B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Ludwig Christoph Heinrich Hölty
1748 - 1776
     
   


G e d i c h t e   d e s   J a h r e s   1 7 7 6

Textgrundlage:
Ludwig Christoph Heinrich Hölty
Sämtliche Werke.
Herausgegeben von Wilhelm Michel
Weimar 1914


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Der alte Landmann an seinen Sohn (1776)
Lebenspflichten (1776)
Trinklied im Winter (1776)
An die Phantasie (1776)
Die Schale der Vergeßenheit (1776)
An Daphne (1776)
Hexenlied (1776)
Aufmunterung zur Freude (1776)
Die Seligkeit der Liebenden (1776)
Maylied (1776)
Maygesang (1776)
Lied eines Liebenden (1776)
Der Kuß (1776)
Auf Henriettens Geburtstag (1776)
Auf ihre Stirn und kleine Wangen gießen (1776)
An Braga (1776)
Triumphlied der Teutschen... (1776, nach W. Hettches Ausgabe, Göttingen 1998)
Einsam umflattert die Meise... (1776, nach W. Hettches Ausgabe, Göttingen 1998)
Welch ein schleichender Kummer... (1776, nach W. Hettches Ausgabe, Göttingen 1998)


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        Der alte Landmann an seinen Sohn.

Ueb' immer Treu und Redlichkeit,
      Bis an dein kühles Grab;
Und weiche keinen Fingerbreit
      Von Gottes Wegen ab.
5 Dann wirst du, wie auf grünen Aun,
      Durchs Pilgerleben gehn;
Dann kannst du, sonder Furcht und Graun,
      Dem Tod' ins Auge sehn.

Dann wird die Sichel und der Pflug
10       In deiner Hand so leicht;
Dann singest du, beym Waßerkrug,
      Als wär dir Wein gereicht.
Dem Bösewicht wird alles schwer,
      Er thue was er thu!
15 Der Teufel treibt ihn hin und her,
      Und läßt ihm keine Ruh!

Der schöne Frühling lacht ihm nicht,
      Ihm lacht kein Aehrenfeld;
Er ist auf Lug und Trug erpicht,
20       Und wünscht sich nichts als Geld.
Der Wind im Hayn, das Laub am Baum,
      Saust ihm Entsezen zu;
Er findet, nach des Lebens Traum,
      Im Grabe keine Ruh.

25 Dann muß er, in der Geisterstund',
      Aus seinem Grabe gehn;
Und oft, als schwarzer Kettenhund,
      Vor seiner Hausthür stehn.
Die Spinnerinnen, die das Rad
30       Im Arm, nach Hause gehn,
Erzittern wie ein Espenblatt,
      Wenn sie ihn liegen sehn.

Und jede Spinnestube spricht
      Von diesem Abentheur,
35 Und wünscht den todten Bösewicht
      Ins tiefste Höllenfeur.
Der alte Kunz war, bis ans Grab,
      Ein rechter Höllenbrand;
Er pflügte seinem Nachbar ab,
40       Und stahl ihm vieles Land.

Nun pflügt er, als ein Feuermann,
      Auf seines Nachbars Flur;
Und mißt das Feld, hinab hinan,
      Mit einer glühnden Schnur.
45 Er brennet, wie ein Schober Stroh,
      Dem glühnden Pfluge nach;
Und pflügt, und brennet lichterloh,
      Bis an den hellen Tag.

Der Amtmann, der im Weine floß,
50       Die Bauren schlug halbkrum,
Trabt nun, auf einem glühnden Roß,
      In jenem Wald herum.
Der Pfarrer, der aufs Tanzen schalt,
      Und Filz und Wuchrer war,
55 Steht nun, als schwarze Spukgestalt,
      Am nächtlichen Altar.

Ueb' immer Treu und Redlichkeit,
      Bis an dein kühles Grab,
Und weiche keinen Fingerbreit
60       Von Gottes Wegen ab.
Dann suchen Enkel deine Gruft,
      Und weinen Thränen drauf,
Und Sommerblumen, voll von Duft,
      Blühn aus den Thränen auf.

 
      Lebenspflichten.

Rosen auf den Weg gestreut,
      Und des Harms vergeßen!
Eine kleine Spanne Zeit
      Ward uns zugemeßen.

