BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Schiller

1759 - 1805

 

Der versöhnte Menschenfeind

 

1790

 

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Schluss der Dritten Scene.

 

Angelika. Ach Rosenberg, was haben Sie gethan? Sie haben sehr übel gethan.

Rosenberg. Das fürcht ich nicht meine Liebe. Es war ja ihr Wille, daß wir mit einander bekannt werden sollten, sie wünschten, daß ich ihn interessiren möchte. [109]

Angelika. Wie? Und das wollen sie dadurch erreichen, daß sie ihn gegen sich aufbringen?

Rosenberg. Für jezt durch nichts anders. Sie haben mir selbst erzählt, wie viele Versuche auf seine Gemüthskrankheit schon mißlungen sind. Alle jene unbestellten feierlichen Sachwalter der Menschheit haben ihn nur seine Ueberlegenheit fühlen lassen und sind schlecht genug gegen die verfängliche Beredsamkeit seines Kummers bestanden. Ihm mag es einerley seyn, ob wir übrigen an die Gerechtigkeit dieses Haßes glauben, aber nie wird er's dulden, daß wir geringschätzig davon denken. Dieser Demüthigung fügt sich sein Stolz nicht. Uns zu wiederlegen war ihm freylich nicht der Mühe werth, aber in seinem Unwillen kann er sich wohl entschließen, uns zu beschämen – Es kommt zum Gespräch – das ist alles, was wir fürs erste wünschten.

Angelika. Sie nehmen es zu leicht lieber Rosenberg. – Sie getrauen sich mit meinem Vater zu spielen. Wie sehr fürchte ich –

Rosenberg. Fürchten Sie nichts, meine Angelika. Ich fechte für Wahrheit und Liebe. Seine Sache ist so schlimm, als die meinige gut ist. [110]

Wilhelmine. (welche diese ganze Zeit über wenig Antheil an der Unterredung zu nehmen geschienen hat.) Sind Sie dessen würklich so gewiß, Herr von Rosenberg?

Rosenberg. (der sich rasch zu ihr wendet, nach einem kurzen Stillschweigen, ernsthaft.) Ich denke, daß ichs bin, mein gnädiges Fräulein.

Wilhelmine. (steht auf) Dann schade um meinen armen Bruder! Es ist ihm so schwer gefallen, der unglückliche Mann zu werden, der er ist, und, wie ich sehe, ist es etwas so leichtes, ihm das Urtheil zu sprechen.

Angelika. Lassen sie uns nicht zu voreilig richten, Rosenberg. Wir wissen so wenig von den Schicksalen meines Vaters.

Rosenberg. Mein ganzes Mitleid soll ihm dafür werden, liebe Angelika – aber nie meine Achtung, wenn sie ihn wirklich zum Menschenhasser machten. – Es ist ihm schwer gefallen, sagen sie, (zu der Stiftsdame) dieser unglückliche Mann zu werden – aber wollten sie wohl die Rechtfertigung eines Menschen übernehmen, der dasjenige an sich vollendet, was ein schreckliches Schicksal ihm noch erlassen hat? Dem Rasenden wohl das Wort reden, der auch den einzigen Mantel noch von [111] sich wirft, den ihm Räuber gelassen haben? – Oder wissen sie mir einen ärmern Mann zwischen Himmel und Erde, als den Menschenfeind?

Wilhelmine. Wenn er in der Verfinsterung seines Jammers nach Giften greift, wo er Linderung suchte, was geht das sie Glücklichen an? Ich möchte den blinden Armen nicht hart anlassen, dem ich kein Auge zu schenken habe.

Rosenberg. (mit aufsteigender Röthe, und etwas lebhafter Stimme) Nein, bei Gott! Nein, – aber meine Seele entbrennt über den Undankbaren, der sich die Augen muthwillig zudrükt, und dem Geber des Lichtes flucht – Was kann er gelitten haben, das ihm durch den Besitz dieser Tochter nicht unendlich erstattet wird? Darf er einem Geschlechte fluchen, das er täglich, stündlich in diesem Spiegel sieht? Menschenhaß, Menschenfeind! Er ist keiner. Ich will es beschwören, er ist keiner. Glauben Sie mir Fräulein von Hutten, es giebt keinen Menschenhasser in der Natur, als wer sich allein anbetet, oder sich selbst verachtet.

Angelika. Gehen Sie Rosenberg. Ich beschwöre sie, gehen Sie. In dieser Stimmung dürfen sie sich meinem Vater nicht zeigen.

Rosenberg. Recht gut, daß sie mich erinnern Angelika. – Wir haben hier ein Gespräch angefangen, wobey ich [112] immer versucht bin, allzulebhaft Partey zu nehmen – Verzeihen sie mein Fräulein. – Auch möcht ich nicht gern Gefahr laufen, vorschnell zu seyn, und soll doch erst heute mit dem Vater meiner Angelika bekannt werden. – Von etwas anderm denn, – Dieses Gesicht wird so ernsthaft und die Wangen der Tochter muß ich erst heiter sehen, wenn ich Muth haben soll, bey dem Vater für meine Liebe zu kämpfen – das ganze Städtchen war ja geschmückt, wie an einem Festtag, als ich vorbey kam. Wozu diese Anstalt?

Angelika. Meinen Vater zu seinem Geburtstage zu begrüßen.