BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Caspar von Voght

1752 - 1839

 

Über das Aussäen des weißen

Englischen Winter-Waitzens

 

1824

 

Textgrundlage:

Sammlung landwirthschaftlicher Schriften vom Freyherrn von Voght,

Erster Theil, Hamburg: Friedrich Perthes, 1825

Faksimile: Googlebook

 

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Ueber das Aussäen des

weißen Englischen Winter-Waitzens

im Februar und März.

 

Voghts «Ornamented Farm» in Flottbeck um 1800

 

Die beyspiellose Nässe der größten Hälfte des October-Monats muß manchen Landmann verhindert haben, seine Waitzensaat in die Erde zu bringen. Die, durch vierwöchentlichen, mit Sturm begleiteten Regen verursachten Überschwemmungen können manchem besäeten Felde geschadet haben. In den Marschgegenden und im lehmigten Boden ist sicherlich manches Saatkorn verfault und manches Waitzenfeld wird im Frühjahr sehr dünne stehen.

Unter diesen Umständen muß die Anzeige willkommen seyn, daß die an vielen Orten versuchte Aussaat des weißen Englischen Waitzens im Februar und Mär; über alle Erwartung gelungen ist.

In Englands mildem Clima war sie nie ungewöhnlich. Im nördlichen Frankreich war sie so allgemein geworden, daß, den Berichten der Pariser landwirthschaftlichen Gesellschaft nach, man im Jahr nach dem harten und langen Winter von 1822–23 besorgt war, ob die fast gänzlich bis dahin verschobene Aussaat im März würde vollendet werden können. Die spätern Berichte zeigten das völlige Gedeihen derselben an.

Dadurch ermuntert, besäete ich im Februar zwey Felder in Flotbeck mit weißem Englischen Waitzen.

Ersteres stand auf 730 Grad Ertragsfähigkeit; lehmigter Sand. Ich säete am 24sten Februar 1824. Der Ausdrusch ist vollendet: ich habe 1880 Himpt Waitzen, von 45 Gewicht geerndtet auf 100 □Ruthen, oder 9 Tonnen von 225 auf die Tonne Landes.

Das 2te Feld, ein mehr Lehm enthaltender Boden, und daher bey etwas geringerer Ertragsfähigkeit, von fast gleichem Ertrage für Waitzen, stand auf 642 Grad. Ich säete den 23sten Februar, habe geerndtet 1867 Himpt à 44 pr. 100 □Ruthen, oder beynahe 9 Tonnen von 226 von der Tonne Landes. Beyde Felder gaben mir 3060 Stroh pr. Tonne Landes.

Mein Herbst-Waitzen ward gemäht den 3ten bis 11ten August; dieser Frühjahrs-Waitzen den 16ten und 20sten August.

Da es keinem Landmann zu rathen ist, falls er nicht sehr reiches und sehr reines Land hat, dünne aufgekommenen Waitzen stehen zu lassen, der ihm wenig Stroh und wenig Korn giebt und sein Feld voll Unkraut läßt, so wird mancher sich entschließen, ein solches Feld wiederum mit Waitzen zu besäen, wenn er nicht sogar, wie es bey vielen sehr wahrscheinlich ist, versäumte Einsaat nachzuholen hat.

Gerste lagert sich auf einem Felde, das für Waitzen reich genug ist; Hafer lohnt nicht; der Ertrag des gewöhnlichen Sommerwaitzens ist an Stroh und Korn nicht mit dem zu vergleichen, den der weiße Englische Waitzen giebt; Sommer-Rapsaat giebt im günstigsten Fall einen elenden Ertrag und ist überdem vielen Unfällen ausgesetzt. Ich darf darüber auf meinen Bericht Seite 115, die gelungenste Sommer-Rapsaat, die je gesäet ward, betreffend, verweisen.

Da ich ungern mich auf einzelne Erfahrungen verlassen mag, und da ich erfuhr, daß mehreren bedeutenden Landwirthen ein ähnlicher Versuch gelungen war, so wandte ich mich deswegen an sie. Einige haben die Gefälligkeit gehabt, mir Auskunft darüber zu geben und mir erlaubt, durch deren Mittheilung dieser Bekanntmachung ein um so größeres Gewicht zu geben.

Herr Hillmers in Wandsbeck schreibt mir unterm 9ten December: «daß er im letztverflossenen Frühjahr von dem nämlichen Englischen Waitzen, welchen er im Herbst 1821 gesäet, also im Sommer 1822 geerndtet hatte, 2 Tonnen Anfangs April» (merkwürdig spät) «gesäet und im September eine recht gute Erndte danach gemacht habe. Er habe fünf 4spännige Fuder auf 18füßigen Wagen eingefahren, die er nach seiner Ueberzeugung auf 3000 pr. Fuder angeben könne, und hoffe 18 bis 20 Tonnen daraus zu dröschen.»

«Im Sommer 1822 habe Herr Schwerdtfeger auf Wensien nach solchem im Frühjahr gesäeten Winter-Waitzen das 14te Korn gedroschen.»

«Der Pächter Stuhr auf Doversdorf,

dessen Vater auf Ranzau,

der Pächter Gäde auf Klincken,

der Besitzer Tamm auf Muggesfelde

haben nämliche Versuche mit gutem Erfolg gemacht.»

Herr Petersen auf Fresenburg schreibt mir unterm 7ten December: «er habe in diesem Frühjahre einen ähnlichen Versuch gemacht, der ein günstiges Resultat geliefert habe. Er hoffe auf das 14te Korn, indem er von 4 Tonnen Landes 28 5füßige Fuder eingefahren habe und pr. Fuder 2 Tonnen zu dröschen rechne. Er habe in der Mitte des März gesäet.»

Was an so vielen Orten gelungen ist und bey so verschiedenen Saatzeiten, ist allerdings als erprobt anzunehmen.

Diese Entdeckung ist um so wichtiger, da es keine Varietät Waitzen giebt, die schöneres Mehl liefert und zugleich ergiebiger ist, als dieser weiße Englische Winter-Waitzen und dem zugleich unser Boden mehr zusagt.

Das Einzige, was gegen ihn zu sagen war, ist, daß er harte Winter nicht so gut erträgt als der braune und der weiße Billwärder Waitzen, wie vor mehrern Jahren viele Holsteinische Landwirthe, denen ich damals die Saat verkaufte, aus einer schmerzlichen Erfahrung, die auch alle meine Waitzenfelder betraf, nur zu gut wissen. Dreymal in 20 Jahren habe ich diesen Verlust erlitten.

Dieser Gefahr durch die Frühjahrs-Aussaat entgehen zu können, ist wahrlich ein bedeutender Vortheil, und herzlich wünsche ich, daß diese Mittheilung früh genug erscheinen möge, um auch die entfernten Landwirthe bey Zeiten aufmerksam darauf zu machen.

Ich kann einige Last dieses Waitzens von der bekannten Güte des Flotbecker Saat-Waitzens zur Saat überlassen, wenn man sich deswegen an den Herrn Inspector Flor in Flotbeck wendet.

 

Im December-Monat 1824.