B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Christian Thomasius
1655 - 1728
     
   



F r e y m ü t h i g e   L u s t i g e   u n d
E r n s t h a f f t e   i e d o c h   V e r n u n f f t -   u n d
G e s e t z - m ä ß i g e   G e d a n c k e n   O d e r
M o n a t s - G e s p r ä c h e ,   ü b e r   a l l e r h a n d ,
f ü r n e h m l i c h   a b e r   N e u e   B ü c h e r ,
D u r c h   a l l e   z w ö l f f   M o n a t e
d e s   1 6 8 8 .   u n d   1 6 8 9 .   J a h r e s
d u r c h g e f ü h r e t .


3 .   M o n a t   o d e r   M a r t i u s   1 6 8 8
S e i t e   2 5 7 : 1   -   2 9 2 : 2 0


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Ungeneigter
und
geneigter
Leser.


  ES sind bißhero von der so genanten
Gesellschafft der Müßigen
zwey Monat=Gespräche, welche
257:5 Schertz= und ernsthaffte Gedancken
über allerhand lustige
und nützliche Bücher und Fragen genennet
worden, herausser kommen, welche zwar
mit ziemlicher Begierde gekaufft worden,
257:10 und abgangen, aber deswegen, wie es insgemein
zu geschehen pfleget, nicht von allen
approbiret worden, sondern unterschiedene
darwider etwas zu erinnern gehabt. Etliche
haben gewünschet, daß in denenselbigen
257:15 mehr Ernst enthalten wäre; Andere hätten
lieber gesehen, daß dieselben mit lauter
Schertz wären angefüllet gewesen. Jedoch
hat ein ieder darvor gehalten, es würden die
Verfertiger sich wenig an die Judicia derer
257:20 Leute kehren, sondern nach ihrem Gutdüncken
darinnen fortfahren, und zum wenigsten
in vielen Jahren an kein Ende gedencken,
zumahln da sie hierzu in der Vorrede
zum Januario mit vielen etwas freyen und
257:25 einem und dem andern verdrießlichen Worten,
258 eine starcke mine gemacht. Nichts desto
weniger ist nichts gewissers, als daß sich
die Gesellschafft der Müßigen zerschlagen,
und wohl recht eigentlich zerschlagen, indem
258:5 sie für ohngefehr 4. Wochen, als sie beysammen
gewesen, und vom Innhalt des Martii
mit einander Unterredung geflogen, unter
andern auch auf einen discours von dem ietzigen
Streit des Königs in Franckreich mit
258:10 dem Pabst zu Rom wegen der Quartiers
Freyheiten gekommen, da es denn geschehen,
daß als der Cavallier des Königs in Franckreich,
der Licentiatus Juris aber des Pabsts
Parthey zu hitzig vertheidiget, sie mit einander
258:15 von Worten zu Schlägen kommen, und
den Rentinirer, der zwar neutral seyn wollen,
und sie von einander zu scheiden gesucht,
seinen Theil auch völlig mitgetheilet, daß er
an das Sprichwort: ex utroqve Cæsar gedencken
258:20 können, und solchergestalt ihre Gesellschafft
in statum naturalem Hobbesii resolviret
worden, und dem bello omnium
contra omnes gantz ähnlich gesehen. Ob
man sich nun gleich bemühet, sie wider zu versöhnen,
258:25 und ihnen vorgehalten, durch ihre
Feindschafft andern Leuten nicht Ursache
zu geben, über sie zu spotten, daß sie ein nur
259 angefangenes Werck, welches allbereit einen
ziemlichen Ruff gemacht liegen liessen; auch
bey nahe ihren Zwiespalt wieder geschlichtet;
so hat doch eine anderwärtige Furcht sie von
259:5 der continuation abgehalten, indem sie gehöret,
daß vielen wackern vornehmen Leuten
dieses ihr angefangenes Werck höchlich mißfiele,
und sie sich also nothwendig viel Feinde
machen würden, welches doch ihre intention
259:10 gantz nicht gewesen, massen sie vielmehr gemeinet
/ dadurch Patronos sich zu erwerben.
Diese Furcht ist nicht wenig gemehret worden,
durch den Ruff, daß zu Saltzburg vier
gelehrte und weitberühmte Leute sich allbereit
259:15 darüber gemacht, und obgesagte beyde
Monate, absonderlich aber den Februarium
zu widerlegen beflissen wären, und rathschlagten,
wie sie die künftigen zehen Monate
dieses Jahrs gleichfalls ruiniren, und für der
259:20 gantzen Welt zu Schanden machen könten,
auch viel re- und correlationes deßhalben
anstelleten, ob sie nicht per demonstrationes
Mathematicas & Arithmeticas ausrechnen
möchten, was doch ohngefehr von der Gesellschafft
259:25 der Müßigen in die folgende Monate
gesetzet werden möchte. Sobald dieses die
Müßigen gemercket, haben sie geschlossen,
260 es sey hohe Zeit, daß sie still schwiegen, und
besser, daß sie bey Zeit abzögen, als wenn sie
hernach mit Schimpf und Schande aus dem
Felde geschlagen würden. Und gewiß, haben
260:5 sie hieran nicht unweißlich gethan. Denn ich
habe selbsten einen grossen Schnitzer wider
die principia Arithmeticæ angemerckt, daß
die guten Herrn nicht fünffe recht zehlen können,
sintemahl sie p. 158. aus drittehalb und
260:10 anderthalb Thalern fünff Thaler gerechnet /
und dadurch einen grossen errorem in calculo
begangen. Sie haben sich zwar gegen
mich entschuldigen wollen, daß es ein error
in scribendo wäre, und solte an statt anderthalb
260:15 Thaler gleichfalls drittehalb Thaler gesetzt
seyn, auch zu diesem Behuf fürgebracht,
daß es wahrscheinlich wäre, daß die Bauermagd
dem Münche nicht mehr wäre schuldig
geblieben seyn als sie ihm gezahlet hätte. Ich
260:20 habe ihnen aber dagegen gemeldet, daß dieses
wohl nur eine Ausflucht wäre / und würden
sie wohl selbst erkennen, daß sie aus dieser ihrer
Ursache keinen Syllogismum apodicticum
würden zusammen bringen können.