5 Heute hüpft, im Frühlingstanz,
      Noch der frohe Knabe;
Morgen weht der Todtenkranz
      Schon auf seinem Grabe.

Wonne führt die junge Braut
10       Heute zum Altare;
Eh die Abendwolke thaut,
      Ruht sie auf der Bahre.

Ungewißer, kurzer Daur
      Ist dieß Erdeleben;
15 Und zur Freude, nicht zur Traur,
      Uns von Gott gegeben.

Gebet Harm und Grillenfang,
      Gebet ihn den Winden;
Ruht, bey frohem Becherklang,
20       Unter grünen Linden.

Laßet keine Nachtigall
      Unbehorcht verstummen;
Keine Bien', im Frühlingsthal,
      Unbelauschet summen.

25 Fühlt, so lang es Gott erlaubt,
      Kuß und süße Trauben,
Bis der Tod, der alles raubt,
      Kommt, sie auch zu rauben.

Unser schlummerndes Gebein,
30       In die Gruft gesäet,
Fühlet nicht den Rosenhayn,
      Der das Grab umwehet.

Fühlet nicht den Wonneklang
      Angestoßner Becher;
35 Nicht den frohen Rundgesang
      Weingelehrter Zecher.

 
      Trinklied im Winter.

Das Glas gefüllt!
Der Nordwind brüllt,
Die Sonn' ist niedergesunken!
Der kalte Bär
5 Blinkt Frost daher,
Getrunken, Brüder, getrunken!

Die Tannen glühn
Hell im Kamin,
Verstreuen knatternd die Funken!
10 Der edle Rhein
Gab uns den Wein,
Getrunken, Brüder, getrunken!

Der edle Most
Verscheucht den Frost,
15 Und zaubert Frühling hernieder;
Der Trinker sieht
Den Hain entblüht
Und Büsche wirbeln ihm Lieder!

Er hört Gesang,
20 Und Harfenklang,
Und schwankt durch blühende Lauben;
Ein Mädchenchor
Rauscht schnell hervor,
Und bringt ihm goldene Trauben!

25 Sauf' immerfort,
O Winternord,
Im schneebelasteten Haine;
Nur streu dein Eis,
O lieber Greis,
30 In keine Flaschen mit Weine!

Die stolze Frau
Färb braun und blau,
Die Ahnenschwindel erfüllet;
Nur mußt du fliehn
35 Den Hermelin,
Der junge Busen verhüllet!

 
      An die Phantasie.

Ewig träufle dein Kelch, Zauberin Phantasie.
      Seinen Himmel auf mich herab;
Ewig lächle dein Blick deinem Geweyheten,
      Der an deinem Altare kniet!
5 Dein unsterblicher Fuß weilet, o Königin,
      An den Quellen des Morgenroths;
Du entschöpfest dem Quell liebliches Rosenlicht,
      Und bestrahlest die Erdenwelt.
Dein allmächtiger Wink winket den Himmel schnell
10       Auf die trauernde Erd herab;
Streut ein Tempe mir hin, bauet mir Lauben auf,
      Bettet Betten von Rosen mir.
Du entpflückest dem Thal Edens, o Königin,
      Aetherblumen zum Kranze dir;
15 Und umsäuselst die Stirn deiner Erkohrenen
      Mit dem träufelnden Strahlenkranz.
Eine Grazie hüpft, leicht wie ein Rosenblatt,
      Liebelächelnd mir auf den Schooß;
Und ich senke mein Haupt an die geliebte Brust,
20       Schweb in Träumen Elysiums.
Trunken wandl' ich mit ihr, strömet das Abendroth,
      Durch die schlummernden Blumen hin;
Durch den purpurnen Hain, durch das Gebüsch von Gold,
      Durch das schlummernde Mondenlicht;
25 Und aus Rosengewölk lächelt der Abendstern
      Meiner Wallerin ins Gesicht.
Ewig träufle dein Kelch, Zauberin Phantasie,
      Seinen Himmel herab auf mich!

 
      Die Schale der Vergeßenheit.

