B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Anna Louisa Karschin
1722 -1791
     
   



A u s e r l e s e n e   G e d i c h t e

O d e n

Erstes Buch
Zweytes Buch
Drittes Buch
Viertes Buch

__________________________________________

 
E r s t e s   B u c h

 
An Gott
als sie bey hellem Mondschein erwachte

Wenn ich erwache, denk ich dein!
Du Gott! der Tag und Nacht entscheidet,
Und in der Nacht mit Sonnenschein
Den finstern Mond bekleidet.

5
Er leuchtet königlich daher,
Aus hoher ungemeßner Ferne,
Und ungezählt, wie Sand am Meer,
Stehn um ihn her die Sterne.

Welch eine Pracht verbreitet sich!
10
Die Dunkelheit geschmückt mit Lichte
Sieht auf uns nieder, nennet dich
Mit Glanz im Angesichte.

Du Sonnenschöpfer! wie so groß
Bist du im kleinsten Stern dort oben!
15
Wie unaussprechlich nahmenlos!
Die Morgensterne loben

Dich mit einander in ein Chor
Geschlossen, wie zu jener Stunde,
Da aus dem Chaos tief hervor
20
Ein Wort aus deinem Munde

Allmächtig diese Welten rief,
Am Firmament herum gesetzet.
Du sprachst, das Rad der Dinge lief,
Und läuft noch unverletzet.

25
Noch voller Jugend glänzen sie
Da schon Jahrtausende vergangen!
Der Zeiten Wechsel raubet nie
Das Licht von ihren Wangen.

Hier aber unter ihrem Blick
30
Vergeht, verfliegt, veraltet alles.
Dem Thronenpomp, dem Cronenglück
Droht eine Zeit des Falles!

Der Mensch verblüht wie prächtig Gras,
Sein Ansehn wird der Zeit zum Raube.
35
Der Weise, der in Sternen las,
Liegt schon gestreckt im Staube!

Ich lese, grosser Schöpfer! dich
Das Nachts in Büchern, aufgeschlagen
Von deiner Hand. O lehre mich
40
Nach deinem Lichte fragen!

Sey meiner Seele Klarheit, du
Regierer der entstandnen Sterne!
Und blicke meinem Herzen zu,
Daß es dich kennen lerne!

 
An den Schöpfer
an ihrem Geburtstage den 1ten des Weinmonats 1761.

Wo war ich, als dich Morgensterne lobten?
Da, wie aus Windeln du gewickelt hast das Meer!
Und als vor dir die Wellen tobten,
Zu ihnen sprachest: kommet, bis hieher!

5
Wo lag ich, als dein Arm der Erde Gränzen
Umher gezogen hat, und ihren Grund gelegt?
Als du die Morgenröthe glänzen
Mit Purpur hiessest, den sie um sich trägt?

In ungeformtem Klumpen noch gelegen
10
Bin ich, als auf dein Wort der Tag hervor geeilt
Der Thau gezeugt ward, und der Regen
Und Finsterniß von Lichte ward getheilt!

Noch gleich dem kleinsten Staube, den die Sonne
Heißscheinend an sich zieht von dürrer Erde Schooß,
15
War ich doch schon der Engel Wonne,
Von dir erschaffen, war ich ihnen groß.

Mit Sternenkleidern herrlich angezogen
Hast du, Gott Schöpfer! sie dem Winde gleich gemacht;
Schönfarbigt wie der Regenbogen
20
Wie Sonnenglut, ist ihrer Leiber Pracht.

Zum Dienst erschaffen für die Menschenkinder
Sind sie; sie eilen, Gott! wenn du Befehle blickst,
Durch deinen Himmel viel geschwinder
Als deine Blitze, die du flammigt schickst!

25
Aus Aether sind zusammen sie geflossen:
Ich ward, wie Staub, der auf der Flur zusammen läuft,
Wann deine Wolken ihn begossen
Und Kloß an Kloß sich nun zusammen häuft.

Ich ward; dein Sprechen: Laßt uns Menschen machen!
30
Das riß auch mich hervor, als du des Lebens Thür
Entriegeltest, und noch der Rachen
Das Grabes nicht eröfnet war vor dir!

Jahrtausende vergiengen, kurze Tage
Vor deinem Angesicht! dann kam mein Tag, und du
35
Gabst mir die Hülle, die ich trage
Um diesen Geist von dir geathmet, zu!

Von deinem Munde, der mit einem Hauche
Gebürge bläset tief herunter in das Meer,
Nahm ich dis Leben zum Gebrauche,
40
Zu deinem Ruhm; Herr! mein Gesang sey er!

 
Das Ungewitter
in der Nacht vom 31ten August 1761.

Er kommt, der Sturmwind heult ihn anzusagen,
Verhüllt in dicker Mitternacht,
Und auf dreytausend Feuerwagen
Zu uns herabgebracht!

5
Izt ist er da; der Herr des Weltgebäudes!
Hört ihn! sein Donner rollet schwer;
Der Umfang seines Wolkenkleides
Blizt Schrecken auf uns her.

Welch ein Geprassel! kommen seine Krieger
10
Mit ihm dahergefahren, so,
Wie zu der Schlacht, da vor dem Sieger
Das Höllenheer entfloh?

Izt stürzen ganze Ströme Kugeln nieder;
Gott schlägt den Weinstock, schlägt die Frucht
15
Des Baums, der wankend seine Glieder,
Zerrißne Aeste, sucht.

Der Hagel rauscht und weckt die Trunkenbolde,
Sie fahren auf, und stammeln: Gott!
Der Wuchrer zittert auf dem Golde;
20
Dem Freygeist wird sein Spott

Von fürchterlichen Rednern wiedersprochen;
Gott sagt im Donner, wer er sey!
Und fährt an Sündern, ungerochen,
Im Brausen stark vorbey!

25
Gieb acht, Berlin! sein Zorn sezt, dir zu drohen,
Ein Dorf mit Blitzen in den Brand!
Glut warf er nieder; nackend flohen,
Ihr Leben in der Hand

Behaltend, aus den Hütten die Bewohner;
30
Ihr Kleid, ihr Brod wird aufgezehrt:
Und dich, dich findet der Verschoner
Noch seiner Nachsicht werth.

O! unter den von Stroh geflochtnen Dächern,
Wohnt minder Bosheit, als in dir!
35
Sagts, ihr Palläste! den Verbrechern:
Gott war im Wetter hier!

Da bebten unsre Wände; unsre Riegel,
Von Erz gegossen, sprangen loß;
Sag es, erschrockne Spree, und ihr, ihr Hügel!
40
Auf die er Feuer goß.