260:25 Doch dem sey wie ihm wolle, so ist es endlich
dahin gediehen, daß nachdem unterschiedene
gute Freunde ihr Verlangen bezeuget, daß
261 sie gerne sehen, daß die angefangene Gedancken
continuiret würden, auch die Gesellschafft
der Müßigen gegen mich gedacht, daß
sie es könten geschehen lassen, wenn ich diese
261:5 continuation auf mich nehmen wolte, ich
mich endlich resolviret, solches auf gewisse
Masse zu verrichten, nehmlich, daß ich zwar
den Titel behalten und diese Gedancken in
Form eines Gesprächs fortsetzen, aber dabey
261:10 doch behalten wolte, daß so viel möglich dasjenige,
was unterschiedene an denen ersten
beyden Gesprächen getadlet, vermieden würde.
Zu dem Ende habe ich alsbald in diesen
Monat an statt derer Teutschen Nahmen denen
261:15 Unterredenden Nahmen von frembden
Sprachen zugeleget, ob mir wohl wissend ist,
daß etliche Gelehrte solches für eine kleine Pedanterey
halten, wenn man sich nicht solcher
Nahmen bedienet, die mit der Sprache, worinnen
261:20 ein Gespräch geschrieben wird, überein
komen: Ich habe aber hiebey mein Absehen
dahin gehabt, daß ich allerdings auch scandala
accepta vermeiden möchte, weil ich gespüret,
daß ein und ander bey den ersten beyden
261:25 Gesprächen dafür gehalten, als wenn auch
unter denen daselbst gebrauchten, und bey
uns Teutschen üblichen Nahmen etwas sonderlichs
262 verborgen wäre, und also dem Herrn
Augustin, Benedict u.s.w. ieden auff eine
gewisse und bekante Person wider die intention
derer Müßigen gedeutet. Auff diese
262:5 Weise nun hat es mit denen Gesprächen derer
Müßigen fast so ein Ende genommen,
wie Anno 1684. in Holland mit dem Mercure
Scævant, der auch nur den Januarius
und Februarius continuiret wurde, an dessen
262:10 Statt aber hernach der Herr Bayle im
Mertz seine Nouvelles de la Republiqve des
Letteres
zu schreiben anfieng.
Jedoch habe ich nicht alsobald zu diesem
Vorhaben zugeplumpt, sondern zu vorhero
262:15 wohl überleget, ob ich auch mit guten Gewissen
dieses Wercks mich unternehmen dürffte,
und ob ich nicht vielmehr hierdurch andern
vornehmen Leuten in ihrem Amt einen Eingriff
thäte. Denn es hat mir vor Augen geschwebet,
262:20 daß der Abbt de la Roqve in der
Vorrede des 85ten Jahres von Journal des
Scavans sich über den Autor des Mercure Galant
beschweret / als dieser in seinem Mercure
etliche scriptores, die wider den Herrn Bayle
262:25 geschrieben, referiret, er solte keinen Einfall in
das Land der Republique des Lettres thun,
263 sondern bey seiner Galanterie bleiben, weil
dieses das Erbland des Journal des Scavans
wäre. Solcher Gestalt nun habe ich betrachtet,
daß gleichwohl allbereit in Teutschland
263:5 von denen Herrn Collectoribus Actorum
Eruditorum dieses Amt bedienet würde, der
Gelehrten Welt vorzustellen, was von neuen
Büchern heraus käme, ja ich habe die Ungelegenheit
erwogen, die sich der gute Fourretiere
263:10 über den Hals gezogen, als er wieder
derer Herren de l' Academie Royale ihren
Willen sich ein Frantzösisches Dictionarium
zu schreiben unterfangen, indem er seine Mühe
umsonst gehabt, und mit seiner nicht wenigen
263:15 Beschimpffung denen Herren de l' Academie
weichen und nachgeben müssen, ob er
sich gleich die Freyheit genommen in zweyen
factums, so er heraus gegeben, denen Messieurs
von der Academie die Wahrheit ziemlich
263:20 Deutsch (oder vielmehr Frantzösisch) zu sage.
Ich habe aber daneben auch erwogen, daß
zwischen diesem Exempeln u. dem Meinigen
ein grosser Unterscheid sey. Denn erstlich so
schreibe ich meine Gespräch nicht in Lateinischer
263:25 sondern in Teutscher Sprach, und halte
dafür, daß de la Roqve sich nicht so unnütze
würde gemacht haben, wenn der Autor des
264 Mercure Galant in einer andern als in Frantzös.
Sprache, von denen Gelehrten Schrifften
etwas geschrieben hätte, glaube auch festiglich,
daß der gute Fourretiere wohl von denen
264:5 Herrn Academisten würde unangepackt
geblieben seyn, wenn er etwan des Calvisii,
Fabri oder Reyheri Lexicon hätte ausbessern
und vermehren wollen. So ist
auch für das andere meine Meinung im geringsten
264:10 nicht, daß ich ein Journal von gelehrten
Büchern in teutscher Sprache schreiben
wolle, massen ich dawider feyerlichst protestire.
Was die Gesellschafft der Müßigen
in Willens gehabt, weiset ihre Vorrede
264:15 vor dem Januario. Gleichwie aber ihrer
drey gewesen, und hierzu gute Musse gehabt,
also bin ich nur alleine, und habe
des Tages über meine ordentliche Verrichtungen,
daß ich kaum etliche wenige Stunden
264:20 drauff wenden kan. Wannenhero ich
nur dann und wann von Büchern, mehrentheils
aber von gewissen materien etwas discouriren
werde. Wolte man mir nun
gleich vorwerffen, daß der Mercure Galant
264:25 eben dieses auch als ein parergon tractiret
hätte, und dennoch von dem de la Roqve
vor einen Freybeuter gehalten worden wäre,
265 so würde ich darauf antworten, daß
es der Autor des Mercure Galant darinnen
gröblich versehen, daß er solche Sachen, die
de la Roque in sein Journal bringen wollen,
265:5 seinen Mercure einverleibet, da
er doch hätte bedencken sollen, daß gleichwohl
de la Roqve jure occupationis
einmahl das Recht erworben / einig und
allein das Journal zu machen / und alle andere
265:10 davon auszuschliessen. Ich aber werde
mich in meinen Gesprächen, wo nicht
allemahl, doch meistentheils bemühen solche
Bücher zu erzehlen, die die Herrn Collectores
zu Leipzig in ihre Acta aus gewissen
265:15 und wichtigen Ursachen nicht setzen mögen,
massen aus diesen ietzigen Monat genugsam
zu sehen ist. Derohalben halte ich
dafür, daß weil ich ihnen dißfalls die reiche
Erndte gar gerne lasse (als der ich weder
265:20 die dazu gehörige correspondenz habe,
noch mit guten Freunden versehen bin, die
mir hierbey unter die Arme greiffen, auch
an einem Orte lebe, da der Buchführer neue
Sachen gar späte bekömmt) und zufrieden
265:25 bin, wenn sie mir etliche wenige verzettelte
Aehren nachzulesen vergönnen, wohl gemeldte
Herrn Collectores an statt, daß sie
266 dieses mein Vorhaben übel deuten sollten,
vielmehr mir mit denen Büchern, die sie
nicht mögen, aus Höffligkeit an die Hand
gehen würden, wenn ich solches von ihnen
266:5 verlangete. Und also wäre dieser schwere
scrupel auch gehoben.
