<<<
>>>
 
     
 H a f i s    N a m e h.   

 B u c h    H a f i s.   
 

 
 
Sey das Wort die Braut genannt,
Bräutigam der Geist;
Diese Hochzeit hat gekannt
Wer Hafisen preist.
     

02,1
Beyname.
 
     
  B  e  y  n  a  m  e.   

 D i c h t e r.     
   Mohamed Schemseddin sage,
Warum hat dein Volk, das hehre,
Hafis dich genannt?
 
 H a f i s.     
                                  Ich ehre,
Ich erwiedre deine Frage.
 5Weil, in glücklichem Gedächtniß,
Des Corans geweiht Vermächtniß
Unverändert ich verwahre,
Und damit so fromm gebahre
Daß gemeinen Tages Schlechtniß
10Weder mich noch die berühret
Die Prophetenwort und Saamen
Schätzen wie es sich gebühret,
Darum gab man mir den Namen.
 
 D i c h t e r.     
   Hafis drum, so will mir scheinen,
15Möcht' ich dir nicht gerne weichen:
Denn wenn wir wie andre meynen,
Werden wir den andern gleichen.
Und so gleich ich dir vollkommen
Der ich unsrer heil'gen Bücher
20Herrlich Bild an mich genommen,
Wie auf jenes Tuch der Tücher
Sich des Herren Bildniß drückte,
Mich in stiller Brust erquickte,
Trotz Verneinung, Hindrung, Raubens,
25Mit dem heitren Bild des Glaubens.
 

     
02,1
Beyname.

02,2
Anklage.
 
     
  A  n  k  l  a  g  e.   

   Wißt ihr denn auf wen die Teufel lauern,
In der Wüste, zwischen Fels und Mauern?
Und, wie sie den Augenblick erpassen,
Nach der Hölle sie entführend fassen?
 5Lügner sind es und der Bösewicht.
 
   Der Poete warum scheut er nicht
Sich mit solchen Leuten einzulassen!
 
   Weiß denn der mit wem er geht und wandelt?
Er der immer nur im Wahnsinn handelt.
10Gränzenlos, von eigensinn'gem Lieben,
Wird er in die Oede fortgetrieben,
Seiner Klagen Reim, in Sand geschrieben,
Sind vom Winde gleich verjagt;
Er versteht nicht was er sagt,
15Was er sagt wird er nicht halten.
 
   Doch sein Lied man läßt es immer walten,
Da es doch dem Coran widerspricht.
Lehret nun, ihr des Gesetzes Kenner,
Weisheit-fromme, hochgelahrte Männer,
20Treuer Mosleminen feste Pflicht.
 
   Hafis, in's besondre, schaffet Aergernisse,
Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse,
Saget, was man thun und lassen müsse?
 

     
02,2
Anklage.

02,3
Fetwa.
 
     
  F  e  t  w  a.   

   Hafis Dichterzüge sie bezeichnen
Ausgemachte Wahrheit unauslöschlich;
Aber hie und da auch Kleinigkeiten
Außerhalb der Gränze des Gesetzes.
 5Willst du sicher gehn, so mußt du wissen
Schlangengift und Theriak zu sondern -
Doch der reinen Wollust edler Handlung
Sich mit frohem Muth zu überlassen,
Und vor solcher, der nur ew'ge Pein folgt,
10Mit besonnenem Sinn sich zu verwahren,
Ist gewiß das beste um nicht zu fehlen.
Dieses schrieb der arme Ebusund euch,
Gott verzeih ihm seine Sünden alle.
 

     
02,3
Fetwa.

02,4
Der Deutsche dankt.
 
     
 D e r    D e u t s c h e    d a n k t.   

   Heiliger Ebusund, du hast's getroffen!
Solche Heilige wünschet sich der Dichter:
Denn gerade jene Kleinigkeiten
Außerhalb der Gränze des Gesetzes,
 5Sind das Erbtheil wo er, übermüthig,
Selbst im Kummer lustig, sich beweget.
Schlangengift und Theriak muß
Ihm das eine wie das andere scheinen,
Tödten wird nicht jenes, dies nicht heilen:
10Denn das wahre Leben ist des Handelns
Ew'ge Unschuld, die sich so erweiset
Daß sie niemand schadet als sich selber.
Und so kann der alte Dichter hoffen
Daß die Houris ihn im Paradiese,
15Als verklärten Jüngling wohl empfangen.
Heiliger Ebusund, du hast's getroffen!
 

