B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

V e r h ä n g n i s s e .

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Königen gab der Olympier Stolz, und sklavischen Pöbel
      Um den gefürchteten Thron:
Weisheit gab er den Königen nicht; sonst hielten sie Menschen
      Nicht für würgbares Vieh.
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Philosophen gab er den Traum, da Wahrheit zu suchen,
      Wo sie zu finden nicht ist.
Priestern den Wahn, die göttlichste Wahrheit durch alles zu lehren,
      Nur durch Tugenden nicht.
Alles dies gab er im Zorn. Sehr wenig' Könige weihen
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      Ihr erhabenes Amt
Durch ein Gottnachahmendes Wohlthun, das über die Menschheit
      Sterbliche Menschen erhöht.
Wenig' Philosophen erreichen die nähere Weisheit,
      Die Glükseligkeit ist.
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Selten wandeln Priester dem nach, der lebend sie lehrte,
      Und viel weniger sprach.
Tugend gab er nicht Menschen, die gab er Engeln. Ihr Bildnis
      Lies er den Sterblichen nur.
Mir gab er die singende Leier, und redliche Freunde.
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      Wollt' ich, was grösser noch ist,
Wollt' ich der Himmlischen Glück, die selige Liebe, noch bitten,
      O so bät' ich zu viel!
O so bät' ich auch Tugend! Die gab er Engeln! Ihr Bildnis
      Lies er den Sterblichen nur!
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Ist die Leier der Weisheit nicht heilig, und singet sie jemals
      Was geringers als sie -
Lieb' ich die Freunde nicht treu, die so voll Freundschaft mich lieben,
      O so sind mir von ihm,
Alles was er mir gab, auch die unvergeltbarsten Gaben,
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      Auch im Zorne verliehn.