BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Zedlers Universal-Lexicon

1732 - 1754

 

Grosses vollständiges Universallexikon

aller Wissenschaften und Künste

 

Band XX (Mb - Mh)

1739

 

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Mensch, Lat. homo. Bey dieser wichtigen u. weitläufftigen Materie, wollen wir auf 3 Stücke sehen, als erstlich auf die Beschaffenheit und Natur eines Menschen, vors andere auf die unterschiedene Arten derselbigen, u. drittens auf ihren Ursprung. Was erstlich die Beschaffenheit u. Natur eines Menschen anlangt, so haben wir selbige sowol an u. vor sich selbst, als auch gegen andere Creaturen und gegen den Schöpffer zu betrachten. Erwegen wir die Natur des Menschen an und vor sich, so werden wir in der Erkenntniß dieser Sache besser zurechte kommen, wenn wir vorher die einzelen Stücke, die bey einem Menschen fürkommen, betrachten, ehe wir eine Erklärung durch allgemeine Begriffe machen. Es fragt sich daher: aus wieviel Theilen der Mensch bestehe? oder, ob eine, oder mehrere Substantzen, die wesentlich von einander unterschieden sind, die menschliche Natur ausmachen? Wenn wir die unterschiedene Meynungen der Philosophen in den ältern und neuern Zeiten davon ordentl. zusammen anführen wollen, so lassen sich selbige füglich in 4 Classen bringen. Einige meynen, der blosse Cörper mache den Menschen aus, und sehen die Seele vor ein Accidens desselbigen an. Unter den Alten meldet Cicero lib. I. c.10. quaestion. Tusculan. von dem Dicäarcho, daß er dafür gehalten, die Seele sey mit all nichts, und das Wort Seele oder Gemüth sey ein leeres Wort, das nichts bedeute. So haben sich auch zu den neuern Zeiten welche gefunden, die sich eingebildet, daß die Seele keine vom Cörper unterschiedene Substantz sey, massen Hobbesius in dem Leviathan. c. 4 alle Substantzen, die keinen Cörper haben, geleugnet, und c.34. das Wort Substantia und corpus vor einerley ausgegeben. Eben darauf laufft die Meynung des Cowardi, eines berühmten Engl. Medici, hinaus, welcher behauptet, die gemeine Meynung von der Seelen, als sey sie eine immaterielle Substantz, so mit dem Leibe vereiniget, wäre von den Heyden erdichtet, reime sich auch nicht mit den Principiis der Philosophie und Vernunfft, noch Religion; nach der Schrifft aber sey die Seele nicht anders, als das Leben der Menschen, die so lange der Mensch lebe, vorhanden, und mit demselben zwar untergehe, aber doch auch in der Aufferstehung wieder darinnen seyn werde, welche Meynung er nicht nur in verschiedenen Schrifften fürgetragen, sondern auch wider die Widersacher, die er darüber bekommen, zu vertheidigen sich bemühet, wie aus den actis crudit. 1707. p.352. zu ersehen. Auf gleichen Schlag urtheilet auch der ungenannte Auctor in dem vertrauten Brief-Wechsel vom Wesen der Seelen von der Sache, der sich Menschen vorstellet, denen die Seele fehlet. Denn was wir Seele nennen, das hält er nur vor ein Accidens des Cörpers, das auf einem Mechanismo beruht, wovon wir unten in dem Artickel der Seele mit mehrern handeln wollen. Wie nun diese sich Menschen ohne Seele einbilden, also hats auch welche gegeben, die den Leib vor keinen wesentlichen Theil des Menschen gehalten, welche wir in die andere Classe setzen. Es stimmten vor dem die Platonici, Pythagoräer, und Stoici meistens darinnen überein, daß zum Menschen eigentlich nichts mehr als die Seele gehöre, weswegen sie den Leib eine Strafe, eine Last, ein finsteres Wohnhaus, ein [717] Gefängniß, ein Zucht-Haus des Gemüths oder der Seelen nennten, wie wir bereits oben in dem Artickel von dem Leib die Zeugnisse davon angeführet haben. Unter den neuern ist Heinr. Morus zu dieser Meynung sehr geneigt gewesen, wie sonderlich aus seinem Tr. de immortalitate animae und aus der Defensione philo cabb. erhellet, darinnen er nicht nur mit dem Plato die Präexistenz der Seelen annimmt, sondern auch den irdischen Leib vor ein Gefängniß, vor ein Grab, vor eine Hinderniß des Gemühs ausgiebt. Es haben auch einige den Cartesium hierinnen des Platonismi beschuldiget, als habe er gleichfalls dafür gehalten, daß zum Menchen bloß das Gemüth gehöre, welches nur eine denckende Sache sey, wie Thomasius in introductione philosoph. aulic. c. 3 §. 13. schreibet; es ist aber die Sache so schlechterdings noch nicht ausgemacht. Denn obwol Cartesius seinen Zweiffel zu weit ausgedehnet, als müsste man auch an der Existentz des Cörpers und dessen Gliedmassen zweiffeln, und das Wesen der Seelen in dem Dencken gesetzet, in beyden aber sich sehr verstossen; so kan man doch nicht erweisen, daß er gelehret, als wenn der Leib keinen wesentlichen Theil des Menschen ausmache, davon vielmehr das Gegentheil nicht nur aus seiner Meditation 6. und den Responsionibus ad objectiones, sondern auch aus den Schrifften seiner Anhänger, als des Claubergs, de la Forge und anderer zu schliessen. In die dritte Classe setzen wir diejenigen, die drey wesentliche Theile des Menschen, den Leib, die Seele und den Geist statuieren, von welcher Meynung am meisten wird zu sagen seyn, indem wir nicht nur die Autores, so derselben zugethan sind, erzehlen, sondern auch ihre Beweis-Gründe anführen. Man pflegt den Ursprung dieser Meynung aus dem Judenthum und Platonischen Philosophie zu leiten. Was die Juden anlangt, so legen die Cabbalisten der menschlichen Seele verschiedene Kräffte bey, und geben ihnen besondere Namen, daß sie einen Unterscheid unter nephesch ruach und neschamah machen. Die erste sey der Lebens-Geist, und komme mit derjenigen Seele überein, welche von den Philosophis anima vegetativa genennet wird, die andere, oder ruach sey eben das, was man sonst animam sensitivam nennet, und die dritte, oder neschamah bedeute die vernünfftige Seele, wie Vitringa in observationibus sacris lib. 3. cap. 4. p.49.sqq. und Buddeus in introd. in histor.philos. ebracor. p. 429, sq. aus ihren Schrifften gewiesen haben. Allein da sie durch diese Wörter nicht sowol unterschiedene Substantzen, als vielmehr verchiedene Kräffte einer Substanz anzeigen wollen, so läst sich diese Jüdische Lehre mit der Meynung derjenigen, die drey wesentliche Theile des Menschen statuiren, nicht wohl vergleichen. Besser geht solches mit der Platonischen Philosophie an. Denn einmal legte Plato dem Menschen eine dreyfache Seele bey, eine zornige, begierige und vernünfftige deren die erste in der Brust, die andere unter dem Hertzen, und die dritte im Kopff ihren Sitz habe. Die vernünftige mache den Menschen aus, und müsse über die beyden andern das Regiment bekommen. Durch die zornige trachte der Mensch nach Macht, Sieg und Ehre, durch die begierige falle er auf Speise, Tranck und venerische Wercke, und die vernünfftige bringe ihn zur Erkänntniß der Wahrheit, [718] welches aus dem Platone selbst de republ. lib. 4. und 6. Cicerone quaest. Tusculan. lib. 1. cap. 10. und Omeis in ethic. Platonic. p. 28. mit mehrern zu sehen. Doch pflegte man auch die zornige und begierige vor eine anzunehmen, und also nur von einer zweyfachen Seele des Menschen zu reden, wie Vitringa in Observat. sacris lib.3.cap.p. 551. u. ff. zeiget. Nun hielte Plato weiter dafür, daß die vernünfftige Seele ein abgerissen Stück des göttlichen Wesens sey, welche, weil sie sich aus Eigen-Liebe so hoch geschwungen, zur Straffe in das Gefängniß des Leibes herab gestürtzet und eingeschlossen worden; indem er sich aber drey Götter, den obersten Gott, das Gemüth und den Welt-Geist einbildete, so meynte er, daß die Seelen der Menschen aus dem letztern, oder aus dem Welt-Geist, der auch Göttliches Wesens sey, geflossen. Dieses alles fliesset aus den Grund-Sätzen der Platonischen Philosophie klar, wenn man gleich aus dem Platone selbst keine ausdrückliche Stelle aufweisen kan, wovon mit mehrern Jacob Thomasius de stoica mundi exustione dissert. 21. Hanschius in diatr. de enthusiasmo platonico zu lesen. So viel findet man von der Fanatischen Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, in der Platonischen Philosophie, deswegen folgt aber noch nicht, daß eben die Fanatici solche aus dem Platone genommen, den wohl manche unter ihnen nicht gesehen. Doch da diejenigen, welche drey wesentliche Theile dem Menschen zuschreiben, nicht mit einander übereinkommen, und ihre Meynung auf verschiedene Art erklären, so müssen wir solche Leute in gewisse Classen theilen, und von jeder distinct handeln. Es sind selbige dreyerley: Einige haben die Heydnische Lehre behalten, und, indem sie dem Menschen ausser dem Leib einen zweyfachen Geist oder Seele beygelegt, den einen zu einem Theilgen des Göttlichen Wesens gemacht, welches die sogenannten Fanatici, als die Weigelianer, Böhmisten, insonderheit Poiret gethan. In der Sache selbst kommen diese mit einander überein, daß der Mensch einen zweyfachen Geist habe, davon der eine aus dem göttlichen Wesen kommen; in der Benennung aber sind sie von einander unterschieden. Denn einige sagen, der Mensch hat drey Theile, Leib, Seel und Geist; einige drücken die Sache so aus, daß der Mensch aus einem Leibe und einer zweyfachen Seele, einer sinnlichen und vernünfftigen, die sie aber als zwey unterschiedene Substantzen ansehen, bestehe. Der erste unter den neuern, welcher diese Meynung angenommen, ist Theophrastus Paracelsus gewesen, welcher in seinen Schrifften hin und wieder ausdrücklich lehret, daß sich in dem Menschen drey wesentliche Theile befänden, welche er die drey großen Substantzen nennet, und daß ein jedes von diesen dreyen nach dem Tod, da sie getrennet wären, dahin wieder kehre, woher es gekommen als die Seele, die von GOtt eingeblasen, kehre wieder zu GOtt, der sie gegeben habe; der Leib als der grobe Theil, welcher aus Erde und Wasser zusammen gesetzt zuseyn schiene, werde wider zur Erde; der dritte Theil aber, welchen er den Astral-Geist oder Stern-Leib nennet, weil er dem Firmament gleich sähe, und aus Lufft und Feuer bestehe, verwandle sich nach und nach wieder in die Lufft, brauche aber zu einer Verwesung längere Zeit [719] als der Leib. Ihm folgte Helmontius, absonderlich aber sind deswegen die Weigelianer und Böhmisten bekannt. Denn was die Weigelianer betrifft, so schreibt Valentin Weigel in seinem Buch von dem alten und neuen Jerusalem also: aus den Elementen kommt dem Menschen der Leib und der elementische Geist zu essen, zu trincken, zu schlaffen, seines gleichen zu zeugen. Aus dem Gestirn kommt dem Menschen der siderische Geist, als Handwerck, Künste, Sprache. Also gehöret der Mensch in die alte Stadt nach diesen Theilen: aber der Geist, der ewig ist, kommt dem Menschen aus GOtt. Jacob Böhm aber sagt in seiner Schrifft vom Wesen aller Wesen: der Mensch ist nicht allein ein irdisch Bild, sondern er ist urständig aus dem Wesen; als nemlich erst aus der allerinnersten Welt, welcher auch die alleräusserste ist, und die finstre Welt genannt wird, aus welcher urständet das Principium der fremden Natur. Und denn vors andere ist er aus der Licht- oder Engel-Welt, aus GOttes wahrem Wesen. Drittens ist er aus dieser äußern Sonnen- und Stern-Welt. Ob wol dieses nach seiner Art so dunckel abgefasset, daß zu zweiffeln stehet, ob er sich selber verstanden, so siehet man doch so viel, daß er eine dreyfache Welt als ein dreyfaches Principium statuire, aus deren iedem der Mensch einen zu seinem Wesen gehörigen Theil bekommen, und also demselben drey wesentliche Theile beylege, deren vornehmster aus dem wahren Wesen GOttes kommen. Ja wenn man die Lehre des Böhmii genau untersuchet, so liegt darinnen der Spinosismus. Denn da er lehrte, daß GOtt alles sey, so war sein eigentlicher Sinn, daß alles aus dem Wesen GOttes geflossen, wie er an verschiedenen Orten sich gantz deutlich hierüber erkläret, wenn er schreibt: so man die Sonne und Sternen recht will betrachten, mit ihrem Wesen, Würckungen, und Qualitäten, so findet man recht darinnen das Göttliche Wesen, als daß der Sternen Kräffte sind die Natur, in aurora p. 8. ingleichen: so man nennet Himmel und Erden, Sternen und Elemente, und alles was darinnen ist, so nennet man hiemit den gantzen GOtt, der sich in diesem oberzehlten Wesen in seiner Krafft, die von ihm ausgehet, also creatürlich gemacht hat ibid. p. II. Noch weiter: wenn nun dieses geschiehet, so bist du wie der gantze GOtt ist, der da selber Himmel, Erden, Sterne und Elemente ist, ibid. p. 300. So heist es bei dem Felgenhauer im Vorhof am Tempel des HErrn cap. 9. p. 135. nach dem Zeugniß seyn drey Zeugen in GOtt, und nach der Offenbarung sind sieben Geister GOTTes. Also hat ein Mensch drey Theile, Leib, Seel und Geist, und sieben Sinne, das ist das Geheimniß GOttes in seiner Summa bezeuget an dem Menschen. Diesem fügen wir noch den Peter Poiret bey, welcher zwar nicht ausdrücklich leugnet, daß der Mensch aus zweyen Theilen bestehet; gleichwol aber ist er auch in diesem Stück fanatisch gesinnet. Denn einmal will er nicht nur in seiner Oeconomia divina lib. 1. cap. 10. §. 2.p. 134. §. 20. p. 144.cap. 11. §. 3. §. 