Sagts, ihr vom Sturm zerrißne hohe Fichten!
Ihr Eichen! sagts der Königs Stadt;
Daß, seinen Willen auszurichten,
Der Blitz Befehle hat.

45
Gott zieht die Hand voll Keile schnell zurücke;
Ihm muß der Sturm gehorchend stehn;
Er heißt den Krieg mit einem Blicke
Fort, wie das Wetter gehn!

 
Morgen-Gedanken
1761.

Der Morgen dreht sein heitres Angesichte
Uns lächelnd zu, und weckt mit sanftem Lichte
Die Creaturen an den Tag hervor!
Der Sperling schwazt, die muntern Hähne krähen
5
Den Lobgesang, und aller Augen sehen,
Zu Gott, der sie ernährt, empor.

Auch ich bin wach, und meinem ersten Blicke
Befehl ich, daß er Dank zum Himmel schicke
Für diese Ruh, für diese sanfte Nacht!
10
Es ist ein Gott, der diese Welt regieret,
Der aus dem Staub mich wunderbar geführet,
Und der mir Freud und Freunde macht!

Es ist ein Gott! er sah oft meine Zähren,
Und hörte Kinder Brot von mir begehren,
15
Wann lange schon die Mittags-Sonne schien.
Sie sind dahin, die Tage meiner Plagen,
Und daß nach Brot nicht meine Sorgen fragen;
Dies will mein Gott, dies ist durch ihn.

Mein ruhig Herz und dieser stille Friede,
20
Der um mich herrscht, der keinen Tag mich müde
Von Arbeit, oder von Verdrusse, sieht;
Das sanfte Feur, das durch die Adern dringet,
Und dis Gefühl, das in mir denkt, und singet,
Das dank ich dem, der mich durch Güte zieht.

25
Ich heische nicht aus seinen vollen Händen
Ein grösser Glück. Nicht Reichtum soll er senden,
Nicht eiteln Ruhm und was ins Auge fällt.
Mein Mittelstand, der Rock, der reinlich kleidet,
Ein gnugsam Brot, genossen unbeneidet,
30
Dies sei mein Teil und bleib es in der Welt.

 
Der Frühling
an die Frau von Wrech.

Freundin dessen, der die Welt regieret,
Der an diamantnen Ketten führet
Jene Sonnen über unserm Haupt!
Sieh'! an seiner Ordnung goldnen Seilen
5
Muß der Frühling neu herunter eilen
Mit dem Schmuck, den ihm der Herbst geraubt.

Siehe! wie beflügelt er gekommen
Und die Trauer der Natur benommen.
Wie er sie schon jugendlich geschmückt,
10
Mädchen, die den Lenz im Antlitz haben,
Männer, Jünglinge und kleine Knaben
Und der Greiß, der sich am Stabe bückt;

Alles geht, gereizt von den Gerüchen
Junger Veilchen, die so niedrig kriechen
15
Und doch edler, als die Tulpen sind!
Und der Hyacinthen ofne Glocken
Duften Balsam, den um seine Locken
Dir entgegen trägt der Frühlingswind.

Blat und Frucht, die in der Knospe lagen,
20
Dringen sich des Schöpfers Lob zu sagen,
Aus der Hülle nun mit Macht hervor.
Wenn die stummen Redner prächtig blühen,
Steigt, in regellosen Symphonien,
Aus den Zweigen ein Gesang empor!

25
Ohne Muse, ohne Kunst und Schriften
Singt die Lerche, schwebend in den Lüften,
Unaufhörlich ihr pindarisch Lied!
Unter ihr, in früher Tagesstunde,
Singt mit bäurisch vollgenommnem Munde
30
Auch die Einfalt, welche Furchen zieht!

Lämmer, die noch an den Müttern saugen,
Blöken dem zum Lobe, dessen Augen
Das Insekt im Staube kriechen sehn.
Ihn muß so der Wurm im Grase preisen,
35
Als das Herz mit ihm bekannter Weisen,
Als die Räder, die den Weltbau drehn.

O du Tochter seiner Lieb und Güte,
Der in jedem Lenz die junge Blüthe,
Und die grüne Saat sein Lob beschreibt.
40
Höher, als der Dichtgeist in dem Fluge
Preisest du mit jedem Athemzuge
Einen Gott, der deine Freude bleibt!

Alles singt ihm. - Seine Nachtigallen
Oft behorchend, will ich Lieder lallen
45
Voll vom Lobe dessen, der mich schuf;
Bienen, die auf Lindenwipfeln summen,
Und des Fleisses Lehrer, jene Stummen
Im Erdhaufen, werden mir ein Ruf!

 
An den May
(zu Berlin den 27ten May 1761.)

Freuden-Schöpfer! Monat, der dem Jahre
Zierath gab, und diese jungen Haare
Auf der Bäume kahlgestandnes Haupt;
Eile langsam mit gesenkten Schwingen!
5
Bleib noch! laß mich deine Reitze singen,
Eh' ein kriechend Gift den Baum entlaubt.

Deiner Ankunft freuten sich die Hirten
Und becränzt mit frischgebrochnen Myrten
Stampften sie das jugendliche Graß;
10
Da indessen Damon ohne Zeugen
Unter krumgewachsnen dichten Zweigen,
Schlau verborgen, bey der Phillis saß!

Du erscheinst mit ganzen Myriaden
Bunter Blumen um und um beladen,
15
Die du auf der Erde Schooß gestreut;
Deine weisse Silberglöckchen düften
Ihren Balsam aus, und in den Lüften
Singen Lerchen deine Lieblichkeit.

Von der Liebe treulich unterrichtet
20
Singt ein Vogel, der wie Sapho dichtet,
Ganze Nächte in der Ode Thon.
Nachtigallen singen ihre Klagen,
Und der Sperling in den alten Tagen,
Hüpft und buhlt noch, wie Anacreon.

25
Du erweckst mit deinem sanften Hauche
Alle Creaturen zum Gebrauche
Ihres Lebens, das so bald verflieht;
Bienen summen, und die kalten Frösche
Sagen, durch ihr quackendes Gewäsche,
30
Daß die Freude sie ans Ufer zieht.

Grüner machst du Blätter an den Zweigen
Die sich um den Schlaf des Jünglings beugen,
Der im Marsfeld wie ein Löwe stritt;
Alle Jahre kommest du mit neuen
35
Blumen, auf des Helden Grab zu streuen,
Dessen Faden früh die Parce schnitt.

Holder May, bey jenem Siz der Musen,
Wo die Oder ihren ofnen Busen
Mit erschlagner Russen Blut geschwärzt,
40
Liegt ein Dichter, der dich einst gesungen;
Hundert Seelen hat sein Tod durchdrungen,
O, er starb voll Wunden, und beherzt!