     
02,4
Der Deutsche dankt.

02,5
Fetwa.
 
     
  F  e  t  w  a.   

   Der Mufti las des Misri Gedichte,
Eins nach dem andern, alle zusammen,
Und wohlbedächtig warf sie in die Flammen,
Das schöngeschriebne Buch es ging zu nichte.
 
 5   Verbrannt sey jeder, sprach der hohe Richter,
Wer spricht und glaubt wie Misri - er allein
Sey ausgenommen von des Feuers Pein:
Denn Allah gab die Gabe jedem Dichter.
Misbraucht er sie im Wandel seiner Sünden,
10So seh' er zu mit Gott sich abzufinden.
 

     
02,5
Fetwa.

02,6
Unbegrenzt.
 
     
 U n b e g r e n z t.   

   Daß du nicht enden kannst das macht dich groß,
Und daß du nie beginnst das ist dein Loos.
Dein Lied ist drehend wie das Sterngewölbe,
Anfang und Ende immer fort dasselbe,
 5Und was die Mitte bringt ist offenbar,
Das was zu Ende bleibt und Anfangs war.
 
   Du bist der Freuden ächte Dichterquelle,
Und ungezählt entfließt dir Well' auf Welle.
Zum Küssen stets bereiter Mund,
10Ein Brustgesang der lieblich fließet,
Zum Trinken stets gereizter Schlund,
Ein gutes Herz das sich ergießet.
 
   Und mag die ganze Welt versinken,
Hafis mit dir, mit dir allein
15Will ich wetteifern! Lust und Pein
Sey uns den Zwillingen gemein!
Wie du zu lieben und zu trinken
Das soll mein Stolz, mein Leben seyn.
 
   Nun töne Lied mit eignem Feuer!
20Denn du bist älter, du bist neuer.
 

     
02,6
Unbegrenzt.

02,7
Nachbildung.
 
     
 N a c h b i l d u n g.   

   In deine Reimart hoff' ich mich zu finden,
Das Wiederholen soll mir auch gefallen,
Erst werd' ich Sinn, sodann auch Worte finden;
Zum zweytenmal soll mir kein Klang erschallen,
 5Er müßte denn besondern Sinn begründen,
Wie du's vermagst begünstigter vor allen.
 
   Denn wie ein Funke fähig zu entzünden
Die Kaiserstadt, wenn Flammen grimmig wallen,
Sich winderzeugend, glühn von eignen Winden,
10Er, schon erloschen, schwand zu Sternenhallen;
So schlangs von dir sich fort mit ew'gen Gluten
Ein deutsches Herz von frischem zu ermuthen.
 
   Zugemeßne Rhythmen reizen freylich,
Das Talent erfreut sich wohl darin;
15Doch wie schnelle widern sie abscheulich,
Hohle Masken ohne Blut und Sinn.
Selbst der Geist erscheint sich nicht erfreulich,
Wenn er nicht, auf neue Form bedacht,
Jener todten Form ein Ende macht.
 

     
02,7
Nachbildung.

02,8
Offenbar Geheimniß.
 
     
 O f f e n b a r    G e h e i m n i ß.   

   Sie haben dich heiliger Hafis
Die mystische Zunge genannt,
Und haben, die Wortgelehrten,
Den Werth des Worts nicht erkannt.
 
 5   Mystisch heißest du ihnen,
Weil sie närrisches bey dir denken,
Und ihren unlautern Wein
In deinen Namen verschenken.
 
   Du aber bist mystisch rein
10Weil sie dich nicht verstehn,
Der du, ohne fromm zu seyn, selig bist!
Das wollen sie dir nicht zugestehn.
 

     
02,8
Offenbar Geheimniß.

02,9
Wink.
 
     
  W  i  n  k.   

   Und doch haben sie Recht die ich schelte:
Denn daß ein Wort nicht einfach gelte
Das müßte sich wohl von selbst verstehn.
Das Wort ist ein Fächer! Zwischen den Stäben
 5Blicken ein Paar schöne Augen hervor.
Der Fächer ist nur ein lieblicher Flor,
Er verdeckt mir zwar das Gesicht;
Aber das Mädchen verbirgt er nicht,
Weil das schönste was sie besitzt
10Das Auge, mir in's Auge blitzt.
 

     
02,9
<<<
>>>