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B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
  Johann Gottfried Schnabel
vor 1692 - nach 1750

 
 
   
   



W u n d e r l i c h e
F a t a   e i n i g e r
S e e f a h r e r


1 .   T e i l   ( 1 7 3 1 )
S e i t e   3 4 0 - 3 7 2


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     [340] Dieser Einfall scheinet meinem Vater sehr geschicklich, seinen Stand, Person und gantzes Wesen, allen erforderlichen Umständen nach, zu verbergen, derowegen macht er sich denselben von Stund an wohl zu Nutze, und passiret auch solcher Gestalt vor allen Leuten, als ein abgedanckter Schulmeister, zumahl da er sich eine darzu behörige Kleidung verfertigen lässet. Er schrieb eine sehr feine Hand, derowegen geben ihm die daherum wohnenden Pfarr=Herren und andere Gelehrten so viel abzuschreiben, daß er das tägliche Brod vor sich, meine Mutter und mich damit kümmerlich verdienen kan, und also der wohlthätigen Müllerin nicht allzu beschwerlich fallen darff, die dem ohngeacht nicht unterließ, meine Mutter wöchentlich mit Gelde und andern Bedürffnissen zu versorgen.

     Doch etwa ein halbes Jahr nach meiner Geburth legt sich diese Wohlthäterin unverhofft aufs krancken Bette nieder, und stirbt, nachdem sie vorhero meine Mutter zu sich kommen lassen, und derselben einen Beutel mit Gold=Stücken, die sich am Werthe höher als 40. Pfund Sterlings belauffen, zu meiner Erziehung eingehändiget, und ausdrücklich gesagt hatte, daß wir dieses ihres heimlich gesammleten Schatz=Geldes würdiger und bedürfftiger wären, als ihr ungetreuer Mann, der ein weit mehreres mit Huren durchgebracht, und vielleicht alles, was er durch die Heyrath mit ihr erworben, nach ihrem Tode auch bald durchbringen würde.

     Mit diesem kleinen Capitale sehen sich meine Eltern bey ihren damahligen Zustande ziemlich geholf=[341]fen, und mein Vater läst sich in den Sinn kommen, seine Frau und Kind aufzupacken, und mit diesem Gelde nach Holland oder Franckreich überzugehen, um daselbst entweder zu Lande oder zur See Kriegs=Dienste zu suchen, allein, auf inständiges Bitten meiner Mutter, läst er sich solche löbliche Gedancken vergehen, und dahin bringen, daß er den erledigten Schulmeister=Dienst in unsern Dorffe annimmt, der jährlich, alles zusammen gerechnet, etwa 10. Pfund Sterlings Einkommens gehabt.

     Vier Jahre lang verwaltet mein Vater diesen Dienst in stillen Vergnügen, weil sich sein und meiner Mutter Sinn nun gäntzlich in dergleichen Lebens=Art verliebet. Jederman ist vollkommen wohl mit ihm zu frieden und bemühet, seinen Fleiß mit ausserordentlichen Geschencken zu vergelten, weßwegen meine Eltern einen kleinen Anfang zu Erkauffung eines Bauer=Gütgens machen, und ihr bißhero zusammen gespartes Geld an Ländereyen legen wollen, weil aber noch etwas weniges an den bedungenen Kauff=Geldern mangelt, siehet sich meine Mutter genöthiget, das letzte und beste gehänckelte Gold=Stück, so sie von der Müllerin bekommen, bey ihrer Nachbarin zu versetzen.

     Diese falsche Frau gibt zwar so viele kleine Müntze darauf, als meine Mutter begehret, weil sie aber das sehr kennbare Gold=Stück sehr öffters bey der verstorbenen Müllerin gesehen, über dieses mit dem Müller in verbothener Buhlschafft leben mag, zeiget sie das Gold=Stück dem Müller, der dasselbe gegen ein ander Pfand von ihr nimmt, zum [342] Ober=Richter trägt, meinen Vater und Mutter eines Diebstahls halber anklagt, und es dahin bringt, daß beyde zugleich plötzlich, unwissend warum, gefangen und in Ketten und Banden geschlossen werden.

     Anfänglich vermeynet mein Vater, seine Feinde am Königlichen Hofe würden ihn allhier ausgekundschafft und feste gemacht haben, erschrickt aber desto hefftiger, als man ihn so wohl als meine Mutter wegen des Diebstahls, den sie bey der verstorbenen Müllerin unternommen haben solten, zur Rede setzt. Sintemal aber in diesem Stücke beyde ein gutes Gewissen haben, und fernere Weitläufftigkeiten zu vermeiden, dem Ober=Richter die gantze Sache offenbaren, werden sie zwar nach fernern weitläufftigen Untersuchungen von des Müllers Anklage loß gesprochen, jedennoch so lange in gefänglicher Hafft behalten, biß sie ihres Standes und Wesens halber gewissere Versicherungen einbrächten, weiln das Vorgeben wegen eines vertriebenen Schulmeisters falsch befunden worden, und der Ober=Richter, ich weiß nicht was vor andere verdächtige Personen, in ihrer Haut gesucht.

     Mittlerweile lieff ich armer 6. jähriger Wurm in der Irre herum, und nehrete mich von den Brosamen, die von frembder Leute Tische fielen, hatte zwar öffters Erlaubniß, meine Eltern in ihren Gefängnisse zu besuchen, welche aber, so offt sie mich sahen, die bittersten Thränen vergossen, und vor Jammer hätten vergehen mögen. Da ich nun solcher Gestalt wenig Freude bey ihnen hatte, kam [343] ich künfftig desto sparsamer zu ihnen, gesellete mich hergegen fast täglich zu einem Gänse=Hirten, bey dem ich das Vergnügen hatte, im Felde herum zu lauffen, und mit den mir höchst angenehmen Creaturen, nehmlich den jungen und alten Gänsen, zu spielen, und sie hüten zu helffen, wovor mich der Gänse=Hirte mit aller Nothdurfft ziemlich versorgte.

     Eines Tages, da sich dieser mein Wohlthäter an einen schattigten Orte zur Ruhe gelegt, und mir das Commando über die Gänse allein überlassen hatte; kam ein Cavalier mit zweyen Bedienten geritten, welchen ein grosser Englischer Hund folgte. Dieser tummelte sich unter meinen Gänsen lustig herum, und biß fast in einem Augenblick 5. oder 6. Stück zu Tode. So klein als ich war, so hefftig ergrimmte mein Zorn über diesen Mörder, lieff derowegen als ein junger Wüterich auf denselben loß, und stieß ihm mit einen bey mir habenden spitzigen Stock dermassen tieff in den Leib hinein, daß er auf der Stelle liegen blieb. Der eine Bediente des Cavaliers kam derowegen schrecklich erbost zurück geritten, und gab mir mit der Peitsche einen ziemlichen Hieb über die Lenden, weßwegen ich noch ergrimmter wurde, und seinem Pferde etliche blutige Stiche gab.