Von dem größten Künstler der aus Steinen
Bilder machet, die, wie Menschen weinen,
45
Werdest du gehauen auf sein Grab.
In Gestalt des Mädchens, die ihn dachte, *)
Mit dem Schooß voll Blumen, die sie brachte,
Zeichne dich des Künstlers Meissel ab!

Wenn alsdann in spätgekommnen Tagen,
50
Wandrer nach des Grabes Nahmen fragen,
Nenn' ein Marmor-Schild den sanften Kleist,
Der nur Zorn empfunden gegen Feinde;
Eine Tafel nenne seine Freunde,
Und berichte, wie das Mädchen heißt,

55
Die, gereizet von des Helden Ruhme,
Seinem Staube, diesem Heiligthume,
Tausend Frühlings-Kinder opferte!
Schöner Monat, komme oftmahls wieder!
Streu aus deinem Schoosse Blumen nieder
60
Vor dem Mädchen, daß es sanfter geh'!
 
*)
Die Dichterin meinet die Jungfer Gause, deren Geburtstag am 27ten May gefeyert wurde, von welcher man erzählte, daß sie zu Franckfurth gewesen, und daselbst das Grab des Herrn von Kleist mit Blumen bestreuet habe.

 

Z w e y t e s   B u c h

 
An die Königin.
Ueber eine Lustfahrt auf der Elbe mit den Prinzeßinnen von Braunschweig.
Zu Magdeburg im August 1762.

Wenn es den Erdengöttern einst gefällt
Von ihrem Thronensiz herabzusteigen,
Und ohne Purpur sich des Volkes Blik zu zeigen,
Dann werden sie die Lust der Welt!

5
So spielt in goldnen Zeiten Friederich
Zu Sansoucis von allem Volk gehöret,
Sein göttlich Flötenspiel, das ihn Apoll gelehret:
Und alle Welt ergötzet sich!

So sassest du erhabne Königin
10
Auf ausgehöltem Holtze ganze Stunden,
Und fuhrest ohne Stolz, den nie dein Herz empfunden
Vor deines Volkes Blick dahin!

Die leichten Wimpel wehten über dir,
Wie Fahnen die ein Triumphirer bringet
15
Vom Felde, wo sein Arm den Feind bezwang; so zwinget
Der starke Löw, ein Panterthier!

Der Dichtkunst Schwester, die Music, erscholl
In sanftgedämpftem feinem süssem Thone;
Und du vergassest ganz den Glanz der Königs Crone
20
Und warest sanfter Freuden voll!

Der Sonnen Antlitz, unverschleyert schön,
Sah auf dein kleines Schiff mit unverwandten
Und strahlenreichen Blicken, streute Diamanten
Und ließ die Fahrt durch Silber gehn.

25
Die Elbe fühlte Vorzug, nennte klein
Des deutschen Reiches stolzere Gewässer;
Beschift, Holdseeligste, von Dir, dünkt sie sich besser
Und edler, als der breite Rhein.

Unsichtbar hieng ein ganzes Nimphen Chor
30
Rund um das Schiff, und wollte sich erfrischen
An Luft, die dich gekühlt: und selbst den kalten Fischen
Hub Ehrfurcht ihren Kopf empor!

An deiner linken Seite sassen zwo
Gleich holde Wesen; Aehnlichkeit der Züge
35
Verrieth sie mir; Ihr Herz war über neue Siege
Des Helden, deines Bruders froh.

Er schleudert Schrecken, Niedersturz und Flucht,
In Franckreichs Heere; lässet Blitze schiessen,
Bis Ludewig, dem er die Lilien zerrissen,
40
Demüthig wird, und Frieden sucht.

Er kommt der Friede von des Himmels Höh.
Dich, Fürstin, wird an stillen Sommertagen
Vor Friedrichs Angesicht ein goldnes Fahrzeug tragen
Auf wieder stolz gewordner Spree.

 
Ueber den Entsatz von Braunschweig
Zu Halberstadt
den 18ten des Weinmonaths 1761.


Gebt mir frische Lorbeern um die Leyer,
Denn ich glühe von der Helden Feuer,
Braunschweigs jüngster Sieger sey mein Lied!
Friedrich, seines Bruders tapfrer Rächer,
5
Kam geflogen, schlug die Mauerbrecher;
Zorn des Löwen hat in ihm geglüht!

Also glühte Cyrus, da er fragte,
Was die fremde Räuber-Rotte wagte,
Die der Meder Heerden rauben kam.
10
Wütend grif er mit der zarten Rechte
Seinen Säbel, hieb dem Kriegesknechte
Klauen ab, womit er Rinder nahm.

Friedrich, der zum erstenmahl gerüstet
Geht in Waffen, sah im Geist verwüstet
15
Seines väterlichen Hauses Stadt.
Gleich den Drachen, welche Feuer speien,
Lagen Feindes Donner, sie bedräuen
Rings um veste Warten, die sie hat.

Das Geschrey der Kinder und der Mütter
20
Drang zum Gotte, der das Ungewitter
In der hohen Luft sich theilen heißt.
Mächtig sah er aus dem Wolkenbogen;
Und mit stärkerm Muthe angezogen
Ward des jungen Helden kühner Geist!

25
Wie ein Adler, die versuchten Schwingen,
Mit dem grössern Feinde stark zu ringen,
Schnell und klüglich zu gebrauchen sucht:
Also muthig foderte die Kräfte
Friedrich, zu dem tapfersten Geschäfte.
30
Plözlich bracht er in die Feinde Flucht.

Bey dem Grabe Heinrichs laut erschollen
Sind die Jubel von den freudenvollen
Bürgern, auf dem frey gewordnen Wall.
Tausend Stimmen riefen: Friedrich lebe!
35
Und ein zweytes; Friedrich, Friedrich lebe!
Sprach des Harzgebürges Wiederhall!

Auf dem Brocken hörten es die Rehe;
Hirsche warfen plözlich in die Höhe
Ihrer Häupter zackigtes Geweyh;
40
Aus den Betten wälzten sich die Thiere,
Und im Thale liessen zweene Stiere
Ihren Kampf, und horchten dem Geschrey.

Also wird der ganze Wald erfüllet,
Wenn der Löwe Siegeslieder brüllet,
45
Der den Tyger tapfer überwand.
Dieses Thier, voll Blutdurst in der Seele,
Trat verwegen vor des Löwen Höle;
Der zerriß ihn, den er schlafen fand.

 
An ihren verstorbenen Oheim
den Unterweiser ihrer Kindheit.
1761.

