BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Clemens Brentano

1778 - 1842

 

Ponce de Leon

Ein Lustspiel

 

Der vierte Akt:

Auf dem Gute.

Nachmittag des folgenden Tags bis Mitternacht.

 

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Vierter Akt

 

 

Erster Auftritt

 

Kleine Stube im Schloß.

 

Valeria. Habe ich nicht ein kindisches Herz? Nun ist er im Hause, nun bin ich froh und ruhig – ich habe nun alles so lieb, ich möchte ihn und alle Menschen glücklich machen. Wie seine Augen heute morgen voll Tränen stiegen, da er Isidoren ansah. – Solche Tränen weinte auch schon Porporino um mich – und solche Tränen werden alle noch erhört. Mein Herz spricht nicht dagegen – so wie er war, so habe ich ihn geliebt – so wie er nun ist, habe ich keinen Anspruch mehr auf ihn – ich wäre bitterböse – wie schön kann alles werden! Du treuer Porporino, freue dich; du lieber Vater, freue dich – wenns nur zu Ende wäre, mein Herz war nie so voll, so voll Glück für alle, die ich liebe, und liebt Valeria sich nicht auch selbst – da kömmt Porporino. –

 

 

Zweiter Auftritt

 

Porporino, Valeria.

 

Porporino. Deine Fräulein sollen in die Stube der beiden flandrischen Musikanten kommen, ihre Tante erwartet sie dort.

Valeria. Flandrische Musikanten sind die Pilger? Haben sie schon Musik gemacht?

Porporino. Noch nicht bis jetzt, denn dem einen ist eine Seite zerrissen, und der andre ist verstimmt.

Valeria. Ihr werdet sie bald geheilt haben, Herr Doktor.

Porporino. Geheilt? Ach Kind! ich habe, was ihnen fehlt, und kann es ihnen doch nicht geben – ich habe das Herz in der Seite zerrissen, und bin verstimmt.

Valeria. Kommt her, ich will Euch heilen, Herr Doktor; seht mir in die Augen!

Porporino umfaßt sie. Deine Augen sind Flammen und christlich. Läßt sie los. Alles andere an dir magst du von neuem taufen lassen. Sie haben deine Augen allein getauft, als sie dich Flammetta nannten.

Valeria. Ja, ich weinte bei der Taufe – und Ihr errötetet, denn Eure Wangen sind auch allein getauft, als man Euch Porporino nannte.

Porporino. O, welche Artigkeit liegt in dir begraben, du schwarzer Sarg!

Valeria. Kommt, laßt Euch die christlichen Wangen küssen.

Porporino. Ich gäbe vieles drum, könnte ich dich schamrot machen, schwarzer Engel.

Valeria küßt ihn.

Porporino. Du heilst mich nicht, mein Heil ist in Sevilla! Ach, Mädchen, deine Augen hast du doch gestohlen, ihr gestohlen. Die Raben sollen stehlen, was glänzt.

Valeria. Glänzt Euer Herz?

Porporino. Nein, es ist schwarz, es trauert.

Valeria. So ist es umgekehrt – Ihr stehlt mir sicher meine Augen noch mit diesem Herzen.

Porporino. Deine gestohlnen Augen stehle ich dir, und bringe sie Valerien zurück, die du blind gemacht hast;

Valeria. Wer ist dann diese Valeria?

Porporino. Das weiß der Himmel, denn sie ist der Himmel selbst, und ich will selig sterben – drum gehe!

Valeria. Ich hindre Euch doch nicht an der Seligkeit?

Porporino. Deine Augen sind Basilisken, Mädchen; ich müßte ein Verbrecher werden, um vor ihnen zu sterben. Valeria ab.

 

 

Dritter Auftritt

 

Porporino allein. Ich muß mich sehr zusammennehmen, sonst verliebe ich mich gar in die Mohrin – das menschliche Herz ist sehr zu Extremen geneigt – aber wer noch keine Dame im Brett hat, darf nicht von Weiß auf Schwarz ziehen. Don Aquilar muß ich nun noch verbinden – aber dann bleibe ich keine Stunde länger hier, dann lauf ich nach Sevilla. Ab.

 

 

Vierter Auftritt

 

Durch Aufziehung des Mittelvorhangs.

Ponces und Aquilars Wohnung.

Aquilar liegt auf einem Sopha, ein dickes Pfühl auf ihn gelegt; Isabella sitzt neben den, Bette, Ponce entfernt auf einem Stuhl, und sieht traurig vor sich hin.

 

Aquilar sich aufrichtend. Eure Güte, vortreffliche Sennora, ist unstreitig an sich so groß, daß dies Federbett überflüssig wäre – auch empfinde ich einen großen Dank im Herzen, der sich ordentlich mit einer Art von Druck etwas seitwärts zu ziehen scheint.

Isabella. Eure Galanterie übersteigt Eure Krankheit. Wo empfindet Ihr dies Drücken – hier in der Gegend des Herzens?

Aquilar. Ich bitte, etwas mehr in der Gegend des Magens, und zwar innerlich.

Isabella. Eure Wunde wird sich doch mit der Hülfe Gottes nicht inflammieret haben.

Aquilar. Ich bitte sehr, ich glaube mit der Hülfe eines Kochs könnte eine gute Mahlzeit den Schmerz heben.

Isabella. Aber Euer geschwächter Körper wird keine Mahlzeit vertragen können. Ihr habt wohl heute zuviel gegessen?

Aquilar. Ein ganzes Ei.

