allen Menschen in dieser Welt verlassen. Göttliche Hülfe ist von mir gewichen. Ach weh und aber weh! Ach, Fauste muß versinken!

(Es schlägt 1 Viertel)

mephistopheles: Fauste, praepara te!

faust: Ach, Faust, praepara te! Ach, Faust, bereite dich! Ach Höllenangst, ich erschreck, daß ich nicht weiß, wohin! [804]

(Es schlägt 2 Viertel.)

mephistopheles: Fauste! accusatus es!

faust: Faust ist schon verklagt! Womit soll ich mich entschuldigen, wenn der strenge Richter hervortritt und das Buch aufschlagen wird? Scham­roth muß ich stehen, weil ich keinen Erlöser, noch Advokaten habe!

(Es schlägt 3 Viertel.)

mephistopheles: Fauste, judicatus es!

faust: Judicatus ist Faust! ist schon von dem strengen Richter verurtheilt! Der Stab ist schon gebrochen; keine Erlösung ist für Faust zu finden!

Ach weh, und aber weh!

Ich werde vorgestellt

Vor Gottes Richterstuhl:

Das Urtheil ist gefällt!

mephistopheles: Fauste, in perpetuum damnatus es!

faust: In perpetuum damnatus es! Faust ist in alle Ewigkeit verloren! O weh, Finsterniß! In dieser Nacht bellet der Hund, mein schwarzes Gewissen! O, alle Menschen, jung und alt, nehmt doch ein Exempel an dem unglücklichen Faust und lasset euch durch die Weltfreuden nicht so sehr verführen! Aber ach! die Sanduhr meines Lebens ist ausgelaufen und ich muß in ein ewiges Land, da Heulen und Zittern seyn wird. O, ewig verloren seyn! Ewiger Abgrund des Verderbens, du donnerst mir ewige Marter zu und durchwühlst mir mein vermaledeites Herz. Weh mir! schon jetzt stürmen die Qualen auf meine bebende Seele!

(Die Hölle eröffnet sich. Feuerwerk geht an.)

faust: Brecht, Himmel, Sterne kracht!

Spritzt schwefelblaue Flammen, [805]

Ihr Lichter jener Welt,

Ihr Berge fallt zusammen,

Und werft den ganzen Grund

Der harten Erde ein!

O weh! ich sinke schon

Und fühl der Hölle Pein!

(Die Hölle eröffnet sich. Die Teufel holen Fausten dahin ab.)