154. aus dem Wesen der Seele sowol als auch aus der Heil. Schrifft beweisen, daß selbiges aus dem Wesen GOttes gezeuget; sondern redet auch vor das andere immer von dem innerlichen Licht, welches er von dem Verstand unterscheidet. Von diesen Fanaticis sind gewisser massen die Quacker und diejenigen, [720] die es mit ihnen halten, unterschieden. Denn ihre vornehmste Lehre ist, daß allen Menschen von Natur ein innerliches Licht eingepflantzet, welches eine von der Vernunfft unterschiedene Substantz, und zwar ein Stück des Göttlichen Wesens seyn soll, und legen daher dem Menschen drey wesentliche Theile, den Leib, die vernünfftige Seele und das innerliche Licht, bey. Solches habe GOtt allen Menschen eingepflantzet, damit sie durch dessen Schein und Glantz dasjenige, was zur Erlangung der Seligkeit zu wissen nöthig sey, erkennen mögen; nachdem aber der Mensch gefallen, so sey in Ansehung desselben zwischen den Gottlosen und Frommen ein grosser Unterscheid. Denn bey jenen sey selbiges verdunckelt, und habe seinen Schein verlohren, oder wie einige reden, in eine Gefangenschafft gerathen, daß es zu einer Krafft nicht kommen könne, da es hingegen bey den Frommen von allem befreyet wäre, und sich in seiner rechten Würckung befände, dergestalt, daß sie dadurch alles erkennen könnten. Man kan hiervon sonderlich Roberti Barclaji Apologiam religionis vere christianae, die 1676 in Lateinischer Sprache gedruckt worden, und den Auctorem des Buchs ratio & fides collatae, welches 1708 Poiret zu Amsterdam herausgegeben, lesen. Diese Meynung ist von derjenigen, welche die oben angeführten Fanatici haben, darinnen unterschieden, daß diese den dritten Theil, oder den Geist, als ein zum Wesen und zur Natur des Menschen nöthiges Stück ansehen; die Quacker hingegen halten das Licht vor was übernatürliches, das von der Natur und dem Wesen des Menschen unterschieden sey. Wie nun diese Auctores nach den beyden ersten Classen ohnstreitig den gröbsten Irrthum hegen, daß sie den dritten Theil des Menschens zu einem Stück des Göttlichen Wesens machen, also sind hingegen andere, die zwar auch drey Theile des Menschen lehren, sich aber auf eine erträglichere, wiewol ungleiche Art erklären, von denen wir auch einige anführen wollen. Ob man die gemeine Lehre der Scholasticorum und Aristotelisch-gesinnten, welche einem ieden Menschen eine dreyfache Seele, als animam vegetativam, sensitivam und rationalem, oder eine wachsthümliche, sinnliche und vernünfftige zuschreiben, hieher rechnen könne? ist nicht gewiß zu sagen, weil selbige sehr verworren, und diese Leute sich selber widersprechen. Denn solten diese drey Seelen drey würcklich von einander unterschiedene Substantzen seyn, so kämen vier Theile des Menschen heraus; wolte man aber die wachsthümliche und sinnliche vor eine annehmen, welche der Mensch mit dem Vieh gemein habe, so wären zwar drey Theile da, sie statuiren aber selbst nur zwey wesentliche Theile, Leib und Seele, folglich müsten sie die wachsthümliche und sinnliche Seele mit zum Leibe rechnen, und die Sache käme nur darauf an, ob man etwas, das zum Leibe gehöre, eine Seele nennen könte? Aristoteles hat diese Eintheilung der Seelen niemals so gesetzet, wie nachgehends die Scholastici gethan. Denn ob er wol lib.2. de anima p. 388. von der Seele saget, daß sie der Grund von dem wachsthümlichen, sinnlichen und verständlichen, auch von der Bewegung sey, so theilt er sie doch damit noch nicht in drey besondere Arten, welche er vielmehr an andern Orten in eine vernünfftige und unvernünfftige, und die letztere in eine wachsthümliche [721] und begierliche eintheilet, wie Rüdiger in phys. divina lib I. cap. 4. Sect. 1. §. 10. gewiesen. Daß dieser Philosophus einen Unterscheid unter ψυχήν und νοῦν gemacht, thut zur Sache nichts, indem er durch das letztere den thätlichen Verstand gemeynet, von dem er sich einen ungereimten und dabey gefährlichen Begriff gemacht, siehe Walchs parerga academica pag: 302. sqq. Mit mehrer Gewißheit können wir von den neuern hieher rechnen Gassendum, welcher phys. Sect. 3. Lib. 9.c.II. das Gemüth des Menschen von der empfindlichen Krafft gäntzlich unterscheidet; hält aber selbige vor cörperlich und ausgedehnet, ja daß sie könte mit gebohren werden und verwesen. Eben dieses hat Willisius de anima brutorum weitläufftig zu erweisen gesucht, daß die empfindende Seele was unterschiedenes von der vernünfftigen, und also der Mensch drey Theile habe. In dem ersten und andern Capitel hält er dafür, daß diese empfindliche Seele leiblich, ja gar sterblich, und eben so groß, als der Leib, und habe die Krafft der Einbildung, des Appetits, des Verlangens und Eckels, könne auch gewisser massen auf eine sinnliche Art Vernunfft-Schlüsse machen, sey aber doch von der vernünfftigen Seele unterschieden. In den folgenden Capiteln hat er verschiedene Zeugnisse zusammen gelesen, und trägt seine Beweis-Gründe für, davon das vornehmste Webster in der Untersuchung der vermeynten und sogenannten Hexereyen Cap. 16. § 55. seq.angeführet, welcher eben dieser Meynung ist, und §. 69 sich, wie Paracelsus, erkläret: Es fänden sich in dem Menschen drey besondere Theile, als erstlich der grobe Leib, der aus Erden und Wasser bestehe, und nach dem Tode wieder zur Erden werde; ferner die sinnliche und cörperliche Seele, oder der Astral-Geist, der aus Feuer und Lufft zusammen gesetzet, und nach dem Tode in der Lufft herum wandere; oder nicht weit von dem Cörper sey; und endlich die unsterbliche und uncörperliche Seele, welche unmittelbar zu GOTT, der sie gegeben habe, wiederkehre. Diesem fügen wir Rüdiger bey, der in seiner phys. divina lib. I. cap. 4. Sect. 4. dem Menschen auch einen gedoppelten Geist beyleget, davon er einen Mentem, den andern Animam nennet. Jener habe die Krafft zu gedencken und zu urtheilen, der gleich nach dem Tode von dem Cörper getrennet, und in den Stand der Ewigkeit versetzet werde; dieser aber, oder die Anima, sey dem Untergang unterworffen, doch so, daß er nicht alsbald von dem Cörper scheide, sondern bisweilen um denselben herumschweiffe und mit einem zarten Leib umgeben, noch unterschiedene Verrichtungen nach den in dem Leben geistlichen und cörperlichen eingedruckten Ideen herfür bringe. Man pflegt auch den Luther anzuführen, der es auch mit dieser Meynung gehalten, daß der Mensch aus drey Theilen zusammen gesetzet sey, indem er rom. 1. Jenens. p. 479. also schreibet: Die Schrifft theilet den Menschen in drey Theile, da St. Paulus 1 Thessal. im letzten Capitel sagt: GOTT, der ein GOtt des Friedens ist, der mache euch heilig durch und durch, also, daß euer gantzer Geist, Seele und Leib unsträfflich erhalten werden auf die Zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi. Und ein iegliches dieser dreyen samt dem gantzen Menschen wird auch getheilet auf eine andere Weise in zwey Stücke, die da heissen Geist und Fleisch, welche Theilung nicht [722] der Natur, sondern der Eigenschafft ist, das ist, die Natur hat drey Stücke, Geist, Seel und Leib, und mögen allesamt gut oder böse seyn, das heist denn Geist und Fleisch seyn, davon ietzt nicht zu reden ist. Das erste Stück, der Geist, ist das höchste, tieffeste und edelste Theil des Menschen, damit er geschickt ist, unbegreiffliche, unsichtige, ewige Dinge zu fassen, und ist kürtzlich das Haus, da Glaube und GOttes Wort inne wohnet. Das andere, die Seele, ist eben derselbe Geist nach der Natur, aber doch in einem andern Werck, nemlich in dem, als er den Leib lebendig macht, und durch ihn würcket, und wird offt in der Schrifft für das Leben genommen, denn der Geist mag wohl ohne Leib leben, aber der Leib lebet nicht ohne dem Geist. Diß Stück sehen wir, wie es auch im Schlaff, und ohne Unterlaß lebet und würcket, und ist seine Art nicht, die unbegreifflichen Dinge zu fassen, sondern was die Vernufft erkennen und ermessen kann, und ist nemlich die Vernunfft hie das Licht in diesem Hause, und wo der Geist nicht mit dem Glauben, als mit einem höhern Licht, erleuchtet, das Licht der Vernunfft regieret, so mag sie nimmer ohne Irrthum seyn. Diesen zweyen Stücken eignet die Schrifft viel Dinges zu. Es ist aber daraus noch nicht zu erweisen, daß er Leib, Seel und Geist vor drey wesentliche Substantzen angesehen; sondern wenn wir diese Worte genau ansehen, so werden wir vielmehr finden, daß er Geist und Seele nur in Ansehung der Eigenschafften und Würckungen von einander unterschieden habe. Die Hypothesin von drey wesentlichen Theilen des Menschen geben ihre Vertheidiger nicht nur vor gründlich, sondern auch vor sehr bequem und nützlich aus, weil man daraus die schwersten Begebenheiten in der Natur auf eine leichte Art erklären könnte. Ihre Gründlichkeit soll auf zweyerley Beweis-Gründen beruhen, die sie sowol aus der Sache selbst, als auch aus der H. Schrifft nehmen. Denn was die Sache selbst anlangt, so will man aus der Natur des Leibes und des Geistes, und dem, was man bey dem Menschen wahrnimmt, schlüssen, daß noch ein drittes Principium vorhanden seyn müsse, dergleichen Gründe wir in ihren Schrifften hin und wieder vier angetroffen haben. Einmal berufft man sich auf die Vereinigung des Leibes und des Geistes, und erinnert, daß zwey Dinge, die einander gerade entgegen wären, nicht anders, als durch eine mittlere Sache, so aller beyder ihrer Natur näher komme, und von beyden participire, könten vereiniget und zusammen gebracht werden. Also könne ja die Seele, die nach einhelligem Geständniß aller Menschen ein geistliches, reines, unmaterialisches und uncörperliches Wesen sey, mit dem Cörper nicht vereiniget werden, wenn nicht eine mittlere Natur darzwischen komme, welche geschickt sey, diese zwey Extrema mit einander zu vereinigen, so eben das mittlere Principium, oder die Seele, ingleichen, wie ihn einige nennen, der Astral-Geist sey. Denn da dieser ein sehr subtilest materiales Wesen das gleichsam zwischen dem groben Cörper und dem Geist mitten inne stehe, an sich habe, so konnte er ein Band abgeben, dadurch die Vereinigung des Leibes mit dem Geiste geschehe. Den andern Beweisthum nimmt man von dem Streit her, der sich in dem Menschen befindet, und sonst pugna rationis & apperitus sensitivi genennet wird. Denn da bey einem Streit zwey streitend Parteyen seyn [723] müsten, deren iede vor sich bestehe, also wäre auch bey diesem Streit die Seele und der Geist die beyden Substantzen, zwischen denen eine Widerwärtigkeit vorgienge, daß der reine Verstand des Geistes, mit der sinnlichen Begierde der Seelen stritte. Drittens könte man die Würckungen der unvernünfftigen Thiere ohnmöglich alle aus der mechanischen Structur ihrer Leiber herleiten, und da also ausser dem Leibe noch ein ander Principium in ihnen seyn müste, von dem die Empfindungen, auch bey einigen Thieren das Gedächtniß dependire, so müste auch solches bey dem Menschen seyn, in so fern seine Natur dem Wesen eines Viehes gleich komme, der aber ausser dem noch ein anders hätte, welches die vernünfftige Seele wäre, durch die er sich von dem Vieh unterscheide. Diesen Gründen setzen einige noch den Umstand bey, daß man sowol in dem Gehirn als in dem Hertzen des Menschen gantz unterschiedene Würckungen, die nicht vom Cörper dependiren könten, wahrnehme, daraus denn zu schlüssen, daß wol zwey Substantzen vorhanden wären, von denen solche Würckungen herkommen. Aus der Schrifft pflegt man verschiedene Stellen anzuführen, darinnen dreyer Theile des Menschen gedacht werde, als wenn es beym Esaia Cap. XXVI, v. 9. hieß, von Hertzen begehr ich dein des Nachts, darzu mit meinem Geist wache ich frühe zu dir; ingleichen beym Luca cap. I. 46. 47. meine Seele erhebet den HErrn, und mein Geist freuet sich GOttes meines Heylandes; 1 Cor. XIV, v. 15. Ich will beten mit dem Geist, und will beten auch im Sinn, ich will Psalmen singen im Geist, und will auch Psalmen singen mit dem Sinn; in der 1 Thessal. V. v. 23. aber würden ausdrücklich alle drey Theile des Menschen benennet: Er aber, der GOtt des Friedens, heilige euch durch und durch, und euer Geist samt der Seele und Leib müssen behalten werden unsträfflich, auf die Zukunfft unsers HErrn JEsu CHristi, wie denn auch noch Ebr. IV. v. 12. vom Worte GOttes gesagt werde, es durchdringe, bis daß scheidet Seel und Geist. Sie geben aber diese Hypothesin nicht nur vor gegründet, sondern auch vor sehr bequem aus, dadurch man die schwersten Begebenheiten in der Natur erklären könte. Denn da soll das Bluten der gewaltthätiger Weise entseelten Cörper von der Anima als dem mittlern Theil des Menschen herkommen, welche die zornige Begierde in sich habe, und indem sie auf Rache bedacht sey, so verursache sie das Bluten, sie möge in oder ausser dem Leibe seyn. So wären die Gespenster nichts anders, als dieser andere Theil, oder die Anima, welche nach der Trennung des Leibes und Geistes noch eine Zeitlang herumschweiffe, und da sie sonderlich aus der Lufft einen zarten Leib habe, so könne sie selbigen bald zusammen ziehen, bald ausdehnen, und das sey eben das, was man von dem Erscheinen und Verschwinden eines Gespenstes sagte. Die Praesagia animi, wenn man sagt, daß einem etwas ahnde, oder schwane, will man nicht weniger von dieser Anima herleiten, die mit einer Krafft zu weissagen, und zwar gegenwärtige Dinge, begabet sey, auch dasjenige verrichte, was bey den Nachtgängern vorgienge, welche mit geschlossenen Augen die Wege unterscheiden, und auf- und abwärts wohl steigen könten. Nun ist noch die vierdte Classe der unterschiedenen Meynungen über den Punct: aus wie viel Theilen der Mensch bestehe, übrig, welche diejenigen in sich fasset, daß der Mensch zwey wesentliche Theile, Leib und Seele habe, so die gewöhnlichste [724] und gemeinste ist, daß wir uns also bey deren Ausführung nicht aufzuhalten haben, und vielmehr eine kurtze Prüfung der ietzt angeführten verschiedenen