BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Charlotte von Stein

1742 - 1827

 

Briefe

 

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Brief an den Sohn Fritz von Stein

 

den 24. October 1806.

 

Lieber Fritz,

den 14. bis 15. dieses sind wir von Wohlstand, Ruhe und Glück geschieden. Das mächtige Schicksal, das die Länder verheert, hat auch dies verschlungen. Gott bewahre Dich und das schöne Schlesien, so will ich noch mein Leiden still ertragen. Ich bin ausgeplündert, wie die meisten Einwohner von Weimar; durch besonderes Zusammentreffen von Umständen habe ich nichts retten können. All' mein Silber, Alles von Werth, alle meine Kleider sind geraubt, mehre Tage habe ich nichts zu essen gehabt. Meine Thüren und Fenster, alle meine Schränke sind zerschlagen. Das Schloß wurde endlich durch Ankunft des Prinzen Murat vor der Plünderung gerettet, doch dauerte in der Stadt die Plünderung noch zwei Tage fort, als sogar der Kaiser schon angekommen war. Ich ging endlich am Arme eines französischen Offiziers, den ich festhielt, und mit meinem Hausmädchen, das mir treu geblieben war, aus meiner Wohnung.

Die Schiller hat wenig verloren, Goethe gar nichts, er hat den Augereau bei sich gehabt. Während der Plünderung hat er sich mit seiner Maitresse öffentlich in der Kirche trauen lassen. Dies war die letzte hiesige kirchliche Handlung, denn alle unsere Kirchen sind nun Lazarethe und Magazine. Lebe wohl! gebe Gott, daß Du nicht auch in der allgemeinen Umwälzung verschlungen werdest. Mein Herz pocht krampfhaft, meine Hände zittern.

 

Lebe wohl!

Deine treue Mutter.