Isabella. Ei! – ein ganzes Ei – das war auch unmäßig – ein halbes wäre auch genug gewesen – Ihr haltet Euch für hungriger, als Ihr seid!

Aquilar. O – ich bin eigentlich so hungrig, daß ich mich gar nicht mehr halten kann.

 

Ponce steht auf und geht heftig auf und nieder.

 

Isabella. Mäßigt Euren Schmerz, die Krankheit Eures Freundes ist nicht so gefährlich, als Ihr glaubt – doch soll man gleich nach seiner Wunde sehen.

Ponce. Verbinden?

Aquilar. Nein, man wird nimmermehr meine Wunde sehen; aber ich will nun aufstehen.

Isabella. Nicht Eure Wunde sehen – ich will sie ja nicht sehen, Ihr seid schamhaft auf Rechnung Eures Lebens – doch wenn Ihr aufsteht, will ich meinen Niècen sagen, daß sie wegbleiben.

Ponce faßt sie und wendet sie von Aquilar weg. Nein – nein bleibt – wendet Euch so; nun stehe auf!

Aquilar springt angekleidet aus den Küssen. Gott sei Dank, nun seid so gütig, und laßt mir etwas zu essen geben.

Isabella wendet sich zu ihm. Um Gottes willen! bewegt Euch nicht heftig, setzt Euch nieder. Setzt ihn in den Lehnstuhl.

 

 

Fünfter Auftritt

 

Vorige, Isidora, Melanie.

Aquilar will auf alle Weise aufstehen, Isabella hält ihn zurück – Ponce geht Isidoren gerührt entgegen, und küßt ihr die Hand.

 

Isabella zu Aquilar. Nehmt eine Grenze der Höflichkeit, Eure Krankheit entschuldigt Euch.

Aquilar. O laßt mich meine Pflicht tun!

Isabella. Isidora, Melanie, der kranke Herr möchte euch seine Verehrung bezeugen, ihr entschuldigt ihn. Sie neigen sich.

Ponce zu Isidora. Eure Güte ist unendlich, Fremdlinge zu besuchen.

Isidora. Wir besuchen hier den Kranken, das ist Pflicht.

Ponce. O wüßtet Ihr, wer hier der Kränkste wäre, und verweiltet!

Isabella zu Ponce. Ich bitte, zerstreut Euch – Ihr werdet uns so auch noch krank.

Melanie zu Aquilar. Ihr befindet Euch besser als heute früh?

Aquilar. Durch Eure Gegenwart unendlich – aber eigentlich schlechter – das Ei von heute morgen –

Isabella. Hat Euch krank gemacht. – Ja, es liegt schwer im Magen – aber gleich soll der Wundarzt nach Euch sehen.

Isidora zu Ponce. Ist die Wunde wirklich bedeutend?

Ponce. Ich weiß es nicht – ich hoffe es nicht – o Sennora! verzeiht mir.

Aquilar. Ich muß ein für allemal sagen, meine Wunde ist zu unbedeutend, daß sie berührt werde.

Isidora zu Ponce. Ich verstehe Euch nicht, lieber Freund. Ich soll Euch verzeihen, was?

Ponce. Daß ich gestern in Euren Armen lag, daß ich so glücklich war –

Isidora. Um Gottes willen! was sprecht Ihr – seid Ihr krank bedenket, wo Ihr seid.

Ponce. O leider, leider, ich bin nimmer hier willkommen!

Isidora. Ach, liebe Tante, dieser Jüngling ängstigt mich; ich glaube, er ist krank.

Isabella. Was fehlt Euch, der Schrecken hat Euch doch kein Fieber zugezogen?

Ponce faßt Isidora. O schweigt, um meiner Liebe willen schweigt, verschweigt mein Unglück!

Isidora macht sich los. O laßt mich – Tante, seht – seht!

Isabella. Gehe, mein Kind – rufe schnell den Arzt.

Ponce. O gehet nicht, o bleibt, damit mein Arzt und meine Krankheit mich nicht fliehen – Isidora ab.

 

Isabella hält Ponce rückwärts die zwei Arme.

 

Ponce. O laß mich, ihr versteht mich alle nicht!

Aquilar den nun Isabella verlassen, springt lustig auf. Gott sei Dank! nun habe ich etwas Luft.

Isabella. Melanie, halte ihn – den Blessierten, halte ihn – Hülfe! Hülfe!

Melanie faßt Aquilar schüchtern ebenso; er ist gelassen. Wenn ich nur halten kann, ich habe das noch nie getan.

Aquilar. Ihr könnt es schon, o schönes Fräulein, Ihr könnt mich ewig halten.

Melanie. Seid ruhig, um Gottes willen, setzt Euch, lieber –

Ponce vor sich hin, immer gehalten. Grad ausgestreckt schläft sie, und denkt an Gespräche für ihren künftgen Gatten – o holdes Bild – dein künftger Gatte, er stirbt durch mich, oder ich durch ihn. –

Isabella. Ums Himmels willen, welche Phantasien!

Melanie. Meiner ist ganz ruhig, ich lasse ihn los.

Aquilar. Los? Bei Gott, laßt mich nicht los, sonst werde ich ein loser Vogel! Wie seid Ihr doch so hold, und wär ich hundert Meilen von Euch, Ihr hieltet mich, seit ich Euch sah. Aber ach, ein anderer Hunger bricht in mir hervor! Er will sie umarmen.

Melanie. Um Gottes willen, Tante, er wird auch närrisch!

Isabella. Halte ihn nur fest, – daß er in der Raserei nicht entwischt.