Meynungen anstellen wollen. Die erste war, daß der blosse Cörper den Menschen ausmachte, und dasjenige, was man sonst die Seele nennet, nur ein Accidens desselbigen sey, der wir folgendes Argument entgegen setzen: wenn wir bey dem Menschen solche Würckungen wahrnehmen, die über das Vermögen des Cörpers sind, und also von selbigen nicht herkommen können, so folgt, daß ausser demselben noch eine Substantz, als die Ursach solcher Würckungen da seyn müsse; daß aber würcklich dergleichen Begebenheiten bey dem Menschen sich täglich äussern, kan gar leicht erwiesen werden, wenn wir nur selbige gegen die Natur des Cörpers halten wollen. Denn wenn wir die Gedancken sowol als die Begierden des Menschen nach ihrer Beschaffenheit genau betrachten, so können selbige unmöglich von dem Cörper hergeleitet werden. Der Mensch gedencket, macht sich Abstractiones, fasset Urtheile und Vernunfft-Schlüsse ab, macht Reflexiones, welches alles nicht nur in gehöriger Ordnung, sondern auch von solchen Dingen, die nicht mit den äusserlichen Sinnen begriffen werden, geschieht, wozu weder eine blosse Bewegungs-Krafft, wenn wir auch selbige der Materie in so weit beylegen wollen, daß selbige in ihr nichts wesentliches, sondern was zufälliges sey, noch die Empfindungen der äusserlichen Dinge hinlänglich ist. Es hat der Mensch eine Freyheit, durch allerhand Vorstellungen sich bald diese, bald jene Begierde entweder zu erregen, oder zu dämpffen, welches freye Wesen abermals der Natur der Materie, oder des Cörpers zuwider, daß sich auch selbige durch eine von GOTT in ihr gelegte Bewegungs-Krafft bewegte, so geschähe doch solche Bewegung auf mechanische und nothwendige Art, von welchem Punct unten in dem Artickel von der Seele ein mehrers fürkommen wird. So kan auch die Meynung derer nicht gebilliget werden, welche den Leib verächtlich halten, und des Menschen Wesen allein in der Seele suchen. Denn man siehet aus der Beschaffenheit des Leibes und dessen Vereinigung mit der Seelen, daß GOTT den Menschen also geschaffen habe, daß er nicht weniger aus dem Leibe als aus der Seele bestehen solte. Alle Ideen des Verstandes rühren ursprünglich von der Empfindung her; durch die Gedancken und Vorstellungen aber müssen die willkührlichen Begierden erreget werden, da denn die Bewegungen der Seelen und des Leibes in einer Ordnung mit einander übereinstimmen. Solches bestätiget auch die Heilige Schrifft, welche bezeuget, daß wir nicht weniger den Leib, als die Seele von GOTT empfangen haben. Die dritte Meynung, daß der Mensch drey wesentliche Theile habe, braucht mehrere Untersuchung. So viel ist voraus gewiß, daß die Neben-Hypothesis einiger, als wäre der Geist ein Stück des Göttlichen Wesens, höchst ungereimt und gefährlich. Denn auf Seiten GOTTes müste daraus folgen, daß sein Wesen in so viel Stücke getheilt werde, und daher nicht ein einfaches, sondern ein zusammen gesetztes Ding sey, folglich müste man ihm eine Unvollkommenheit [725] beylegen. Es müste der Mensch ferner Göttliche Eigenschaften, die von dem Wesen Gottes nichts unterschiedenes sind, an sich haben, und z. E. allwissend, allgegenwärtig u.s.f. seyn; wer mag sich aber was ungereimters und närrischers, als dieses einbilden? zu geschweigen, wie man mit dieser Meynung in der Lehre von der Erb-Sünde nicht auskommt. Denn da durch dieselbige der Mensch dergestalt verderbet, daß von Natur nichts gutes an ihm ist, so könnte dieses nicht seyn, wenn der Geist ein Stück des Göttlichen Wesens sey, durch welchen noch was gutes in uns wäre, weil derselbige nicht kan verderbet werden. Läst man diese Neben-Hypothesin fahren, und erkläret den Unterscheid der Seelen und des Geistes auf eine unanstößige Art, so hat die Sache nicht viel auf sich, wenn man drey wesentliche Theile des Menschen statuiret, wofern man nur hinlängliche Gründe vor die Existentz dieser dreyen Theile anzubringen weiß. So viel muß man wohl sagen, daß man keine Gewißheit darinnen haben kan, immassen wider die Argumenta, welche man anzuführen pflegt, verschiedenes kan eingewendet werden: Diejenigen Stellen der heiligen Schrifft, darauf man beruffet, scheinen vor diese Meynung zu seyn, welche auch der Sache den besten Ausschlag geben könnten, wenn nicht selbige auf verschiedene Art könnten ausgeleget und verstanden werden. Denn einmal ist bekannt, wie sowol die Hebräischen Wörter, nephesch und ruach, als auch im Griechischen ψυχήν und νοῦν vielen Bedeutungen unterworffen; wie ferner die H. Schrifft offt einerley Sache mit zweyerley Wörtern ausdrücke, und wie noch über dieses die angeführten Stellen auf eine andere Art gar beqvem zu erklären sind. Entweder kan man sagen, daß die H. Schrifft einen Unterscheid unter Geist und Seele mache, weil die Seele des Menschen, als eine Substantz, auf zweyfache Art zu betrachten, einmal sofern sie in der Gemeinschafft mit dem Leibe; und denn ausser demselbigen anzusehen, da sie in der ersten Absicht die Seele, in der andern aber der Geist heisse; oder man kan diese Auslegung machen, daß der Geist, wenn er der Seelen entgegen stehe, die in der Wiedergeburt bekommene geistliche Kräffte bedeute, welche Erklärung wenigstens 1 Thessal. V, 23. füglich angeht. Nach der ersten Art erklärt diesen Unterscheid Marius von Aßigny in der wahrhafftigen Gedächtniß-Kunst, cap. 1. p. 16. u. ff. Uber den letzt angeführten Ort aber kan man, jedoch mit gehöriger Prüfung lesen, was Vitringa in observ. sacris lib. 3. c. 4 aus der alten Hebräischen und Platonischen Philosophie anführet. So läst sich auch wider die Gründe, die man aus der Sache selbst nehmen will, noch manches einwenden. Denn erinnert man, daß die Seele, als das mittlere Principium, das Band der Vereinigung zwischen dem Leib und der Seele seyn müsse, so setzet man dabey zwar voraus, daß zwey Extrema, die einander gerade entgegen wären, nicht anders, als durch eine mittlere Sache, so aller beyden ihrer Natur näher komme, und von beyden participire, könten vereiniget und zusammen gebracht werden, welches aber eben auf die Vereinigung des Geistes mit dem Leibe nicht zu extendiren. Es ist solche Vereinigung ein philosophisches Geheimniß, davon man die Art und Weise nicht wissen kan. Will man sich auf den Streit, der in der Seele vorgehet, beruffen, so werden andere antworten, daß die streitende Partheyen nur die Vernunfft und die [(726] sinnliche Begierde wären, welche man nicht als zwey Substantzen, sondern als zwey Kräffte der Substantz anzusehen, die wohl wider einander wircken könten. Der eintzige Umstand ließ sich noch einiger massen hören, daß, wenn bey den unvernünfftigen Thieren ausser dem Leibe noch ein Principium, solches auch bey dem Menschen in Ansehung seiner animalischen Natur seyn müsse, daß er also mit der vernünfftigen Seele drey Theile habe, welches wir in dieser gantzen Sache vor den wichtigsten Punct halten, der diese Meynung einigermassen wahrscheinlich macht. Wenigstens sehen wir nicht, wie selbige gefährlich seyn könne, wenn man sich von der Natur der Seelen und des Geistes keinen irrigen Concept machet, solte man sich auch gleich die Seele als eine mittlere Substantz, die was cörperliches und geistliches an sich habe, vorstellen, dergleichen GOtt nach seiner Allmacht gar wohl hat erschaffen können. Doch wenn man auch dieser Meynung beypflichten will, so bilde man sich dabey keine grössere Gewißheit ein, als man sie in der That haben kan, und dencke nicht, man könte bey dieser Hypothesi mit der Auflösung vieler schweren Begebenheiten so bald fertig werden. Bey denen, deren wir oben gedacht, läst sich noch manches gedencken. Die gemeine Lehre von 2 Theilen des Menschen ist auch so beschaffen, daß man nichts erhebliches dawider einwenden kan, weil man keine hinlängliche Ursache wird angeben können, warum dasjenige, was man bey der Meynung von drey Theilen des Menschen der mittlern Substantz zuschreibet, nicht zum Theil vom Leibe, zum Theil von der vernünfftigen Seele herkommen kan? mithin sehen wir diesen Punct überhaupt als ein Philosophisches Problema an, davon man übrigens Cypriani Diss. de partium hominis essentialium numero. Teubers moderatum judicium de quaestione theolog. an dentur tres partes hominis essentiales? Magdeburg 1708. Wiedeburg in Disp. de tribus partibus hominis, corpore, anima & spiritu, Helmst. 1695. Gebhardi disp. de tribus partibus hominum essentialibus, Greiffsw. 1707 lesen kan. Nachdem wir dieses vorausgesetzet, so kommen wir auf die Beschreibung des Menschen, welche man insgemein so abfasset, daß man sagt, er sey ein animal rationale, ein vernünfftiges Thier. Ob nun zwar einige an dieser Definition verschiedenes aussetzen wollen, als Syrbius in philosophia prima part. 1. prooemio. §. 7. u. ff. so halten wir doch dafür, daß selbige zwar nicht allzudeutlich, aber doch hinlänglich sey, indem alle wesentl. Eigenschaften eines Menschen, folgl. auch diejenigen Kennzeichen, davon er von den andern Creaturen unterschieden wird, angegeben werden. Denn daß er einen belebten Leib hat, ist ihm mit dem unvernünftigen Vieh gemein, die vernünftige Seele aber kommt ihm, als was eigenes zu, indem man dem Vieh auf keine Weise, weder eine Vernunfft, welche vorneml. das Vermögen zu abstrahiren, zu reflectiren, zu urtheilen, u. Vernunftschlüsse zu machen, begreift; noch einen freyen Willen zuschreiben kan. Eben daraus erkennet man deutl. wie ein Mensch von einem Engel unterschieden, massen jener eine Creatur, die aus Leib und Seel zusammen gesetzt; dieser aber ein blosser Geist ohne Leib. Undeutl. aber ist diese Erklärung, weil sie nicht nur was kurtz abgefasset, sondern auch solche Wörter darinnen gebraucht werden, die nicht von allen auf gleiche Art gebraucht und verstanden werden, welchem Fehler leicht abzuhelffen, wenn [727] man sie erweitert, und durch specialere Ideen das Wesen determiniret, daß nemlich derselbige eine solche Creatur sey, welche aus einem belebten Leibe u. einer vernünftigen freyen Seele bestehet, daß sie sich auf eine willkührliche Art glücklich machen, auch eine Begierde zur höchsten Glückseligkeit von Natur in sich habe. Es hat also der Mensch eine zweyfache Natur, eine physische und eine moralische: jene ist das Wesen des natürlich-belebten Leibes u. die Connexion derselben mit der cörperl. Natur in Ansehung seiner Erhaltung; diese aber ist das Wesen der vernünftigen Seele in Absicht auf die menschl. Glückseligkeit. Auf solche Weise haben wir den Menschen an u. vor sich betrachtet, den wir nunmehro gegen die andern Creaturen auf dem Erdboden, und gegen seinen Schöpffer halten, und dessen Unterscheid von denselbigen untersuchen wollen. Was die andern Creaturen auf dem Erdboden betrifft, so ist der Mensch das edelste unter allen sichtbaren Geschöpffen, und wird microcosmus, oder die kleine Welt, oder wie ihn Plinius nennt, mundi Compendium geheissen. Er hat vor den andern Thieren nicht nur in Ansehung seiner vernünftigen Seele, sondern auch des Leibes, einen grossen Vorzug, massen er sein Haupt aufrecht trägt, und mit Händen, als dem geschicktesten Werckzeug versehen, welches keinem anderen Thier gegeben. Seneca schreibt lib. 6. c. 23. de beneficiis wohl: du must wissen, daß der Mensch nicht ein in der Eil aufgerafftes und ohne Bedacht verfertigtes Werck sey. Die Natur hat nichts unter ihren höchsten Vortrefflichkeiten, damit sie sich mehr rühmen, oder dem zu Gefallen sie sich mehr rühmen könnte. Von welcher Würde u. Vorzug des Menschen in besondern Schriften gehandelt worden, wie denn Gregorius Qveccius ein eigenes Werck de nobilitate & praestantia hominis geschrieben hat; doch muß man auch des Elends, damit der Mensch nach dem Fall umgeben, nicht vergessen. Wenn er nach seinen verderbten Begierden in Tag hinein lebet, u. die natürl. Kräffte, daran er sonst die Thiere übertrift, übel brauchet, so kan er schlimmer u. elender werden, als die Bestien selber. Denn eine Bestie folgt dem Lauf der Natur, u. indem sie mit dem wenigen vergnügt ist, was zu ihrer Erhaltung nöthig, so hat sie keine Sorge und Bekümmerniß, durch welche hingegen der Mensch unaufhörlich in seinem Gemüth beunruhiget wird, daß er darüber die allerempfindlichste Qvaal ausstehen muß, welche eben durch das, so ihm den Vorzug geben soll, neml. durch die Gedancken und Betrachtung, erreget und unterhalten wird. Es ist nicht genug, daß er sich wegen des gegenwärtigen durch die Unersättlichkeit beunruhiget, sondern seine Gedancken führen ihn auch auf das Vergangene und auf das Künftige, und geben zu unzehligen und wider einander lauffenden Begierden Anlaß. Halten wir den Menschen gegen seinen Schöpffer, so giebt die Betrachtung desselbigen die herrlichsten und gründlichsten Beweisthümer von der Existentz GOttes an die Hand. Denn sehen wir die Bildung, Einrichtung u. Proportion des Leibes und aller Gliedmassen an, und erwegen, wie alles zu einem gewissen Zweck und Gebrauch geordnet, so schlüssen wir billig, daß dieses nicht von ohngefehr geschehen, u. der Mensch einen weisen Schöpffer gehabt, der seinen Leib so gebildet. Die aufgerichtete Natur ist ihm so besonders, daß er dadurch von allen andern Thieren unterschieden wird; daß ihm aber solche darum gegeben worden, damit er desto freyer den Himmel betrachten, [728] und also sowol seinen, als der gantzen Welt Schöpffer erkennen könte, haben auch schon die Heyden angemercket. Cicero de natur. deor. lib. 2. cap. 56. sagt: man könte vieles noch zu dieser fleißigen und vorsichtigen Vorsorge der Natur hinzusetzen, daraus abzunehmen wäre, wie grosse und trefliche Dinge GOtt denen Menschen verliehen habe, da er sie zuerst von der Erden genommen, u. hoch u. aufgerichtet wachsen lassen, damit sie, wenn sie den Himmel anschaueten, von den Göttern einige Erkänntniß schöpffen möchten. Denn es sind die irrdischen Menschen nicht wie blose Einwohner, sondern als Zuschauer der obersten und himmlischen Dinge, deren Betrachtung u. Anschauung keiner andern Art von Thieren zukommt. Es verdienet an dem Gebäude des menschl. Cörpers auch die grosse Varietät der menschl. Gesichter bewundert zu werden, daß in der so grossen Menge Menschen gar selten nur zwey gefunden werden, die sich dem Gesichte nach ganz ähnlich sehen, obgleich die Theile des Gesichtes eben nicht sogar viele, und dazu einerl. Art sind, welches um desto mehr zu bewundern ist. Dieses hat schon Plinius lib. 7. cap. 1. hist. natur. observiret, wenn er schreibet: es wären kaum in unserm Gesichte zehn oder wenig mehr Gliedmassen, und es wären doch bey so viel tausend Menschen nicht zwey, die in der Bildung sich vollkommen gleichten, welches keine Kunst, wenn sie sich gleich darauf befliesse, in so wenig Stücken an der Zahl ausrichten, u. zuwege bringen könte. Es kommt noch weiter bey der Betrachtung des menschl. Cörpers dessen Vollkommenheit vor, indem es bey demselben an gar keinem Gliedmaß fehlet, welches zur Erhaltung u. Zierde des Menschen gereichet; es ist auch keines überflüßig, daß mans entbehren könte, welche Materie mit mehrern Parcker de Deo & provid. disp. 5. sect. 5. sqq. Rajus in existent. & Sapient. Dei manifestata in creatur. part. 2. p. 290. Fenelon de l'existence de dieu, artic. 