     Hierauf kam so wohl mein Meister als der Cavalier selbst herbey, welcher letztere über die Hertzhafftigkeit eines solchen kleinen Knabens, wie ich war, recht erstaunete, zumahlen ich denjenigen, der mich geschlagen hatte, noch immer mit grimmigen Gebärden ansahe. Der Cavalier aber ließ sich [344] mit dem Gänse=General in ein langes Gespräch ein, und erfuhr von demselben mein und meiner Eltern Zustand. Es ist Schade, sagte hierauf der Cavalier, daß dieser Knabe, dessen Gesichts=Züge und angebohrne Hertzhafftigkeit etwas besonderes zeigen, in seiner zarten Jugend verwahrloset werden soll. Wie heissest du, mein Sohn? fragte er mit einer liebreichen Mine, David Rawkin, gab ich gantz trotzig zur Antwort. Er fragte mich weiter: Ob ich mit ihm reisen, und bey ihm bleiben wolte, denn er wäre ein Edelmann, der nicht ferne von hier sein Schloß hätte, und gesinnet sey, mich in einen weit bessern Stand zu setzen, als worinnen ich mich itzo befände. Ich besonne mich nicht lange, sondern versprach ihm, gantz gern zu folgen, doch mit dem Bedinge, wenn er mir vor dem bösen Kerl Friede schaffen, und meinen Eltern aus dem Gefängniß helffen wolte. Er belachte das erstere, und versicherte, daß mir niemand Leyd zufügen solte, wegen meiner Eltern aber wolle er mit dem Ober=Richter reden.

     Demnach nahm mich derjenige Bediente, welcher mein Feind gewesen, nunmehro mit sehr freundlichen Gebärden hinter sich aufs Pferd, und folgten dem Cavalier, der dem Gänse=Hirten 2. Hände voll Geld gegeben, und befohlen hatte, meinen Eltern die Helffte davon zu bringen, und ihnen zu sagen, wo ich geblieben wäre.

     Es ist nicht zu beschreiben, mit was vor Gewogenheit ich nicht allein von des Edelmanns Frau und ihren zwey 8. biß 10.jahrigen Kindern, als einem Sohne und einer Tochter, sondern auch von [345] dem gantzen Hauß=Gesinde angenommen wurde, weil mein munteres Wesen allen angenehm war. Man steckte mich so gleich in andere Kleider, und machte in allen Stücken zu meiner Auferziehung den herrlichsten Anfang. Mein Herr nahm mich wenig Tage hernach mit sich zum Ober=Richter, und würckte so viel, daß meine Eltern, die derselbe im Gefängnisse fast gantz vergessen zu haben schien, aufs neue zum Verhör kamen. Kaum aber hatte mein Herr meinen Vater und Mutter recht in die Augen gefasset, als ihm die Thränen von den Wangen rolleten, und er sich nicht enthalten konte, vom Stuhle aufzustehen, sie beyderseits zu umarmen.

     Mein Vater sahe sich solcher Gestalt entdeckt, hielt derowegen vor weit schädlicher, sich gegen dem Ober=Richter ferner zu verstellen, sondern offenbarete demselben seinen gantzen Stand und Wesen. Mein Edelmann, der sich Eduard Sadby nennete, sagte öffentlich: Ich bin in meinem Hertzen völlig überzeugt, daß diese armen Leute an dem Laster der beleydigten Majestät, welches ihre Eltern und Freunde begangen haben, unschuldig sind, man verfähret zu scharff, indem man die Straffe der Eltern auch auf die unschuldigen Kinder ausdehnet. Mein Gewissen läst es unmöglich zu, diese Erbarmens=würdigen Standes=Personen mit verdammen zu helffen, ohngeacht ihre Vorfahren seit hundert Jahren her meines Geschlechts Todt=Feinde gewesen sind.

     Mit allen diesen Vorstellungen aber konte der ehrliche Eduard nichts mehr ausrichten, als daß [346] meinen Eltern alle ihre verarrestirten Sachen wieder gegeben, und sie in einer, ihrem Stande nach, leidlichern Verwahrung gehalten wurden, weil der Ober=Richter zu vernehmen gab, daß er sie, seiner Pflicht gemäß, nicht eher völlig loß geben könne, biß er die gantze Sache nach Londen berichtet, und von da her Befehl empfangen hätte, was er mit ihnen machen solte. Hiermit musten wir vor dieses mahl alle zu frieden seyn, ich wurde von ihnen viele hundert mahl geküsset, und muste mit meinem gütigen Pflege=Vater wieder auf sein Schloß reisen, der mich von nun an so wohl als seine leibliche Kinder zu verpflegen Anstalt machte, auch meine Eltern mit hundert Pfund Sterlings, ingleichen mit allerhand Standes=mäßigen Kleidern und andern Sachen beschenckte.

     Allein, das Unglück war noch lange nicht ermüdet, meine armen Eltern zu verfolgen, denn nach etlichen Wochen lieff bey dem Ober=Richter ein Königlicher Befehl ein, welcher also lautete: Daß ohngeacht wider meine Eltern nichts erhebliches vorhanden wäre, welches sie des Verbrechens ihrer Verwandten, mitschuldig erklären könne, so solten sie dem ohngeacht, verschiedener Muthmassungen wegen, in das Staats=Gefängniß nach Londen geliefert werden.

     Diesemnach wurden dieselben unvermuthet dahin geschafft, und musten im Tour, obgleich als höchst=unschuldig befundene, dennoch ihren Feinden zu Liebe, die ihre Güter unter sich getheilet, so lange schwitzen, biß sie etliche Monate nach des Königs Enthauptung, ihre Freyheit nebst der Hoff=[347]nung zu ihren Erb=Gütern, wieder bekamen; allein, der Gram und Kummer hatte seit etlichen Jahren beyde dermassen entkräfftet, daß sie sich in ihren besten Jahren fast zugleich aufs Krancken=Bette legten, und binnen 3. Tagen einander im Tode folgeten.

     Ich hatte vor dem mir höchst=schmertzlichen Abschiede noch das Glück, den Väterlichen und Mütterlichen letzten Seegen zu empfangen, ihnen die Augen zuzudrücken, anbey ein Erbe ihres gantzen Vermögens, das sich etwa auf 150. Pfund Sterl. nebst einem grossen Sacke voll Hoffnung belieff, zu werden.

     Eduard ließ meine Eltern Standes=mäßig zur Erden bestatten, und nahm sich nachhero meiner als ein getreuer Vater an, allein, ich weiß nicht, weßwegen er hernach im Jahr 1653. mit dem Protector Cromwel zerfiel, weßwegen er ermordet, und sein Weib und Kinder in eben so elenden Zustand gesetzt wurden, als der meinige war.

     Mit diesem Pfeiler fiel das gantze Gebäude meiner Hoffnung, wiederum in den Stand meiner Vor=Eltern zu kommen, gäntzlich darnieder, weil ich als ein 13.jähriger Knabe keinen eintzigen Freund zu suchen wuste, der sich meiner mit Nachdruck annehmen möchte. Derowegen begab ich mich zu einem Kauffmanne, welchen Eduard meinetwegen 200. Pfund Sterlings auf Wucher gegeben hatte, und verzehrete bey ihm das Interesse. Dieser wolte mich zwar zu seiner Handthierung bereden, weil ich aber durchaus keine Lust darzu hatte, hergegen entweder ein Gelehrter oder ein Soldat werden wolte, [348] muste er mich einem guten Meister der Sprachen übergeben, bey dem ich mich dergestalt angriff, daß ich binnen Jahres Frist mehr gefasset, als andere, die mich an Jahren weit übertraffen.

