BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Samuel Gottlieb Bürde

1753 - 1831

 

Der Kynast

 

1789

 

Quelle:

Theodor Heinsius,

Der Bardenhain für Deutschlands

edle Söhne und Töchter.

Berlin/Leipzig 1809, S. 46

(Google-Book)

 

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Der Kynast, von Oberhernsdorf aus

(Johann Wilhelm Krause, 1819)

 

 

Der Kynast. 1)

 

Also Trümmer krönen deine Scheitel,

Berg der schönen Umsicht! rufst auch du:

Alles ist vergänglich, Alles eitel!

Mir im Rauschen deiner Tannen zu?

 

Ach! es sind die gleichen Todesloose,

Die das Schicksal allen Wesen zieht!

Früher nur entblättert sich die Rose,

Später nur verwittert der Granit 2).

 

Seys! Zerstörung brütet neues Leben;

Zeit ergänzt, was Zeit dahin gerafft.

Sieh! den Kranz, den immergrünen, weben

Epheuranken um den Säulen-Schaft;

 

Sammtnes Moos bedeckt, statt der Tapete,

Morsche Wände; Gras der Mauern Saum;

Statt der Kerzen Glanz, füllt Abendröthe

Herrlicher des Fensters leeren Raum.

 

Bienen summen, buhlerische Weste

Haschen sich mit Knaben-Uebermuth;

Tauben schnäbeln sich; vom Sumpf zum Neste

Fliegt der Storch mit Nahrung für die Brut! –

 

Ueberall, wohin auch den Verwegnen

Neugier lockt, – auf schwindelnd steiler Bahn,

Wo Bewundrung sich und Angst begegnen, –

Schleicht die Liebe still zu mir heran;

 

Dichterinn, – stellt sie in warmen Zügen,

Mir das Bild der wärmern Vorzeit dar.

Wo die Kunst zu lieben und zu kriegen.

Aller freien Künste freiste war.

 

Damals galten tapfrer Muth und Narben

Als Verdienst, selbst vor der Schönen Blick,

Und nur die im Kampfplatz Ruhm erwarben.

Machten auf der Bahn der Liebe Glück.

 

Tapfre Streiter waren tapfre Zecher,

Fürsten wußten häuslich froh zu seyn.

Und die Herzen waren, wie die Becher,

Weit und voll, und feurig wie der Wein.

 

Offen stand das Burgthor allen Gästen,

Brüderbande knüpfte jeder Schmaus,

Pyladesse zogen mit Oresten, 3)

Durch die Welt, auf Abentheuer aus.

 

Wort des Mannes stand wie eine Säule,

Und der Handschlag war ein stummer Eid;

Tief ins Herz schoß Amor seine Pfeile;

Wenn er kam, war Hymen 4) auch nicht weit.–

 

Bildung hat uns äußern Glanz gegeben;

Drang sie auch in unser Innres ein?

Führt sie uns auf sichrerm Pfad durchs Leben,

Lehrt sie weiser, glücklicher uns seyn?

 

Tausend zarte Freuden des Genusses

Hat die Kunst, geschmackvoll, aufgetischt;

Aber, ach, das Gift des Ueberdrusses

Zu der Lust erhöhtem Reiz gemischt!

 

Berge wählten unsre Väter, Flächen

Wählt sich unsre Weichlichkeit zum Sitz;

Ihnen galts zu thun, uns gilts zu sprechen;

Waffen schliffen sie, wir schleifen Witz 5).

 

Schwach und schlau, versteckt sie ihre Blöße

Unter Flittern, die verarmte Zeit,

Und vertauscht den Felsenthron der Größe,

Mit dem Polster der Bequemlichkeit.

 

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1) Eine der höchsten Bergspitzen in dem gebirgereichen Schlesien,

denn seine Höhe beträgt 1248 Pariser Fuß.  

2) Eine Steinart, welche, aus Quarz, Feldspath und Glimmer bestehend, die Urgebirge, und überhaupt die höchsten Gebirgsketten ausmacht. 

3) Beide Namen gelten im Alterthum für das höchste Bild zärtlicher Freundschaft. Als nämlich Orestes (Bruder der Iphigenia) der Diana geopfert werden sollte, gab sich Pylades für den Orestes aus, der aber, um seinen Freund nicht tödten zu lassen, sich als Orest zu erkennen gab. 

4) Der Gott ehelicher Verbindungen.  

5) Schöne Gegensätze, die durch lebendigen Ton der Stimme hervorgehoben werden müssen.