32. u. Wolff in den vernünftigen Gedancken von dem Gebrauch der Theile in Menschen, Thieren und Pflanzen ausgeführet haben. So geben auch die Kräffte und Wirkungen unserer Seelen die stärcksten Beweisgründe an die Hand. Denn die schönste Ordnung, welche die Kräffte unter sich sowol, als gegen den Leib haben, die Erstaunens-würdige Würckungen, die auf unsere Glückseligkeit abziehlen, daß wir vorher das wahre und falsche, das gute und böse erkennen, und hierauf nach dem guten ein Verlangen tragen, die Schrancken, darinnen selbige eingeschlossen, und andere dergl. Umstände zeigen unwidersprechl. an, es sey ein GOtt, der alles so weisl. geordnet und gemacht hat, wovon man Buddeum in thes. de atheismo & superstit. c. 5. S. 6 sqq. lesen kan. Wir sind nun mit dem ersten Stück dieser Materie von der Natur u. Beschaffenheit des Menschen fertig, und kommen nun auf das andere von den unterschiedenen Arten der Menschen. In den wesentl. Eigenschafften sind sie einander alle gleich. Es hat zwar Thomasius in seinen oration. academicis p. 13 sqq. die Frage: ob die Menschen von einander specie unterschieden? untersuchet, u. gemeynet, man habe die gewöhnl. aristotelische Lehre, als machte der Mensch eine sogenannte Speciem infirmam aus, vor irrig anzusehen, welches er in sonderheit wider Leibnitzens Disp. Spec. quaest. Philos. ex jure collectarum, Leipz, 1664. behauptet, die Sache aber scheinet blos auf einen Wort-Streit anzukommen, daß wir uns dabey nicht aufzuhalten haben. Doch findet sich unter den Menschen in den zufälligen Eigenschaften ein grosser Unterscheid, der [729] entweder ein natürl. oder moralischer: jener ist entweder ein ordentl. oder aussserordentl. Der ordentl. natürl. Unterscheid dependiret von der Ordnung der Natur, und zeiget sich sowol auf Seiten des Leibes als der Seelen. Denn was den Leib betrifft, so äussert sich dieser Unterscheid in verschiedenen Umständen. Nach dem Geschlechte sind einige Manns- andere Weibspersonen, welcher Unterscheid in Ansehung der menschlichen Natur nur zufällig; in Ansehung des Geschlechts aber wesentl. Einige sind lang, dicke; andere klein u. hager, etl. sind von starcker; etl. von schwacher Leibes-Constitution. Sonderl. ist die allzugrosse Varietät der menschl. Gesichter was wunderwürdiges, wie wir schon kurtz vorher erinnert, welches eine sondere Weisheit GOttes anzeiget. Budd. in thesib.de atheismo & superstit. c. 5. §. 6. schreibet davon wohl: man muß aber nicht dencken, daß diese so grosse Unterschiedlichkeit der Gesichter so von ohngefehr ohne Ursach, oder ohne weisen Rath anzutreffen sey. Denn das war höchst nothwendig, vielen grossen Verdrüßlichkeiten zu entgehen, die in der bürgerl. Gesellschafft sonsten entstehen müsten. Man bedencke doch, was vor ein verwirrter Zustand in dem gemeinen Leben in allen Stücken entstehen würde, wenn man auf diese Art die Menschen nicht von einander unterscheiden könnte. In Verträgen, Bündnissen, Contracten könnte niemand gewiß seyn, mit welcher Person er zu thun hätte. Denn bald würde dieser leugnen können, man hätte mit ihm nichts zu thun gehabt, jener es beiahen mit dem doch nicht gehandelt worden. Es würde nicht leicht, ein auch noch so greul. Bubenstück können bestraffet werden, weil niemand rechte Gewißheit haben könte, wer solches begangen hätte. Sehr leicht würde es auch seyn, Fürsten und grosse Herren aus dem Wege zu räumen, u. andere an ihre Stelle zu setzen, wenn nicht der Unterscheid der Gesichter im Wege stünde. Was soll ich sagen von den unzehl. Betrügereyen, Ehebrechen, herbey schaffen falscher Zeugen, welches alles auf keinerley Weise könte verhütet werden, wenn es nicht die Varietät der Gesichter hinderte. Solchen natürl. Unterscheid nimmt man auch an den Kräften der Seelen wahr, daß man bald dieses bald jenes Naturell unter den Menschen antrifft. Denn in dem Verstand sind die drey Hauptfähigkeiten, das Gedächtniß, Ingenium u. Judicium; und in dem Willen die drey Haupt-Neigungen in Ansehung ihrer Lebhaftigkeit von Natur auf verschiedene Art vermischet, wovon unten in dem Artickel vom Naturell mehrers fürkommen wird. Der ausserordentl. natürl. Unterscheid zeiget sich, wenn die Natur von ihrer ordentl. Art zu wircken abweichet, und etwa einen Zwerg oder Riesen, oder einen solchen Menschen dem entweder was fehlet, oder der etwas zu viel, oder doch nicht in gehöriger Ordnung hat, hervorbringet. Der Moralische Unterscheid der Menschen untereinander rühret von moralischen Ursachen her. Uber den natürl. Stand hat man noch andere Stände, u. kleinereGesellschafften eingeführet, daher einige Eltern, andere Kinder, etl. Herren u. Frauen, andere Knechte u. Mägde; einige Regenten, andere Unterthanen sind. Nachdem man allerhand Künste u. Wissenschaften zu erlernen, u. dadurch die Commodität des menschl. Lebens zu befördern angefangen, so unterscheiden sich auch die Menschen durch mancherley Art der Professionen von einander. Denn man hat gelehrte u. ungelehrte Leute, u. unter den gelehrten Theologos, Juristen, Medicos und Philosophos. So ist auch unter [730] den Menschen das Vermögen ungleich, daß mancher reich, hingegen ein andrer arm ist, welches auch seine moralischen Ursachen hat. Es ist noch übrig, daß wir auch drittens den Ursprung des menschlichen Geschlechts untersuchen. Es ist keine Sache gewesen, die den alten Heyden mehr zu thun gemacht, als eben diese. Denn da sie die Bücher Mosis nicht hatten, oder sie nicht annahmen, so konten sie davon nichts aussinnen, das nur einigen Schein der Wahrscheinlichkeit hatte, und wenn sie davon zu raisoniren anfangen wolten, geriethen sie auf Thorheiten. Von den Poeten wollen wir nichts gedencken, welche gedichtet, die Menschen wären aus Steinen des Deucalions entsprungen; oder sie wären wie Eichel von Eichen herabgefallen, oder aus der weichen Erde des Promethei gebildet worden. Es sind sogar Philosophi oder Lehrer der Weisheit gewesen, welche eben so abentheurliche Meynungen vom Ursprung der Menschen geheget haben, die sich in zwey Classen eintheilen lassen. Einige haben gemeynet, die Menschen wären sowol, als die Welt allezeit gewesen, und hätten niemals einen Anfang genommen, unter welche Censorinus de die natali cap. 4. den Platonem, Aristotelem, Dicäarchum, Pythagoram, Ocellum, Lucanum, Archytam Tarentinum, Xenocraten und Theophrastum gerechnet. Von dem Aristotele und denen, die ihm gefolget, ist dieses gewiß. Denn er statuirte, die Welt sey ewig, welches auch insonderheit unter den neuern Andräas Cäsalpinus vertheidiget, der in der peripathetischen Philosophie so erfahren gewesen, daß Parcker de Deo & provid. disp. 1. p. 64. von ihm urtheilet, er sey unter den neuern der erste, auch wohl der letzte gewesen, der des Aristotelis Meynung recht eingesehen, mit der auch seine eigene Lehre genau übereinstimmet, indem alles dahin auslaufft, daß diese Welt von aller Ewigkeit her gewesen. Mit was vor Recht einige die Pythagoräer und Platonicos denjenigen zugesellen, die dem menschlichen Geschlecht eine Ewigkeit zugeschrieben, hat Buddeus in hist. Eccles. ver. test. period. 1. sect. 1. §. 8. p. 75. vorgestellet. Die Einfalt solcher Gedancken, daß von Ewigkeit her Menschen gewesen, kan man mit Händen greiffen, wenn man sie nur überlegen will. Denn da wir durch die glaubwürdigsten Scribenten Nachricht von der Vermehrung des menschl. Geschlechts und von dem Ursprung mancherley Völcker haben, so muß man auf solche Art nothwendig, wo nicht auf zwey, doch auf etliche wenige Menschen kommen, von denen die übrigen ihren Ursprung haben. Wären hingegen allezeit Leute gewesen, so könte man keine Zeit benennen, darinnen nicht eben eine so grosse, ja noch grössere Anzahl Menschen gewesen seyn solte, als heutiges Tages ist. So wenig überhaupt die Welt von sich selbst hat seyn können, so wenig ist das menschliche Geschlecht die Ursache seiner selbst, und muß daher die Existentz von einem andern haben, daß also dadurch die Ewigkeit wegfällt. Andere unter den Heydnischen Weltweisen haben den Ursprung der Menschen behauptet, welche in einigen Puncten mit einander übereinkommen; in etlichen aber gantz von einander unterschieden sind. Einig sind sie darinn, daß das menschliche Geschlecht nicht ewig sey, sondern einen Anfang habe; was aber die Ursach gewesen, und auf was Art und Weise selbiges entstanden sey, darüber haben sie ungleiche Gedancken geführet. Einige, als Epicurus und sein Ausleger Lucretius, schreiben den Ursprung des menschlichen Geschlechts einem blossen [731] Zufall zu, daß durch den von ohrgefehr geschehenen Zusammenlauff der Atomorum und unrichtigen Geburten es endlich durch einen blossen Zufall geschehen sey, daß unsere Leiber zu solcher Figur, wie sie jetzo haben, von ohngefehr gediehen wären; wider welche Meynung zweierley zu erinnern ist. Denn einmal ist die Materie allein nicht hinlänglich, daß ein Mensch mit Leib und Seel begabet, daraus kommen kan, sie mag beschaffen seyn, wie sie will; hernach aber sind bey dem Leibe die Adern, Nerven, Blut-Röhren, Knochen, Haut, und alle Glieder so ordentlich und zu einem gewissen Gebrauch eingetheilet, daß dieses unmöglich von ohngefehr kan geschehen seyn. Andere haben gemeynet, daß die Menschen aus einer Materie Krafft der Wärme hervor kommen, die sich wieder auf verschiedene Art erklären. Anaximander Milesius sagte: es wären aus warm gewordnen Wasser und Erde Fische, oder den Fischen gleiche Thiere entstanden, in welchen die Menschen gewachsen und dieses Gehecke so lange inwendig darinn verborgen gehalten worden, bis es zu seiner gebührenden Reiffe gekommen, worauf endlich das, worinnen sie bisher verborgen gelegen, von einander geborsten, und Männer und Weiber, die sich selbst ernehren können, hervor gekommen. Empedocles gab vor, daß alle Glieder zuerst aus der gleichsam schwangern Erde Stück-weise hervorgebracht und endlich zusammen gewachsen wären, so daß sie die Materie zu einem gantzen und fest an einander gesetzten Menschen, welche zugleich mit Feuer und Feuchtigkeit vermischet gewesen, dargereichet hätten. Democritus hat gemeynet, die Menschen wären zuerst aus Wasser und Leimen geschaffen, wie bey dem Censorino de die natali zu lesen. Es ist aber schon oben erinnert worden, daß die Materie, sie mag erwärmt gewesen seyn, oder nicht, keinen Menschen hervor bringen können. Wenn dem so wäre, so möchte man fragen, wie es denn komme, daß die Erde, welche noch jetzo wie im Anfange, Kräuter, Bäume, Blumen und Pflantzen hervorbringe, nicht mehr Menschen oder zum wenigsten andere Thiere zeuge? wolte man sagen, die Erde hätte ihre vorige Krafft verlohren, und könte jetzo keine solchen Thiere mehr hervor bringen, so kan man weiter fragen: wie es käme, daß die Pflantzen noch immer auf eben diese Weise wie vor Alters, aus der Erden hervor kämen? wäre ihr an dieser Krafft was abgegangen, so müsten keine grossen Bäume, sondern nur kleine Gebüsch seyn. Solch abentheurlich Zeug haben die Heydnischen Philosophen gemacht, wenn sie nach ihrer Phantasie den Ursprung des menschlichen Geschlechts ausdencken wollen; aber noch grössere Thorheiten begehen diejenigen Atheisten, welche lieber vorsetzlich mit diesen blinden Leuten straucheln, als das Ansehn, der H. Schrift annehmen wollen, die doch in der That nichts, was die Vernunft mit Grund verwerffen könte, hievon meldet. Die Vernunft erkennt auf das deutlichte, daß die Welt, als auch das menschl. Geschlecht seinen Ursprung von GOtt habe, wie schon oben gewiesen worden; die besondern Umstände aber, z. E. daß GOtt nur zwey Menschen erschaffen, daß dieses am sechsten Tage geschehen, daß er den Leib des Adams aus der Erden gebildet u.s.w. können wir ohne besondere Offenbahrung nicht wissen. Man lese hier nach Matthäi Hale Tr. vom Ursprung der Welt u. denen Menschen sect. 3. p. 895. Budd. in hist. eccl. ver. rest. part. I. sect. 1. §.8 p. 77. u. in thesib. de atheismo & superstitione c. 5. §. 