B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Gottlieb Klopstock
1724 - 1803
     
   



O d e n   u n d   E l e g i e n .

L i e b e s l i e d .
Z u r   N a c h a h m u n g
d e s   T r i n k l i e d e s .


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Noch währt der Schmaus! Noch fließt der Wein!
      Doch auf, vom Becher weg!
Das liebste Mädchen küßt mich heut
      Im Europäerland!

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Schon rauscht ihr leicht gehobner Fus,
      Und kündigt sie mir an.
Heil Phillis dir und deiner Brust
      Und ihrem vollen Wuchs!

Ihr Antliz glüht von süser Lust,
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      Und herscht mich zu sich hin!
Schon ist ihr sanft geschwoll'ner Mund
      Von meinem Kusse heis.

Sprich lächelnd Weisheit um mich her,
      Mund, heis von meinem Kuß!
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Daß aller Welt Glükseligkeit
      Gar nichts dagegen sey!

Die ihr nicht eben nüchtern sizt
      Am bechervollen Tisch!
Flieht, flieht den Becher, Phillis küßt
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      Den Durst nach Weine weg.

Willkommen, Herz für mich gemacht!
      Wenn seelenvoll ihr Blik
Von Wollust glüht; dann sink ich sanft
      An ihre volle Brust.

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Wenn nun mein trunken Auge schwimmt,
      Entzükung ohne Maas
Weit um sich her; dann bebt mein Herz
      Zu ihrem Herzen hin.

Dann treten wir viel seliger,
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      Als Könige daher;
Und fühlen, daß dies Wahrheit sey.
      Das geht durch Mark und Bein!

Uns preist mit frohem Ungestüm
      Der Bräut'gam und die Braut.
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Er schaut auf uns nacheifernd hin,
      Und küßt sie feuriger.

Und drükt sie milder an sein Herz,
      Und lispelt ihr ins Ohr:
Sind wir den Göttern auch nicht gleich;
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      So lieben wir doch auch!

Uns preist, voll Freuden einer Braut,
      Die Mutter ihrem Sohn;
Sie drükt ihn an ihr Herz und spricht:
      Sey wie dein Vater war!

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Nur uns gehört die Ewigkeit,
      Wenn wir gestorben sind,
Damit der Enkelinnen Sohn
      Versteh, was Liebe sey.