Im übrigen bitte ich den Leser, daß
wo es seyn kan, er sein Judicium von meinen
Gesprächen biß zu Ende dieses Jahrs
266:10 suspendiren und sich des L. Incivile ff. de Legibus
ohnmaßgeblich zu erinnern belieben
wolle / massen er vielleicht in einem Gespräch
mehr satisfaction finden möchte, als in dem
andern. Zuförderst aber erinnere ich wohlmeinend,
266:15 daß er mich nicht etwa vor einen
pasquillanten halten wolle, weil ich
meinen Nahmen nur mit etlichen Buchstaben
zu erkennen gegeben. Denn ich
habe solches nicht aus der Ursache gethan,
266:20 daß ich mich scheuete das zu gestehen, was
ich, geschrieben habe, sondern, damit ich
desto eher anderer Leute Judicia von dieser
meiner Schrifft erfahren möchte. So
ist auch sonst bekannt, daß wenn zu Hoffe
266:25 zuweilen eine Wirthschafft gespielet wird,
und die Personen durch das Looß hierzu
ausgetheilet werden, es sich offte zuträget,
daß ein vornehmer Minister einen Koch,
267 Hauß=Knecht oder andere geringe Person
agiren muß, da man es ihme dann nicht vor
übel hält, wenn er seinen character ein
wenig beyseite legt, und in dem Koch=Habit
267:5 seine Person nach der qualität eines Kochs
agiret, und sich also, so zu sagen, ob man
ihn gleichwohl kennet, in denen Kleidern als
incognito auffhält; aber ohne Zweiffel
ausgelacht werden würde, wenn er in seinen
267:10 gewöhnlichen Kleidern die ihm auffgetragene
Person vorstellen wolte. Ich bin
gleicher Gestalt, Vorhabens in diesen
Gesprächen unterschiedene Personen auff
das tapet zu bringen, und werde also auch
267:15 nach dererselben character meine Redens=Arten
abwechseln müssen. Derohalben
hat es sich auch in diesem Ansehen nicht
wohl schicken wollen, daß ich meinen Nahmen
ausgedruckt. Damit aber der Leser nur
267:20 einen kleinen concept von meiner Person
fassen, und also zum Theil abnehmen möge,
was er ins künfftige von diesen Gesprächen
zu hoffen habe, will ich ihm nur etwas
weniges von meiner profession melden.
267:25 Wenn ich demjenigen Glauben beymessen
wolte, was ich vernommen, daß auch
meine Feinde mir nachsagten, wolte ich sprechen,
268 ich wäre ein Gelehrter. Aber ob gleich
sonsten die Zeugnisse derer, die uns zuwider
sind, in Sachen, so zu unserm Vortheil gedeutet
werden könten, für sehr gültig gehalten
268:5 werden, so wird mir doch iedermann
leichte Beyfall geben, daß ich selbsten am
besten wissen müste ob ich gelehrt sey oder
nicht. Ja ich getraue mir augenscheinlich
darzuthun, daß ich dieses prædicats gantz
268:10 nicht fähig bin, weil ich zu keiner Facultät
gebracht werden kan. Ich bin kein Theologus,
denn ich kan nicht predigen, vielweniger
mit denen Ketzern disputiren. Kein
Juriste bin ich auch nicht, dieweil ich durch
268:15 die auream praxi die Zeit meines Lebens
nicht viel erworben / auch die wunderliche
persuasion und Einbildung habe, daß die
meisten Theile der Jurisprudenz von Triboniano,
und denen alten Glossatoribus
268:20 nebst denen Pragmaticis so verhuntzt worden,
daß nunmehro ohnmöglich ist, dieselbige
in formam artis zu redigiren, und man
sich solchergestalt gantz nicht wundern darff,
wie es doch komme, daß heut zu Tage ein
268:25 Rabula ja so leichte in diesem studio fortkommet,
als ein geelehrter Mann. Viel weniger
bin ich ein Medicus, denn ich habe mich
269 von Jugend auff gehütet, daß ich mit anderer
Leute Schaden klug werden möchte, und
halte von einem Trunck Rhein=Wein mehr,
als von der besten Perl=Essenz; Ja ich habe
269:5 mich auch noch nicht resolviren können,
ob ich es mit dem Galeno oder Hippocrate,
oder Theophrasto, oder mit einem von denen
Neotericis halten solte. Am allerwenigsten
aber bin ich ein Philosophus. Denn
269:10 erstlich glaube ich in der Logica nicht, daß
fünff Prædicabilia, zehen Prædicamenta und
drey figuræ Sillogismorum seyn. Ich halte
dafür daß die Logic, die wir in Schulen
und Academien lernen, zu Erforschung der
269:15 Wahrheit ja so viel helffe, als wenn ich mit
einem Stroh=Halm ein Schiff=Pfund auffheben
wolte. Von der Metaphysic habe ich
mir eine widerwärtige Impression gemacht,
indem ich mir eingebildet, daß die darinnen
269:20 enthaltenen Grillen fähig sind, einen gesunden
Menschen solchergestalt zu verderben,
daß ihme Würmer in Gehirne wachsen, und
daß dadurch der meiste Zwiespalt in Religions=Sachen
entstanden, auch noch erhalten
269:25 werde. Die Mathesin habe ich
leider! nicht gelernet, weil dieses höchstnützliche
studium auff Academien so wohl culpâ
270 docentium als discentium gemeiniglich
verachtet und negligiret wird. Mit der
Physic ist es mir sehr unglücklich gangen.
