B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Johann Wolfgang Goethe
1749 - 1832
     
   


U r f a u s t

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S T R A S E .
Faust. Margarethe vorübergehend.

F a u s t.
Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen,
Mein Arm und Geleit ihr anzutragen?

M a r g a r e t h e.
Binn weder Fräulein weder schön,
Kann ohngeleit nach Hause gehn.
sie macht sich los und ab.

F a u s t.
Das ist ein herrlich schönes Kind!
Die hat was in mir angezündt.
Sie ist so sitt- und tugendreich
Und etwas schnippisch doch zugleich.
Der Lippen Roth, der Wange Licht,
Die Tage der Welt vergess ichs nicht!
Wie sie die Augen niederschlägt,
Hat tief sich in mein Herz geprägt,
Wie sie kurz angebunden war,
Das ist nun zum Entzücken gar.

Mephistopheles tritt auf.

F a u s t.
Hör, du must mir die Dirne schaffen!

M e p h i s t o p h e l e s.
Nun welche?

F a u s t.
                Sie ging iust vorbey.

M e p h i s t o p h e l e s.
Da die? Sie kam von ihren Pfaffen,
Der sprach sie aller Sünden frey.
Ich schlich mich hart am Stul herbey.
Es ist ein gar unschuldig Ding,
Das eben für nichts zur Beichte ging;
Ueber die hab ich keine Gewalt.

F a u s t.
Ist über vierzehn Jahr doch alt.

M e p h i s t o p h e l e s.
Sprichst, ey, wie der Hans Lüderlich,
Der begehrt iede liebe Blum für sich,
Und dünckelt ihm, es wär kein Ehr
Und Gunst, die nicht zu pflücken wär.
Geht aber doch nicht immer an.

F a u s t.
Mein Herr Magister Lobesan,
Lass er mich mit dem Gesez in Frieden!
Und das sag ich ihm kurz und gut:
Wenn nicht das süse iunge Blut
Heut Nacht in meinen Armen ruht,
So sind wir um Mitternacht geschieden.

M e p h i s t o p h e l e s.
Bedenckt, was gehn und stehen mag!
Gebt mir zum wenigst vierzehn Tag,
Nur die Gelegenheit zu spüren.

F a u s t.
Hätt ich nur sieben Tage Ruh,
Braucht keinen Teufel nicht dazu,
So ein Geschöpfgen zu verführen.

M e p h i s t o p h e l e s.
Ihr sprecht schon fast wie ein Franzos.
Drum bitt ich: lassts euch nicht verdriessen
Was hilft so grade zu geniessen?
Die Freud ist lange nicht so gros,
Als wenn ihr erst herauf herum
Durch allerley Brimborium
Das Püppgen geknät und zugericht,
Wies lehret manche welsch Geschicht.

F a u s t.
Hab Apetit auch ohne das.

M e p h i s t o p h e l e s.
Jezt ohne Schimpf und ohne Spas!
Ich sag euch: mit dem schönen Kind
Geht einvorallmal nicht geschwind.
Mit Sturm ist da nichts einzunehmen,
Wir müssen uns zur List bequeemen.

F a u s t.
Schaff mir etwas vom Engelsschaz,
Führ mich an ihren Ruheplatz,
Schaff mir ein Halstuch von ihrer Brust,
Ein Strumpfband meiner Liebes Lust!

M e p h i s t o p h e l e s.
Damit ihr seht dass ich eurer Pein
Will förderlich und dienstlich seyn,
Wollen wir keinen Augenblick verliehren,
Will euch noch heut in ihr Zimmer führen.

F a u s t.
Und soll sie sehn! Sie haben?

M e p h i s t o p h e l e s.
                Nein!
Sie wird bey einer Nachbrinn seyn.
Indessen könnt ihr ganz allein
An aller Hoffnung künftger Freuden
In ihren Dunstkreis satt euch weiden.

F a u s t.
Können wir hin.

M e p h i s t o p h e l e s.
Es ist noch zu früh.

F a u s t.
Sorg du mir für ein Geschenk für sie.
ab.

M e p h i s t o p h e l e s.
Er tuht, als wär er ein Fürsten Sohn.
Hätt Luzifer so ein Duzzend Prinzen,
Die sollten ihm schon was vermünzen;
Am Ende kriegt' er eine Comission.
ab.