Aquilar küßt sie. O welcher Blitz, der rückwärts schlägt!

Melanie läßt ihn los, läuft fort; Aquilar nach. Jesus – Jesus –

Ponce. O Fernand, bleibe – Reißt sich los.

Isabella. Da ist der Verwundete entwischt. Läuft ab, schließt die Türe zu.

 

 

Sechster Auftritt

 

Ponce allein. O lauft zum Guckuck alle, ihr plumpes Volk! das ganze Haus ist breit und unausstehlich – zu ihr allein hat alle Zierde sich gewendet. Wie unter dem gemeinen Haufen scheuen Wildes ein weißer Hirsch mit goldenem Geweih einhergeht, den eine Fee bewohnt, so ragt an stiller Größe sie empor, – und ach! nicht Rast, nicht Ruh, mein Sinnen ewig nach ihr hin, wie stolz sie auf mich niedersah – sie liebet einen andern, und selbst, daß ich in ihren Armen lag, will sie nicht wissen, ist nicht wahr. – Verrückt bin ich, wenn ichs zu glauben wage, und wüßte sie, daß ich so kühn geträumt, so dürfte bald der schöne Traum ein Traum nur sein.

 

 

Siebenter Auftritt

 

Ponce; Porporino und ein Diener bringen Aquilar gebunden; mehrere Diener im Hintergrunde.

 

Aquilar. Laßt mich los, sage ich, oder ich breche euch Arm und Bein! O Gabriel, hilf mir doch!

Ponce. Wie kannst du nur solche Streiche machen?

Diener zu Porporino. Ist das der andere? Der soll auch nicht richtig im Oberstübchen sein: ein schöner Fang, zwei tolle Menschen!

Porporino. Wir wollen ihn noch immer etwas in gebundner Rede sprechen lassen, er phantasiert noch stark, er will uns Arm und Bein brechen, und kann sich nicht rühren; überdies scheint seine Prosa, seine ungebundene Rede grob werden zu können.

Aquilar. Du bist fatal, du sprichst, wie ich nur solche Streiche führen könne, und ich kann kein Glied rühren.

Porporino legt abenteuerliche Instrumente auf den Tisch. Nun werde ich Eure Wunde untersuchen.

Aquilar. Ihr wollt mich verbinden?

Porporino. Ja, es ist hohe Zeit, und wenn Ihr es ruhig leiden wollt, soll man Euch losbinden.

Aquilar. Gern, aber laßt die Leute abtreten.

Porporino. Geht hinaus, doch wenn ich rufe, kommt – Diener ab. Nun wollt Ihr ruhig sein?

Aquilar. Ja – wenn Ihr mich in Ruhe lassen wollt.

Ponce. Fernand, mache fort, der Lärm bringt mich noch um.

Aquilar. Sei nicht so mürrisch. Herr Doktor, ich werde Euch sehr verbindlich sein.

Porporino. Daran zweifle ich nicht, ich habe wohl schwerere Wunden verbunden.

Aquilar. Ihr werdet mich sehr verbinden, sage ich, wenn Ihr mich nicht verbindet.

Porporino. Aha – also doch ein Aderlaß am Kopfe nötig? Ihr schwätzt verrückt.

Aquilar. Kurz und gut – bindet mich los, und laßt mich unverbunden, – und schafft mir zu essen, ich bin nicht verwundet.

Porporino. Nicht verwundet?

Aquilar. Nur hungrig – fünfzig Realen, wenn Ihr schweigt und mir zu essen schafft.

Porporino. Ich stutze – was macht Ihr denn hier – ei, ei – doch wo ist das Geld?

Aquilar. Fragt jenen, warum wir uns verstellen! Sprich, Ponce!

Ponce. O, daß ich mich verstellen muß – daß sie mich nicht kennt!

Porporino. Ich verstehe nicht.

Ponce zählt Dukaten auf den Tisch. Versteht Ihr?

Porporino. Noch nicht.

Ponce zählt fort. Nun?

Porporino. Ich habe einen harten Kopf; aber es wird mir klar.

Ponce. Die Wunde sei nicht bedeutend, werdet Ihr sagen.

Aquilar. Und wacker Essen und Trinken sei die einzige Kur, werdet Ihr sagen.

Porporino. Ganz recht, ganz recht, Ihr habt es mir eingeprägt. Steckt ein und geht.

 

 

Achter Auftritt

 

Ponce, Aquilar.

 

Ponce bindet ihn los. O wären meine Fesseln so gelöst!

Aquilar. Isidora läßt sich wohl nichts einprägen?

Ponce. Ich bin so ohne Hoffnung, so erbärmlich!

Aquilar. Wenn wir nur nicht so schlechte Musikanten vorstellten!

Ponce. Was kann dir dran liegen?

Aquilar. Glaubst du, mir liege so wenig dran, mit dir verwandt zu werden?

Ponce. Als Musikant bist du es mehr denn als Edelmann.

Aquilar. Nein, lieber Gabriel, wie es jetzt steht, haben wir wenig Hoffnung zum Quartett; die Mädchen spielen aus Dur, und wir aus Moll, und du sollst wissen, daß ich verliebt bin.

Ponce. In ein honettes Weib?

Aquilar. Wenn sie das einmal ist, wird sich die Liebe schon mehr gelegt haben – nein; in eine schöne Jungfrau, Melanie de Sarmiento.

Ponce. Wie ist dir dabei zumute?

Aquilar. Das wollte ich von dir hören – und lernen.

