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 R e n d s c h    N a m e h.   

 B u c h    d e s    U n m u t h s.   
 

 
 
     

05,1
 
     
   

   ,,Wo hast du das genommen?
Wie konnt' es zu dir kommen?
Wie aus dem Lebensplunder
Erwarbst du diesen Zunder?
 5Der Funken letzte Gluthen
Von frischem zu ermuthen."
 
   Euch mög' es nicht bedünkeln
Es sey gemeines Fünkeln;
Auf ungemeßner Ferne,
10Im Ocean der Sterne,
Mich hatt' ich nicht verloren,
Ich war wie neu geboren.
 
   Von weißer Schaafe Wogen
Die Hügel überzogen,
15Umsorgt von ernsten Hirten,
Die gern und schmal bewirthen.
So ruhig, liebe Leute,
Daß jeder mich erfreute.
 
   In schauerlichen Nächten,
20Bedrohet von Gefechten,
Das Stöhnen der Cameele
Durchdrang das Ohr, die Seele,
Und derer die sie führen
Einbildung und Stolziren.
 
25   Und immer ging es weiter
Und immer ward es breiter
Und unser ganzes Ziehen
Es schien ein ewig Fliehen,
Blau, hinter Wüst' und Heere,
30Der Streif erlogner Meere.
 

     
05,1

05,2
 
     
   

   Keinen Reimer wird man finden
Der sich nicht den besten hielte,
Keinen Fiedler der nicht lieber
Eigne Melodieen spielte.
 
 5   Und ich konnte sie nicht tadeln;
Wenn wir andern Ehre geben
Müssen wir uns selbst entadeln.
Lebt man denn wenn andre leben?
 
   Und so fand ich's denn auch juste
10In gewissen Antichambern,
Wo man nicht zu sondern wußte
Mäusedreck von Koriandern.
 
   Das Gewesne wollte hassen
Solche rüstige neue Besen,
15Diese dann nicht gelten lassen
Was sonst Besen war gewesen.
 
   Und wo sich die Völker trennen,
Gegenseitig im Verachten,
Keins von beyden wird bekennen
20Daß sie nach demselben trachten.
 
   Und das grobe Selbstempfinden
Haben Leute hart gescholten,
Die am wenigsten verwinden,
Wenn die andern was gegolten.
 

     
05,2

05,3
 
     
   

   Befindet sich einer heiter und gut,
Gleich will ihn der Nachbar peinigen;
So lang der Tüchtige lebt und thut,
Möchten sie ihn gerne steinigen.
 5Ist er hinterher aber todt,
Gleich sammeln sie große Spenden
Zu Ehren seiner Lebensnoth
Ein Denkmal zu vollenden,
Doch ihren Vortheil sollte dann
10Die Menge wohl ermessen,
Gescheiter wär's den guten Mann
Auf immerdar vergessen.
 

     
05,3

05,4
 
     
   

   Uebermacht, Ihr könnt es spüren,
Ist nicht aus der Welt zu bannen;
Mir gefällt zu conversiren
Mit Gescheiten, mit Tyrannen.
 
 5   Da die dummen Eingeengten
Immerfort am stärksten pochten,
Und die Halben, die Beschränkten
Gar zu gern uns unterjochten;
 
   Hab' ich mich für frey erkläret,
10Von den Narren, von den Weisen,
Diese bleiben ungestöret,
Jene möchten sich zerreißen.
 
   Denken in Gewalt und Liebe
Müßten wir zuletzt uns gatten,
15Machen mir die Sonne trübe
Und erhitzen mir den Schatten.
 
   Hafis auch und Ulrich Hutten
Mußten ganz bestimmt sich rüsten
Gegen braun' und blaue Kutten;
20Meine gehn wie andre Christen.
 
   ,,Aber nenn' uns doch die Feinde!"
Niemand soll sie unterscheiden:
Denn ich hab' in der Gemeinde
Schon genug daran zu leiden.
 

     
05,4

05,5
 
     
   

   Wenn du auf dem Guten ruhst,
Nimmer werd' ich's tadeln,
Wenn du gar das Gute thust,
Sieh das soll dich adeln;
 5Hast du aber deinen Zaun
Um dein Gut gezogen,
Leb ich frey und lebe traun
Keineswegs betrogen.
 
   Denn die Menschen sie sind gut,
10Würden besser bleiben,
Sollte nicht wie's einer thut
Auch der Andre treiben.
Auf dem Weg da ists ein Wort,
Niemand wird's verdammen:
15Wollen wir an Einen Ort,
Nun! wir gehn zusammen.
 
   Vieles wird sich da und hie
Uns entgegen stellen.
In der Liebe mag man nie
20Helfer und Gesellen,
Geld und Ehre hätte man
Gern allein zur Spende
Und der Wein, der treue Mann,
Der entzweyt am Ende.
 
25   Hat doch über solches Zeug
Hafis auch gesprochen,
Ueber manchen dummen Streich
Sich den Kopf zerbrochen,
Und ich seh nicht was es frommt
30Aus der Welt zu laufen,
Magst du, wenn das Schlimmste kommt,
Aus einmal dich raufen.
 