     Eines Tages, da ich auf denjenigen Platz spatziren ging, wo ein neues Regiment Soldaten gemustert werden solte, fiel mir ein Mann in die Augen, der von allen andern Menschen sonderbar respectiret wurde. Ich fragte einen bey mir stehenden alten Mann: Wer dieser Herr sey? und bekam zur Antwort: Daß dieses derjenige Mann sey, welcher der gantzen Nation Freyheit und Glückseeligkeit wieder hergestellet hätte, der auch einem jeden Unterdrückten sein rechtes Recht verschaffte. Wie heisset er mit Nahmen? war meine weitere Frage, worauf mir der Alte zur Antwort gab: Er heisset Oliverius Cromwell, und ist nunmehro des gantzen Landes Protector.

     Ich stund eine kleine Weile in Gedancken, und fragte meinen Alten nochmahls: Solte denn dieser Oliverius Cromwell im Ernste so ein redlicher Mann seyn?

     Indem kehrete sich Cromwell selbst gegen mich, und sahe mir starr unter die Augen. Ich sahe ihn nicht weniger starr an, und brach plötzlich mit unerschrockenem Muthe in folgende Worte aus: Mein Herr, verzeihet mir! ich höre, daß ihr derjenige Mann seyn sollet, der einem jeden, er sey auch wer er sey, sein rechtes Recht verschaffe, derowegen liegt es nur an euch, dieserwegen eine Probe an mir abzulegen, weil schwerlich ein gebohrner vornehmer Engelländer härter und unschuldiger gedrückt ist, als eben ich.

     [349] Cromwell ließ seine Bestürtzung über meine Freymüthigkeit deutlich genug spüren, fassete aber meine Hand, und führete mich abseits, allwo er meinen Nahmen, Stand und Noth auf einmahl in kurtzen Worten erfuhr. Er sagte weiter nichts darzu, als dieses: Habt kurtze Zeit Gedult, mein Sohn! ich werde nicht ruhen, biß euch geholffen ist, und damit ihr glaubet, daß es mein rechter Ernst sey, will ich euch gleich auf der Stelle ein Zeichen davon geben. Hiermit führete er mich mitten unter einen Troupp Soldaten, nahm einem Fähndrich die Fahne aus der Hand, übergab selbige an mich, machte also auf der Stätte aus mir einen Fähndrich, und aus dem vorigen einen Lieutenant.

     Mein Monathlicher Sold belieff sich zwar nicht höher als auf 8. Pfund Sterlings, doch Cromwells Freygebigkeit brachte mir desto mehr ein, so, daß nicht allein keine Noth leiden, sondern mich so gut und besser als andere Ober=Officiers aufführen konte. Immittelst verzögerte sich aber die Wiedereinsetzung in meine Güter dermassen, biß Cromwell endlich darüber verstarb, sein wunderlicher Sohn Richard verworffen, und der neue König, Carl der andere, wiederum ins Land geruffen wurde. Bey welcher Gelegenheit sich meine Feinde aufs neue wider mich empöreten, und es dahin brachten, daß ich meine Kriegs=Bedienung verließ, und mit 400. Pfund Sterl. baaren Gelde nach Holland überging, des festen Vorsatzes, mein, mir und meinen Vorfahren so widerwärtiges Vaterland nimmermehr wieder mit einem Fusse zu betreten.

     Ich hatte gleich mein zwanzigstes Jahr erreicht, [350] da mich das Glücke nach Holland überbrachte, allwo ich binnen einem halben Jahre viel schöne Städte besahe, doch in keiner derselben einen andern Trost vor mich fand, als mein künfftiges Glück oder Unglück auf der See zu suchen. Weil aber meine Sinnen hierzu noch keine vollkommene Lust hatten, so setzte meine Reise nach Teutschland fort, um selbiges als das Hertz von gantz Europa wohl zu betrachten. Mein Haupt=Absehen aber war entweder unter den Käyserl. oder Chur=Brandenburgl. Völckern Kriegs=Dienste zu suchen, jedoch zu meinem grösten Verdrusse wurde eben Friede, und mir zu gefallen wolte keinem eintzigen wiederum Lust ankommen, Krieg anzufangen.

     Inzwischen passirete mir auf dem Wege durch den beruffenen Thüringer Wald, ein verzweiffelter Streich, denn als ich eines Abends von einem grausamen Donner=Wetter und Platz=Regen überfallen war, so sahe mich bey hereinbrechender Nacht genöthiget, vom Pferde abzusteigen und selbiges zu führen, biß endlich, da ich mich schon weit verirret und etwa gegen Mitternacht mit selbigen meine Ruhe unter einem grossen Eichbaume suchen wolte, der Schein eines von ferne brennenden Lichts, durch die Sträucher in meine Augen fiel, der mich bewegte meinen Gaul aufs neue zu beunruhigen, um dieses Licht zu erreichen. Nach verfliessung einer halben Stunde war ich gantz nahe dabey, und fand selbiges in einem Hause, wo alles herrlich und in Freuden zugieng, indem ich von aussen eine wunderlich schnarrende Music hörete, und durch das Fenster 5. oder 6. paar Menschen im Tantze erblickte. Mein [351] vom vielen Regen ziemlich erkälteter Leib, sehnete sich nach einer warmen Stube, derowegen pochte an, bat die heraus guckenden Leute um ein Nacht=Quartier, und wurde von ihnen aufs freundlichste empfangen. Der sich angebende Wirth führete mein Pferd in einen Stall, brachte meinen blauen Mantel=Sack in die Stube, ließ dieselbe warm machen, daß ich meine nassen Kleider trocknen möchte, und setzte mir einige, eben nicht unappetitliche Speisen für, die mein hungeriger Magen mit gröster Begierde zu sich nahm. Nachhero hätte mich zwar gern mit drey anwesenden ansehnlichen Manns=Personen ins Gespräche gegeben, da sie aber weder Engel= noch Holländisch, vielweniger mein weniges Latein verstehen konten, und mit zerstückten Deutschen nicht zufrieden seyn wolten, legte ich mich auf die Streu nieder, und zwar an die Seite eines Menschen, welchen der Wirth vor einen bettlenden Studenten ausgab, blieb auch bey ihm liegen, ohngeacht mir der gute Wirth nachhero, unter dem Vorwande, daß ich allhier voller Ungeziefer werden würde, eine andere Stelle anwiese.

     Ich hatte die Thorheit begangen, verschiedene Gold=Stücke aus meinem Beutel sehen zu lassen, jedoch selbige nachhero so wol als mein übriges Geld um den Leib herum wol verwahret, meinen Mantel=Sack unter den Kopf, Pistolen und Degen aber neben mich gelegt. Allein dergleichen Vorsicht war in so weit vergeblich, da ich in einen solchen tieffen Schlaff verfalle, der, wo es GOTT nicht sonderlich verhütet, mich in den Todes=Schlaf versenckt hätte. Denn kaum zwey Stunden nach mei=[352]nem niederliegen, machten die drey ansehnlichen Manns=Personen, welches in der That Spitzbuben waren, einen Anschlag auf mein Leben, hätten mich auch mit leichter Mühe ermorden können, wenn nicht der ehrliche neben mir liegende studiosus, welches der nunmehro seelige Simon Heinrich Schimmer war, im verstellten Schlafe alles angehöret, und mich errettet hätte.

     Die Mörder nehmen vorhero einen kurtzen Abtritt aus der Stube, derowegen wendet Schimmer allen Fleiß an, mich zu ermuntern, da aber solches unmöglich ist, nimmt er meine zum Häupten liegenden Pistolen und Degen unter seinen Rock, welcher ihm zur Decke dienete, vermerckt aber bald, daß alle drey wieder zurück kommen, und daß einer mit einem grossen Messer in der Hand, mir die Kehle abzuschneiden, mine macht.