Ponce. O guter Fernand! wenn du noch etwas lernen willst, so liebst du nicht. Wenn du nicht alles weißt und alles vergessen hast, nicht ewig deine Gedanken zu ihr hinziehen, so liebst du nicht. Ist dir nicht, als hättest du in die Sonne geschaut, seit du sie sahst, ist vor deinem Auge nicht ein schimmernder Fleck, wie du es wendest, flieht er mit ihm, und überall ihr Bild, das du nur ansehen kannst – und alles weißt du, was du mit ihr sprachst, die nie mit dir geredet und immer bangt es dir, sie zu verlieren, die du nie besaßest – ein ganzes Leben in schönen, sonnenreichen Tagen und liebestillen Abenden hast du mit ihr gelebt, die nimmer mit dir war – wie sie an deinen Lippen hing, in deinen Armen lag, nur wenige Minuten aus tiefen Lebensnächten, wie sie geflüstert, wie du scherzend ihren Puls gezählt, und dein Aug, ihrem Auge genaht, ihre Blicke fühlte, weil euch die Nacht verhüllt, daß alle Seligkeit nur euch gehöre – ach! in diesem schönen Leben lebst du nur, die Welt versank, es ist nichts gut mehr, nichts mehr bös – alles nur aus dem Herzen ruhiger Erguß in wohltätigen Strömen, alles nur ewiges Empfangen mit süßem, tiefem Durste. – Ist es nicht so, so liebst du nicht.

Aquilar. Und wenn sie vor dich tritt?

Ponce. Und wenn sie vor dich tritt, so bricht der ganze schöne Traum zusammen, du warst im Traum ein Held, und nun, da du sie siehst, bist du so arm, und wünschest, ein Bettler nur zu sein, damit sie gerührt sich zu dir wende und dir einen Pfennig gebe, und dieser Pfennig wird dein höchstes Gut, du wirst ein Geizhals, bettelst immer fort, und hat sie vieles schon gegeben, so schön, so ohne Anspruch, wie der Engel giebt, so hast du einen Schatz gesammelt, und bauest einen Tempel auf, gehst still vor ihr hinein, und betest, denn auf dem Altar steht ihr Bild, und bist du dann recht fromm, so recht ergeben, so steigt sie vom Altare zu dir nieder, und hat dir alles hingegeben – in ihren Armen liegst du, der Tempel, den du dir aus ihren Reizen aufgebaut, erscheint dir wie [die] Welt – die Welt ist schön, Fernand, wenn sie die Liebe neu erschafft.

Aquilar. Die Welt ist schön, unstreitig – und mein Hunger ärgert mich nun doppelt; er könnte mich hindern, die schönen Pfennige zu nehmen, die die Liebe, wie du sagst, zu geben pflegt, denn ich hätte große Lust, sie um ein Stückchen Brot zu bitten.

Ponce. Es kömmt jemand, vielleicht erhältst du Speise.

 

 

Neunter Auftritt

 

Vorige, Valeria mit einer Pastete.

 

Aquilar auf sie zulaufend. Willkommen, tausendmal willkommen, und wärst du auch ein Teufelchen, so bringst du doch Pasteten! Setzt sich und ißt.

Valeria. Ihr seid ja schnell genesen.

Aquilar. Sogleich, sogleich.

Ponce. Du Kleine, bist du lange hier im Hause?

Valeria. Seit gestern nur, und doch geliebt, als wär ich Jahre hier, die Fräulein sind so freundlich gegen mich.

Ponce. O glückliches Mädchen, wie beneide ich dich!

Valeria. Ihr wißt nicht, was Ihr beneidet, ich bin sehr arm.

Ponce. Arm? – Du bist um sie und darfst mit deiner schwarzen Farbe den Glanz von Isidoren erheben; sie giebt dir freundliche Worte? Ach, ich wäre gern wie du ein Diener hier im Hause, ich wäre dann wohl auch geliebt.

Aquilar aufspringend. Au, au, o weh – was Teufels ist das – au!

Ponce. Was schreist du?

Aquilar. Ich habe mir beinahe einen Zahn ausgebissen – ein Goldstück stak in der Pastete.

Ponce. Leg es beiseite, der Koch hat es verloren.

Aquilar. O weh, noch eins, es ist, als wäre ich zum Midas geworden. Ißt behutsamer fort.

Valeria. Liebt ihr dann Isidoren?

Ponce. Kannst du schweigen, bist du treu?

Valeria. Ich schweige gern, und bin auch treu – wäre ich ein weißes Mädchen und Ihr liebtet mich, Ihr dürftet dann nicht fragen.

Ponce. Ich glaube dir; doch weißt du, ob Isidora liebt?

Aquilar. Und wieder eins! Höre, Mädchen, wenn du weißt, ob Melanie liebt, so erlaube ich dir mitzuessen, und alle das Gold soll auf dein Teil kommen.

Valeria. Ich will kein Gold, doch helf ich gerne, wenn Ihr liebt.

Ponce. Du gutes Mädchen – ach, liebte sie nur keinen andern!

Valeria. Wißt Ihr es dann gewiß? Ich weiß es nicht.

Aquilar steht auf. Wohlan, ich bin gesund – aber das Gold in der Pastete begreife ich nicht.

Ponce. Fernand, ist es nicht besser, wenn wir schriftlich unsere Liebe bekennen?

Aquilar. Wir müssen dann sehr gescheit schreiben, weil man uns vor kurzen noch für unklug hielt, und das ist schwer bei der Liebe.

Ponce. Es ist kein andrer Weg, die Mädchen fürchten uns seit jener Szene.

