BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Gedichte 1804 - 1815

 

1805

April: Aufenthalt in Frankfurt am Main.

Mai: Arnim kommt nach Heidelberg.

13. Mai: Geburt der Tochter Joachime Elisabeth,

die schon am 17. Juni stirbt.

Juli: Druckbeginn des «Wunderhorns».

September: Arbeit an den italienischen Märchen.

Herbst: Der erste Band «Des Knaben Wunderhorn» erscheint.

 

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Geh nicht nach dem Städtchen

Knaben dort dich haschen

Bist ein schön jung Mädchen

Knaben gerne naschen

Knaben naschen gern

 

Willst wohl selbst nicht lieben

Fischen selbst im Trüben

Hab schon meinen Lieben

Hab mein Liebchen schon

Hab mein Liebchen schon

 

Bin ein großes Fräulein

Krakau heißt mein Städtlein

Elf Jahr schon und drüber

Bin ich und noch Fräulein

Und noch Jungfräulein

 

Entstanden zwischen 1805 und 1808 (Boëtius 1985)

 

 

*

 

Das Vöglein Butschli Butschli Bu

Lief einst dem Jesuskindlein zu

Und setzt sich unterwegs zur Ruh

In einem Klostergarten.

Und hörte dem Gespräche zu

Bis auf das letzte Wörtchen

Das Vöglein Butschli Butschli Bu

Das ist kein andrer Mensch als du

 

Vielleicht entstanden zwischen 1805 und 1808 (Boëtius 1985)

 

 

*

 

Lass rauschen Lieb, lass rauschen

(Mündlich)

 

Ich hört ein Sichlein rauschen,

Wohl rauschen durch das Korn,

Ich hört ein Mägdlein klagen,

Sie hätt ihr Lieb verlorn.

 

Laß rauschen Lieb, laß rauschen,

Ich acht nicht, wie es geht,

Ich tät mein Lieb vertauschen

In Veilchen und im Klee.

 

Du hast ein Mägdlein worben

In Veilchen und im Klee,

So steh ich hier alleine,

Tut meinem Herzen weh.

 

Ich hör ein Hirschlein rauschen

Wohl rauschen durch den Wald,

Ich hör mein Lieb sich klagen,

Die Lieb verrauscht so bald.

 

Laß rauschen, Lieb, laß rauschen,

Ich weiß nicht, wie mir wird,

Die Bächlein immer rauschen,

Und keines sich verirrt.

 

Entstanden zwischen 1805 und 1808 (Schultz 1995)

 

 

*

 

Ein Lied vom Jagdgespenst

 

Wallram Graf zu Spanheim ist gestorben

Seines Alters neunundsiebzig Jahr

Land und Leute hat er wohl verdorben

Mit der Jäger wüt(ger) Schar.

 

Und sein Priester Gottfried einsam gehend

Zwischen Winterberg und Pferdefeld,

Hat auf schwarzem Roß in Flammen wehend

Mit der Höllenkuppel er sich dargestellt.

 

Seiner Jagdgesellen Greulgestalten

Sausten scheu und rasend durch den Tannebruch

Wallrams Qualbild mußte schaudernd halten

und verkünden seines ewgen Richters Spruch.

 

«Pater Gottfried, du darst nicht erbeben,

Heute büßest du, und aßt des Herren Leib,

Schaue und verkünde, wie mein rasend Leben

Das ich trieb, mich jetzo wieder treib.

 

Mahne meinen Sohn, er soll nicht schwingen

Rasend so wie ich den Jägerspeer,

Dreißig Tage laß er Messen singen,

Mich zu lösen aus dem wilden Heer.

 

Dreißig Tage laß er speisen Arme

Dreißig Arme, deren Saat ich niedertrat,

Mich zu lösen aus dem wütgen Schwärme

Dem des Herrn Zorn mich eingeflochten hat.

 

Und ersetzen die zweihundert Gulden

Peter, Fleischer, Wirt zu Creuzenach

Die ich ihm um kleines Jagdverschulden

Abgedrungen, Weh, Jach, Jach!

 

Hein ho, ho, ho, von wilden Hunden

Angeklafft, und von dem Greuelschwarm

Fortgerissen ist er dann verschwunden,

Heulend durch den Sturm das Gott erbarm.

 

Gottfried, den das Schreckgesicht erreichet,

Flammend, heulend durch die Tannennacht,

Fand sein schwarzes Haupthaar weiß gebleichet,

Und sein Mund hat fortan nicht gelacht.

 

Dreizehnvierundfünfzig waren die Gesichte

Dieses Wallrams, in der wilden Rott

Tritheim schreibts, der Abt in der Geschichte

Seines Klosters Hirschau, Gnad ihm Gott!

 

Entstanden zwischen 1805 und 1808 (Boëtius 1985)

 

 

*

 

Juch, Juch, über die Heide

Ist dein Rock von Samt und Seide

Ist dein Rock von Silber und Gold

Stehst du in Herrn Friedlands Sold.

 

Juch, Juch, über die Heide

Stehst du in Herrn Friedlands Kreide

Hat die Angst dich weiß gemalt

Blutig wird die Zech gezahlt.

 

Juch, Juch, über die Heide,

Bartel tu mir nichts zu Leide,

Bartel steck dein Messer ein,

Bin Herrn Friedlands Töchterlein

 

Juch, Juch, über die Heide

Setz dich nieder an der Weide,

Bist du des Herrn Friedlands Kind

Gieb ein Zeichen mir geschwind.

 

Juch, Juch, über die Heide

Friedlands Schwert hat eine Schneide,

Schneidet Treu und Glauben fein

In sein eigen Süpplein ein,

 

Juch, Juch, über die Heide

Friedlands mantel ist von Seide

Drunter spielt er blinde Kuh,

Bindt dem Kaiser die Augen zu

 

Juch, Juch, über die Heide

Friedlands Harnisch und Geschmeide

. . .

. . .

 

Entstanden zwischen 1805 und 1808 (Boëtius 1985)