Eine Schale des Stroms, welcher Vergeßenheit
      Durch Elysiums Blumen rollt,
Eine Schale des Stroms spende mir, Genius!
      Dort wo Phaons die Sängerin,
5 Dort wo Orpheus vergaß seiner Eurydice,
      Schöpf die goldene Urne voll!
Dann versenk ich dein Bild, spröde Gebieterin,
      In den silbernen Schlummerquell!
Den allsiegenden Blick, der mir im Marke zuckt,
10       Und das Beben der weißen Brust,
Und die süße Musik, welche der Lipp' entfloß,
      Tauch ich tief in den Schlummerquell!

 
      An Daphne.

Birg die schmachtenden Augen,
      Wo die Götter der Liebe
Ihre Pfeile vergolden,
      Birg die schmachtenden Augen mir!

5 Birg den bebenden Busen,
      Wo die Götter der Liebe
Auf den Hügeln sich betten,
      Birg den bebenden Busen mir!

Birg die purpurne Wange!
10       Sonst ersink ich dem Taumel,
Und zerküße den Busen,
      Und die purpurne Wange dir!

 
      Hexenlied.

Die Schwalbe fliegt,
Der Frühling siegt,
Und spendet uns Blumen zum Kranze!
Bald huschen wir
5 Leis' aus der Thür,
Und fliegen zum prächtigen Tanze!

Ein schwarzer Bock,
Ein Besenstock,
Die Ofengabel, der Wocken,
10 Reißt uns geschwind,
Wie Bliz und Wind,
Durch sausende Lüfte zum Brocken!

Um Belzebub
Tanzt unser Trupp,
15 Und küßt ihm die dampfenden Hände;
Ein Geisterschwarm
Faßt uns beym Arm,
Und schwinget im Tanzen die Brände!

Und Belzebub
20 Verheißt dem Trupp
Der Tanzenden Gaben auf Gaben;
Sie sollen schön
In Seide gehn,
Und Töpfe voll Goldes sich graben.

25 Die Schwalbe fliegt,
Der Frühling siegt,
Und Blumen entblühn um die Wette!
Bald huschen wir
Leis' aus der Thür,
30 Und laßen die Männer im Bette!

 
      Aufmunterung zur Freude.

Wer wollte sich mit Grillen plagen,
      So lang uns Lenz und Jugend blühn;
Wer wollt', in seinen Blüthentagen,
      An finstrer Schwermuth Altar knien!

5 Die Freude winkt auf allen Wegen,
      Die durch dieß Pilgerleben gehn;
Sie bringt uns selbst den Kranz entgegen,
      Wenn wir am Scheidewege stehn.

Noch rinnt und rauscht die Wiesenquelle,
10       Noch ist die Laube kühl und grün;
Noch scheint der liebe Mond so helle,
      Wie er durch Adams Bäume schien.

Noch macht der Saft der Purpurtraube
      Des Menschen krankes Herz gesund;
15 Noch schmecket, in der Abendlaube,
      Der Kuß auf einen rothen Mund.

Noch tönt der Busch voll Nachtigallen
      Dem Jüngling süße Fühlung zu;
Noch strömt, wenn ihre Lieder schallen,
20       Selbst in zerrißne Seelen Ruh.

O wunderschön ist Gottes Erde,
      Und werth darauf vergnügt zu seyn;
Drum will ich, bis ich Asche werde,
      Mich dieser schönen Erde freun!

 
      Die Seligkeit der Liebenden.

Beglückt, beglückt, wer die Geliebte findet,
      Die seinen Jugendtraum begrüßt;
Wenn Arm um Arm, und Geist um Geist sich windet,
      Und Seel' in Seele sich ergießt!

5 Die Liebe macht zum Goldpalast die Hütte,
      Streut auf die Wildniß Tanz und Spiel;
Enthüllet uns der Gottheit leise Tritte,
      Giebt uns des Himmels Vorgefühl!

Sie macht das Herz der Schwermuth frühlingsheiter;
10       Sie bettet uns auf Rosenaun,
Und hebet uns auf eine Himmelsleiter,
      Wo wir den Glanz der Gottheit schaun!

Die Liebenden sind schon zu beßern Zonen
      Auf Flügeln ihrer Lieb' erhöht;
15 Empfahen schon des Himmels goldne Kronen,
      Eh ihr Gewand von Staub verweht.