Kommt heraufgestiegen aus dem Sande
Ihr Gebeine, die ihr in dem Lande
Meiner Jugend, eure Ruhe habt!
Theurer Greiß, belebe deine Glieder
5
Und ihr Lippen redet einmahl wieder,
Die ihr mir der Lehren Honig gabt!

Oder du, auf des Olympus Höhe
Weisser Schatten, siehe! wo ich gehe;
Hinter Rindern auf der Weide nicht.
10
Blick' auf diese feinern Menschen *) nieder,
Alle reden deiner Nichte Lieder;
Hör auf ihr Gespräch, dein Lobgedicht!

Ewig grünen muß die breite Linde
Wo ich, gleich des besten Vaters Kinde
15
Zärtlich dir an deinem Halse hieng,
Wenn dich, müde von des Tages Länge,
Wie den Schnitter von der Arbeit Menge,
Wenn dich matt die Rasenbank empfing.

Unter jenem Dache grüner Blätter
20
Wiederholt' ich von dem Gott der Götter
Zwanzig unverstandne Stellen dir!
Aus der Christen hochgehaltnem Buche
Sagt' ich dir von manchem dunkeln Spruche
Frommer Mann! und du erklärtest mir.

25
Gleich den Männern, die in schwarzen Röcken
Auf der hohen Canzel uns entdecken
Welcher Weg zum Leben richtig ist,
Wenn du von dem Fall und Gnadenbunde
Sagtest, o dann wurden deinem Munde
30
Alle Worte zärtlich aufgeküßt!

Du Bewohner einer Himmels-Sphäre!
Siehe, meiner Freuden stille Zähre
Fliesset über meine Wangen oft.
Kanst du reden theurer Schatten? sage
35
Ob dein Herz für meine Lebenstage
Glück und Ehre dazumahl gehofft,

Wenn mein Auge, liegend auf dem Blatte,
Täglich weisre Schriften vor sich hatte,
Wenn ich auf der Wiese Blümchen laß,
40
Sie in meinen kleinen Händen brachte,
Sie zur Zierde deiner Haare machte
Und auf Rosen lächelnd bey dir saß?

Sey mir dreymahl mehr mit Licht bekleidet;
Mit der Gottheit Blicken mehr geweidet
45
Als die andern Seelen um dich her!
Für die Tropfen alle die mir werden
Aus dem Freuden-Becher hier auf Erden.
Tränke dich der Seligkeiten Meer!
 
*)
Sie meint die Gesellschaft in der sie war, als sie dis Gedicht schrieb.
 

An die Freyfrau von Troschke
und Rosenwehrt

[um 1761/63.]

Von deinem besten Freund begleitet,
Durchwandelst du das Feld voll Saat,
Und findest Seegen da verbreitet,
Wohin das Pferd des Kriegers trat!

5
Dir giebt die Heerde Milch und Wolle;
Der Obstbaum zinset dir genug
Schmackhafte Früchte, die der volle
Herabgezogne Wipfel trug!

Um dich versammlen sich die Tauben!
10
Der Sperling scheuet deinen Blick,
Vergißt dein Weitzenkorn zu rauben
Und flattert wie beschämt, zurück!

Dein Jäger bringt viel aufgehangne
Zu blind gewesne Vögel dir.
15
Sie wurden ihrer Lust Gefangne;
Wie, nur zu oft der Sünde, wir!

Die Vögel, in geschloßnen Heeren
Verlassen ihr bewohntes Land
Von der Natur geführt, und kehren
20
Zurück, an ihrer vollen Hand!

Der Herbst und die gelinden Weste
Entfliehn von uns, und auf der Flur
Stehn hier und dort noch Ueberreste
Vom grünen Kleide der Natur!

25
In Schneegewölke tief verhüllet
Kommt der betrübte Wintertag;
Der Nordwind wirbelt sich und brüllet,
Durch Mauren, wie ein Donnerschlag!

Dich aber wärmt die trockne Fichte
30
Herauf geflammet im Camin;
Du hörest häusliche Berichte,
Und giebst Geschäfte zu vollziehn!

Der Nachbarinnen Wagen rollen!
Ein ganzer Creyß kommt zum Besuch!
35
Izt frägst du, ob sie hören wollen
Und wählst aus meinem Liederbuch

Gesänge, dem gedacht zur Ehre,
Der aus dem Staube mich erhob;
Und alles wird um dich Gehöre,
40
Und Thränen reden Gottes Lob!

 
An den Dohmherrn von Rochow,
als er gesagt hatte,
die Liebe müsse sie gelehret haben,
so schöne Verse zu machen


Kenner von dem saphischen Gesange!
Unter deinem weissen Ueberhange
Klopft ein Herze, voller Gluth in dir!
Von der Liebe ward es unterrichtet
5
Dieses Herze, aber ganz erdichtet
Nennst du sie die Lehrerin von mir!

Meine Jugend ward gedrückt von Sorgen,
Seufzend sang an manchem Sommermorgen
Meine Einfalt ihr gestammelt Lied;
10
Nicht dem Jüngling thöneten Gesänge,
Nein, dem Gott, der auf der Menschen Menge,
Wie auf Ameishaufen niedersieht!

Ohne Regung, die ich oft beschreibe,
Ohne Zärtlichkeit ward ich zum Weibe,
15
Ward zur Mutter! wie im wilden Krieg,
Unverliebt ein Mädchen werden müßte,
Die ein Krieger halb gezwungen küßte,
Der die Mauer einer Stadt erstieg.

Sing ich Lieder für der Liebe Kenner:
20
Dann denk ich den zärtlichsten der Männer,
Den ich immer wünschte, nie erhielt;
Keine Gattin küßte je getreuer,
Als ich in der Sapho sanftem Feuer
Lippen küßte, die ich nie gefühlt!

25
Was wir heftig lange wünschen müssen,
Und was wir nicht zu erhalten wissen,
Drückt sich tiefer unserm Herzen ein;
Rebensaft verschwender der Gesunde,
Und erquickend schmeckt des Kranken Munde
30
Auch im Traum der ungetrunkne Wein.
 

D r i t t e s   B u c h

 
An ihren Geist,
wegen der Unmöglichkeit den König
zu singen


O du mein Geist! stolz und verwegen singen,
Den Unnachahmlichen, soll ich?
Kann auch ein Strauß mit schwergeschaffnem Flügel schwingen,
Zur hohen Sonne sich?