     Es haben sich kaum ihrer zwey auf die Knie gesetzt, einer nemlich, mir den tödtlichen Schnitt zu geben, der andere aber Schimmers Bewegung in acht zu nehmen, als dieser Letztere plötzlich aufspringet, und fast in einem tempo alle beyde zugleich darnieder schiesset, weil er noch vor meinem niederliegen wahr genommen, daß ich die Pistolen ausgezogen und jede mit 2. Kugeln frisch geladen hatte. Indem ich durch diesen gedoppelten Knall plötzlich auffuhr, erblickte ich, daß der dritte Haupt=Spitz=Bube von Schimmern mit dem Degen darnieder gestochen wurde. Dem ohngeacht hatten sich noch 3. Mannes= und 4. Weibs=Personen vom Lager erhoben, welche uns mit Höltzernen Gewehren darnieder zuschlagen vermeyneten, allein da ich unter Schim=[353]mers Rocke meinen Degen fand und zum Zuge kam, wurde in kurtzen reine Arbeit gemacht, so, daß diese 7. Personen elendiglich zugerichtet, auf ihr voriges Lager niederfallen musten. Am lächerlichsten war dieses bey dem gantzen Streite, daß mich eine Weibs=Person, mit einer ziemlich starck angefüllten Katze voll Geld, über den Kopf schlug, so daß mir fast hören und sehen vergangen wäre, da aber diese Amazonin durch einen gewaltigen Hieb über den Kopff in Ohnmacht gebracht, hatte ich Zeit genung, mich ihres kostbaren Gewehrs zu bemächtigen, und selbiges in meinem Busen zu verbergen.

     Mittlerweile da Schimmer, mit dem von mir geforderten Kraut und Loth, die Pistolen aufs neue pfefferte, kam der Wirth mit noch zwey Handfesten Kerln herzu, und fragte: Was es gäbe? Schimmer antwortete: Es giebt allhier Schelme und Spitzbuben zu ermorden, und derjenige so die geringste mine macht uns anzugreiffen, soll ihnen im Tode Gesellschafft leisten. Demnach stelleten sich der Wirth nebst seinen Beyständen, als die ehrlichsten Leute von der Welt, schlugen die Hände zusammen und schryen: O welch ein Anblick? Was hat uns das Unglück heute vor Gäste zugeführet? Allein Schimmer stellete sich als ein anderer Hercules an, und befahl, daß der Wirth sogleich mein Pferd gesattelt hervor führen solte, mittlerweile sich seine zwey Beystände als ein paar Hunde vor der Stuben=Thür niederlegen musten. Wir beyde kleideten uns inzwischen völlig an, liessen mein Pferd heraus führen, die Thür eröffnen, und durch [354] den Wirth den Mantel=Sack aufbinden, reiseten also noch vor Tages Anbruch hinweg, und bedachten hernach erstlich, daß der Wirth vor grosser Angst nicht ein mal die Zehrungs=Kosten gefordert hatte, vor welche ihm allen Ansehen nach 3. oder 4. Todte, und 6. sehr Verwundete hinterlassen waren.

     Wir leiteten das Pferd hinter uns her, und folgeten Schritt vor Schritt, ohne ein Wort mit einander zu reden, dem gebähnten Wege, auch unwissend, wo uns selbiger hinführete, biß endlich der helle Tag anbrach, der mir dieses mal mehr als sonsten, mit gantz besonderer Schätzbarkeit in die Augen leuchtete. Doch da ich mein Pferd betrachtete, befand sichs, daß mir der Wirth, statt meines blauen Mantel=Sacks, einen grünen aufgebunden hatte. Ich gab solches dem redlichen Schimmer, mit dem ich auf dem Wege in Erwegung unserer beyderseits Bestürtzung noch kein Wort gesprochen hatte, so gut zu verstehen, als mir die Lateinische Sprache aus dem Munde fliessen wolte, und dieser war so neugierig als ich, zu wissen, was wir vor Raritäten darinnen antreffen würden. Derowegen führeten wir das Pferd seitwärts ins Gebüsche, packten den Mantel=Sack ab, und fanden darinnen 5. verguldete silberne Kelche, 2 silberne Oblaten=Schachteln, vielerley Beschläge so von Büchern abgebrochen war, nebst andern kostbarn und mit Perlen gestickten Kirchen=Ornaten, gantz zuletzt aber kam uns in einem Bündel zusammen gewickelter schwartzer Wäsche, ein lederner Beutel in die Hände, worinnen sich 600. Stück species Ducaten befanden.

     [355] Schimmern überfiel bey diesem Funde so wol als mich, ein grausamer Schrecken, so daß der Angst=Schweiß über unsere Gesichter lieff, und wir beyderseits nicht wusten was mit diesen mobilien anzufangen sey. Endlich da wir einander lange genung angesehen, sagte mein Gefährte: Wehrter Frembdling, ich mercke aus allen Umbständen daß ihr so ein redliches Hertze im Leibe habt als ich, derowegen wollen wir Gelegenheit suchen, die, zu GOttes Ehre geweyheten Sachen und Heiligthümer, von uns ab= und an einen solchen Orth zu schaffen, von wannen sie wiederum an ihre Eigenthümer geliefert werden können, denn diejenigen, welche vergangene Nacht von uns getödtet und verwundet worden, sind ohnfehlbar Kirchen=Diebe gewesen. Was aber diese 600. spec. Ducaten anbelanget, so halte darvor, daß wir dieselben zur recreation vor unsere ausgestandene Gefahr und Mühe wol behalten können. Saget, sprach er, mir derowegen euer Gutachten.

     Ich gab zu verstehen daß meine Gedancken mit den Seinigen vollkommen überein stimmeten, also packten wir wiederum auf, und setzten unsern Weg so eilig, als es möglich war, weiter fort, da mir denn Schimmer unterweges sagte: Ich solte mich nur um nichts bekümmern, denn weil ich ohne dem der teutschen Sprache unkundig wäre, wolte er schon alles so einzurichten trachten, daß wir ohne fernere Weitläufftigkeit und Gefahr weit genug fortkommen könten, wohin es uns beliebte.

     Es kam uns zwar überaus Beschwerlich vor, den gantzen Tag durch den fürchterlichen Wald, [356] und zwar ohne Speise und Tranck zu reisen, jedoch endlich mit Untergang der Sonnen erreichten wir einen ziemlich grossen Flecken, allwo Schimmer sogleich nach des Priesters Wohnung fragte, und nebst mir, vor derselben halten blieb.

     Der Ehrwürdige etwa 60. jährige Priester kam gar bald vor die Thür, welchen Schimmer in Lateinischer Sprache ohngefehr also anredete: Mein Herr! Es möchte uns vielleicht vor eine Unhöfflichkeit ausgelegt werden, bey euch um ein Nacht=Quartier zu bitten, indem wir als gantz frembde Leute in das ordentliche Wirthshaus gehören, allein es zwinget uns eine gantz besondere Begebenheit, in Betrachtung eures heiligen Amts, bey euch Rath und Hülffe zu suchen. Derowegen schlaget uns keins von beyden ab, und glaubet gewiß, daß in uns beyden keine Boßheit, sondern zwey redliche Hertzen befindlich. Habt ihr aber dieser Versicherung ohngeacht ein Mißtrauen, welches man euch in Erwegung der vielen herum schweiffenden Mörder, Spitzbuben und Diebe zu gute halten muß, so brauchet zwar alle erdenckliche Vorsicht, lasset euch aber immittelst erbitten unser Geheimniß anzuhören.