Valeria. Ich will die Briefe abholen, schreibt nur.

Ponce. Um deinen Hals leg ich die schönste Perlenschnur, in deine Ohren häng ich goldne Ringe, und Diamanten soll dein dunkler Busen tragen, lieb Mädchen, wenn du hilfst!

Aquilar. Hilf! Mädchen, hilf! Sieh, alles Liebesfeuer, was uns armen Jungen im Herzen brennt, soll sich zu strahlenden Geschenken dir verwandeln.

Valeria zu Ponce. Ihr seid ein Jüngling und ein Sänger, Freund; ich kenne eine Gabe nur, mit der Ihr mich belohnen könnt.

Ponce. Begehre!

Valeria. Habt Ihr wohl früher schon geliebt, hat jemals ein gutes Mädchen so von ganzer Seele Euch umfaßt?

Ponce. Wie fragst du?

Aquilar. Wie kann dich das belohnen?

Valeria. Habt Ihr ein treues Herz vergessen, hat diese Liebe einer andern Glück verschlungen, so sollt Ihr, ehe Ihr sie beginnt, der guten abgeschiedenen Liebe einen Kuß opfern, und ein frommes Lied singen, wie man die Seele abgeschiedner Freunde ehrt, ehe man in ein neues Leben tritt. Es ist dies eine Sitte meiner Heimat, und soll ich Euch von Herzen dienen und Eure Freundin sein, so müßt Ihr mir an Eurer vorgen Liebe Statt dies Opfer bringen – dann rechnet, daß ich Euer sei.

Aquilar. Ich zähle hin und her – die Sitte gefällt mir, und du auch – denn ich küßte dich gern – nu, Ponce –

Ponce gerührt. Schön ist die Sitte deines Landes, Mädchen. Nur eine Liebe soll das Leben sein, und wie das Leben eins nur ist, wenngleich die Freunde still hinüberschreiten, so reiche stets die rührende Erinnerung die Hand auch zu den Lieben hin, die nicht mehr sind, und freundlich schlingen tausend Reihen sich mit Ernst und Freud und Schmerz durchs Leben hin – kein Tod ist dann, wir leben alle, all und lieben doch schmerzlich, schmerzlich ist mir dieses Opfer, die neue Liebe reißt so ganz mich in das Leben!

Valeria. Wenn du die Vorzeit ehrst, so wird die Gegenwart dich lieben.

Ponce. So sei es dann –

 

Er nimmt die Laute.

 

Hier, wo neue Liebe mich gefangen,

Der ich nimmer, nimmermehr entgehe,

Denk ich gerne deiner, die vergangen,

Süße Liebe voller Lust und Wehe!

Valeria.

Zürnet seiner nicht, ihr roten Lippen,

Wollet Trost aus andern Küssen saugen,

Denn er scheiterte an fremden Klippen,

Wendet nimmer heimwärts seine Augen.

Ponce.

Wenn das Leben nicht hinaus mich triebe,

Nicht nach Ferne Sehnsucht mich verzehrte,

Blieb ich dir, du Heimat meiner Liebe,

Die mich scherzen, tändeln, küssen lehrte.

 

Er küßt sie.

 

Valeria.

So sei dann feierlich entbunden;

Wie dieses Kusses Feuer leicht verglühet,

So schließen sich der frühen Liebe Wunden

Und neue, schönre Liebe bald erblühet.

Ponce. Herzlichen Dank! Mädchen, es ist mir beinahe besser ums Herz; willst du mir nun treu dienen?

Valeria. So treu als Euer Liebchen Euch einst liebte – und Ihr, mein Herr? Zu Aquilar.

Aquilar. Liebes Kind, ich bin so verliebt, daß ich das Summieren vergessen habe, und ich könnte nichts singen als das Lied aus dem Don Juan, der mein Almherr war:

«Und in Hispanien tausend und drei.»

Valeria. Das sind zu viele! Lebet wohl, ich hole die Briefe ab. Ab.

 

 

Zehnter Auftritt

 

Ponce, Aquilar.

 

Ponce. Das Mädchen ist unser guter Engel.

Aquilar. Ich verstehe das viele Gold in der Pastete nicht, so viel kann der Koch nicht aus Versehen hineingebacken haben; ich habe eine Idee darüber, die mir nicht lieb ist.

Ponce. Das Gold ist unstreitig befremdend.

Aquilar. Ich zweifle nicht, daß es ein honettes Almosen sein soll. – Man hält uns für arme Teufel, und will uns die Pille vergulden, oder macht uns eine Pastete ums Gold. – Ponce, das sind die Pfennige nicht, die die Liebe giebt, wie du sagtest.

Ponce. Nein – es ärgert mich – aber es zeigt von einer schönen Mildtätigkeit der Mädchen.

Aquilar. Die Bettler werden sie nicht lieben.

Ponce. Und doch wäre es schön, wenn wir als bloße Menschen geliebt würden.

Aquilar. Als bloße, nackte Menschen? Bettler sind ja meistens ziemlich bloß.

Ponce. Dir reicht man Almosen, und was mir ward, darf ich nicht besitzen.

Aquilar. Gut, daß du mich erinnerst, was ward dir dann, was fehlt dir? Ich habe eben nicht gesehen, daß man dich so vorzüglich begünstigte.

Ponce. Ach, Fernand! sie liebet einen andern, sie lag in meinen Armen, und gab mir Küsse, ihr Herz schlug an dem meinigen, ach, und all die süße Lust und Heimlichkeit war an mir verschwendet, war nicht mir war einem andern hingegeben; sie irrte sich in mir.