8. und den [732] Auctoren der observ. miscell. part. 15. p. 170. nebst vielen andern, die wider die Atheisten geschrieben, und oben angezeiget worden. Zu Paris ist 1714 eine Schrifft, traité de l'homme herauskommen, worinnen der Auctor vier Sätze ausführet, neml. daß der Mensch aus was mehr, als aus einer Materie und Cörper bestehe, daß dasjenige, was den Leib belebet, u. sich selbst bewege, die Seele sey, daß der Mensch und die Welt unter sich eine Gemeinschafft hätten, u. daß der Mensch dem Leibe nach sterblich; in Ansehung der Seelen aber unsterblich sey. Man findet davon einen Auszug in den memoires de Trevoux 1714. maj. p. 798. Es ist auch hier nach zu lesen Joh. Sigismund Elsholtii anthropometria, sive de mutua membrorum corporis humani proportione & nervorum harmonia libellus, Franckfurt 1663. Walch im Philosophischen Lexico. Wer mehrere Schriften von dem Menschen sowol überhaupt, als seinen Theilen u. Eigenschafften wissen will; findet deren eine ziemliche Zahl in Julius Bernh. von Rohr physicalischer Bibliotheck, in welcher das gantze X. Capitel von dem Menschen handelt. Ehe wir aber diesen Artickel beschliessen, wird nöthig seyn, daß wir noch etwas von Erschaffung der Menschen nach Anleit. der H. Schrift beybringen. Mit seiner Schöpfung gieng es ganz besonders zu: denn vorher sind die göttl. Personen, in gesundem Verstande und auf göttl. Weise, gleichsam in die innere Rathstuben gegangen, u. sich da beredet, wie sie nun nach Vollendung vieler Creaturen, auch eine, welche die alleredelste unter den sichtbaren seyn solte, machen wolten, an dem sie nicht nur mit duncklen Anzeigungen ihre Majestät und Macht, Weisheit und Gütigkeit, wie an andern Creaturen, wolten abmahlen, sondern ihr alleredelstes Bild auf ihn prägen und drucken, daß er ihnen am Verstande, Willen, Kräfften der Seelen und des Gemüthes, auch den äusserl. leibl. Qualitäten nach, gewisser massen gleich seyn solte, in welchem sie ihre Wohnung haben, und sich in ihm, als in einem Spiegel beschauen und erfreuen möchten; und da hat es in solchem Rathgeheissen: Lasset uns Menschen machen, ein Bild das uns gleich sey, 1 B. Mose I, 26. Uber welche Worte unterschiedene Meynungen sich finden: Etliche wollen, GOtt habe es hier gemacht wie grosse Potentaten, die von ihrer eintzelnen Person, als von vielen reden. Andere wollen, er habe sein Hertz; etliche Himmel und Erden; noch andere, er habe die heiligen Engel, die Elementen, oder die menschliche Seele angeredet; mit deren Widerlegung wir uns nicht aufhalten, sondern nur anzeigen wollen, daß es richtiger sey, wenn man dafür halte, daß die drey Personen der Gottheit sich miteinander unterredet, was wegen des Menschen Schöpffung vorzunehmen, und seyn dieses nicht Worte einer eintzeln Person, als des Vaters, daß er zum Sohn und heiligen Geist saget, lasset uns Menschen machen; sondern aller dreyen Personen zugleich, die alle einerley Meynung, eines Sinnes und Gedancken gewesen, daß sie nunmehro auch den Menschen schaffen wolten. Daß aber die Göttliche Dreyeinigkeit also deliberiret, kam daher, wie Lutherus erinnert, weil der Mensch etwas besonders vor allen andern Creaturen, und dieses zum voraus haben solte, daß er zu GOttes Ebenbild erschaffen worden. Weihenmaiers Spruch-Catech. p. 26. u. f. Demnach schuff GOtt der HErr zween Menschen, ein Männl. u. Fräul., u. hieß ihren Namen Mensch, 1 B. Mos. V, 2. [733] Den Mann hat er dem Leibe nach aus einem Erden-Kloß gemacht, Cap. II,7. worüber R. Salomon Jarchi diese Gedancken hat: GOtt habe zu des Menschen-Schöpffung den Abgrund erhoben, und die Wolcken befeuchtet, damit sich der Staub auflösen möchte, und so sey Adam geschaffen worden, auf solche Art, wie etwan was gebacken wird, GOtt habe Erde und Wasser genommen, habe es gleichsam geknetet, und einen Teig daraus bereitet, und demselben hernach eine Gestalt gegeben, davon Moses sage וייצר da zwey Formationes wären, weil zwey י da vorkommen, er habe ihn geformet zu diesen, er habe ihn aber auch geformet zu jenem Leben, und zur Auferstehung aus den Todten. Er siehet sonder Zweifel auf das Beinlein, welches die Jüden לוז nennen, und davon fürgeben, daß es als eine Materie zukünfftiger Auferstehung von den Todten bey iedweden menschlichen Cörper übrig bleibe; obs aber im Hirnschedel, oder bey dem Munde sich befinde; ob es wie eine Bohne gestaltet sey, oder wie sonst, ist hier nicht lange zu fragen, weil einem Undinge keine Eigenschafften beywohnen können. Wenn übrigens gefraget wird, aus was vor Erden-Staub Adam eigentlich geschaffen worden? so antworten etliche der Rabbinen, GOtt habe den Staub von demjenigen Ort genommen, an welchem hernach seine Versöhnung sey geschehen. Sie verstehen aber dadurch den Berg Morijah, allwo der Tempel gebauet worden, welches eben der Ort sey, an welchem Adam Gottesdienst gehalten, ingleichen Abel, wie nicht weniger Noah, als er aus dem Kasten gegangen, nach ausgestandener Sündfluth, ingleichen wo Abraham seinen Sohn zu schlachten befehlichet worden. Wir möchtens geschickter deuten auf CHristum und auf seine Versöhnung, welche er auf dem Berge seiner Creutzigung, an der Schedel-Stätte geleistet hat. Jarchi giebt vor, GOtt habe den Staub zu Adams Bildung aus der gantzen Erde genommen, aus den vier Winden, daß wo er auch nur sterben möchte, die Erde ihn wiederum einnehmen, und ein Grab verstatten möge. Ihm stimmen bey einige der Scholasticorum, die der Meynung sind, Adam sey aus den vier Theilen der Welt geschaffen worden, weil Ἀδάμ mit seinen vier Buchstaben die vier Gegenden der Welt bezeichne, Ἀνατολήν, δύσιν, ἀρκτόν, μεσύμβριαν: auf welche Gedanken die Unwissenheit der Ebräischen Sprache auch den Augustinum und Cyprianum gebracht hat, da doch auch ein Einfältiger sehen kan, was vor ein Unterscheid unter אדם und Ἀδάμ sey. Scherzer Oper. Pret. orient. p. 91. Von dem machen stehet im Ebräischen ein Wort, welches zwar insgemein heisset etwas machen, verrichten und herfürbringen, wie Kimchi über Jerem. XXXIII, 2. angemercket; sonderlich heisset es so viel, als etwas bilden, einem Zeug oder Klumpen eine gewisse Gestalt geben, wie etwan Götzen gebildet, und aus Holtz, Stein, Metall und dergleichen Zeug formiret werden, Es. XLIV, 9. u. ff. ingleichen die erdene Krüge von den Töpffern, Jer. XIX, 1. Es. XLV, 9; und dahero wird es auch von GOtt gelesen, daß er nicht nur habe das Trockene bereitet, Ps. XCV, 5. sondern auch anfänglich des ersten Menschen-Leib aus einem Erden-Kloß gebildet; die Seele aber ihm eingeblasen; denn er bließ ihm ein den lebendigen Odem in seine Nasen. Ist also Adams Seele nicht von [734] Ewigkeit her gewesen, sondern in der Zeit erschaffen; sie ist nicht aus einer irdenen Materie genommen, auch nicht am ersten Tage, wie einige gemeynet, mit den Engeln erschaffen worden, sondern hat damals erst ihren Ursprung genommen, da GOTT zuvorher den Leib aus der Erden gebildet. Wie es aber mit diesem Einblasen zugegangen, ist vielfältig gefragt worden. Augustinus, Gerhard, und noch andere halten am besten dafür, daß eben mit solchem Blasen habe sollen der Seelen hoher Ursprung angezeiget werden, nemlich, daß sie unmittelbar von Gott selbst erschaffen, und GOtt ihr Blaser gewesen, welches Dannhauer in seiner Catechismus-Milch Th. IV. p. 346, also erkläret: „der ewige Sohn GOttes, der nach seiner Auferstehung seine Jünger angeblassen, Joh. XX, 22. und in, mit und durch solches Athmen, als einem äusserlichen Zeichen und Organo, den Heil. Geist gegeben, der hat auch dem ersten Menschen einen lebendigen Geist eingeblassen, aber auf eine andere Weise. Dort war es ein Cörperlicher leibhafftiger Athem, womit er den Heiligen Geist seinen Jüngern geschencket; hier aber hat er einen von ihm erschaffenen Geist eingeblasen, nicht als ein Stück wahres Göttliches Wesens, als welches untheilbar und unwandelbar ist, sondern als ein neues Geschöpff, welches er dem aus Leimen gebildetem Leibe eingehauchet usw.“ Und also ward er, der Mensch, eine lebendige Seele, der sich sogleich in diesem seinen empfangenen Leben erzeigte als ein vollkommener Mensch, mit Leib und Seele, der danachsinnen, reden, hören usw. könte. Besiehe hierbey die Glosse Lutheri in Comment. in Genesin p. 19. Das Weib aber hat GOtt der HErr aus des Mannes Ribbe geschaffen. Denn er ließ einen tiefen Schlaff fallen auf den Menschen, und er entschlieff Cap. II, 21. Die Rabbinen, sonderlich Kimchi und Aben Esra, pflegen dreyerley Art des Schlaffes zu zehlen: die erste nennen sie rhenuma, wenn das Haupt der Menschen zu schwer werden will, und durch ein sanfftes Nicken und Biegen die Sehnsucht der Ruhe entdecket: die andere schena, wenn der Mensch mit einem zwar süssen, iedoch leichten Schlaff erquicket wird: die dritte thardema, einen sehr festen und tieffen Schlaff, wie es der Geist GOttes braucht von dem tieffen Schlaff Abrahams, 1 B. Mose XV. 12. dem Todes-Schlaff Sisserä, B. der Richter IV, 21 usw. und diesen letzten verstehet hier der Heilige Geist. Hierbey fragt sichs, warum aus dem schlaffenden und von nichts wissenden Adam ein Weib gebauet worden? solte auch wohl GOtt auf den Ehestand nach dem Sünden-Fall gezielet haben? Rupertus Tuitiensis bricht hierzu die Bahne, welcher meynet, es habe Gott die Tugend eines klugen Mannes entdecken wollen, der bey seinem Freywerben, wie ein Schlaffender, seine leiblichen Augen solle zuthun, und nicht auf Schönheit, Reichthum oder irdische vergängliche Dinge sein Absehen führen. Man könnte auch sagen, daß Gott den Jammer und das Wehe, so nach dem Sünden-Fall den Ehestand quälen und drücken werde, tröstlich hiermit entdecken wollen: es gehe dem Menschen darinne so elend, als es wolle, es peinige ihn entweder derienige, von welchem er genommen, oder die, so sein Fleisch sey, beyde sollen ihr Elend durch kräfftige Würckung des ruhigen [735] Geistes GOttes verschlaffen. Mayers Kind GOttes, Th. I. p. 295. Und von diesem schlaffenden Adam nahm Gott eine Ribbe, und schloß die Stätte zu mit Fleisch. Die Juden streiten hier hefftig mit einander, was denn GOtt der Herr dem Adam genommen habe, ob eine Ribbe, oder das andere Theil, welches die Seite genennet wird? Und ist es an dem, daß das Ebräische צלע wie eine Ribbe, also auch eine Seite bedeutet, zum Exempel, 2 B. Mose XXVII, 7. Cap. XXXVII; 3. Und daß es Moses in eben diesem Verstande hier genommen habe, wollen sowol Aben Esra, als auch R. Salomo, deren iener der Meynung ist, daß צלע hier so viel als צד, dieser aber, daß es so viel als סשר bedeute. Daher ist der Wahn entstanden, den man sonst dem Plato zuschreibet, daß der erste Mensch wäre zweygeschlechtig, das ist, sowol als Mann, als auch als Weib geschaffen worden, oder wie es R. Samuel Ben Nachman ausleget, das Weib sey anfänglich mit dem Adam vereinigt, geschaffen worden, und gleichsam als mit Pech an seine Schultern angeleimt gewesen, so daß forne Adam, rückwerts aber Eva war. Zu solcher Meynung hat sich nach dem auch Menasse Ben Israel verstanden, wie nicht weniger von den Christlichen Lehrern, Franc. Georgius, wie bey Sixto Senensi Biblioth. S. zu ersehen ist. Allein diese zusammen hätten sich besinnen sollen auf das, was der Apostel 1 Cor. XI, 8. schreibet: der Mann ist nicht vom Weibe, sondern das Weib ist vom Manne; ingleichen, was eben dieser Paulus 1 Tim. II, 13. spricht: Adam ist am ersten gemacht, darnach Eva. Denn wenn Adam zweygeschlechtig geschaffen wäre, so würde man eben sowol sagen, der Mann sey aus dem Weibe herausgegangen, als man sagt, das Weib sey aus dem Manne gleichsam entsprungen: oder vielmehr müste man sprechen, daß keines von diesen beyden sey von dem andern herkommen; denn es wäre nicht eine neue Hervorbringung, sondern nur daß das zweyfache Geschlecht, so aus einem Leibe bestanden, von einander sey gesondert worden. Und wie könte man solchergestalt sagen, Adam sey zuerst, und hernach das Weib geschaffen, wenn in einem Augenblick ein Mann-Weib wäre geschaffen gewesen? derohalben halten wir es mit dem Maimonide, der es vor ein unnütze Geschwätze hält, und übel damit zufrieden ist. Hakspan Not. Philol. P. I. pag. 72. u. f. Scherzer Oper. pret. Orient p. 90. Wir bleiben, also bey dem, was die Schrift saget, GOtt nahm seiner Ribben eine; diese Ribbe aber soll nach des LyrÄ Vorgeben überley gewesen seyn bey Adam, iedoch aber zur Erbauung des Weibes nöthig; wiewol andere Ausleger, als Catharinus, Corn. a Lapide, wie auch Lutherus in der Meynung stehen, daß GOTT vor die dem Adam genommene Ribbe, mit dem Fleische auch zugleich eine andere gegeben habe, wenn es heist, er schloß die Stätte zu mit Fleisch, das ist, den Ort, da er die Ribbe genommen, hat er mit Fleisch wiederum ersetzet, und gantz gemacht, damit kein Mahl oder offene Wunde gleichsam würde. Und aus dieser von dem Adam genommenen Ribbe bauete GOtt das Weib, und brachte sie zu Adam, welcher sprach: das ist doch Bein von meinen Beinen, und Fleisch von meinem Fleisch. Man wird sie [736] Männin heissen, darum, daß sie vom Manne genommen ist, v. 22,23; nicht aber allein deswegen solte sie Männin heissen, sondern auch wegen ihrer Nachkömmlinge im Ehestande, und werden bey diesem Namen die Weiber erinnert:

1) ihrer Unterthänigkeit; denn wie Namen geben denen zukommt, die andern zu gebieten haben; also ists ein Zeichen einer Unterthänigkeit, wenn man sich nach einem nennen lässet, oder iemands Namen führet. Weil denn die Weiber von den Männern Männinen heissen, so sind sie ihnen subject, und in allen billigen Dingen zu gehorsamen schuldig.

2) Daß eine iegliche nur an ihrem Mann, von dem sie den Namen hat, hangen, und ihm allein ehelich beywohnen soll.

3) Daß sie gegen ihren Mann, von dem sie den Namen hat, sich ehrerbietig erzeige, und seine Fehler entschuldige und bemäntele; denn weil sie Männin heisset, so hat sie von dem Manne Ehre oder Schande, nachdem er geehret oder geschändet wird.

4) Daß sie sich freundlich gegen ihn erzeige, und also nicht eine Wölffin, sondern eine Männin sey, Syrach XXVI.

5) Daß sie sich ihrem Manne kleide, worzu keine Pracht nöthig seyn wird.

6) Daß sie sich alles dessen, was ihrem Manne zustehet, annehme, und fein zu Rathe halte. Schmucks Conc. in Genes p. 488.

Diesen beyden herrlichen Geschöpffen nun gab GOtt der HErr den Namen Mensch, Capitel V, 2. In der Ebräischen Sprache finden sich zwey Namen des Menschen, Adam und Enosch. Adam ist der Name, womit GOtt den Menschen nennete, ehe er ihn noch erschaffen, und welchen er, zu Erinnerung seines Ursprungs, daß er aus der Erden gemacht ist, führen solte. Enosch wird also ausgelegt, daß es einen geplagten, armseligen, siechen Menschen bedeutet; und soll nach etlicher Meynung das Deutsche Wort Mensch, von diesem Ebräischen Enosch, mit Vorsetzung des Buchstabens M herkommen. Diesen Namen Enosch gab nach dem Sünden-Fall Seth dem Sohn, den er zeugete, ihn der Gebrechlichkeit zu erinnern, welcher die Menschen durch den Fall unterworffen worden, Cap. IV, 27. Cap. V., 6; welches zwar damals sein Nomen proprium oder eigener Name seyn sollte, womit er von seinen Brüdern unterschieden würde, gleichwol ist es hernach als ein Appellativum von allen Menschen gebrauchet, als welche allzumal Siechlinge, gebrechliche und sterbliche Menschen sind, die einen Schaden haben, welcher Anusch, das ist, gleich einem alten Bruch, verzweiffelt böse und unheilbar ist, wie mit diesem verächtlichen Wort GOTT der HERR dem Jüdischen Volck ihre Sünden-Schäden beschreibet, Jeremiä XXX, 12, 15. So redet König David von dem Menschen, und weiß diesen Ursprung des Wortes Enosch gar schön anzuwenden, wenn er wider die Stoltzen betet: HERR stehe auf, daß Menschen nicht überhand nehmen. Nicht aber ist der Mensch anfangs so schwach, gebrechlich und sterblich erschaffen worden, sondern nach GOttes Ebenbild, 1 Buch Mose I, 27. wodurch bedeutet wird die Unschuld, Vollkommenheit und Glückseligkeit, die GOtt dem ersten Menschen in der Erschaffung gegeben, und gewollt, daß er die selbe auf alle seine Nachkommen bringen solle, und fasset dasselbe in sich;

1) GOTTes Erkänntniß [737] GOTT erkennen stehet allein GOtt zu, niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater, und niemand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren, Matth. XI, 27. Niemand weiß, was in GOtt ist, ohne der Geist GOTTes, 1 Corinth. II, 11. Wenn demnach der Mensch GOTT recht erkennet, wird er ihm damit gleich, und ist solche Erkänntniß ein Stück des Göttlichen Ebenbildes, wie es Paulus beschreibet, Col. III, 10.