     Der gute ehrliche Geistliche machte nicht die geringste Einwendung, sondern befahl unser Pferd in den Stall zu führen, uns selbst aber nöthigte er sehr treuhertzig in seine Stube, allwo wir von seiner Haußfrau, und bereits erwachsenen Kindern, wohl empfangen wurden. Nachdem wir, auf ihr hefftiges Bitten, die Abend=Mahlzeit bey ihnen eingenommen, führete uns der ehrwürdige Pfarrer auf [357] seine Studier=Stube, und hörete nicht allein die in vergangener Nacht vorgefallene Mord=Geschicht mit Erstaunen an, sondern entsetzte sich noch mehr, da wir ihm das auf wunderbare Weise erhaltene Kirchen=Geschmeide und Geräthe aufzeigeten, denn er erkannte sogleich an gewissen Zeichnungen, daß es ohnfehlbar aus der Kirche einer etwa 3. Meilen von seinem Dorffe liegende Stadt seyn müsse, und hofte deßfalls sichere Nachricht von einem vornehmen Beamten selbiger Stadt zu erhalten, welcher Morgendes Tages ohnfehlbar zu ihm kommen und mit einer seiner Töchter Verlöbniß halten würde.

     Schimmer fragte ihn hierauff, ob wir als ehrliche Leute genung thäten, wenn wir alle diese Sachen seiner Verwahrung und Sorge überliessen, selbige wiederum an gehörigen Ort zu liefern, uns aber, da wir uns nicht gern in fernere Weitläufftigkeiten verwickelt sähen, auf die weitere Reise machten. Der Priester besonne sich ein wenig, und sagte endlich: Was massen er derjenige nicht sey, der uns etwa Verdrießlichkeiten in den Weg zu legen oder aufzuhalten gesonnen, sondern uns vielmehr auf mögliche Art forthelffen, und die Kirchen=Güter so bald es thunlich, wieder an ihren gehörigen Orth bringen wolte. Allein meine Herrn, setzte er hinzu, da euch allen beyden die Redlichkeit aus den Augen leuchtet; eure Begebenheit sehr wichtig, und die Auslieferung solcher kostbaren Sachen höchst rühmlich und merckwürdig ist; Warum lasset ihr euch einen kleinen Auffenthalt oder wenige Versäumniß abschrecken, GOTT zu Ehren und der [358] Weltlichen Obrigkeit zum Vergnügen, diese Geschichte öffentlich kund zu machen? Schimmer versetzte hierauff: Mein Ehrwürdiger Herr! ich nehme mir kein Bedencken, euch mein gantzes Hertz zu offenbaren. Wisset demnach, daß ich aus der Lippischen Grafschafft gebürtig bin, und vor etlichen Jahren auf der berühmten Universität Jena dem studiren obgelegen habe, im Jahr 1655. aber hatte das Unglück, an einem nicht gar zu weit von hier liegenden Fürstlichen Hofe, allwo ich etwas zu suchen hatte, mit einem jungen Cavalier in Händel zu gerathen, und denselben im ordentlichen Duell zu erlegen, weßwegen ich flüchtig werden, und endlich unter Käyserlichen Kriegs=Völckern mit Gewalt Dienste nehmen muste. Weil mich nun dabey wohl hielt, und über dieses ein ziemlich Stück Geld anzuwenden hatte, gab mir mein Obrister gleich im andern Jahre den besten Unter=Officiers Platz, nebst der Hoffnung, daß, wenn ich fortführe mich wohl zu halten, mir mit ehesten eine Fahne in die Hand gegeben werden solte. Allein vor etwa 4. Monathen, da wir in Oesterreichischen Landen die Winter=Quartiere genossen, machte mich mein Obrister über alles vermuthen zum Lieutenant bey seiner Leib=Compagnie, welches plötzliche Verfahren mir den bittersten Haß aller andern, denen ich solchergestalt vorgezogen worden, über den Hals zohe, und da zumahlen ein Lutheraner bin, so wurde zum öfftern hinter dem Rücken vor einen verfluchten Ketzer gescholten, der des Obristen Hertz ohnfehlbar bezaubert hätte. Mithin verschweren sich etliche, mir bey ehester Gelegenheit das Lebens=Licht aus=[359]zublasen, wolten auch solches einesmahls, da ich in ihre Gesellschafft gerieth, zu Wercke richten, allein das Blat wendete sich, indem ich noch bey zeiten mein Seiten=Gewehr ergriff, zwey darnieder stieß, 3. sehr starck verwundete, und nachhero ebenfalls sehr verwundet in Arrest kam.

     Es wurde mir viel von harquibousiren vorgeschwatzt, derowegen stellete mich, ohngeacht meine Wunden bey nahe gäntzlich curiret waren, dennoch immer sehr kranck an, biß ich endlich des Nachts Gelegenheit nahm zu entfliehen, meine Kleider bey Regensburg mit einem armen Studioso zu verwechseln, und unter dessen schwartzer Kleidung in ärmlicher Gestalt glücklich durch, und biß in diejenige Mord=Grube des Thüringer Waldes zu kommen, allwo ich diesen jungen Engelländer aus seiner Mörder=Händen befreyen zu helffen das Glück hatte. Sehet also mein werther Herr, verfolgte Schimmer seine Rede, bey dergleichen Umständen will es sich nicht wol thun lassen, daß ich mich um hiesige Gegend lange aufhalte, oder meinen Nahmen kund mache, weil ich gar leicht, den vor 5. Jahren erzürneten Fürsten, der seinen erstochenen Cavalier wol noch nicht vergessen hat, in die Hände fallen könte. In Detmold aber, allwo meine Eltern seyn, will ich mich finden lassen, und bemühet leben meine Sachen an erwehnten Fürstlichen Hofe auszumachen.

     Habt ihr sonsten keine Furcht, versetzte hierauff der Priester, so will ich euch bey GOTT versichern, daß ihr um diese Gegend vor dergleichen Gefahr so sicher leben könnet, als in eurem Vaterlan=[360]de. Da er auch über dieses versprach, mit seinem zukünfftigen Schwieger=Sohne alles zu unsern weit grössern Vortheil und Nutzen einzurichten, beschlossen wir, uns diesem redlichen Manne völlig anzuvertrauen, die 600. spec. Ducaten aber, biß auf fernern Bescheid, zu verschweigen, als welche ich nebst der im Streit eroberten Geld=Katze, in welcher sich vor fast dritthalb hundert teutscher Thaler Silber=Müntze befand, in meine Reit=Taschen verbarg, und Schimmern versprach, so wol eins als das andre, redlich mit ihm zu theilen.