Aquilar. Aber – ich bin ja nicht von deiner Seite gekommen; ich glaube, du träumst.

Ponce. Mir träumet nicht – o wärs ein Traum gewesen, so wär es mein, was ich erhielt, denn wahrlich, Fernand, ich lebe nicht, seit ich dies Mädchen sah, ich träumte nur, und was du jetzt von meinen Lippen hörst; wie du mich siehst, das ist mein Leben nicht. In süßen Träumen leb ich nur, im tiefen Schlafe trennt die Wolke sich, die zwischen ihr und mir im Leben ruht, durch die ich liebend meine Arme in öde, gestaltlose Ferne nach ihr ausstrecke, im Schlafe trennt die Wolke sich, und wie der stille Vollmond durch die dunkle Pforte, so bricht sie liebeglänzend zu mir herüber, und all mein Dasein glänzt in ruhgem Lichte, still ruht das Leben rings erleuchtet, und mein Gemüt zieht feierlich die milde Bahn der Strahlen zu ihrem Bild, das an dem tiefen, blauen Liebeshimmel steht. Dann ist sie nichts als lindes, ergebendes Widerstreben, wie des Mädchens Busen, der an des Geliebten Brust sich drängt und hinstrebt, sich in ihm zu lösen, hin, wie die Woge strebt, das Ufer zu küssen, und stutzt, und rückwärts eilt, wie die Elemente, die im Liebesstreite ringend die schöne Welt in ihres Kampfes Mitte erzeugen, und rückwärts kehren, jedes unbesiegt. So wird im Traum mir eine Welt von Liebe im Herzen, und wenn der Tag erwacht – und Ponce erwacht, ach! da ist Ponce das Glühefeuer nur, und ferne von ihm sie, das feuchte Element, aus dem die Göttin aller Liebe ewig zeugend steigt.

Aquilar. Du sprichst schön, aber lang, lieber Ponce, und schade, daß sie es nicht gehört – doch verwirre dich nicht, was hat sie dir dann gegeben, woher weißt du, daß sie einen andern liebt?

Ponce. Als ich gestern, von Sehnsucht getrieben, früher als du hier ankam, ging eine Jungfrau unter den Bäumen auf und nieder. Ich merkte aus ihren Worten, daß sie mich für ihren Geliebten hielt, den sie erwartete; sie umarmte mich heftig, und küßte mich, bis sie den Irrtum einsah und mich beschämt verließ.

Aquilar. Das dummste ist, daß es auch Melanie gewesen sein könnte.

Ponce. Nein, es war Isidora, ich nannte sie mit Namen, Fernand, ich lag in diesen Armen, und ein Verbrechen ist es, das mir ihre Jungfräulichkeit vielleicht nie verzeiht.

Aquilar. Freilich, dann solche Verbrechen sind Anschläge auf das Leben der Jungfräulichkeit – aber mit dem Schreiben wird es wunderlich gehn – die Dukaten schicke ich ihr zurück; das gute Mädchen hat vielleicht ihre ganze Sparbüchse mit dieser Wohltat erschöpft – übrigens wollen wir heute abend doch nachspüren, ob wir nicht den Liebhaber fangen.

Ponce. Wissen wollen wir, wer er ist – ja! Komme, lasse uns im Garten weiter denken. Beide ab.

 

 

Eilfter Auftritt

 

Garten mit der Statue; die beiden Mädchen sitzen auf der Bank des Piedestals.

Melanie, Isidora.

 

Isidora. Es ist eine mißverstandene Freiheit, die man uns giebt.

Melanie. Wir dürfen sie ja nur verstehen, die Tante meint es sicher gut.

Isidora. Was sie Mildtätigkeit nennt, nimmt beinahe den Charakter der Vertraulichkeit an.

Melanie. Ich tat, was ich konnte, aber er küßte mich doch.

Isidora. Ich könnte den Gedanken nicht ertragen, daß mich ein Fremder küßte.

Melanie. Den Gedanken? Ich denke nicht an den Gedanken, aber den Kuß mußte ich nehmen.

Isidora. Ich begreife die beiden Leute nicht – Flandrische Pilger, und sprechen so gut kastilisch.

Melanie. Ich möchte sie wohl flandrisch sprechen hören, es sind vielleicht vornehme Pilger.

Isidora. Die wurden nicht ohne Bedeckung gereist sein; allerdings ist etwas Edles in ihrem Betragen, und ich kann darum gar nicht begreifen, wie der eine sagen konnte, er habe in meinen Armen gelegen.

Melanie. Das war sicher im Fieber.

Isidora. So küßte dich der andere auch wohl im Fieber – ich möchte ihr Gelübde kennen.

Melanie. Vielleicht hat deiner eine unglückliche Liebe gehabt, und meiner begleitet ihn; sie reisen vielleicht, um sich zu zerstreuen.

Isidora. Meiner? und deiner? Du sprichst von ihnen wie von Sachen.

Melanie. Ich weiß ja nicht, wie sie heißen.

Isidora. Ich wollte, sie wären wieder weg, und doch habe ich Mitleid mit meinem.

Melanie. Sieh da! Sieh da! – Deiner? Da sagst du ja auch wie ich.

Isidora. Ich versprach mich, wir wollen ihnen Namen geben; welcher Name ist dir am liebsten?

Melanie. So lustig mir die Benennung «meiner» klingt, so soll meiner doch Juan heißen.

Isidora. Und jener, den du meinen nanntest – heiße Carlos.

