BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Georg Christoph Lichtenberg

1742 - 1799

 

Sudelbücher

 

Sudelbücher G und H

1779 - 1788

 

[Die Handschriften zu diesen Büchern sind nicht erhalten]

 

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Die Erinnerung an meine Mutter und ihre Tugend ist bei mir gleichsam zum Kordial geworden, das ich immer mit dem besten Erfolg nehme, wenn ich irgend zum Bösen wankend werde.

[G.H. I/26,4]

 

Wer in sich selbst verliebt ist, hat wenigstens bei seiner Liebe den Vorteil, daß er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird.

[G.H. I/129,5]

 

Wenn ich je eine Predigt drucken lasse, so ist es über das Vermögen, Gutes zu tun, das jeder besitzt. Der Henker hole unser Dasein hienieden, wenn nur der Kaiser Gutes tun könnte. Jeder ist ein Kaiser in seiner Lage.

[G.H. I/144,1]

 

In jedes Menschen Charakter sitzt etwas, das sich nicht beschreiben läßt – das Knochengebäude des Charakters; und dieses ändern zu wollen, heißt immer, ein Schaf das Apportieren lehren.

[G.H. I/166,2]

 

Wo Mäßigung ein Fehler ist, da ist Gleichgültigkeit ein Verbrechen.

[G.H. I/166,4]

 

Wenn man auf einer entfernten Insel einmal ein Volk anträfe, bei dem alle Häuser mit scharfgeladenem Gewehr behängt wären und man beständig des Nachts Wache hielte, was würde ein Reisender anders denken können, als daß die ganze Insel von Räubern bewohnt wäre? Ist es aber mit den europäischen Reichen anders? Man sieht hieraus, von wie wenigem Einfluß die Religion überhaupt auf Menschen ist, die sonst kein Gesetz über sich erkennen, oder wenigstens, wie weit wir noch von einer wahren Religion entfernt sind. Daß die Religion selbst Kriege veranlaßt hat, ist abscheulich und die Erfinder der Systeme werden gewiß dafür büßen müssen. Wenn die Großen und ihre Minister wahre Religion, und die Untertanen vernünftige Gesetze und ein System hätten, so wäre allen geholfen.

[G.H. I/225,2]

 

Ein etwas vorschnippischer Philosoph, ich glaube Hamlet, Prinz von Dänemark, hat gesagt, es gäbe eine Menge Dinge im Himmel und auf Erde, wovon nichts in unseren Kompendien stände. Hat der einfältige Mensch, der bekanntlich nicht recht bei Trost war, damit auf die Kompendien der Physik gestichelt, so kann man ihm getrost antworten: aber dafür stehen auch wieder eine Menge von Dingen in unseren Kompendien, wovon weder im Himmel noch auf der Erde etwas vorkommt.

[G.H. II/68,1]

 

Das Buch, das in der Welt am ersten verboten zu werden verdiente wäre ein Katalogus von verbotenen Büchern.

[G.H. II/69,3]

 

In einem Lande, wo den Leuten, wenn sie verliebt sind, die Augen im Dunkeln leuchteten, brauchte man des Abends keine Laternen.

[G.H. II/69,8]

 

Einer zeugt den Gedanken, der andere hebt ihn aus der Taufe, der Dritte zeugt Kinder mit ihm, der Vierte besucht ihn am Sterbebette, und der Fünfte begräbt ihn.

[G.H. II/86]

 

Das Buch, das in der Welt am ersten verboten zu werden verdiente, wäre ein Katalogus von verbotenen Büchern.

[G.H. II/69,3]

 

Wir von Gottes Ungnaden Taglöhner, Leibeigene, Neger, Fronknechte etc.

[G.H. II/105,10]

 

Die Neigung der Menschen, kleine Dinge für wichtig zu halten, hat sehr viel Großes hervorgebracht.

[G.H. II/191,3]