     Mittlerweile schrieb der Priester die gantze Begebenheit an seinen zukünfftigen Eidam, und schickte noch selbige Nacht einen reitenden Boten zu selbigem in die Stadt, von wannen denn der hurtige und redliche Beambte folgenden Morgen bey guter Zeit ankam, und die Kirchen=Güter, welche nur erstlich vor drey Tagen aus dasiger Stadt=Kirchen gestohlen worden, mit grösten Freuden in Empfang nahm. Schimmer und ich liessen uns sogleich bereden mit ihm, nebst ohngefähr 20. wohl bewehrten Bauern zu Pferde, die vortreffliche Herberge im Walde noch einmal zu besuchen, welche wir denn gegen Mitternacht nach vielen suchen endlich fanden. Jedoch nicht allein der verzweiffelte Wirth mit seiner gantzen Familie, sondern auch die andern Galgen=Vögel waren alle ausgeflogen, biß auf 2. Weibs= und eine Manns=Person, die gefährlich verwundet in der Stube lagen, und von einer Steinalten Frau verpflegt wurden. Diese wolte anfänglich von nichts wissen, stellete sich auch gäntzlich taub und halb blind an, doch endlich nach scharffen Dro=[361]hungen zeigete sie einen alten wohlverdeckten Brunnen, aus welchen nicht allein die vier käntlichen Cörper, der von uns erschossenen und erstochenen Spitzbuben, sondern über dieses noch 5. theils halb, theils gäntzlich abgefaulte Menschen=Gerippe gezogen wurden. Im übrigen wurde so wol von den Verwundeten als auch von der alten Frau bekräfftiget, daß der Wirth, nebst den Seinigen und etlichen Gästen, schon gestrigen Vormittags mit Sack und Pack außgezogen wäre, auch nichts zurück gelassen hätte, als etliche schlechte Stücken Hauß=Geräthe und etwas Lebens=Mittel vor die Verwundeten, die nicht mit fortzubringen gewesen. Folgenden Tages fanden sich nach genauerer Durchsuchung noch 13. im Keller vergrabene menschliche Cörper, die ohnfehlbar von diesem höllischen Gastwirthe und seinen verteuffelten Zunfftgenossen ermordet seyn mochten, und uns allen ein wehmüthiges Klagen über die unmenschliche Verfolgung der Menschen gegen ihre Neben=Menschen auspresseten. Immittelst kamen die, von dem klugen Beamten bestellte 2. Wagens an, auf welche, da sonst weiter allhier nichts zu thun war, die 3. Verwundeten, nebst der alten Frau gesetzt, und unter Begleitung 10. Handfester Bauern zu Pferde, nach der Stadt zugeschickt wurden.

     Der Beambte, welcher, nebst uns und den übrigen, das gantze Hauß, Hoff und Garten nochmals eiffrig durchsucht, und ferner nichts merckwürdiges angetroffen hatte, war nunmehro auch gesinnet auf den Rückweg zu gedencken, Schimmer aber, der seine in Händen habende Rade=Haue von ohnge=[362]fähr auf den Küchen=Heerd warff, und dabey ein besonderes Getöse anmerckte, nahm dieselbe nochmals auf, that etliche Hiebe hinein, und entdeckte, wider alles Vermuthen, einen darein vermaureten Kessel, worinnen sich, da es nachhero überschlagen wurde, 2000. Thlr. Geld, und bey nahe eben so viel Gold und Silberwerck befand. Wir erstauneten alle darüber, und wusten nicht zu begreiffen, wie es möglich, daß der Wirth dergleichen kostbaren Schatz im Stich lassen können, muthmasseten aber, daß er vielleicht beschlossen, denselben auf ein ander mal abzuholen. Indem trat ein alter Bauer auf, welcher erzehlete: Daß vor etliche 40. Jahren in Kriegs=Zeiten ebenfalls ein Wirth aus diesem Hause, Mord und Dieberey halber, gerädert worden, der noch auf dem Richt=Platze, kurtz vor seinem unbußfertigen Ende, versprochen hätte, einen Schatz von mehr als 4000. Thlr. Werth zu entdecken, daferne man ihm das Leben schencken wolle. Allein die Gerichts=Herren, welche mehr als zu viel Proben seiner Schelmerey erfahren, hätten nichts anhören wollen, sondern das Urtheil an ihm vollziehen lassen. Demnach könne es wol seyn, daß seine Nachkommen hiervon nichts gewust, und diesen unverhofft gefundenen Schatz also entbehren müssen.

     Der hierdurch zuletzt noch ungemein erfreute Beamte theilete selbigen versiegelt in etliche Futter=Säcke der Bauren, und hiermit nahmen wir unsern Weg zurück, er in die Stadt, Schimmer und ich, nebst 4. Bauern aber, zu unsern gutthätigen Pfarrer, der über die fernere Nachricht unserer Ge=[363]schicht um so viel desto mehr Verwunderung und Bestürtzung zeigte.

     Wir hatten dem redlichen Beamten versprochen, seiner daselbst zu erwarten, und dieser stellete sich am 3ten Tage bey uns ein, brachte vor Schimmern und mich 200. spec. Ducaten zum Geschencke mit, ingleichen ein gantz Stück Scharlach nebst allem Zubehör der Kleidungen, die uns zwey Schneiders aus der Stadt in der Pfarr=Wohnung sogleich verfertigen musten. Mittlerweile protocollirte er unsere nochmahlige Aussage wegen dieser Begebenheit, hielt darauff sein Verlöbniß mit des Priesters Tochter, welches Freuden=Fest wir beyderseits abwarten musten, nachhero aber, da sich Schimmer ein gutes Pferd erkaufft, und unsere übrige Equippage völlig gut eingerichtet war, nahmen wir von dem guthertzigen Priester und den Seinigen danckbarlich Abschied, liessen uns von 6. Handfesten, wohlbewaffneten und gut berittenen Bauern zurück durch den Thüringer Wald begleiten, und setzten nachhero unsere Reise ohne fernern Anstoß auf Detmold fort, allwo wir von Schimmers Mutter, die ihren Mann nur etwa vor 6. oder 8. Wochen durch den Tod eingebüsset hatte, hertzlich wol empfangen wurden.

     Hieselbst theileten wir die, auf unserer Reise wunderbar erworbenen Gelder, ehrlich mit einander, und lebten über ein Jahr als getreue Brüder zusammen, binnen welcher Zeit ich dermassen gut Teutsch lernete, daß fast meine Mutter=Sprache darüber vergaß, wie ich mich denn auch in solcher Zeit zur Evangelisch=Lutherischen Religion wand=[364]te, und den verwirrten Englischen Secten gäntzlich absagte.

     Schimmers Bruder hatte die Väterlichen Güter allbereit angenommen, und ihm etwa 3000. teutscher Thaler heraus gegeben, welche dieser zu Bürgerlicher Nahrung anlegen, und eine Jungfrau von nicht weniger guten Mitteln erheyrathen, mich aber auf gleiche Art mit seiner eintzigen schönen Schwester versorgen wolte. Allein zu meinem grösten Verdrusse hatte sich dieselbe allbereits mit einem wohlhabenden andern jungen Menschen verplempert, so daß meine zu ihr tragende aufrichtige Liebe vergeblich war, und da vollends meines lieben Schimmers Liebste, etwa 3. Wochen vor dem angestellten Hochzeit=Feste, durch den Tod hinweg gerafft wurde; fasseten wir beyderseits einen gantz andern Schluß, nahmen ein jeder von seinem Vermögen 1000. spec. Ducaten, legten die übrigen Gelder in sichere Hände, und begaben uns unter die Holländischen Ost=Indien=Fahrer, allwo wir auf zwey glücklichen Reisen unser Vermögen ziemlich verstärckten, derowegen auch gesonnen waren, die dritte zu unternehmen, als uns die verzweiffelten Verräther Alexander und Gallus, das Maul mit der Hoffnung eines grossen Gewinstes wässerig machten, und dahin brachten, in ihrer Gesellschafft nach der Insul Amboina zu schiffen.