Melanie. So können wir dann ohne Störung von ihnen reden.

Isidora. Carlos, glaubst du also, habe eine unglückliche Liebe gehabt; ach! dann ist er sehr unglücklich, er ist so gerührt in seinem Wesen.

Melanie. Du gleichst vielleicht seiner Geliebten.

 

 

Zwölfter Auftritt

 

Valeria, die Vorigen.

 

Isidora. Woher, liebes Flämmchen, kömmst du?

Valeria. Ich sprach die Pilger, sie sind genesen.

Melanie. Beide?

Valeria. Ich meinte den Verwundeten.

Isidora. Ist nicht vielleicht der andre kränker? Es blickt eine tiefe Melancholie aus ihm.

Melanie. Und sein Freund scheint ihn nur zu begleiten.

Valeria. Ich glaube, daß Ihr recht gesehen habt.

Isidora. Der Anfall seines Schmerzes in meiner Gegenwart, so sehr er mich auch erzürnte, rührte mich doch sehr; er ist ein schöner Mann.

Valeria. Und sein Leiden ist so wunderbar.

Isidora. Weißt du etwas Näheres davon?

Valeria. O! es ist rührend, wie er so schön von der Liebe spricht, er muß unglücklich geliebt haben.

Isidora. Wie betrug er sich – was sprach er?

Valeria. Sein Freund hat mir entdeckt, daß er immer noch liebt – und daß er nicht glauben kann, daß seine Geliebte ganz für ihn verloren ist, die ihn nicht mehr liebt. Seine traurige Verirrung ist, daß er oft ganz fremde Wesen für seine Geliebte hält, und auch Ihr, liebe Isidora, macht diesen Eindruck heftiger als je auf ihn. Sein Freund versichert selbst, Ihr seid ihr ähnlich.

Isidora. Das macht mich sehr unglücklich.

Valeria. Ihr könnt ihn sehr glücklich machen.

Isidora. Wie kann ich das?

Valeria. Wenn Ihr ihn ruhig anhört und ihn freundlich von seinem Irrtum abwendet.

Isidora. O gern! wenn er nicht heftig werden will.

Melanie. Hat der andere nicht auch so eine Krankheit, die ich wenden könnte?

Isidora. Ei, sieh! wie artig –

Valeria. Vielleicht, vielleicht – Zu beiden. Habt ihr mich lieb?

Beide. Lieb, recht lieb.

Valeria. Und wollt ihr nicht auf mich zürnen?

Isidora. Wenn du artig bist.

Melanie. Und immer die Wahrheit sagst.

Valeria. Ach, ich weiß, wie Liebe schmerzt, drum verzeiht, daß mir die Schmerzen dieser Menschen weh tun, und daß sie mir Briefe gaben, die ich euch geben soll.

Isidora. Briefe?

Melanie. An uns beide?

Valeria. Zürnet nicht, ich liebe euch so sehr.

Melanie. Nun, weil du sie bringst, gieb!

Isidora. Aber ich weiß nicht – Valeria giebt jeder ihren Brief.

Melanie. Mein Brief ist so schwer. Geschwind, Schwester, aufgemacht, sonst bin ich verloren! Meiner ist schon auf; doch was soll das Gold im Briefe?

Isidora. Auch dieser ist offen.

Melanie liest. O wehe, sie sind beide melancholisch; was soll das Gold? Was soll das Gold? Er dankt für meine Wohltätigkeit, er habe es nicht nötig – und die Liebesschwüre!

Isidora. Und hier – schon wieder die wunderbare Idee, er habe in meinen Armen gelegen.

Valeria. Das muß auf ihre Krankheit einen Bezug haben.

Melanie. Soll ich laut lesen?

Isidora. Nein, nein! den meinen lese ich nimmer laut – hier, Valeria, gieb den Brief zurück.

Melanie. Und diesen auch – ich kann ihn auswendig – er ist gemein, oder nicht klug mit seinem Golde.

Isidora. Wir dürfen das alles nicht erklären wollen, die ganze Sache könnte mich beleidigen; ich wollte, Felix wäre hier.

Valeria. Ich bringe die Briefe zurück, doch seid den armen Unglücklichen nicht unfreundlich!

Isidora. Gieb mir den Brief noch einmal – Liest. Hier, hier, geschwinde weg mit ihm!

Melanie. Ich gehe, an Don Felix alles zu schreiben, und bitte ihn, zu kommen.

Isidora. Ich schließe einen Brief mit ein. Valeria und Melanie ab.

 

 

Dreizehnter Auftritt

 

Isidora allein. Ich habe solche Worte nie gehört, und nie einen solchen Mann gesehen – Du böses Mädchen, das ihn verlassen konnte, er geht mit irrer Phantasie umher; ach mir! wie schön ist mir sein Leid, mich fleht er an um Hülfe für sein Herz – und wenn er an mir genesen könnte und nicht mehr träumte, daß ich seine Liebe sei, wer würde mich dann heilen? – Was Ponce an jener armen Bürgerin getan, das tat an diesem Mann ein Weib – wie traurig und wie innig waren die Worte seines Briefs: «Ich lebte nicht, mein Leben war ein ödes, dunkles Meer, da zogst du über mir herauf, du stiller, voller, liebevoller Mond; die Ufer, die freudigen Lebensufer wachen rings in mildem Glanz, und Ebb und Flut ström ich mit Sehnsucht zu dir hin, und flieh ich ohne Ruh in mich zurück. O soll ich nimmer denn ein Mensch geworden sein! o steig aus mir hervor, du Liebes-Göttin!» – Du armer, kranker Mann, o wäre nicht dein Unglück die Bedingnis deiner Liebe!