Sie kümmern sich um keine Erdengüter,
      Sind sich die ganze weite Welt,
Und spotten dein, du stolzer Weltgebieter,
20       Vor dem der Erdkreis niederfällt!

Sanfthingeschmiegt auf seidne Frühlingsrasen,
      Auf Blumen eines Quellenrands,
Verlachen sie die bunten Seifenblasen
      Des lieben leeren Erdentands.

25 Ein Druck der Hand, der durch das Leben schüttert,
      Und eines Blickes Trunkenheit,
Ein Feuerkuß, der von der Lippe zittert,
      Giebt ihnen Engelseligkeit.

Ein Blick der Lieb', aus dem die Seele blicket,
30       In dem ein Engel sich verklärt,
Ein süßer Wink, den die Geliebte nicket,
      Ist tausend dieser Erden werth.

Ein Herzenskuß, den selber Engel neiden,
      Küßt ihren Morgenschlummer wach;
35 Ein Reihentanz von ewigjungen Freuden
      Umschlingt den lieben langen Tag!

Ein süßer Schlaf sinkt auf ihr keusches Bette,
      Wie auf die Lauben Edens sank!
Kein Endlicher mißt ihrer Freuden Kette,
40       Wer nicht den Kelch der Liebe trank!

 
      Maylied.

Die Schwalbe fliegt, der Kuckuck ruft
In warmer, blauer Mayenluft;
Die gelb und weißen Blumen wehn,
Wie Gold und Silber, auf den Höhn;
5 Es schwimmet Thal, und Busch, und Hain
Im Meer von goldnem Sonnenschein.

 
      Maygesang.

Röther färbt sich der Himmel!
Eine goldene Wolke
Thaut den May und die Liebe
      Auf die wartende Flur herab!

5 Sein allmächtiges Lächeln
Giebt dem Strauche die Blätter,
Giebt dem Baume die Knospen,
      Und dem Haine den Lenzgesang.

Seinen Tritten entwimmeln,
10 Grüne, lachende Kräuter,
Tausendfarbige Blumen,
      Purpur, Silber und lichtes Gold.

Seine Tochter, die Liebe,
Baut dem Vogel die Nester,
15 Paaret Blumen und Blüthen,
      Führt die Männin dem Manne zu.

Liebe rauschen die Blätter,
Liebe duften die Blüthen,
Liebe rieselt die Quelle,
20       Liebe flötet die Nachtigall.

Nachtigallen die wirbeln
Auf das Lager des Jünglings
Goldne Träume der Liebe,
      Goldne Träume von Kuß und Spiel.

25 Und er spielet im Traume
Mit dem bebenden Busen
Seiner schönen Geliebten,
      Küßt den rosigen lieben Mund.

Lauben klingen von Gläsern,
30 Lauben rauschen von Küßen,
Und von frohen Gesprächen,
      Und vom Lächeln der Liebenden.

Ringsum grünen die Hecken,
Ringsum blühen die Bäume,
35 Ringsum zwitschern die Vögel,
      Ringsum summet das Bienenvolk.

Roth und grün ist die Wiese,
Blau und golden der Aether,
Hell und silbern das Bächlein,
40       Kühl und schattig der Buchenwald.

Das Geklingel der Heerden
Tönt vom Thale herüber,
Und die Flöte des Hirten
      Weckt den schlummernden Abendhayn.

 
      Lied eines Liebenden.

Beglückt, beglückt,
Wer dich erblickt,
Und deinen Himmel trinket;
Wem dein Gesicht,
5 Voll Engellicht,
Den Gruß des Friedens winket.

Ein süßer Blick,
Ein Wink, ein Nick,
Reißt mich zur Himmelssphäre;
10 Den ganzen Tag
Sinn ich ihm nach,
Und baue dir Altäre.

Dein liebes Bild,
So sanft, so mild,
15 Führt mich an goldner Kette;
Erwachet warm
In meinem Arm,
Und geht mit mir zu Bette.

Beglückt, beglückt,
20 Wer dich erblickt,
Und sich in dir berauschet;
Blick gegen Blick,
Nick gegen Nick,
Kuß gegen Kuß vertauschet.

 
      Der Kuß.

Ward Unsterblichkeit mir? Stieg ein Olympier
Mit der Schale herab? Bebte sein goldner Kelch,
      Voll der Trauben des Himmels,
            Um die Lippe des Taumelnden?