Denn als ich gemeinet, ich hätte in denen
270:5 Collegiis, so ich darüber gehalten, vortreffliche
profectus erlanget, und meine privat
repetitiones deßhalben angestellet, bin ich
so tumm gewesen, daß ich nicht verstehen
können, was das heisse, daß die Natura principium
270:10 motus & qvietis sey, ia ob mir gleich
meine Præceptores noch so deutlich vorgesagt,
quod anima fit tota in toto corpore,
& tota in qualibet parte corporis, ich auch einen
gantzen Tag zugebracht in Auffsuchung
270:15 derer Physicorum, und befunden, daß diese
thesis so klar sey, daß niemahls ein rechtschaffener
Philosophus dran gezweiffelt, so hat
mir es doch gantz nicht in Kopf gewolt, daß
meine Seele zu einer Zeit, wenn sie gantz
270:20 und gar mit Haut und Haar in der kleinen
Fuß=Zehe sässe, und zugleich in Ohr=Läppgen
seyn solte. Eben so ist es auch mit der herrlichen
materia prima bey mir abgelauffen,
welche doch der wahrhafftige lapis Philosorum
270:25 ist. Am allerschlimmesten aber ist
mir es mit denen qvalitatibus occultis gegangen.
Denn als ich versuchen wollen, ob
271 es mir vielleicht besser von statten gehen wolte,
wenn ich selber etwas de meo erfände,
und zu dem Ende auf eine definitionem qualitatis
occultæ bedacht gewesen, habe ich nach
271:5 dreytägiger meditation, da ich zwey Buch
Papier verschmieret und ein halb Schock Federn
verschrieben, anders nichts heraus bringen
können, als: *...*
*...*
271:10 *...*
*...*
*...*. Aber ich bin mit dieser definition
ankommen, daß ich bald darüber wäre zum
Atheisten gemacht worden. Endlich so hat
271:15 es auch in der Philosophia Practica nicht mit
mir fortgewolt. Denn ich bin gleich Anfangs
bey dem genere stutzig worden, und bin so
ungläubig gewesen, daß, ob ich gleich augenscheinlich
gesehen, daß diese disciplin von allen
271:20 pro prudentia ausgegeben worden, dennoch
mein Verstand so ungeschickt gewesen,
daß er gemeinet, es schicke sich dieser Titel
nicht für diese Philosophie weil der tractat
de Legibus & Consiliis darinnen mangele:
271:25 Zugeschweigen, daß ich den gelehrten Streit
de summo bono, und de proportione Arithmeticâ
& Geometricâ für läppisch und unnützlich
272 gehalten. Also, nachdem ich bey
dieser Bewandniß für keinen gelehrten passiren
kan, bemühe ich mich noch über dieses,
daß ich andern Leuten, auch denen, die als
272:5 Gelehrte zu mir kommen, ihre Gelehrsamkeit
benehmen, und diese ignoranz beybringen,
auch sie dazu anhalten möge, daß sie in
dem wenigen, so ein Mensch durch seinen
Verstand begreiffen kan, allezeit einen rechten
272:10 Grund suchen, im übrigen aber sich befleißigen,
wie sie bey Zeiten sich angewöhnen,
andern Leuten, von wasserley Zustand
sie auch seyn mögen, denen sie dermahleins
nach Unterscheid ihres Standes zu dienen
272:15 Gelegenheit erlangen werden, ihren Nutzen
zu schaffen, und sich selbsten also zu guberniren,
damit man sie in gemeinen Leben
nicht auslachen möge. Gehab dich wohl.
273 Polydor ein kluger Staats=Minister
an einem berühmten Teutschen
Hoffe hatte den Gebrauch, daß er,
wenn er sich an denen Staats=Angelegenheiten
273:5 abgemattet hatte,
oder sich bey Uberhäuffung derselben unlustig befunde,
nicht, wie sonst gewöhnlich, öffentliche Tafel
hielte, sondern in seinen Cabinet allein speisete,
und sich bey der Mahlzeit mit dem Gespräch
273:10 zweyer von seinen Clienten, die er sich für andern
ausersehen hatte und selbige gerne um sich leiden
möchte, belustigte. Sie hiessen Clarindo und
Nicanor, und waren beyde gelehrte und verständige
Männer, die bey Hofe ihr Glück suchten, und
273:15 Polydor als den vornehmsten Minister fleißig
auffwarteten, hatten auch unter einander eine vertrauliche
Freundschafft / ob sie gleich in ihren Wissenschafften
sehr unterschiedener Meinungen waren.
Denn Clarindo war ein wenig ein Sonderling,
273:20 das ist, er folgte ohne Ansehen der Person
in Sachen, die durch die Menschliche Vernunfft
274 begriffen werden können, seinem eigenen Kopffe,
und glaubte nichts, was man ihm immer vorsagen
mochte, wenn man ihme solches nicht mit starcken
Gründen bewiesen. Nicanor im Gegentheil
274:5 hielte es mit denen lieben Alten, und achtete es für
Unrecht, daß ein Mensch unserer Zeit sich weiser
düncken lassen solte, als unsere Vorfahren, zumahl
bey denenselben in gemeinen Wesen und Hauß=Stande
alles so gut und glücklich von statten gangen
274:10 als heute. Aus diesen Unterscheid dieser beyden
gelehrten Leute flosse ein anderer nicht geringerer,
daß Nicanor bey seinen Patronen sich mehr
mit liebkosen und schmeicheln, Clarindo hingegen
mit einer gemäßigten Kühnheit und Offenhertzigkeit,
274:15 die doch mit gebührender Erweisung des gehörigen
respects vergeschellschafftet war, einzuschleichen,
und ihre Gunst zu erhalten suchten. Polydor
als ein weiser Mann, dem mit den betrüglichen
euserlichen Schein nicht viel gedienet war,
274:20 sondern der vielmehr auf das innere sich gründete
liebte Clarindo wegen seiner Auffrichtigkeit mehr
als Nicanor; jedoch konnte er diesen auch wohl
vertragen, weil seine kleine Schmeicheley nicht so
wohl aus einem bösen Gemüthe, als aus einer natürlichen
274:25 Furcht herrührete, indem er sich befahrte /
daß, wenn man höhern Leuten nicht in allen beyfiele,
man leicht ihre gute Gunst verlieren könnte.
275 Zu dem so hatte er eine nicht geringe Vergnügung,
wenn er hörete, daß Clarindo und Nicanor
einander, mehrentheils wegen ihrer unterschiedenen
Meinung, widersprachen, und immer
275:5 einer den andern zu überwinden suchte, jedoch mit
einer solchen Art, daß sie sich niemahls in ein Pedantisch
Gezäncke einliessen, und die Ehrforcht,
die sie Polydor schuldig waren, beobachteten.