5
Kennst du des Pfeiles Bahne durch die Lüfte,
Des Windes Flug, des Blitzes Gang,
Und jenen Wellen Pfad, wo Englands Flotte schiffte
Dann wage den Gesang,

Und singe Thaten dieses Erden Gottes,
10
Der von Gebürgen jüngst herab
Geschleudert seinen Feind, und ihn dem Blick des Spotte
Europens übergab,

Und ihn mit seiner Rechten drückte nieder,
Mit seiner linken Herculs-Hand
15
Die Festung zu sich zog, und seine Bürger wieder
Geweckt ins Leben, fand.

Und wegen seines langen Unermüdens,
Gepriesen wird von Pol zu Pol,
Wenn ihn die Göttinnen des Sieges und des Friedens
20
Geschmückt ins Capitol

Zum grossen Opfer seines Volkes führen,
Dann singet auf Trophäen-Thron
Er selber seinen Krieg, der Nachwelt Herz zu rühren,
Im Iliaden Thon.

 
Der Frau Geheimen Räthin Buchholz
1761.

Geliebte, die mit ihrem Glück auf Erden
Zufrieden bleibt, wenn glücklicher zu werden
Der Thor erfindungsreich an Wünschen ist.
Ich fühl in mir nicht eitle Triebe brennen,
5
Ich bin vergnügt dein schönes Herz zu kennen,
Und glücklich, daß du meine Freundin bist!

Es fahre die, der es das Glück gewähret
Im Wagen, sey an Kopf und Brust beschweret
Mit Steinen, die ein Bergdurchwühler fand.
10
Ich wünsche mir kein Haus mit Marmor Wänden
Und keinen Prunksaal; keine zum Verschwenden
Gedeckte Tafel, von des Schicksahls Hand!

Ein Glücklicher mag von dem Traubenstocke
Die Kelter füllen, und den Kaufmann locke
15
Oft der Gewinn, auf ein zerbrechlich Holz.
Er schiffe schwer von Hoffnung hin nach Inden,
Und komme mit den besten Seegel-Winden
Zurück, auf Lasten seines Reichthums stolz.

Ich fodre nichts, als Brod für meine Tage,
20
Ein ruhig Herz, und Kleider, die ich trage,
Um, mehr bedeckt, als stolz geziert, zu seyn.
Kein Menschen-Arm erhält das Glücke bändig;
Und wenn es will, sey es mir unbeständig;
Nur bleibt alsdann, ihr wahren Freunde, mein!

25
Wird mir, wenn einst auch böse Tage kommen,
Nur dieser Schatz, die Freundschaft nicht genommen;
Behalt ich alt, der Musen Saitenspiel;
So hab ich gnug Glückseligkeit und Freuden,
Und heisse mich die Prächtigen beneiden.
30
Sie haben oft kein Herze zum Gefühl!

 
Die Abendmahlzeit auf dem Lande,
an Herrn Geheimen Rath Buchholz

(Den 16ten des Heumonats 1761.)

Freund, nicht in fürstlichen Sälen
Bey dem glatsteinigten Tisch,
Bedeckt mit köstlicher Leinwand,
Wohnt das Vergnügen allein!

5
Auch im kleinräumichten Hause,
Gebaut nach ländlicher Art,
Auf schlechtem reinlichem Zwillich,
Mit Einer Schüssel besetzt,

Schmeckt dem nicht wählenden Gaumen,
10
Die ungekünstelte Kost:
Und vom Luftschöpfen getrocknet,
Schmeckt ihm vierjähriger Wein.

Komm! deine liebende Freundin
Winkt mit gefälligem Blick,
15
Dich zum bescheidenen Gastmahl!
Dein warten Fische, die noch

Froh der mittäglichen Sonne
Im Strom entgegen gescherzt,
Und dann vom löchrichten Hame,
20
Des lauschenden Fischers berückt

Herauf gezogen, vergebens
Dem Tod entgegen gesträubt!
Sie starben unter dem Messer
Der hurtigen Köchin dahin.

25
Sie sind uns niedliche Bissen!
Ihr Salz erwecket den Durst,
Wir leeren alle die Gläser,
Und sagen Wünsche vorher,

Mit patriotischer Inbrunst.
30
So rief der Sänger Horaz,
Nie das Verlangen der Römer,
Den weit entfernten August;

Als wir den kriegenden König.
Ihn trägt das muthige Roß;
35
Der Staub bedecket die Stirne,
Die zweene Cronen verdient.

Sie spricht Befehle der Feldschlacht.
Er schlägt mit rächendem Schwerd,
Siegt dreymahl, ehe die Linde
40
Die kranken Blätter verliert!

Um Frieden bitten die Feinde,
Und aus halb göttlicher Hand
Giebt er die grosse Versöhnung,
Und baut, was Feinde zerstöhrt.

 
An Herrn Professor Sulzer
(Zu Berlin im Merz 1761.)

Dir, o mein Freund, mein Sulzer will ich singen,
Den noch zu oft Empfindungen durchdringen,
Bis zu des Lebens Ueberdruß.
Du sollst den Gram als Weiser einst bekämpfen,
5
Sonst wird er ganz den schönsten Trieb verdämpfen,
Den sanften Trieb zu Lieb und Kuß!

Der Ernst spricht männlich dir im Angesichte,
Und dein Gespräch voll Nachdruck und Gewichte,
Wählt nie ein Wort von leichtem Scherz.
10
Nie lachst du laut, selbst bey dem Lächerlichen,
Dein Lächeln aber sagt mit Redner-Sprüchen,
Du habest kein versteintes Herz!

Umsonst verläugnen deiner Stirne Falten
Der Seele Bild; ich kenne die Gestalten
15
Von den Empfindungen zu gut;
O, mir entwischt nicht was die Menschen fühlen!
Die Lehrer auf der Weisheit hohen Stühlen,
Sind, so wie Dichter, Fleisch und Blut.

Der Frühling kommt mit Reizen für das Herze,
20
Das Deine schwimmt noch halb in seinem Schmerze.
Reiß es heraus und werde dein!
Ganz dein! dich hat der Gram genug durchdrungen,
Hör' die Natur in ihren Foderungen,
Und laß die Liebe Herrin seyn!

25
Vernünftig, göttlich, Engeln wohlgefällig,
Treu, dauerhaft, mit Tugenden gesellig
War deine Liebe ehedem.
So wird sie jetzt neu dich bewohnen kommen,
Und für die Zeit, von Trauren dir genommen,
30
Macht sie die Zukunft angenehm!

Sie kommt vielleicht daher, wo stolzer Friede
An Bergen wohnt, die uns in Hallers Liede
So prächtig vor dem Auge stehn!
Sie bringet dir den Frieden in den Busen,
35
Und stiller, als die unbesorgten Musen
Wird Lieb und Freude mit dir gehn!