5 Wehe Kühlung mir zu, wann du mir wiederum
Reichst den glühenden Kelch, daß mir die Seele nicht
      Ganz im Feuer zerfließe;
            Wehe, wehe mir Kühlung zu!

Unter Blüthen des Mays spielt' ich mit ihrer Hand;
10 Kos'te liebelnd mit ihr, schaute mein schwebendes
      Bild im Auge des Mädchens;
            Raubt' ihr bebend den ersten Kuß!

Ewig strahlt die Gestalt mir in der Seel' herauf;
Ewig flieget der Kuß, wie ein versengend Feur,
15       Mir durch Mark und Gebeine;
            Ewig zittert mein Herz nach ihr!

 
      Auf Henriettens Geburtstag.

Rosen und Nelkenblumen glänzet lichter,
Wann das beste der Mädchen euch besuchet,
Dank gen Himmel lächelt, und Wonnethränen
      Auf euch herabweint.

5 Thränen des Danks, daß ihre Jugendtage
Gleich dem Säuseln des Mayn vorüberflohen,
Und den frohen Reigen ein neues ihrer
      Jahre begonnen.

Schönstes der Mädchen! Spiel auf Veilchenauen,
10 Tanz im Nachtigallwäldchen sey dein Leben,
Gleich dem Lorbeer blühend, der deine finstre
      Locke beschattet.

Rosen und Nelkenblumen glänzet lichter,
Gleicht Elysiums Blumen, wann sie meiner
15 Denkt, dann komm' ein Lüftchen, und flüstr' ihr tausend
      Seufzer entgegen.

 
      [Fragment]

Auf ihre Stirn und kleine Wangen gießen,
      Ihr engelreines Herz,
Dem Flittergold der großen Welt verschließen,
      Und dem Romanenscherz.

5 Durchwandle Hand in Hand mit ihr im Mayen
      Die Scenen der Natur,
Und mische sich mit ihr oft in die Reihen
      Der Schäfer auf der Flur.

Geuß in ihr Herz die zärtlichsten Gefühle,
10       O Unschuld, spiel mit ihr,
Bis ihre Pracht sich wölbet, Schäferspiele,
      Vor ihrer Hirten Thür.

 

      An Braga.

Komm', du Geber des Sangs, Apollens Besieger o Braga,
Bey mir warten dein Braten und Fisch,
Komm', sonst hohl' dich der Teufel, Papa der Barden und Aga,
Komm' an meinen beschüßelten Tisch!

5 Dein Anteceßor, Apoll, sang von Cyther' und Adonis,
Man hört's, und mußte sich brechen und speyn,
Sein Gebrülle war voll von signis exclamationis,
Ein Gewebe von Küßen und Freyn.

Setz' dem tollen Patron auf beyde Augen die Daumen,
10 Sporn der Barden! Er singe den Spies,
Tief getauchet in Blut, nicht weichliche Betten von Pflaumen,
Haße Seide und liebe den Fries.

Verwunde die Fürsten mit der satyrischen Hobel,
Die sich in der Wollust Gestank
15 Wälzen, und im Kleide von Hermelinen und Zobel
Liegen auf der Bärnhäuterbank.

Laß', o Braga, den Schwärm derTändler pfeifen und summen,
Ihre Ewigkeit ist nur kurz,
Die Vergeßenheit stürzt, sie mögen schmollen und brummen,
20 Diese Herren mit raschen Sturz.

 

      Triumphlied der Teutschen
      nach Ueberwindung des Varus
      [Fragment]

Ah welch ein loorbeerreicher Sieg
      Umflattert unser Heer.
Kein stolzer Feind, kein wilder Krieg
      Droht unsern Hütten mehr.

5 Der Feinde Legionen sind
      In gelben Sand gestreckt.
Die blutbeströmten Fluren sind
      Mit Leichen überdeckt.

Die Erde trinkt das Römerblut
10       Mit durstgen Schlund hinein.
Des Baches rothgefärbte Flut
      Rauscht traurig durch den Hayn.