Uber dieses war Polydor begierig von neuen Büchern
275:10 Kundschafft einzuziehen, und giengen ihm
dißfalls Nicanor und Clarindo fleißig an die
Hand. Denn jener liesse sich es recht angelegen
seyn, und bemühete sich dem Clarindo vorzukommen,
weßwegen er bey dem Buchführer bestellet
275:15 hatte, ihme, so bald etwas neues ankäme, davon
Nachricht zu ertheilen. Clarindo aber machte
sich diese Mühe nicht, sondern, weil er ohne dem
gewohnt war, für sich die Buchläden fleißig zu besuchen,
als erzehlte er hernach bey Gelegenheit dasjenige,
275:20 so er darinnen merckwürdiges angetroffen
hatte, und ersetzte zuweilen den Mangel mit einen
Urtheil über diejenigen Bücher, die Nicanor
allbereit angeschafft hatte.
Es geschahe dannenhero, daß, als für wenig
275:25 Wochen Polydor diese beyde zu sich hohlen liesse,
daß sie mit ihm auff den serviet speisen solten, Nicanor
bald bey den ersten Gerichte seine Gelegenheit
276 ersahe zu Polydor zu sagen. Ich habe euerer
Excellence zwey neue Bücher mitgebracht,
welche der Herr Burnet wider den Frantzosen Varillas
verfertiget. Die Titel davon sind: Defence
276:5 de la Critique du Neufieme Livre de
l' Histoire de Mons. Varillas.
Und ferner:
Critique du 3. & 4. Volumes de l' Histoire de
M. Varillas en ce, qui regarde les affaire d'
Angleterre traduite de l' Anglois de Mons.

276:10 Burnet A. Amsterdam 1688. in 12. Was betrifft
doch eigentlich der Streit des Varillas mit
Burnet? fragte Polydor; denn, wo mir recht ist,
so hat dieser allbereit eine Schrifft wider jenen herausgehen
lassen. Nicanor antwortete: Herr
276:15 Burnet ist D. Theologiæ und bey dem vorigen
König in Engelland Capellan gewesen, und weil
er gute Proben seiner Gelehrsamkeit abgeleget,
und eine grosse Geschicklichkeit Historien zu schreiben
von sich spüren lassen; hätte die Clerisey
276:20 des Königreichs Engelland keinen würdigern
Mann wehlen können als ihn, der auff ordre
des Königs die Historie der Kirchen=Reformation
in Engelland von Zeiten an Henrichs
des Achten geschrieben hätte, massen er denn
276:25 auch dieses mühsame und gefährliche Werck mit
einer solchen Behutsamkeit für ein sechs oder sieben
Jahren sich unternommen, daß er das Lob und
277 Billigung der gantzen Welt / hohen Danck von
der Geistlichkeit, und grosse Geschencke auf Seiten
des Königs davon getragen. Sein Buch ist
in kurtzer Zeit offte auffgeleget worden, und hat
277:5 man solches in die Lateinische, Frantzösische und
Holländische Sprache übersetzet, auch in die
Teutsche wenn anders dem Franckfurtischen Catalogo
Glauben beyzumessen ist. Nichts desto
weniger gleichwie das Urtheil des gemeinen Volcks
277:10 nicht allemahl auff guten Grunde fusset, also muß
man nicht meinen, daß eben daran das Verdienst
eines guten Buchs hange, wenn nicht die Wahrheit
und die Behutsamkeit, welches die nothwendigsten
Stücken einer Historie sind, solches nicht
277:15 für sich über die andern erhebet. Denn dieses trug
sich mit denen Schrifften des Herrn Varillas zu,
welche er bißher in einer ziemlichen Anzahl heraus
gegeben. Dieser Autor, als er zuerst seine Historie
Carols des neundten Königs in Franckreich
277:20 und bald hernach die Geschichte des
Königs Francisci des Ersten / ingleichen die
Minderjährigkeit Ludwigs des Heiligen,
nebst der Historie Ludwigs des Achten, und
Henrichs des Andern, Dann die verborgene
277:25 Geschichte der Medicæischen Familie zu Florenz
voran schickte; betroge die gelehrte Welt
eine geraume Zeit, daß man darvor hielte, als
278 wenn er ein Autor wäre, dem man billig Glauben
zustellen müsse, weil er sich fast überall rühmete,
daß er gute manuscripta und wichtige originalia
zu Verfertigung seiner Wercke brauchte,
278:5 und er einer anmuthigen und bequemen Ordnung
sich bediente, auch überall gute Anmerckungen
mit untermischte, und die geheimsten Gedancken
und Rathschläge grosser Herren entdeckte.