 
Die Sommer-Nässe,
an Herrn Gleim

1761.

Freund, in Berlin die schönen Kinder alle
Beklagten, daß aufs Angesicht,
Durch ihren Schirm die Macht der Sonne falle
Sie schonte Stirn und Wange nicht!

5
Auch alle Philosophen, unter denen
Dein Sulzer seine Stelle schmückt,
Beklagten sich, und sassen sinnlich stöhnen,
Bis Kühlung ward herabgeschickt.

Nun träufelt sie aus milden Wolken nieder
10
Und nun begehrt den Sonnenschein
Der unzufriedne Landmann klagend wieder:
Gott feuchtet Heu und Garben ein!

Den Wandrer drückt der nassen Kleider Bürde,
Nach heitren Tagen seufzet er;
15
Und der Soldat klagt: Von dem Regen würde,
Rost auf dem glänzenden Gewehr!

Die schönen Kinder fühlen lange Weile,
Ihr Auge fragt das Wetter-Glas:
Ob bald die Sonne das Gewölk zertheile?
20
Den Tannenhäyn macht es zu naß.

Und selbst dein Sulzer fragt mit trüben Blicken
Ob bald der Garten trocken ist?
Wo er in grün und bunten Meisterstücken
Beweise von dem Schöpfer liest!

25
So ists o Freund, wir wünschen und empfangen;
Und die Begierde, niemals satt,
Häuft Wunsch auf Wunsch; ihr heftiges Verlangen
Klagt, daß sie neuen Mangel hat.

Wie Regen und wie heitre Sonnenblicke,
30
So wünschen wir Glückseligkeit;
Der Sterbliche fühlt bey erstrebtem Glücke
Nicht Ruhe, nicht Zufriedenheit.

Nur ich, zufriedne Sterbliche, begehre
Nichts mehr, und wenn ich das Geschick
35
Mit einer neuen Forderung beschwere
So wünsch ich meinen Freund zurück!

 
Das Feuerwerk am Ufer der Elbe
an den Herrn Professor Sulzer

(Zu Magdeburg den 18ten May 1762.)

Verweile Freund, laß uns ihn noch geniessen
Den Frühlings-Abend, der gefühlt
Von Blumen wird, die geizig sich verschliessen
Wenn sie der Thau gekühlt.

5
Des Tages Thron wird von der Nacht besessen;
Mit tausend Sonnen überstreut
Schwebt über uns, von keiner Hand gemessen,
Ihr königliches Kleid.

Um ihren Sitz herrscht feyerliche Stille;
10
Aus ihrem unumwölkten Schooß
Fährt nicht der Blitz, nicht brechen mit Gebrülle
Die Donner Gottes los.

Doch, höre Freund, was donnert uns zur Seite,
Das Ufer zittert von dem Knall,
15
Gleich dem Getös aus fernem Kriegesstreite;
Und Antwort giebt der Wall.

Die Citadell, der Dom, die Fürsten-Häuser
Die rufen diesem Donner nach - -
So riefen Hügel jüngst, da Lorbeerreiser
20
Der Held in Sachsen brach!

Mein Blick verfolgt die steigende Raquete
Die um den Rang der Sterne wirbt,
Und da ihr Stolz von ewig glänzen redte,
Verlöscht und niederstirbt.

25
So hoch empor ist stolzer Muth gestiegen
In Friedrichs starken Feinden oft,
Wenn sie von Wuth entflammt, sein Niederliegen
Gewünschet und gehofft.

Was kommt dort auf dem Wasser hergezogen?
30
Sind Mars und Venus voller Gluth
Von ihrer Laufbahn itzt herabgeflogen,
Und brennen in der Fluth?

Sie treiben sich - - nun fahren sie zusammen
Wie Pandamus und Diomed;
35
Zwo Schiffen gleich, wenn jegliches in Flammen
Gesetzt, zu Wolken geht.

Freund, sage mir welch lieblich Ungeheuer
Ward von der Kunst hervorgebracht?
Jetzt wird der Strom vom hochgesprütztem Feuer
40
Dem Aetna gleich gemacht!

Schönflammigt springt in tausend grossen Funken
Der Bogen Pracht, ich sehe sie
Und denke von der Zukunft Freude trunken:
So springt zu Sans-Souci

45
Dem Sieger hochentgegen jede Quelle.
Die Marmor-Säulen regen sich;
Roms Helden-Geister wollen aus der Hölle
Herauf zu Friederich!

 
An Herrn Utz,
den Verfasser der lyrischen Gedichte.

Du, der vom Weine berauscht, die Lust der Erde besungen,
Mir gab Apollo kein lyrisches Spiel
Bespannt mit Saiten von Gold, doch sind mir Lieder gelungen,
Süßklingend sang ich der Seele Gefühl.

5
Mich hört der eiserne Held, mir horcht der ernste Gesandte
Herunter kommend vom Stuhle des Herrn,
Auch höret meinen Gesang, wer sonst die Muse verkannte,
Des Geizes Priester, vernehmen ihn gern.

Mir gab dein liebender Freund, der Felsenspringerin Laute,
10
O, ihn nur denken wird süsser Gesang
In der ganz saphischen Brust; der Liebes Götter Vertraute
Ward ich und habe die Herzen in Zwang!

Mich fühlt der wankende Greis, die abgelebte Matrone,
Mich horcht der Jünglinge klopfendes Herz.
15
Das Mädchen fürchtet den Pfeil! er rauscht im saphischen Thone
Laut, wie im Utzischen Liede voll Scherz.

 
An die Chartenspieler.

Mischt immer eure Blätter, spielet
Gedankenvoll, und hoffend fühlet
Die Freuden des Gewinnes ganz;
Mein Geist, zu stoisch und zu trocken,
5
Ließ nie die Charten sich verlocken,
Und hüpfte nie zu einem Tanz!

Zu steif den Fuß im Tact zu lenken,
Zu roh, beym Spiele was zu denken,
Blieb ich in beyden ungelehrt;
10
Ich kenne nicht der Blätter Nahmen,
Weiß nicht, was Buben sind und Damen,
Weiß nichts vom Blatt, dem Sieg gehört.

Nur Bücher hab ich liebgewonnen,
Darinn gelesen, nachgesonnen,
15
Selbst eins gemacht, so schlecht es war!
Nichts fragt ich da nach Spiel und Tänzen,
Ich las, wodurch sich Helden cränzen,
Und träumte Schlachten und Gefahr!

Ich ging, auf selbst gebauten Wällen,
20
Ließ sich mein Volk in Ordnung stellen
Und that, als wie ein General;
Warf Schanzen auf, schoß Ziegelstücke,
Zog schlechterdings mich nicht zurücke,
Sprach laut wenn ich den Sturm befahl!

