BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Jakob Brucker

1696 - 1770

 

Erste Anfangsgründe der

philosophischen Geschichte

 

Erster Periodus. Erster Theil.

Von der Barbarischen Philosophie.

Das andere Buch.

 

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Das erste Capitul.

Von der Philosophie der Hebräer nach der Sündfluth.

 

I.

Sind die Hebräer nach der Sündfluth Philosophi gewesen?

Eben so wenig, als vor der Sündfluth. Dann man muß sich diese alte Zeiten nicht nach der Mode unserer Zeit vorstellen, sondern sie aus der H. Schrifft beurtheilen. Deren Nachrichten zu folge, waren sie weise Männer, welche theils einen guten natürlichen Verstand, und ihrer vielen Lebensjahre wegen eine grosse Erfah[rung] in demjenigen Stande hatten, in welchen sie GOtt gesetzet hatte: theils durch das übernatürliche Licht der Offenbahrung eine weit grössere Einsicht bekamen. Daher sie zwar geschickte Regenten und Hausvätter, auch Propheten, aber keine Philosophi waren; ob sie gleich an Weißheit die übrigen Orientalischen Völcker weit übertraffen.

 

II.

Was vor weise Männer sind sonderlich unter den Hebräern zu mercken?

Ein Anfänger mercket nur

Noachum,

Abrahamum,

Josephum,

Mosen,

Salomonem,

Jobum.

 

III.

Wie kommt Noah unter die Weltweisen?

Weil er die Welt wiederum angebauet, so macht man ihn mit Gewalt zu einem Naturkundigen, gleichwie der Arche Bau einen Mathematicum beweisen, und die vorgeblichen Noachitischen sieben Gebote ein Grundriß eines Natur- und Völkerrechts seyn sollen. Allein die letztern sind von den Jüden erdichtet, und das erstere macht keinen Philosophum aus; sondern Noah war ein Prophet. Was man von seinen Söhnen Sem und Cham sagt, ist eben so ungegründet und ohne Beweiß, obgleich letzterer für den Erfinder der Schmeltzkunst gehalten wird.

 

IV.

Warum wird Abraham unter die Philosophos gezählt?

Man glaubt von ihm, er habe die alte und erste Philosophie, zumal die Sternwissenschafft, Sterndeuterey und Traumdeuterey verstanden, und auf seinen Reisen die alten Völcker, zumal die Aegypter gelehret, habe auch eine geheime Philosophie verstanden. Es ist aber ein ungegründetes Vorgeben der Jüden, welche gerne behaupten wollen, alle Weißheit der Heyden komme von ihnen her: dann die Weißheit, welche Abraham hatte, war prophetisch und aus der Offenbahrung.

 

V.

Warum wird Joseph unter die Philosophos gezählet?

Weil sowohl David Psal. CIV, 21.22. saget, er habe die Aegyptischen Fürsten Weißheit gelehret, als auch, weil man sich überredet, er seye der alten Aegypter Hermes oder Mercurius, von welchem sie alle Weißheit hergeleitet haben. Allein das letztere kan nicht erwiesen werden, und das erstere ist nur von der öconomischen Klugheit Josephs zu verstehen, dann er war ein kluger Staatsminister und ein grosser Oeconomus, ein göttlich-gelehrter Traumdeuter, aber kein Philosophus, und was er wußte, hat er vornemlich durch die Offenbahrung gelernet.

 

VI.

Aber Mosen wird man für einen Philosophum gelten lassen?

Die meisten halten es dafür, weil er in aller Weißheit der Aegypter unterrichtet gewesen, Act. VII. 22. die Mathematick und Music verstanden, mit dem Gold chymisch umgehen, und es zu Pulver auflösen können, auch den Jüden herrliche Gesetze gegeben, und die geheime Jüdische Philosophie angeordnet haben soll. Allein Weißheit Mosis muß nach den damaligen Zeiten verstanden, und nicht nach unserm Alter beurtheilet werden, dann sie begriff nur die im menschlichen Leben nöthigen mathematischen Anfangsgründe; die Goldmacherey Mosis ist gantz natürlich zugegangen, die Gesetze hatte Mosis aus Göttlicher Eingebung, und die geheime Philosophie ist ein Mährlein der Jüden. Kurtz Mosis war ein gelehrter Mann nach seiner Zeiten Begriff, ein fürtrefflicher Regent und ein gütlicher Prophet und Gesetzgeber, aber kein Philosophus.

 

VII.

Salomo ist aber doch ein Philosophus gewesen?

Es gibt freylich viel Leute, welche ihn für einen der grösten Philosophen ansehen, sie vermischen aber Salomonis Orientalische Gelehrsamkeit, welche in einer schönen sinn- und spruchreichen verblümten Redensart, in kurtzen Rätzeln, in einer vortrefflichen Verwaltung des Regiments, und in einer göttlichen aus der Offenbahrung herfliessenden Sittenlehre bestanden, mit der Philosophie; und einen Orientalischen Gelehrten, einen biblischen Sittenlehrer und einen Regenten, mit einem Philosopho. Wie dann auch seine Sprüche zu jenen zu zählen sind, aus welchen man siehet, daß Salomo nicht nach der Gestalt der Griechischen Weltweisen zu beurtheilen seye.

 

VIII.

Stehet Hiob auch unter der Reyhe der Weltweisen?

Viele thun es allerdings, und meynen einen Vernunft- Natur- und Stern kundigen-Lehrer an ihm gefunden zu haben. Allein ein und die andere Stelle seines Buchs, worinnen dergleichen Materien berühret werden, machen den Hiob so wenig zu einem Philosopho, als eine Postille, in welcher einige Historien angeführet werden, zu einer historischen Schrifft, und das gantze Buch Hiob ist aus der göttlichen Offenbahrung.