Welches alles verursachte, daß sich niemand eingebildet
278:10 hätte, daß ein Betrug darunter verborgen
wäre, und daß der Herr Varillas nur oben hin etliche
geringe Historien gelesen hätte, ohne sich die
Mühe zu nehmen, merckwürdige Geschichte wohl
zu untersuchen, oder eine genaue Ordnung in der
278:15 Chronologie zu beobachten, und daß endlich die
originalia, von denen er so viel rühmens gemacht,
nirgend anders als in der Camerâ obscurâ
seines Gehirns anzutreffen wäre. Alleine
als er die ersten zwey tomos seiner Historie
278:20 von denen Aenderungen, so in Europa, so
viel die Religion betrifft, vorgegangen, anno
86. herausser gabe; hat die gelehrte Welt
den Irrthum, in welchen sie bißher geschwebet,
bald gemercket. Die Herrn Collectores des
278:25 Leipzigischen Journals bemerckten bald anfangs
einen hauffen Fehler, die der Herr Varillas,
so viel unser Land betrifft, begangen hatte, obschon
279 die erste Aenderung der Religion nicht bey uns,
sondern in Engelland durch den Wicleff ware
vorgegangen. Dannenhero ware es eine rechte
Arbeit für den Herrn Burnet, der sich auch nicht
279:5 lange säumete, ein Verzeichniß der gröbsten
fauten des Herrn Varillas, die er gemacht
hatte, als er das Englische Religions=Wesen
in dem neundten Buch seiner Historie
beschrieben, zu verfertigen. Diese Critique,
279:10 die der Herr Burnet in Englischer Sprache
geschrieben, ist alsobald in das Frantzösische
übersetzet worden, und der Ubersetzer, der sich
doch nicht genennet, hatte eine Vorrede darzu gesetzet,
in welcher er sich bemühet darzuthun; daß
279:15 der Herr Varillas kein Mann von guter Treu
und Glaube wäre, weil er schon vor geraumer
Zeit ein Buch von der Secte des Wiclefs, wiewohl
unter verdeckten Nahmen / ediret, welches
er auch fast gantz und gar in diese Historie mit eingeflickt,
279:20 und nichts desto weniger etliche Oerter aus
demselben Buch, das Leben oder die Lehre des
Wiclefs und Johan Huss betreffende, darinnen
er ihrer beyder gar glimpflich gedacht hatte, in dieser
Historie entweder ausgelassen oder wohl gar
279:25 geändert hätte. Der Herr Varillas verpaßte
einige Zeit diese harten Püffe, und wolte die Leute
bereden, daß er von denenselben ziemlich späte
280 Nachricht erhalten hätte, aber endlich liesse er seine
Empfindlichkeit spüren, und nachdem er den
dritten und vierdten tomum seiner Historie
drucken lassen, kame auch seine Antwort wider
280:5 die Critique des Herrn Burnets ans Tage=Licht,
die er dem Könige dedicirte. Ich habe solche
zwar nicht gelesen, aber es scheinet aus der gegenwärtigen
defension des Herrn Burnets,
daß die Antwort des Varillas dem Herrn Burnet
280:10 von der impression, die er sich anfänglich von
ihm gemacht, nicht habe befreyen können. Und
gewiß, es muß ein artiger Mann seyn, daß er sich
unterstehet, seine groben Fehler mit der grösten
Unverschämigkeit zu vertheidigen, und noch ferner
280:15 auff gewisse MSS sich zu beruffen, welche er
will dabey zu Rathe gezogen haben, ob es gleich
gantz offenbar ist, daß seine gantze Stütze ist die
Historie der Ketzereyen, welche Florimond
von Remond ein Parlaments=Rath zu Bourdeaux
280:20 geschrieben, wiewohl viel kluge Leute dafür
halten, daß der Pater Richeome ein Jesuite
solches Buch verfertiget habe. Was aber absonderlich
die Englischen Sachen betrifft / hat dieser
so genannte Florimond seine Historie mit eines
280:25 Schottischen Jesuiten des Sanders, der de
Schismate Anglicano geschrieben, seinen Vorrath
ausgespicket, und kan man solchergestalt sich
281 gar leicht einbilden, was von denen gerühmten
Manuscriptis des Herrn Varillas man sich
versprechen dörffe. Der Herr Varillas hatte
in seiner Antwort unter andern Erwehnung gethan,
281:5 daß die Schreib=Art des Herrn Burnets
sehr niedrig und gemein sey, über welches einfältige
Urtheil der Herr Burnet sehr spottet /
und damit er seinen Widersacher bezahlen möge,
so schertzt er durchgehends mit ihm wegen
281:10 seiner ungeschickten Antworten, und handgreifflichen
Unwahrheiten, als welche gleichsam
ein Kennzeichen wären der hohen Redens=Arten
des Herrn Varillas, und vergleicht nicht unbillich
des Herrn Varillas seine Historie mit denen
281:15 Romanen, indem er spricht, daß man
eben so wenig die Historie der Reformation
in des Herrn Varillas Schrifften werde antreffen,
als wenn man die Historie von Alexander
dem Grossen oder dem Käyser Augusto aus der
281:20 Cassandra und Cleopatra lernen wolte. Ja
es wäre noch dieser merckwürdige Unterscheid
darunter, daß die Romane ihre erdichtete Erfindungen
auff die wahren Geschichte guter Historicorum
gegründet hätten, und durch dieselben
281:25 kein Mensch leichtlich hintergangen werden
könte. So aber hätte der Herr Varillas
seinen Roman auf alberne Autores gegründet,
282 und gebe seine Einfälle mit einer solcher angemaßten
Auffrichtigkeit für wahrhafftig aus,
daß er leichtgläubige Personen gar leicht betriegen
könne. Uber dieses so railliret der Herr
282:5 Burnet den Herrn Coquelin überaus artig,
welcher seine approbation zu des Varillas
Schrifften ohngefehr auff folgende Weise mag
eingerichtet haben, daß des Varillas Bücher
nicht brauchten / daß sie recommendiret
282:10 würden, weil der eintzige Nahme des Herrn
Varillas mehr geschickt wäre selbige in Hochachtung
zu bringen, als alle das Lob, das
man ihnen geben könte. Denn er spricht: er
könne sich nicht einbilden, was der Herr Coquelin
282:15 für ein Mann seyn müsse, dessen approbation der
Herr Varillas zu allen seinen letzten Wercken
voransetzen lassen, und müsse er gedencken, daß
dieser nicht iemand anders erlangen könte, der
so leichte thäte, was er von ihm begehrete, und
282:20 dannenhero müsse er sich wohl aus Noth mit diesem
eintzigen approbatore behelffen. Er könne
sich nicht anders einbilden, als daß der Herr
Coquelin ein tieffgelahrter Mann entweder in
denen Orientalischen Sprachen oder in denen
282:25 mathematischen Wissenschafften seyn müsse.
Denn diese disciplinen wären der Historie am
meisten zuwider, und glaube er dannenhero,
283 daß der Herr Varillas ihn deswegen aus der
gantzen Sorbonne ausgesucht habe, weil er von
dem, was in denen letzten Jahr hunderten vorgegangen
/ die wenigste Nachricht habe. Es könne
283:5 auch wohl seyn, daß, als Herr Varillas seine
approbation begehret, der gute Mann gleiche
über einen schweren Problemate, dasselbige
auffzulösen / beschäfftiget gewesen, oder habe sich
den Kopff über einen Arabischen oder Sinesischen
283:10 Manuscripto zerbrochen. Weil es denn insgemein
so herzugehen pflege, daß die Leute, welche
sich nur auff eine doctrin geleget, doch für
Universalisten wollen gehalten werden, so habe
auch der ehrliche Herr Coquelin gehofft, daß
283:15 man ihn für einen guten Historicum werde passiren
lassen, wenn er des Herrn Varillas Bücher
approbirete. Er würde aber künfftig besser
thun, wenn er sich in diese Sachen nicht ferner
mischte, weil er sich gar zu bloß gebe, daß er von
283:20 Historischen Sachen keinen Verstand habe. Ferner
so nutzt der Herr Burnet dem Herrn Varillas
dasjenige gar zu picquant auff was er vorgebracht,
als ihm der Herr Burnet vorgeworffen,
daß er alle seine Sachen aus dem Florimondo
283:25 Reymondo ausgeschrieben habe, welcher Autor
gantz nicht für glaubwürdig zu halten wäre.