25
War eine Vestung eingenommen,
Dann ließ ich meine Völker kommen
Drang tiefer ein in Feindes Land,
Marschirte listig hin und wieder
Hieb viele tausend Feinde nieder,
30
In allen Nesseln die ich fand.

Da lagen dann die kleinen Leichen,
Gefällt von meinen starken Streichen,
Bey tausenden gestreckt vor mir;
Stolz dacht ich mich als Ueberwinder
35
Ich war ein Kind, und wie die Kinder
Thun gar zu oft im Alter wir!

O meine Phantasie ist heftig,
Schon dazumahl war sie geschäftig,
Als ich noch meine Heerde trieb;
40
Itzt aber sieht sie andre Schlachten
Denkt die, die sich unsterblich machten,
Und den, der sich unsterblich schrieb!
 

V i e r t e s   B u c h

 
Die Freunde,
an Palemon, nach Herrn Gleims Abreise aus Berlin.
(Im Heumonat 1761.)

O du! den mir mein Freund empfahl,
Gold ist nicht meiner Neigung Götze.
Ich rechne meiner Freunde Zahl,
So zähl ich größre Schätze.

5
Mir unumtauschbar ist ein Freund!
Mir darf kein Prinz den Fleiß belohnen:
Nur Sulzer werde nie mein Feind;
Ihn gäb ich nicht um Cronen.

Und jenen, der mir aus Berlin
10
Mehr als Gesänge noch entführte,
Wüßt ich dem Zepter vorzuziehn,
Der eine Welt regierte.

Und diesen, dem Apollo gab
Des Cäsars Dichter nachzuahmen,
15
Den tauscht mir keine Fürstin ab
Mit dem Durchlauchten Nahmen.

Auf keinen meiner Freunde läßt
Mein Herz den grossen Anspruch fahren.
Sie machen meines Lebens Rest
20
Zu lauter Jubel-Jahren.

Und du! so ganz für meine Wahl
Geschaffner Freund! vergönne
Daß ich bey Buchholz und bey Stahl,
Dich als ein Kleinod nenne.

25
Sechs Freunde! Welch ein Königreich
Giebt seinem Herrscher solch Vergnügen?
Elisabeth ist mir nicht gleich
Wenn Russen vor ihr liegen!

Sie wird gefürchtet, nicht geliebt;
30
Geehrt, doch nicht um ihrer willen.
Nein! um den Glanz der Sie umgiebt
Und um die Purpur-Hüllen!

Mir bleiben meine Freunde hold
Der Leyer wegen, die ich spiele;
35
Und weil ich minder für das Gold,
Als für die Freundschaft fühle.

 
Vorbitte wegen eines Nußbaums
An Palemon

(Zu Magdeburg den 18ten des Herbstmonaths 1761.)

Erheitre nicht des Garten-Hauses Wände,
Und fälle nicht, um einer Handbreit Raum,
Durch Eisen und durch zwey gedungne Hände,
Den schattigten Baum.

5
Selbst der Prophet, der Ninivens Verderben
Hartnäckig foderte, ganz Menschenfeind,
Hat einst, gerührt von einer Pflanze Sterben,
Den Kürbis beweint.

Und du, ganz Menschenfreund, du willst die Hiebe
10
Im hohen Baum? auf dessen Zweigen oft
Ein Vogel singt, der lockend, seiner Liebe
Befriedigung hofft?

Das willst du nicht. Denn wann auf weichem Sitze
Du wie ein Fürst, in selbst geschaffner Ruh
15
Dich hier verbirgst, dann decket vor der Hitze
Sein Schatten dich zu.

Er ist ein Herzog im Bezirk des Gartens.
Die Pyramiden-Bäume wuchsen nur
So durch die Kunst. Er spottete des Wartens,
20
Ihn zog die Natur!

O welch ein Leib! mit was für starken Gliedern
Versah sie ihn! So stand in Priams Stadt
Einst Hector unter allen seinen Brüdern,
Von Kampfe nicht matt.

25
Dein Baum, der Held, steht, wann der Frost dem Leben
Des Weinstocks und des Pfirsich-Baumes droht,
Dann steht er von Pomonens Schutz umgeben,
Nicht fürchtend den Tod.

Mit andern Trauben als der Weinstock träget
30
Prangt er im Herbst; und liefert seinem Herrn
Indem ein Holz ihn unbarmherzig schläget
Den lieblichen Kern,

Gewachsen in dem Umfang harter Schalen.
So liegt im schlechten Cörper oft versteckt
35
Ein Herz, nicht mit dem Glanze zu bezahlen
Der Mißgunst erweckt.

So hart wie sie, soll gegen fremde Lüste
Dein Mädchen seyn, für dich allein nur schön.
Weyh ihr den Baum, und sag einst: du Geküßte!
40
Dir ließ ich ihn stehn!

 
An Herrn Gleim.
Bey Besteigung des Spiegelberges ohnweit Halberstadt.
(Zu Halberstadt den 26ten des Herbstmonaths 1761.)

Gieb mir die Hand! bald ist der Berg erstiegen;
Uns stürzt der Wagen, wenn er höher fährt
Komm Freund! Das grössere Vergnügen
Ist kleiner Mühe werth!

5
Wir schreiten fort. Die Diestel muß sich beugen.
So bringt ein Weiser, edel im Entschluß
Die Schwierigkeiten, die sich zeigen
Großmüthig unterm Fuß.

Mir klopft das Herz, bald hörst du seine Schläge
10
Ich athme schwer. Freund, ob ich zaudern will
Fragst du? - Steht denn auf ihrem Wege,
Die Tugend jemahls still?

Nun stehn wir oben. Siehe doch, mein lieber!
Das öde Thal ist noch nicht ohne Reiz;
15
Dem kleinen Goldbach *) gegenüber
Sucht sich der Heerde Geiz

Am Fuß des Berges noch die magern Halmen
Des Grases, das im Frühlings Ueberfluß
Dort grünte. O, der singe Psalmen
20
Der Brod nicht suchen muß!

Doch wenig Brod bey Freunden deines gleichen
Bey innrer Ruh, ist lieblicher dem Gaum
Als Tafeln unzufriedner Reichen,
Als ihrer Freunde Traum.

25
Sieh doch, ein Völckchen Hühner! ruhig lagen
Im hohen welkgewordnen Grase sie.
Flieht nicht vor uns, wir Dichter jagen
Den frommen Vogel nie,

Der ohne Lippe mit dem Schnabel küssen
30
Die Gattin kann, von gleichgeschaffner Art.
Gott, den die Hügel hören müssen
Hat alles Fleisch gepaart.