     Was auf dieser Fahrt vorgegangen, hat meine werthe Schwägerin, des Alberti II. Gemahlin, mit behörigen Umbständen erzehlet, derowegen will nur noch dieses melden, daß Schimmer und ich eine heimliche Liebe auf die beyden tugendhafften [365] Schwestern, nemlich Philippinen und Judith geworffen hatten, ingleichen daß sich Jacob Larson, der unser dritter Mann und besonderer Hertzens=Freund war, nach Sabinens Besitzung sehnete. Doch keiner von allen dreyen hatte das Hertze, seinem Geliebten Gegenstande die verliebten Flammen zu entdecken, zumahlen da ihre Gemüther, durch damahlige ängstliche Bekümmernisse, einmal über das andere in die schmertzlichsten Verdrießlichkeiten verfielen. In welchem elenden Zustande denn auch die fromme und keusche Philippine ihr junges Leben kläglich einbüssete, welches Schimmern als ihren ehrerbietigen Liebhaber in geheim 1000. Thränen auspressete, indem ihm dieser Todes=Fall weit hefftiger schmertzte, als der plötzliche Abschied seiner ersten Liebste. Ich und Larson hergegen verharreten in dem festen Vorsatze, so bald wir einen sichern Platz auf dem Lande erreicht, unsern beyden Leit=Sternen die Beschaffenheit und Leydenschafft der Hertzen zu offenbaren, und allen Fleiß anzuwenden, ihrer ungezwungenen schätzbaren Gegen=Gunst theilhafftig zu werden. Dieses geschahe nun so bald wir auf hiesiger Felsen=Insul unsere Gesundheit völlig wieder erlangt hatten. Der Vortrag wurde nicht allein guthertzig aufgenommen, sondern wir hatten auch beyderseits Hoffnung bey unsern schönen Liebsten glücklich zu werden. Doch Amias und Robert Hülter brachten es durch vernünfftige Vorstellungen dahin, daß wir insgesammt guter Ordnung wegen unsere Hertzen beruhigten, und selbige auf andere Art vertauschten. Also kam meine innigst geliebte Middelburgische Judith an Al=[366]bertum II. Sabina an Stephanum, Jacob Larson bekam zu seinem Theile, weil er der älteste unter uns war, auch die älteste Tochter unsers theuren Altvaters, Schimmer nahm mit grösten Vergnügen von dessen Händen die andere, und ich wartete mit innigsten Vergnügen auf meine, ihren zweyen Schwestern an Schönheit und Tugend gleichförmige Christina bey nahe noch 6. Jahr, weil ihr beständig zarter und kräncklicher Zustand unsere Hochzeit etliche Jahr weiter, biß ins 1674te hinaus verschobe. Wie vergnügt wir unsere Zeit beyderseits biß auf diese Stunde zugebracht, ist nicht auszusprechen. Mein Vaterland, oder nur einen eintzigen Ort von Europa wieder zu sehen, ist niemals mein Wunsch gewesen, derowegen habe mein weniges zurück gelassenes Vermögen, so wohl als Schimmer, gern im Stich gelassen und frembden Leuten gegönnet, bin auch entschlossen, biß an mein Ende dem Himmel unaufhörlichen Danck abzustatten, daß er mich an einen solchen Ort geführet, allwo die Tugenden in ihrer angebohrnen Schönheit anzutreffen, hergegen die Laster des Landes fast gäntzlich verbannet und verwiesen sind.

     Hiermit endigte David Rawkin die Erzehlung seiner und seines Freundes Schimmers Lebens=Geschicht, welche wir nicht weniger als alles Vorige mit besondern Vergnügen angehöret hatten, und uns deßwegen aufs höfflichste gegen diesen 85. jährigen Greiß, der seines hohen Alters ohngeacht noch so frisch und munter, als ein Mann von etwa 40. Jahren war, auffs höfflichste bedanckten. Der Altvater aber sagte zu demselben: Mein werther [367] Sohn, ihr habt eure Erzehlung voritzo zwar kurtz, doch sehr gut gethan, jedennoch seyd ihr denen zuletzt angekommenen lieben Freunden den Bericht von euren zweyen Ost=Indischen Reisen annoch schuldig blieben, und weil selbiger viel merckwürdiges in sich fasset, mögen sie euch zur andern Zeit darum ersuchen. Was den Jacob Larson anbelanget, so will ich mit wenigen dieses von ihm melden: Er war ein gebohrner Schwede, und also ebenfalls Lutherischer Religion, seines Handwercks ein Schlösser, der in allerhand Eisen= und Stahl=Arbeit ungemeine Erfahrenheit und Kunst zeigete. In seinem 24. Jahre hatte ihn die gantz besondere Lust zum Reisen aufs Schiff getrieben, und durch verschiedene Zufälle zum fertigen See=Manne gemacht. Ost= und West=Indien hatte derselbe ziemlich durchkrochen, und dabey öffters grossen Reichthum erworben, welchen er aber jederzeit gar plötzlich und zwar öffters aufs gefährlichste, nicht selten auch auf lächerliche Art wiederum verlohren. Dennoch ist er einmal so standhafft als das andere, auf Besehung frembder Länder und Völcker geblieben, und ich glaube, daß er nimmermehr auf dieser Insul Stand gehalten, wenn ihm nicht meine Tochter, die er als seine Frau sehr hefftig liebte, sonderlich aber die bald auf einander folgenden Leibes=Erben, eine ruhigere Lebens=Art eingeflösset hätten. Es ist nicht auszusprechen, wie nützlich dieser treffliche Mann mir und allen meinen Kindern gewesen, denn er hat nicht allein Eisen= und Metall=Steine allhier erfunden, sondern auch selbiges ausgeschmeltzt und auf viele Jahre hinaus nützliche Instrumenten dar=[368]aus verfertiget, daß wir das Schieß=Pulver zur Noth selbst, wiewol nicht so gar fein als das Europäische, machen können, haben wir ebenfalls seiner Geschicklichkeit zu dancken, ja noch viel andere Sachen mehr, welche hinführo den Meinigen Gelegenheit geben werden seines Nahmens=Gedächtniß zu verehren. Er ist nur vor 6. Jahren seiner seeligen Frauen im Tode gefolget, und hat den seeligen Schimmer etwa um 3. Jahre überlebt, der vielleicht auch noch nicht so bald gestorben wäre, wenn er nicht durch einen umgeschlagenen Balcken bey dem Gebäude seiner Kinder, so sehr beschädigt und ungesund worden wäre. Jedoch sie sind ohnfehlbar in der ewig seeligen Ruhe, welche man ihnen des zeitlichen Lebens wegen nicht mißgönnen muß.

     Nunmehro aber meine Lieben, sagte hierbey unser Altvater, wird es Zeit seyn, daß wir uns sämmtlich der Ruhe bedienen, um Morgen geliebt es Gott des seel. Schimmers und seiner Nachkommen Wohnstädte in Augenschein zu nehmen. Demnach folgten wir dessen Rathe in diesem Stück desto williger, weil es allbereit Mitternacht war, folgenden Morgens aber, da nach genossener Ruhe und eingenommenen Früh=Stück, der jüngere Albertus, Stephanus und David mit ihren Gemahlinnen, dieses mal Abschied von uns nahmen, und wiederum zu den ihrigen kehreten, setzten wir übrigen nebst dem Altvater die Reise auf Simons=Raum fort.