2) Erkänntniß der Creaturen; dieß stehet auch GOTT allein zu, als welcher allein alles weiß. Wenn nun der Mensch die Geschöpffe GOttes genau und eigentlich erkennet, wird er auch in diesem Stücke GOTT gleich, immassen Adam GOTT gleichte, wenn er die Thiere, so ihm GOTT vorstellete, also erkennete, daß er ieglichem seinen Namen geben kunte, 1 Buch Mose II, 19. wenn er Evam, sobald er ihr ansichtig ward, erkennete, daß sie seine Gesellin seyn solte, und von seinem Fleisch und Bein genommen wäre, v. 23; welche genaue Erkänntniß grosse Weisheit und einen hohen Verstand anzeiget, als nach welchem solche geheime Dinge mögen erfahren und erkennet werden, die sonsten allein GOTT sehen mag, damit ihm der Mensch gleich worden ist. 3) Völlige Gerechtigkeit, die wird sonsten GOTT allein zugemessen, 5. Buch Mose XXXII, 4; damit aber, daß der Mensch gerecht, das ist, ohne Sünde und Ungerechtigkeit geschaffen worden, ist er damit GOTT gleich, und sein Bild, daß er kein Ubels noch Böses an sich hat. Davon Ephes IV, 24.

4) Völlige Heiligkeit. GOTT ist heilig, 1 Sam. II, 2. Weil denn der erste Mensch ist heilig erschaffen worden, Ephes, IV, 24. der neue Mensch ist nach GOTT geschaffen in rechtschaffener Heiligkeit; so wird er ihm damit gleich, und sein Ebenbild.

5) Freyer Wille, das Gute zu thun, und das Böse zu meiden. GOTT ist frey in seinen Wercken, Psalm CXV, 3. CXXXV. v. 6. alles, was er will, das thut er. Wenn nun der Mensch auch frey ist zu thun und zu lassen, ist er damit GOTT gleich und sein Ebenbild. Nun hat GOTT dem Menschen vorgestellet den Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses, daß er ihm Gehorsam erweisen, und von desselben Baumes Speise sich enthalten solte, darum er ihm das Gebot gegeben: von dem Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses sollt du nicht essen, 1. Buch Mose II, 17. in dem vermochte er nach seinem freyen Willen das Gute thun, und das Böse unterlassen, und wie Sirach davon schreibet, Capitel XV, 14. u. ff. hat er dem Menschen von Anfang die Wahl gegeben, wilt du, so halte die Gebote etc.

6) Unsterblichkeit. GOTT hat allein Unsterblichkeit, 1 Tim. VI, 16. Weil er denn den Menschen unsterblich erschaffen, daß, so lange er in der angeschaffenen Vollkommenheit bliebe, der Tod an ihm keine Gewalt noch Macht hätte, so hat er ihn auf diese Weise zu seinem Ebenbild gemacht: denn die Schrifft offenbarlich bezeuget, daß der Mensch unsterblich sey erschaffen, und allein durch die Sünde in den Tod gerathen, Weisheit II, 23. GOTT hat den Menschen geschaffen zum ewigen Leben: etc. 1 Buch Mose II, 17. Vom Baum des Erkänntnisses Gutes und Böses [738] solt du nicht nicht essen, denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben. Nach dem Sünden-Fall sahe GOTT auf diese Bedrohung, wenn er Capitel III, 19. also gesprochen: Im Schweiß deines Angesichts solt du dein Brod essen, bis etc, Röm. V, 12.

7) Regierung über die leiblichen Geschöpffe. GOTT regieret im Himmel und Erden nach seinem Wohlgefallen, Ps. XIV, 1., XXXIII, 9. Wenn nun der Mensch über die Creaturen zu regieren hat, wird er damit GOTT gleich und sein Ebenbild. Es hat ihm aber der HErr Gewalt gegeben über andere Geschöpffe zu herrschen, und damit ihm denselben zum Bilde machen wollen, wie er selber spricht, 1 B. Mose 1, 26, 27, 28. Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sey, die da herrschen über die Fische im Meer, und etc.

Ist also der Mensch GOtt gleich worden, mit Erkänntniß GOttes, und der Geschöpffe, mit völliger Gerechtigkeit, Heiligkeit, freyem Willen, Unsterblichkeit und der Creaturen Regierung, welches alles zusammen ist das Ebenbild, darzu ihn GOTT erschaffen hat. In solcher Vollkommenheit und Herrlichkeit aber ist der Mensch nicht bestanden, sondern hat durch Ungehorsam gegen GOTT das Göttliche Ebenbild verlohren, dargegen sich und alle seine Nachkommen in äusserstes, zeitliches und ewiges Verderben gestürtzet. Mit dem Sünden-Fall verhält sichs also: GOTT hatte mitten im Paradieß gesetzet einen Baum, den er genennet den Baum des Erkänntniß Gutes und Böses, und den Menschen geboten, sie solten nicht davon essen, sonst würden sie des Todes sterben, 1 B. Mose II, 17. hat also damit von ihnen erfordert, den Gehorsam dem HErrn zu erweisen, weil er ihm sonsten für alle seine Wohlthaten nichts erstatten, noch geben könte. Als aber der Satan aus Neid, damit er dem Menschen seine Seligkeit mißgönnete, durch die Schlange die Evam mit ihrer Schalckheit verführete, 2 Cor. XI, 3. daß sie vom Göttlichen Gebot sich abwendete, und von dem verbotenen Baume aß, auch ihren Mann gleiches zu thun vermochte, sind sie beyde in Sünden gefallen, 1 B Mose III, 1. u. ff. Damit haben sie den Göttlichen Bund übertreten, sich von GOTT abgekehret, von der Gerechtigkeit abgetreten, und unter der Sünden Dienstbarkeit sich begeben. Hierauf folgte geistlich und leiblich Unglück. Das geistliche Unglück ist zweyerley: Denn erstlich hat der Mensch das Gute, so ihm gegeben, verlohren, und denn ist ihm das Böse, davon er befreyet war, wiederfahren. Das Gute, darum der Mensch gekommen, ist erstlich das Ebenbild GOttes: denn da hat Adam verlohren

1) das Erkänntniß GOttes und seiner Geschöpffe. Welches er darum auf seine Nachkommen nicht hat erblich bringen können, als die mit natürlicher Blindheit und Unwissenheit geschlagen, Eph. IV, 18. Insonderheit bezeuget Paulus das verlohrne Erkänntniß GOttes, 1 Cor. II, 14. und 2. Cor. III, 5. Dieweil denn Adam seine Kinder nach seinem Ebenbilde gezeuget, 1 B. Mose V, 3. so folget, weil die Kinder solchen natürlichen Unverstand in sich haben, daß er denselben gleichfalls an sich gehabt, und auf sie geerbet habe. Wie der Creaturen Wissenschafft verlohren sey, bezeuget die Erfahrung einem ieden, daß, was er davon zu wissen begehret, dasselbe mit grosser [739] Mühe und Beschwerung lernen muß, und doch grossen Mangel und Unvollkommenheit darinnen findet.

2) Die Heiligkeit und Gerechtigkeit: denn wo Sünde ist, da kan weder Gerechtigkeit noch Heiligkeit bestehen.

3) Den freyen Willen, das Gute zu thun, und das Böse zu meiden. Joh. VIII, 34. Röm. VII,23.

4) Die Unsterblichkeit: Denn wie der Mensch sterblich worden sey, erweiset die Erfahrung, es hats ihm auch GOTT zuvorgesagt 1 Buch Mose II, 17; und nachdem er die Sünde begangen, spricht ihm GOTT das Urtheil: du bist Erde, und solst zur Erde werden, Cap. III, 19. Deswegen Röm. V, 12. geschrieben stehet: durch einen Menschen etc. Cap.VI, 23.

5) Die Majestätische Beherrschung der leiblichen Geschöpffe: dieselbe ist dermaßen verloschen, daß sich nicht nur vielerley Ungehorsam, sondern auch eine solche Widerwärtigkeit der Thiere wider den Menschen befindet, daß sie eines Theils seinem Gebot nicht gehorchen, eines Theils Feindschafft wider den Menschen tragen, der sich von ihnen alles Bösen und Unglücks zu befahren hat.

Daraus folgt das andere Gute, welches der Mensch verlohren, nemlich die Gnade GOTTes. Denn wie GOTT aus gerechtem Gericht alle Boßheit hasset, wie er auch dem Adam, wo er würde seinen Willen übertreten, den Tod gedräuet, also ist derselbe durch die Sünde in GOTTes Gericht, Zorn und ernste Straffe gefallen, dadurch er der grossen Gnade, mit welcher ihm GOTT zugethan war, sich gäntzlich verlustig gemacht. Was anlanget das Böse, so dem Menschen widerfahren, solches ist zum guten Theil aus dem abzunehmen, was ietzo von den verlohrnen Gütern ist gemeldet worden; denn es hat ihm nach dem Sünden-Fall zugestanden geistlicher und leiblicher Schade. Der geistliche Schade bestehet darinnen, daß nach dem Bilde GOTTes ein abscheuliches Bild des leidigen Satans erfolget; das ist, eine solche Unwissenheit und Unverstand in Göttlichen Dingen, daß, die fleischlich gesinnet sind, eine Feindschafft worden sind wider GOTT, daß, an statt der Heiligkeit, des Menschen Hertz mit Sünden dermassen durchgifftet und überfüllet worden, daß alles sein Dichten und Trachten nur böse ist immerdar, 1 Buch Mose VI, 5; daß, an statt des freundlichen Gesprächs, das GOTT mit den Menschen gehalten, von GOTT anders nichts, denn sein grimmiger Zorn und erschrecklich Gericht zu gewarten, dafür Adam sich versteckte, Cap. III, 8. Daß er an statt der Freudigkeit, so er zu GOTT hatte, ein böses verwundetes Gewissen fühlete, welches ihn von GOTT abscheidete, Es. LIX, 2. und also ängstete, daß er vor GOTTes Angesicht nicht erscheinen durffte; endlich, daß er an statt der grossen ewigen Seligkeit der höllischen Verdammniß unterworffen wurde. Der leibliche Schade bestehet hierinnen, daß der Mensch nach begangener Sünde aus dem Paradieß gestossen worden, 1 Buch Mose III, 23. daß ihm auferleget worden, das Erdreich mit saurer Mühe und Arbeit zu bauen, vers. 19, 23, daß an statt des gesunden, und von allerley Kranckheit befreyeten Wohlstandes, der Leib vielen Kranckheiten unterworffen worden, damit ihm nach Sirachs Rede wahr geschehen, Cap. XXXVIII, 15. Wer vor seinem Schöpfer [740] sündiget, der fället dem Artzt in die Hände; daß endlich, an statt des Leibes Unsterblichkeit, der Tod über den sündigen Adam geherrschet hat. Die Erfahrung giebts, daß manchmal die Leibes-Gebrechen und Kranckheiten von den Eltern auf die Kinder geerbet werden, wie auch offtermals der Eltern sonderbare Laster und Boßheit, als der Seelen Kranckheit und Gebrechen, auf die Kinder kommen. Demnach hat es eine besondere Gelegenheit mit der Sünde Adams und Evä; denn nachdem dieselbe darein gerathen, ist ihre gantze Natur von der Sünden dermassen vergifftet, daß sie die Sünde mit samt der Natur auf alle Nachkommen geerbet, und keiner unter allen Adams-Kindern (den HErrn CHristum ausgenommen, Ebr. IV, 15.) rein und heilig zur Welt gebohren wird, sondern sie sind alle der Sünde theilhafftig worden; denn die einige Handlung, damit Adam und Eva GOTTes Gebot überschritten, ist nicht nur derselben, sondern auch aller ihrer Nachkommen Sünde, also, daß, da Adam nicht für seine Person alleine, sondern als ein Stamm des gantzen menschlichen Geschlechts GOTT einen Gehorsam leisten sollte, er mit Ubertretung Göttlichen Gebots nicht für seine Person allein, sondern als ein Stamm und Vater aller Menschen gesündiget, und also mit dieser Ubertretung in Adam zugleich alle Menschen mißgehandelt, immassen der Apostel schreibet, daß durch des einigen Sünders einige Sünde alles Verderben kommen, und durch eines Menschen Ungehorsam viel Sünder worden seyn, Röm. V, 16. 19. Und denn, nachdem die ersten Eltern sündlich worden, ihre Natur also verderbet, daß sie nicht andere, als sündliche Kinder zeugen mögen, und wenn noch heutiges Tages die Kinder sündlich gebohren werden, dasselbe ursprünglich von der ersten Sünde herrühre. Und dieses heisset man die Erb-Sünde. Daß aber der Mensch von Natur, und durch seine Geburt damit vergifftet, wird daher bewiesen:

1) Dieweil wir alle von sündlichen Eltern herkommen. Denn, dieweil ein fauler Baum faule Früchte bringet, Matth. VII, 18; so mag hie mit Hiob geschlossen werden, Cap. XV, 14. u. f. Was ist ein Mensch, daß er solte rein seyn etc.