Auch dich erschuf sein Wille nicht zum Feinde
Der Mädchen, aber keines bindet dich;
35
Du liebest zärtlich deine Freunde,
Als Freundin liebe mich!
 
*)
Der Goldbach fließt nah am Spiegelberge.

 
An Palemon,
der Spaziergang auf dem Fürstenwall.
(Zu Magdeburg im kalten April 1762.)

Zu nackend, Freund! muß noch die Linde bleiben
Die ganz ihr grünes Kleid verlohr.
Rauh ist der Frühlings-Tag. Die kleinen Wurzeln treiben
Nicht junges Graß hervor.

5
Doch lieblich ist der Lustgang an der Elbe
Auf ihrer Oberfläche schwimmt
Die Sonne noch einmal, der an dem Luft-Gewölbe
Gott ihren Lauf bestimmt.

Ihr feyren bey dem ersten holden Blicke
10
Ein Fest, die Knaben mit dem Ball
Die nicht besorgt um Brod, und ihr zukünftig Glücke
Laut jauchzen auf dem Wall.

Dort stützt ein Mann, die lahmgebliebne Rechte
Und krumme Schenkel, an ein Holz.
15
Er schleicht und denkt sich noch das schreckliche Gefechte
Und ist auf Narben stolz.

O Freund! ein Weib trägt voller Eymer Lasten;
Sie steigt am Ufer auf, und keucht.
Ich leb im Ueberfluß, und ganze Tage fasten
20
Muß sie; und ach! vielleicht

Fiel in der Schlacht ihr bester Freund, und Kinder
Ein traurig Denkmahl! ließ er hier!
Nie macht die stille Nacht den Gram des Herzens minder
Er schlummert nicht in ihr!

25
Auch ich gieng einst in abgetragner Hülle,
Und Kinder stammelten um Brod.
Mit Seufzern unterbrach ich nächtlich meine Stille
Und träumte Morgen-Noth.

Jetzt denk ich oft zehn Frühlinge zurücke,
30
Und staune was mir wiederfährt
Mit vollem Herzen an; und eine Thrän im Blicke
Frägt; Himmel bin ichs werth?

 
Der Schlaf
An Herrn Gleim, als er sagte, daß er immer
gut schliefe, und sie gebethen wurde,
dem Schlaf ein Lied zu singen.

Den 2ten April 1762.

Die stille Nacht streut ihre Schlummerkörner
Auf den, der mit dem Pfluge zog,
Und in ein krummes Joch, trotz stolz gewachsner Hörner
Des Stieres Nacken bog!

5
Der Wanderer wirft seine müden Glieder
Auf unbepfühlte Lagerstatt;
Und ruhet königlich, wenn auf ihn sein Gefieder
Der Schlaf verbreitet hat.

Freund, von Olymp versenden ihn die Götter
10
Sie wachen über ihre Welt,
Wenn er so sanft herab, wie weiche Rosenblätter
Auf deine Augen fällt.

Er träufelt Balsam in die Seele nieder,
Die ganz des Tages Last gefühlt.
15
So wird das welke Graß nach heisser Sonne wieder
Vom Abendthau gekühlt!

O er besucht mit Träumen künftger Erndte
Den, welcher Weitzen ausgeklopft;
Und flieht den reichen Mann der künstlich schwelgen lernte,
20
Und Speis' auf Speise stopft!

Er flattert von dem Auge des Gecrönten,
Der, an das Kriegesschild gestützt,
Da stehet, und sein Land vor dem unausgesöhnten
Ergrimmten Feinde schützt!

25
Der Geitzige verwachet sich zur Strafe
Und fürchtet seines Götzen Raub
Der weise Monadist entreisset sich dem Schlafe
Und theilet Sonnenstaub.

Von dir, o Freund, ist nie der Schlaf gewichen
30
Als wenn du hast nach Mitternacht
Voll Patrioten-Ernst den grösten Held verglichen
Mit Herculs Kämpfer-Macht.

Noch schlummerst du gleich zärtlichen Entzückten
In sanfter Ruh; so, wie zur Zeit,
35
Da Liebes-Götter dich mit Veilchen, die sie pflückten,
Geworfen und bestreut;

Und Phöbus dir von dem Parnaß hernieder
Drey Musen an die Wiege gab!
Sie sangen dich in Schlaf, und wehrten dir durch Lieder
40
Den schweren Traum-Gott ab!

 
Sapho an Amor

Sohn Cytherens, kleiner Weltbezwinger!
Welch ein Schmerz durchtobte deinen Finger
Von dem Stich der Honigträgerin!
O empfind ihn noch, wie Schlangenbisse
5
Und dann denke, was ich leiden müsse,
Da ich wund von deinem Pfeile bin!

Nicht im Finger, nicht in weichen Backen,
Oder in dem hartgenervten Nacken,
Nein im Herzen fühl ich deinen Schuß!
10
Ach du hast den Pfeil mit Gift bestrichen,
Tausend Pfeile fühl ich in den Stichen,
Welche machen, daß ich seufzen muß!

Habe Mitleid! Nimm itzt deinen Köcher,
Göttern ziemet ja das Amt der Rächer
15
Und dein Bogen ist zur Rache stark!
Eile, räche mich! ach! Amor eile
Nicht allein die Spitze von dem Pfeile,
Gluth in mir verzehret Blut und Mark!

Jener Phaon mit den feuervollen
20
Schwarzen Augen, die mich tödten wollen
Und mit einem Munde rosenweich,
Findet Wollust in der Kunst zu quälen.
Zwölf betrübte Tage muß ich zählen
Jeder ist den Erndte-Tagen gleich.

25
O du kennst die Thäler, wo er gehet,
Dort, wo deiner Mutter Bildniß stehet
In dem Palmen-Hayn, da wandelt er!
Such ihn unter dickbelaubten Eichen,
Und will er zu Rosenhecken weichen,
30
Flattre um ihn, wie ein Vogel her,

Hurtig ist er, gleich den jungen Rehen!
Aber bleibt er an dem Wasser stehen,
Wo der weiche Klee am Ufer grünt;
Dann erinnre dich, was ich gelitten,
35
Spann den Bogen, faß ihn in der Mitten,
Triff die Stelle, die den Pfeil verdient!

In sein Herz, noch kälter als die Schollen,
Die dem Blick der Sonne trotzen wollen,
Amor, in sein Herze ziele du.
40
Dann wird ihm die tiefe Wunde schmerzen,
Und er eilt mit halb zerschmolznem Herzen
Reue fühlend meinen Armen zu.