     Allda nahmen wir erstlich eine feine Brücke über den Nord=Fluß in Augenschein, nebst derjeni=[369]gen Schleuse, welche auf den Nothfall gemacht war, wenn etwa die Haupt=Schleusen in Christians=Raum nicht vermögend wären den Lauf des Flusses, welcher zu gewissen Zeiten sehr hefftig und schnelle trieb, gnugsamen Widerstand zu thun. Die Pflantz=Stadt selbst bestunde aus 13. Wohnhäusern, worunter aber 3. befindlich, die vor junge Anfänger nur kürtzlich neu aufgebauet, und noch nicht bezogen waren. Ihr Haußhaltungs=Wesen zeigte sich denen übrigen Insulanern, der Nahrhafftigkeit und accuratesse wegen, in allen gleichförmig, doch fanden sich ausserdem etliche Künstler unter ihnen, welche die artigsten und nützlichsten Geschirre, nebst andern Sachen, von einem vermischten Metall sauber giessen und ausarbeiten, auch die Formen selbst darzu machen konten, welches der seel. Simon Heinrich Schimmer durch seine eigene Klugheit, und Larsons Beyhülffe erfunden und seine Kinder damit belehret hatte. Im übrigen waren alle, in der Bau=Kunst und andern nöthigen Handthierungen, nach dasiger Art ungemein wohl erfahren.

     Nachdem wir allen Haußwirthen daselbst eine kurtze Visite gegeben, und ihr gantzes Wesen wohl beobachtet hatten, begleiteten uns die Mehresten in den grossen Thier=Garten, den der Altvater bereits vor langen Jahren in der Nord=Ost=Ecke der Insul angelegt, und einiges Wild hinein geschaffet hatte, welches nachhero zu einer solchen Menge gediehen und dermassen zahm worden, daß man es mit Händen greiffen und schlachten konte, so offt man Lust darzu bekam. Dieser schöne Thier=Gar=[370]ten wurde von verschiedenen kleinen Bächlein durchstreifft, die aus der kleinen Oestlichen See gerauschet kamen, und sich in den äusersten Felsen=Löchern verlohren. Wir nahmen ermeldte kleine See, welche etwa tausend Schritte im Umfange hatte, wohl in Augenschein, passirten über den Ost=Fluß vermittelst einer verzäunten Brücke, und bemerckten, daß sich selbiger Fluß mit entsetzlichen Getöse in die holen Felsen=Klüffte hinein stürtzte, worbey uns gesagt wurde, was massen er ausserhalb nicht als ein Fluß, sondern in unzehlige Strudels zertheilt, in Gestalt der allerschönsten fontaine wiederum zum Vorscheine käme, und sich solchergestalt in die See verlöhre. Die andere Seite der See, nach Ost=Süden zu, war wegen der vielen starcken Bäche, die ihren Ursprung im Walde aus vielen sumpffigten Oertern nahmen, und durch ihren Zusammenfluß die kleine See machten, nicht wol zu umgehen, derowegen kehreten wir über die Brücke des Ost=Flusses, durch den Thier=Garten zurück nach Simons=Raum, wurden von dasigen Einwohnern herrlich gespeiset und getränckt, reichten ihnen die gewöhnlichen Geschencke, und kehreten nachhero zurücke. Herr Mag. Schmelzer nahm seinen Weg in die Davids Raumer Alleé, um daselbst seine Catechismus=Lehren fortzusetzen, wir aber kehreten zurück und halffen biß zu dessen Zurückkunfft am Kirchen=Bau arbeiten, nahmen nachhero auf der Albertus=Burg die Abend=Mahlzeit ein, worauff der Altvater, uns Versammleten den Rest seiner vorgenommenen Lebens=Geschicht mitzutheilen, folgender massen anhub:

     [371] Nunmehro wisset, ihr meine Geliebten, wer diejenigen Haupt=Personen gewesen sind, die ich im 1668ten Jahre mit Freuden auf meiner Insul ankommen und bleiben sahe. Also befanden wir uns sämtliche Einwohner derselben 20. Personen starck, als 11. männliches Geschlechts, unter welchen meine beyden jüngsten Zwillinge, Christoph und Christian im 13den Jahre stunden, und dann 9. Weibs=Bilder, worunter meine 11.jährige Tochter Christina und Roberts zwey kleinen Töchter, annoch in völliger Unschuld befindlich waren. Unsere zuletzt angekommenen Frembdlinge machten sich zwar ein grosses Vergnügen mit an die erforderliche Nahrungs=Arbeit zu gehen, auch bequemliche Hütten vor sich zu bauen, jedennoch konten weder ich und die Meinigen, noch Amias und Robert eigentlich klug werden, ob sie gesinnet wären bey uns zu bleiben, oder ihr Glück anderwärts zu suchen. Denn sie brachten nicht allein durch unsere Beyhülffe ihr Schiff mit gröster Mühe in die Bucht, sondern setzten selbiges binnen kurtzer Zeit in Seegelfertigen Zustand. Endlich, da der ehrliche Schimmer alles genauer überlegt, und von unserer Wirtschafft völlige Kundschafft eingezogen hatte, verliebte er sich in meine Tochter Elisabeth, und brachte seine beyden Gefährten, nemlich Jacob und David dahin, daß sie sich nicht allein auf sein, sondern der übrigen Frembdlinge Zureden, bewegen liessen, ihre beyden Geliebten an meine ältesten Zwillinge abzutreten, hergegen ihre Hertzen auf meine zwey übrigen Töchter zu lencken. Demnach wurden im 1669ten Jahre, Jacob Larson mit Maria, Schim=[372]mer mit Elisabeth, mein ältester Sohn mit Judith, und Stephanus mit Sabinen, von mir ehelich zusammen gegeben, der gute David aber, dessen zugetheilte Christina noch allzu jung war, geduldete sich noch etliche Jahr, und lebte unter uns als ein unverdrossener redlicher Mann.

     Die Lust ein neues Schiff zu bauen war nunmehro so wol dem Amias, als uns andern allen vergangen, indem das zuletzt angekommene von solcher Güte schiene, mit selbigem eine Reise um die gantze Welt zu unternehmen, jedoch es wurden alle Schätze an Gelde und andern Kostbarkeiten, Waaren, Pulver und Geschütze gäntzlich ausgeladen und auf die Insul, das Schiff selbst aber an gehörigen Ort in Sicherheit gebracht. Nachhero ergaben wir uns der bequemlichsten Hauß=Arbeit und dem Land=Baue dermassen, und mit solcher Gemächlichkeit, daß wir zwar als gute Hauß=Wirthe, aber nicht als eitele Bauch= und Mammons=Diener zu erkennen waren. Das ist so viel gesagt, wir baueten uns mehrere und beqvemlichere Wohnungen, bestelleten mehr Felder, Gärten und Weinberge, brachten verschiedene Werckstädten zur Holtz= Stein= Metall= und Saltz=Zurichtung in behörige Ordnung, trieben aber damit nicht den geringsten Wucher, und hatten solchergestalt gar keines Geldes von nöthen, weil ein jeder mit demjenigen, was er hatte, seinen Nächsten umsonst, und mit Lust zu dienen geflissen war.

 
 
 
 
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