Denn an statt, daß er die Ursachen hätte andeuten
284 sollen, warum er sich auf diesen Historicum
gegründet habe, so hat er nur dieses erwehnt:
Florimond habe Weib und Kinder
gehabt. Hier spottet nun der Herr Burnet und
284:5 saget: es sey nicht leichte zu verstehen, worinnen
die Stärcke dieses arguments beruhe. Alleine
man müsse sich über den Verstand des gemeinen
Pöbels erheben, damit man diese hohe Beredsamkeit
des Herrn Varillas begreiffen könne.
284:10 Wenn dieses ein Kennzeichen eines guten Autoris
wäre, daß man Weib und Kinder habe,
so könne man sich gewiß versichern, daß der
Herr Varillas weder Weib noch Kinder haben
müsse. Ja man könne sich auch dieses als ein neuen
284:15 Arguments zu Behauptung der Priester
eben bedienen. Nichts destoweniger müsse er,
der Herr Burnet, gestehen, daß er als ein Mann
von gemeinen Verstande nicht begreiffen könne,
wie der Herr Varillas durch diese Ursache sey bewogen
284:20 worden den Florimond für einen guten
Autorem zu achten, da er doch den Thuanum
nicht dafür wolte erkennen, ohnerachtet dieser
auch Weib und Kinder gehabt habe. Und gewiß,
diese Erfindung des Herrn Varillas kömmt
284:25 mir recht lächerlich vor, und gemahnet mich eben,
als wenn einer einen andern, als einen Philosophum
Christianum wolte heraus streichen,
285 weil er eine Frau genommen und Kinder gezeuget
habe; Aber wieder auff den Herrn Burnet
zu kommen, so erzehlet er unter andern einen
merckwürdigen Umstand von des Cambdeni
285:5 Historie, welchen er zwar vorgiebt, daß er
in Engelland ziemlich bekannt wäre, doch halte
ich nicht dafür, daß derselbe bey uns vielen bewußt
sey. Als der Herr Thuanus in Willens
hatte seine General Historie zu schreiben, so correspondirte
285:10 er fleißig mit denen Gelehrten in
gantz Europa, die ihm hierzu dienliche Nachricht
ertheilen konnten, er wechselte viel Brieffe mit
Cambdeno, und als dieser den ersten Theil seiner
Historie herausser gab, so machte ihn Thuanus
285:15 aus, weil er befunde, daß seine Historie mit dem
nicht überein käme, was er an Thuanum
in seinen Brieffen geschrieben hatte, sonderlich
was die Königin Maria in Schottland betraff.
Hierauff entdeckte ihm Cambdenus die Wahrheit,
285:20 daß nemlich der König Jacobus seine Historie
selbst durchsehen wollen, und habe solche
hernach unter die Hände des Graffen von
Northamton (dem Bruder des Hertzogs
von Norfolck, der eben wegen dieser Sache
285:25 war enthauptet worden) gegeben, dergestalt,
daß man unterschiedene Sachen aus seinem
Buche heraus genommen, und noch mehr andere
286 geändert hätte. Dieses hatte den Cambdenum
überaus verdrossen, und hatte sich dannenhero
entschlossen, damit es mit dem andern
Theil nicht auch so, wie mit dem ersten, gehen
286:5 möchte, daß er denselben an den Herrn Thuanum
in Franckreich geschickt, damit dieser
ihn nach seinen Tode daselbst auffrichtig und
uncastrirt könte heraus geben, welches auch
hernachmahls geschehen u.s.w. Hiernechst
286:10 gedenckt auch der Herr Burnet, daß die Frantzösische
Ubersetzung seiner Critique wohl
gemacht sey, und daß der Ubersetzer seine Gedancken
wohl exprimiret habe, aber daß man
dieselbe zum öfftern übel verstanden habe in der
286:15 version seiner Brieffe von seiner Reise in
Italien. Womit er abermahln ohne Zweiffel
auf die Frantzösische Ubersetzung siehet. Was
würde er erst gesagt haben, wenn er die Teutsche
version derselben, so im vorigen Jahre zu
286:20 Leipzig herausser kommen, verstehen, und des
artigen Funds berichtet sein solte, dessen man sich
bedienet, das Buch gangbar zu machen, daß
man auff den Titel gesetzt, als wenn insonderheit
eine nützliche Erzehlung des Ursprungs und
286:25 Fortgangs der neuen Secte der Quietisten
darinnen enthalten wäre, da doch solches dem
Herrn Burnet nie in Sinn kommen, und die
287 zwey Blätterchen, so von dem Molinos handeln
diesen prächtigen Titul nicht verdienen.