     
05,5

05,6
 
     
   

   Als wenn das auf Namen ruhte!
Was sich schweigend nur entfaltet.
Lieb' ich doch das schöne Gute
Wie es sich aus Gott gestaltet.
 
 5   Jemand lieb' ich, das ist nöthig,
Niemand haß' ich; soll ich hassen;
Auch dazu bin ich erbötig,
Hasse gleich in ganzen Massen.
 
   Willst sie aber näher kennen,
10Sieh auf's Rechte, sieh auf's Schlechte,
Was sie ganz fürtrefflich nennen
Ist wahrscheinlich nicht das Rechte.
 
   Denn das Rechte zu ergreifen
Muß man aus dem Grunde leben,
15Und saalbadrisch auszuschweifen
Dünket mich ein seicht Bestreben.
 
   Wohl! Herr Knitterer er kann sich
Mit Zersplitterer vereinen,
Und Verwitterer alsdann sich
20Allenfalls der beste scheinen.
 
   Daß nur immer in Erneuung
Jeder täglich neues höre,
Und zugleich auch die Zerstreuung
Jeden in sich selbst zerstöre.
 
25   Dies der Landsmann wünscht und liebet,
Mag er Deutsch mag Teutsch sich schreiben,
Und das Lied nur heimlich piepet:
Also war es und wird bleiben.
 

     
05,6

05,7
 
     
   

   Medschnun heißt - ich will nicht sagen
Daß es grad' ein Toller heiße;
Doch ihr müßt mich nicht verklagen
Daß ich mich als Medschnun preise.
 
 5   Wenn die Brust, die redlich volle,
Sich entladet euch zu retten,
Ruft ihr nicht: das ist der Tolle!
Holet Stricke, schaffet Ketten!
 
   Und wenn ihr zuletzt in Fesseln
10Seht die Klügeren verschmachten,
Sengt es euch wie Feuernesseln
Das vergebens zu betrachten.
 

     
05,7

05,8
 
     
   

   Hab' ich euch denn je gerathen
Wie ihr Kriege führen solltet?
Schalt ich euch nach euren Thaten
Wenn ihr Friede schließen wolltet?
 
 5   Und so hab' ich auch den Fischer
Ruhig sehen Netze werfen,
Brauchte dem gewandten Tischer
Winkelmaas nicht einzuschärfen.
 
   Aber ihr wollt' besser wissen
10Was ich weiß, der ich bedachte
Was Natur, für mich beflissen,
Schon zu meinem Eigen machte.
 
   Fühlt ihr euch dergleichen Stärke,
Nun, so fördert eure Sachen;
15Seht ihr aber meine Werke,
Lernet erst: so wollt' er's machen.
 

     
05,8

05,9
Wanderers Gemüthsruhe.
 
     
 W a n d e r e r s    G e m ü t h s r u h e.   

   Ueber's Niederträchtige
Niemand sich beklage;
Denn es ist das Mächtige,
Was man dir auch sage.
 
 5   In dem Schlechten waltet es
Sich zu Hochgewinne,
Und mit Rechtem schaltet es
Ganz nach seinem Sinne.
 
   Wandrer! - Gegen solche Noth
10Wolltest du dich sträuben?
Wirbelwind und trocknen Koth
Laß sie drehn und stäuben.
 

     
05,9
Wanderers Gemüthsruhe.

05,10
 
     
   

   Wer wird von der Welt verlangen?
Was sie selbst vermißt und träumet,
Rückwärts oder seitwärts blickend
Stets den Tag des Tags versäumet.
 5Ihr Bemühn ist guter Wille,
Hinkt nur nach dem raschen Leben
Und was du vor Jahren brauchtest,
Möchte sie dir heute geben.
 

     
05,10

05,12
 
     
   

   Glaubst du denn von Mund zu Ohr
Sey ein redlicher Gewinnst?
Ueberliefrung, o! du Thor!
Ist auch wohl ein Hirngespinnst.
 5Nun geht erst das Urtheil an.
Dich vermag aus Glaubensketten
Der Verstand allein zu retten,
Dem du schon Verzicht gethan.
 

     
05,12

05,13
 
     
   

   Und wer franzet oder brittet,
Italiänert oder teutschet,
Einer will nur wie der andre
Was die Eigenliebe heischet.
 
 5   Denn es ist kein Anerkennen,
Weder vieler, noch des einen,
Wenn es nicht am Tage fördert
Wo man selbst was möchte scheinen.
 
   Morgen habe denn das Rechte
10Seine Freunde wohlgesinnet,
Wenn nur heute noch das Schlechte
Vollen Platz und Gunst gewinnet.
 
   Wer nicht von dreytausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
15Bleib im Dunkeln unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.
 

     
05,13

05,15
 
     
   

   Aergert's jemand daß es Gott gefallen
Mahomed zu gönnen Schutz und Glück,
Um den stärksten Balken seiner Hallen
Da befestig' er den derben Strick,
 5Knüpfe sich daran! das hält und trägt,
Er wird fühlen daß sein Zorn sich legt.
 

     
05,15
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