BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Der andere Brentano

 

Gedichte

 

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Ein Lied vom Jagdgespenst

 

Wallram Graf zu Spanheim ist gestorben

Seines Alters neunundsiebzig Jahr

Land und Leute hat er wohl verdorben

Mit der Jäger wüt(ger) Schar.

 

Und sein Priester Gottfried einsam gehend

Zwischen Winterberg und Pferdefeld,

Hat auf schwarzem Roß in Flammen wehend

Mit der Höllenkuppel er sich dargestellt.

 

Seiner Jagdgesellen Greulgestalten

Sausten scheu und rasend durch den Tannebruch

Wallrams Qualbild mußte schaudernd halten

und verkünden seines ewgen Richters Spruch.

 

«Pater Gottfried, du darst nicht erbeben,

Heute büßest du, und aßt des Herren Leib,

Schaue und verkünde, wie mein rasend Leben

Das ich trieb, mich jetzo wieder treib.

 

Mahne meinen Sohn, er soll nicht schwingen

Rasend so wie ich den Jägerspeer,

Dreißig Tage laß er Messen singen,

Mich zu lösen aus dem wilden Heer.

 

Dreißig Tage laß er speisen Arme

Dreißig Arme, deren Saat ich niedertrat,

Mich zu lösen aus dem wütgen Schwärme

Dem des Herrn Zorn mich eingeflochten hat.

 

Und ersetzen die zweihundert Gulden

Peter, Fleischer, Wirt zu Creuzenach

Die ich ihm um kleines Jagdverschulden

Abgedrungen, Weh, Jach, Jach!

 

Hein ho, ho, ho, von wilden Hunden

Angeklafft, und von dem Greuelschwarm

Fortgerissen ist er dann verschwunden,

Heulend durch den Sturm das Gott erbarm.

 

Gottfried, den das Schreckgesicht erreichet,

Flammend, heulend durch die Tannennacht,

Fand sein schwarzes Haupthaar weiß gebleichet,

Und sein Mund hat fortan nicht gelacht.

 

Dreizehnvierundfünfzig waren die Gesichte

Dieses Wallrams, in der wilden Rott

Tritheim schreibts, der Abt in der Geschichte

Seines Klosters Hirschau, Gnad ihm Gott!

 

Entstanden zwischen 1805 und 1808