Endlich gedenckt auch der Herr Burnet, daß
ihm aus Engelland sey geschrieben worden,
287:5 als wenn ein Autor, der wegen seiner Poesie
und anderer Ursachen willen beruffen ist, sich
bemühet habe des Herrn Varillas Historie in
die Englische Sprache zu übersetzen und schon
drey Monath daran gearbeitet habe, aber als
287:10 er vernommen, daß des Herrn Butnets Critiqve
herausser kommen wäre, habe er seine
Arbeit liegen lassen, weil er gesehen, daß sein
Autor seine reputation verlohren habe. Wenn
er darvor halten werde, daß er dieselbe durch
287:15 seine Antwort habe wieder erlanget, so werde
er seine Ubersetzung wieder vor die Hand nehmen
können. Denn dieses werde eben so ein
anmuthiger Zeit=Vertreib für diesen Poeten
seyn, als die Conversation die er erfunden
287:20 zwischen denen Hindinnen, Panterthieren, und
andern Bestien, unter denen der Herr Varillas
gar leichte für einen guten Historicum
passiren könte. So wäre auch dieses seine
Historie und das Poëma des andern (in welchen
287:25 er vielleicht auff den Herrn Burnet mag gestichelt
haben) zwey so auserlesene Sachen
in ihren Geschlechte, daß nichts geschickters
288 seyn könne, als wenn der Autor der allerübelst
ausgesonnenen Erfindung ein Ubersetzer
würde der allerschlimmesten Historie dieser
Zeit. Wenn sein Verstand und seine Frömmigkeit
288:5 gleichförmig zu nehmen, so würde man
kaum finden können / daß er viel gewonnen habe,
an dem Wechsel, den er gemacht habe, weil er
als ein Mensch von keiner Religion eben zu
der allerbösesten getreten sey. Es sey zwar
288:10 wahr, daß er etwas reputation gehabt, die er
habe verlieren können, so viel den Verstand
betrifft, allein seine Sitten belangende, so wäre
es fast unmöglich, daß er leichtfertiger werden
könte, als er sey. Er habe vor kurtzer Zeit
288:15 seine üble Neigung wider den Herrn Burnet
herausbrechen lassen, weil er Ursach gewesen,
daß seine drey monatliche Arbeit für die Hunde
gangen. Aber er habe doch dem Herrn Burnet
alle Ehre angethan, die er sich zu ihm hätte versehen
288:20 können, nehmlich daß er ihn auff eine
Satyrische Weise durchgezogen habe. Wenn
nun der Herr Burnet recht böse wäre, daß er
ihm was übles wünschen wolte, so wolte er nur
wünschen / daß er seine Ubersetzung zu Ende
288:25 bringen müste. Denn da würde man sehen,
ob die Englische Nation, welche der beste Richdie
in dieser Streitigkeit wäre, würde das Urtheil
289 für den Herrn Varillas oder für den Herrn
Burnet sprechen. Es werde zwar hierbey der
Ubersetzer der Historie des Herrn Varillas etwas
auszustehen haben, aber dieses werde ihn
289:5 verhindern / daß er keine andere Thorheiten
vornehmen werde. Und wenn er auch gleich
durch diese Ubersetzung keine Ehre werde davon
tragen, so werde er doch zum wenigsten nicht so
viel dabey verlieren, als er an Verfertigung seines
289:10 letzten Werckgens verlohren habe. Der
Herr Burnet nennet zwar den ehrlichen Mann
nicht, den er bißher so gelobet, ausser mit denen
ersten Buchstaben M. D. aber es ist aus denen
Frantzösischen Zeitungen vorigen Jahres bekannt,
289:15 daß er auff Masteu Dryden ziele, welcher
sonst den Ruff hat, daß er ein guter Englischer
Poët sey, der bey Leb=Zeiten des vorigen Königs
unterschiedene Comœdien und Operen verfertiget,
bey Regierung des ietzigen aber einer
289:20 mit von denen ersten gewesen, der sich zu der
Römischen Religion begeben. In Summa,
Dieses gantze Werckgen des Herrn Burnets
ist durchgehends anmuthig zu lesen, weil er überall
sich einer temperirten, jedoch scharffen und gelehrten
289:25 raillerie wider den Herrn Varillas bedienet.
So hat auch der Frantzösische Ubersetzer
in einer kleinen Vorrede dem Herrn Varillas
290 kurtz beantwortet, welcher sich ebenmäßig
wieder diesen entschuldigen wollen, daß er
nicht der Autor der Historie von des Wiclefs
Secte wäre, welche kahle Entschuldigungen
290:5 der Ubersetzer kürtzlich, doch gründlich widerleget.
Ich habe mich vielleicht etwas zu lange
in Referirung der ersten Schrifften des Herrn
Burnets auffgehalten, aber Euere Excellence
290:10 werden solches nicht übel deuten, weil ich weiß,
daß sie in dem Stück was ad cognitionem autorum
gehöret, curieus sind, auch an denen
Schrifften, in welchen ein gelehrter Schertz mit
untergemischt ist, für andern einen Gefallen haben.
290:15 Ich sage den Herrn Danck für die Mühwaltung,
antwortete Polydor, und erwarte, was
er von dem andern Tractætgen des Herrn Burnets
noch zu sagen hat. Doch wird er sich um sein
selbst willen hierbey etwas mehr der Kürtze befleißigen
290:20 müssen, damit er nicht bey der Mahlzeit
zu kurtz komme. Ich werde ohne dem hier
wenig zu sagen haben, begegnete Nicanor, weil
der Herr Burnet hier ein wenig mehr ernsthafft
geschrieben, und diejenigen Fehler, so der Herr
290:25 Varillas in seinen dritten und vierdten tomo wider
die Englische Geschichte in vielen Stücken
291 begangen, angemerckt und nachdrücklich widerlegt.
Und zweiffele ich nicht, es werden die Acta
Eruditorum, die Eure Excellence ohne dem
kriegen, weitläufftiger davon reden. Nichts
291:5 destoweniger verweiset der Herr Burnet hier anfänglich
dem Herrn Varillas seine Thorheit
ziemlich scharff, daß, da andere Frantzosen ihren
König mit denen vornehmsten Helden zu vergleichen
suchen, er eine Erfindung gebraucht,
291:10 den König zu loben, indem er ihn mit einer Frau
und zwar mit der Schottischen Königin Maria,
so viel die Reformation des Religion=Wesens
betrifft, verglichen. Er weiset ihm auch, das
nicht allein diese schmeichlerische Vergleichung
291:15 übel ausgesonnen sey, sondern daß selbige nicht
einmahl mit der Wahrheit übereinkomme. Nach
diesen bemerckt er, daß zwar der Herr Varillas
in den dritten tomo sich auff keinen andern autorem
in Erzehlung der Englischen Sache beziehe,
291:20 als auf des Ertz=Bischoffs zu Ragusa Lebens=Beschreibung
des Cardinals Polus, er
beweiset aber gar wahrscheinlich, daß dieses Buch
wohl nicht auf dem Erd=Boden anzutreffen sey,
und thut dar, daß der Herr Varillas abermahl ein
291:25 greuliches versehen, wenn er seine einfältige Gedancken
wegen des sonst bekannten Buchs des Petri
Martyris, welches den Titul Locorum
292 Communium führet, eröffnet. Die Hauptschnitzer
aber / die der Herr Varillas wider die
Englische Historie abermahls begangen, sind nicht
mehr als 77. wiewol deren etliche so beschaffen, daß
292:5 manchmahl in Erzehlung eines facti der Herr
Varillas sich wohl auff zehen biß zwölfferley Weise
geirret hat, endlich sind die Worte sehr nachdencklich,
womit der Herr Burnet dieses Werck
beschliest: Wer was ungemeines, spricht er,
292:10 und sonderliches sehen will, der soll nach
Pariß reisen um den Herrn Varillas zu
sehen, und seine Mine und Physiognomie
ein wenig betrachten, denn es sey in Wahrheit
ein Mensch von so einer sonderbahren
292:15 statur, daß er nicht glaube, daß man seines
gleichen in der gantzen Welt antreffen werde
oder jemahls angetroffen habe. Es kan
also nicht fehlen, der Herr Varillas muß ein
popantz seyn, damit man die Kinder zu fürchten
292:20 macht.