2) Dieweil alle Menschen durch Adams Fall sind Sünder worden, wie Paulus schreibet 1 Timoth. II, 14. Röm. V, 12. 15. 16. 18.

3) Dieweil alle Menschen in Sünden empfangen und gebohren worden, Psal. LI, 7.

4) Dieweil ein Mensch, wie er von seiner Geburt an beschaffen, nicht kan ins Reich GOttes kommen, 1 Joh. III, 5. 6. 1 Corinth. XV, 50.

5) Dieweil sich in allen Menschen alsobald von der Geburt an, bis in die letzte Todes-Stunde dasjenige befindet, so eigentlich und allein von der Sünde herkommt. Als:

a) Daß man zu würcklichen Sünden eilet, Matth. XV, 19. Jac. I, 14.

b) Daß alle Menschen, auch die noch nicht zur Welt gebohren, dem Tode unterworffen, Röm. VI, 23. Cap. V, 14. Sirach XXV, 32.

c) Daß alle Menschen von Natur unter dem Zorne GOttes sind, Röm. I, 18. Ephes. II, 3.

d) Daß alle Menschen vom Reich GOTTes ausgeschlossen werden, auch die noch keine würckliche Sünde begangen haben; davon im vierdten Beweis Meldung geschehen. Aus dieser Erb-Sünde entspringet [741] der zeitliche Tod, die Verderbung aller Kräffte des Menschen, die würckliche Sünde, welche zwar unterschiedlich, iedoch ohne Unterscheid die ewige Verdammniß verursachet.

Wenn nun der Mensch in solchen seinem Zustande vor GOTT den gerechten Richter gestellet wird, erfordert derselbe, vermöge seiner Gerechtigkeit, einen völligen Gehorsam aller Göttlichen Gebote; wegen der begangenen Sünden aber, daß er ins ewige Verderben gestürtzet werde, wo nicht auf andere Wege der Göttlichen Gerechtigkeit ein Genügen geschehe. Da aber niemand ihm selber disfalls helffen, noch einige Creatur den Sündern Rath schaffen kan, Psalm XLIX, 8 .9. so hat sich GOtt der armen Sünder erbarmet, und will, daß ihnen allen soll geholffen werden. Welche nun den gnädigen Willen GOTTes nicht von sich stoßen, sondern erkennen, mit rechtem Glauben annehmen, und darinnen bis ans Ende beharren, die hat er von Ewigkeit zum ewigen Leben verordnet, aus dem menschlichen Geschlecht erwehlet, und beschlossen, sie zur Seligkeit zu bringen; die aber nicht gläuben, oder vom Glauben wieder abweichen, die hat er nicht erwehlet, sondern in ihrem sündlichen Zustande verbleiben lassen, darin sie ewig verlohren werden. Diesen seinen Willen ins Werck zu richten, hat GOTT seinen Sohn gesandt, der menschliche Natur an sich genommen, auf daß er in derselben verrichtete, was das menschliche Geschlecht zur Seligkeit zu bringen vonnöthen seyn wolte; welcher also auch zuförderst für die Menschen dem Göttlichen Gericht genug gethan, und sie allerdings mit GOTT versöhnet. Dieses Gnaden-Werck lässet er, CHristus, ihnen durch die Predigt des Evangelii fürtragen, und sie, solche Gnade zu genießen, gnädig beruffen. Und damit die Menschen zu der Seligkeit, zu welcher sie von GOTT beruffen werden, im Werck gelangen mögen, so führet sie GOTT selber darzu durch ernste Busse, dadurch sie zur Erkänntniß und Bereuung ihrer Sünden gebracht, ihre Zuflucht zu CHristo nehmen, und durch solch Vertrauen auf ihn, Gnade und der Sünden Vergebung erlangen. Den bußfertigen Menschen stellet er für sein Gerichte, und nachdem er ihn der Sünden überwiesen, und der Straffe schuldig erkannt, rechtfertiget er ihn, und vergiebt ihm die Sünde aus Gnaden, dieweil er mit Glauben des HErrn CHristi Verdienst hat angenommen, der für der Sünden Schuld und verdiente Straffe der Göttlichen Gerechtigkeit hat genug gethan. Der Verstand wird zum Erkänntniß GOTTes und seines gnädigen Willens erleuchtet, der Wille und alle Kräfte von der Sünde zu GOTTes Liebe, Gehorsam und Gerechtigkeit gewendet, daß er, so viel möglich, nach Göttlichem Wohlgefallen alle sein Thun und Leben anstellet. Dieses grosse Werck verrichtet GOTT in dem Menschen nicht ohne Mittel, sondern durch sein Wort und die heiligen Sacramenta; daß aber dieselben den Leuten fürgetragen und gereichet werden, als gebrauchet er dazu das Predigt-Amt. Und wenn er also den Menschen wieder aufgerichtet, so erhält er ihn in seiner Kirchen, als in einer Versammlung der Heiligen, darinnen ihm seine Gläubigen einen Dienst leisten, [742] bis er einen jeden, zu rechter und wohlgefälliger Zeit, in die ewige Seligkeit aufnimmt. Denn obwol GOTT seine Gläubigen, angezeigter massen, in seiner Kirchen begnadet, so ist doch dasselbe alles eine angefangene und unvollkommene Seligkeit, die er ihnen völlig wiederfahren lässet, wenn er die Seele durch den zeitlichen Tod von dieser Welt abfodern, den Leib am Jüngsten Tage mit der Seele vereinigen, und also den gantzen Menschen in eine ewige unaussprechliche Seligkeit versetzen wird. Was übrigens diejenigen anlanget, die da den Menschen nicht nach seiner erstern Einrichtung erkennet, und den Bericht des Göttlichen Worts nicht gewust, oder nicht angenommen, und dahero nicht begriffen oder nicht geglaubet haben, daß alles ihm erstlich an leiblichen und geistlichen Dingen gegebene und an Göttlicher Beywohnung geschenckte zum Wesen und Wohlwesen des Menschen eigentlich gehöre, und den vollkommen-nöthigen, auch vergnügten Menschen ausmache und darstelle; sondern des Menschen wesentlichen Zustand und gehörigen Wohlstand nur nach dem, was sich der Zeit nach dem Fall an ihm mercken lässet, und aus selbigem zufälliger Weise gekommen ist, ausmessen wollen; die haben freylich auf allerhand herumschweiffende Meynungen, und folglich in mancherley Irrthümer verfallen müssen, daß sie ihn, so zu reden, gestümmelt, und bald dieses, bald das aus ihm gemachet haben.

Mensch wird genennet ein wiedergebohrner und erneuerter Christ, Röm. VII, 22. 1. Cor. II, 14. 15. Ephes. IV, 24; denn wie ein natürlicher Mensch Leben und Bewegung von GOTT empfangen: so ist ein wiedergebohrner Christ des geistlichen Lebens, das aus GOTT ist, Ephes IV, 18. theilhafftig worden, hat auch geistliche Bewegung in sich, denn er wird von GOttes Geist getrieben, Röm. VIII, 14; wie ein natürlicher Mensch durch gewisse Wercke beweiset, daß er lebe: so beweiset ein wiedergebohrner Christ durch die Früchte des Geistes, daß er geistlich lebe, Gal. V,22; wie der natürliche Mensch seine von GOTT verordnete Speise und Tranck hat: so wird ein wiedergebohrner Christ mit dem Wort GOttes, 1 Petr. II, 2., Es. XXXVIII, 16. und CHristi Fleisch und Blut Joh. VI., 53. ernehret; wie ein natürlicher Mensch seine Kleider hat: so zeucht ein wiedergebohrner Christ den HErrn Jesum an, Röm. XIII, 14., Gal. III,27. als das hochzeitliche Kleid, darinnen er GOtt gefallen kan, Matth. XXIII, 11. als den rechten Braut-Schmuck, als das rechte priesterliche Kleid und heiligen Schmuck, als die Kleider des Heils und den Rock der Gerechtigkeit, Es. LXI, 10; wie ein natürlicher Mensch Haus und Herberge bedarff: so wohnet ein wiedergebohrner Christ in dem Hause GOttes, welches ist die Christliche Kirche, 1 Tim. III, 15. und die geistliche Herberge, darinnen GOtt seiner so lange pflegen lässet, bis seine Wunden heil werden, Luc, X. v. 34. Gerhard Homil. Evang. P. II. p. 310. u. f.

Mensch, wen der Apostel Paulus darunter verstehe, und ob er nicht besondere Personen vor andern anrede, wenn er Röm. II, 3. spricht: Denckest du, o Mensch! der du richtest die, so solches thun, und thust auch dasselbe, daß du dem Urheil GOttes entrinnen werdest? Darüber sind die Ausleger noch nicht [743] allerdings einig. Grotius meynet, Paulus, nachdem er in dem vorhergehenden Capitel mit denen Philosophen zu thun gehabt, wende sich nun allhier zu der Obrigkeit, und insonderheit dem Römischen Rath: Jedoch müsse man hierunter zugleich auch alle Haus-Herren verstehen, welche über ihre Knechte häusliche Gewalt und Bothmäßigkeit haben. Ihm stimmet bey Zeger hoc loco. Andere halten dafür, es setze der Apostel in diesem Capitel bis vers 16. seine Unterredung mit denen Heyden fort, als mit welchen er allbereit Capitel 1, und sonderlich zu Ende desselben zu thun gehabt, und wie er da sonderlich diejenigen Heyden bestrafft, welche alle natürliche Erkänntniß von GOtt aus den Augen gesetzt, und in denen aller abscheulichsten und mehr als viehischen Lüsten sich herumgewälzet, so überführte er nun in diesen 16 Versen die klügern und vernünfftigern Heyden, welche sich von aussen eines ehrbaren Lebens und Wandels beflissen, dergleichen etwa Seneca, Cicero, Cato etc. waren, daß sie deswegen nichts weniger, sondern gleich sowol als die vorigen unter GOttes Zorn und Verdammniß stecken, und also rede Paulus mit dem Worte: O Mensch! zwar überhaupt alle Heyden, vornemlich aber, die dem äusserlichen Schein nach erbaren Heyden an; Oder wie es Tossanus in seinen Biblischen Glossen und Auslegungen ausredet: „Hiermit verstehet der Apostel diejenigen unter denen Heyden, welche unter ihnen Richter waren, oder die ein eingezogener Leben führeten, wie etliche Philosophen, und dadurch anderer Leute Thun dem äusserlichen Schein nach verdammeten, da sie gleichwol inwendig voll Hasses, Neides, Aufgeblassenheit etc. waren, und heimlich diese Sünden begiengen, ob sie sie schon vor den Menschen verbergen kunten, gleichwie auch die Pharisäer unter denen Jüden. Hingegen finden sich viele, die mit Balduin Comment. h. l. Carpzov. in seinen Buß-Predigten pag: 266. die Jüden, und nicht die Heyden wollen verstanden wissen, mit denen Paulus Capitel II. hauptsächlich rede, als welche sich nicht nur mächtig über die Heyden erhoben, und sie hochmüthig richteten und verdammeten, sondern welche auch v. 17. ausdrücklich genennet würden. Und also gienge die Anrede Pauli, o Mensch! an die Jüden. Wir überlassen hierbey einem ieden eine Auslegung zu ergreiffen, welche ihm am besten gefällt. Wir unsers Orts glauben, daß der Apostel mit dem allgemeinen Namen Mensch hier, überhaupt alle Menschen, welche damals in Jüden und Heyden, oder nach v. 10, in Heyden und Griechen eingetheilet worden, angeredet, indem es ja unter beyden solche in grosser Menge gab, welche die Güte und Langmuth GOTTes mißbrauchten, verachteten, und andere dabei gleichwol richteten. Adami Delic. Dictor. P. Ill. pag162. u. f.

 

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