B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Friedrich Schiller
1759 - 1805
     
   


A n t h o l o g i e
a u f   d a s   J a h r   1 7 8 2


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[193]
      Der Unterschied.
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Nein, Liebe, nein! du kannsts nicht seyn!
Dich kenn ich! Freundschaft ists allein,
      Was mich zu Daphnen zieht!
Bey ihr wird jezt mein Herz kaum warm,
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Doch glüht' es einst in Chloens Arm!
      Es ist – ein Unterschied!

Wann Chloe mir entgegen gieng,
Wie klopfte zitternd mein Herz? Wie hieng
      Der Himmel um mich her?
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Sie kam und gab mir ihre Hand,
Ich sah ihr Aug auf mich gewandt,
      Und sah den Himmel nicht mehr!

[194]
Wann Daphne mir im Garten winkt,
So oft sie ihre Blumen tränkt,
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      Eil ich wohl auch herbey!
Doch klopft nur vom Gefühl der Lust
Und nicht von Liebe meine Brust,
      Doch fühl ich nur den May.

Wann ich an Chloens Busen lag,
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Wie riß im Flug die Sonne den Tag
      Ob unsren Häuptern fort!
Der Stern des Morgens kam zurük
Als Stern des Abends, da fand sein Blik
      Uns noch am nehmlichen Ort.

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Für Daphnen und die Fröhlichkeit
Ist jezt mein Abend nur geweyht,
      Der uns zum Scherz vereint.
Und komm ich jemals ungefragt
So werd ich lachend fortgejagt,
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      Bis meine Zeit erscheint.

[195]
Wann Chloe bebend mich umfieng,
Ihr Mund untrennbar an meinem hieng,
      Wann aufgelößt im Kuß
Ganz ihre Seele sich ergoß,
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Ganz in die meine hinüber floß,
      Da hieng mein Leben am Kuß!

Wann Daphne mich zuweilen küßt,
So selten auch der Zufall ist,
      Brennt auch die Wange mir.
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Doch wann mein Herz zu sichtbar wallt,
So kühlt ihr Scherz die Flamme bald,
      Und Wasser hilft dafür.

Nein, Mädchen! Liebe kanns nicht seyn,
Sie kenn ich! Freundschaft ists allein
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      Was jezt zu dir mich zieht.
Zwar machst du mir oft ziemlich warm.
Doch glüht' ich nur in Chloens Arm!
      Es ist – ein Unterschied!

G.