 

      [Fragment]

Einsam umflattert die Meise die stille Wohnung des Landmanns,
Schwirret am niedrigen Fenster, und regt die goldenen Flügel.
Aber schon lauren im Hofe auf sie verräthrische Netze,
Und im Wipfel des Baums winkt ein betrügrischer Keficht.
5 Möchte o Bürger der Zweige kein täuschender Fallstrick euch feßeln,
Möchte kein tödtendes Bley euch euren Wipfeln entstürzen!
Einsam will ich die weißen Bezirke des Haynes durchirren,
Wo die Schwermuth itzt wohnet. Rings um mich trauern die Bäume
Und die nackten Gesträuche mit silbernen Hüllen umkleidet.
10 Langsam rollet der Bach mit einem leisen Geplätscher
Durch den umschleyerten Hayn. Die ehmals blühenden Ufer,
Wo ich mit Silvien oft der Nachtigall Lieder belauschet,
Und auf duftenden Blumen an ihrem Busen geschlummert,
Starren von Flocken und Eiß. Die Flußgöttinnen verschloßen
15 Ihre rinnende Urnen. Die aufgeschürzten Najaden
Baden am Abend nicht mehr den Reiz ihrer Lilienglieder.
Traurig blicket der Mond auf diese Scenen hernieder,
Traurig funkeln die Sterne am düstern Gewölbe des Himmels.
Welche traurige Scene! Die nackten Wipfel der Bäume
20 Trauern im Flockgewande, die gelben Haare der Eichen
Sind mit Silber bestreuet!
Welch labyrinthische Gänge von Bäumen und weißen Gebüschen
Öfnen sich mir! Ein blendendes Weiß umkleidet die Stämme,
Und die zackigten Aeste. 


      [Fragment]

Welch ein schleichender Kummer wird sie verzehren und foltern!
Die Fluth legte sich endlich. Die aufgeschwollenen Flüße
Kehrten in ihre Ufer zurück, und Wiesen und Thäler,
Wurden mit Muscheln und Sand und haarichten Binsen bestreuet.
5 Tod bedeckte das Feld. Die wilden Söhne des Aeol
Rißen aus ihrer Höle sich loß, sie schüttelten Stürme
Von verbreiteten Flügeln herab, daß Wälder und Felsen
Seufzten, und ein dumpfes Geheul den Luftkreiß erfüllte.
Frost und Kälte sank itz[t] aus schlummernden Lüften hernieder,
10 Reif umhüllte die Flur. Das Eingeweide der Erde
Ward versteinert und starrte. Von den erstorbenen Hügeln
Flohen die Nymphen und Amor, und tanzende Waldgöttinnen.
Cypris entwich von Chören der Liebesgötter umflattert
In vergoldete Zimmer, in welchen Stutzer und Mädchen
15 Tändeln, Küße verschwenden, und mit Romanenwitz schimmern.
Keine Verliebte besuchen den Hayn, kein leises Geflüster
Ihrer Küße durchrauschet ihn mehr. Sie sehen den Abend
Ruhig im Canapee mit eilenden Schritten dahinfliehn.
Freude bewohnet ihr Herz, und unschuldsvolle Gespräche
20 Strömen von ihren Lippen herab. Kein finsterer Kummer
Schleichet in ihre Brust. Ein jeder erwachender Morgen,
Der mit Rosen umkränzet am östlichen Himmel hervortritt,
Gießet Entzückungen über sie aus, und Meere von Wollust.
Wäre auch mir es erlaubt am vollen Busen Dorinden[s]
25 Ruhe zu athmen, so würd ich verächtlich auf Fürsten her[ab]seh[n.]

Dunst und Nebel erfüllen die Lüfte. Kein blendendes Azur
Kleidet mit Golde umbrämt die Gewölbe des Himmels. Die Wolken
Senken sich tiefer herab, und schwimmen in nächtlichen Dünsten.
Silberne Flockenheere durchirren den düsteren Luftkreiß,
30 Schmiegen sich an die Aeste der Bäume, umschleyern die Dächer,
Decken die Stirnen der Berge, und kleiden die starrende Erde
In ein Silbergewand. Die traurigen Schaaren der Vögel
Irren mit starrenden Flügeln umher und blicken nach Nahrung.
Traurig ertönet der hungrigen Raben wildes Geächze
35 Von den Spitzen der Thürme herab. Sie drehen begierig
Spähende Augen umher, um süße Speise zu finden.