Ponce hinter der Szene. O weh! verhaßter Brief!

Isidora. Das ist seine Stimme; ich wollte, er wäre freundlich und käme zu mir her – er kömmt – ach, ich verliere den Mut! Versteckt sich.

 

 

Vierzehnter Auftritt

 

Ponce hat den Brief in der Hand, Isidora sitzt auf der andern Seite der Statue; er bemerkt sie nicht.

 

Ponce sieht in den Brief. Sind diese Worte nicht freundlich – sind sie nicht flehend? Und hat sie denn kein Herz? – Ach! ist die Liebe dann nur stumm, und ist die Sprache nur fürs tote eben? O dann verstumme, armer Mann – o dann verwandle mich, allmächtger Gott! – Laß mich zur Blume werden, die ihr entgegenduften darf, zur stillen Lilie, die an ihrem Fenster blüht; die Sonne sollte mich nicht erschließen, nur ihrem Auge wollt ich die stumme Lippe öffnen – Er sieht die Statue des Apoll an, hinter der Isidora sitzt. O wäre ich des ernsten Gottes Bild, der sanfte Todespfeile sendet, der alles Lebens, aller Liebe Zauberei beherrscht, der Lieder giebt und Töne, sie würde dann an mir vorübergehen und ihr Gemüt an mir erheben, und ihre heiligsten Gedanken dächte sie vor mir – o Isidora!

Isidora leise und schüchtern hervortretend. Wer ruft?

Ponce steht stumm, läßt den Brief fallen. O heiliger Gott! du bist es!

Isidora hebt den Brief auf. Hier Euer Brief –

Ponce. So gebt Ihr zweimal ihn zurück?

Isidora. Er ist nicht mein.

Ponce. Ach, alles, alles ist ja Euer – nur ich allein nicht.

Isidora. Euer Unglück schmerzt mich sehr!

Ponce. O alles, alles habt Ihr hingenommen, das ganze Leben habt Ihr gefangen – reizende Sennora – und ich allein, ich stehe bodenlos, und himmellos – und steig und sinke, – bloß ein trauriger Gedanke.

Isidora. Ruht, seid nicht heftig, sprecht gelinde! Auf stillen Wegen flieht der Schmerz allein.

Ponce. Wie still seid Ihr – und ach, mein Schmerz, er ruht auf Euch!

Isidora. Ihr bewegt mich.

Ponce. So laßt ihn fliehen, meinen Schmerz!

Isidora. Ihr seid krank, mein Freund.

Ponce. Krank und doch im ewigen Genesen, – denn nimmer einzig Heil! wollt Ihr mich heilen!

Isidora. Ihr ängstigt mich – ich bin nicht Eure Liebe – Ihr liebtet mich nicht – ich bin Isidora de Sarmiento – lieber Freund – aber zürnet nicht auf mich. Ab.

 

 

Funfzehnter Auftritt

 

Ponce. Nicht meine Liebe? So ist dies dann nicht mein Leben. – Ich liebte eine andere – Isidora de Sarmiento – habe ich dich nicht versöhnt, Valeria? – Ist dies nur Strafe, muß ich nur diese lieben, weil ich jene verließ – ach, und wie freundlich sie mich hörte, wie sie so gütig war! Wärst du hier, Valeria, du entbändest mich vor ihren Augen meiner Schwüre, vor ihr muß Mann und Weib entsagen – entsagen? – Ein andrer lebt, den sie liebt – ein andrer? – Soll ich leben, da ein andrer so unendlich besser ist als ich?

 

 

Sechszehnter Auftritt

 

Ponce; Aquilar wirft den Brief mit dem Golde an die Erde.

 

Aquilar. Da bin ich auch.

Ponce. Ich wollte, du wärst im Himmel, und ich, und die ganze Welt!

Aquilar. Auch im Himmel würden uns die Mädchen die Hölle heiß machen.

Ponce. Was sagte Melanie?

Aquilar. Sie sagte – sie verachte mich mit dem Golde – und als ich fragte: Ohne das Gold? sagte sie: Das ist zu spät!

Ponce. Und mich bemitleidet Isidora auf eine bezaubernde Weise, sie sagte: sie sei es nicht, die ich liebe, sie bedaure meine Krankheit!

Aquilar. Ich glaube immer fester, daß beide ihre Liebe schon haben. Du weißt, im Walde hörten wir einen Mann, der ein Liebeslied sang – wir wollen heute abend doch zu erfahren suchen, wer die Glücklichen sind.

Ponce. Ich möchte wissen, wer er ist – mein Feind – vielleicht der einzige, der mein Freund sein könnte! Beide ab.

 

 

Siebenzehnter Auftritt

 

Melanie. Da liegt der wunderliche Brief mit dem Golde wieder – ich tripple herum, und weiß nicht, was ich soll ich habe gar keine Ruhe mehr, er ist ein schöner Mann, aber daß er auch so eine seltsame Art von Liebe hat, daß er meint, ich hätte ihm die Dukaten gegeben, – vielleicht hat es die gute Tante getan, und er ist nur im Irrtum, – da kömmt ja mein Schwesterchen. –

 

 

Achtzehnter Auftritt

 

Melanie, Isidora.

 

Isidora. Liebe Melanie – wie ist dir?

Melanie. Mir? mir ist es etwas langweilig! Ich ging im Garten herum, und wußte nicht, was ich sollte, und endlich stand ich hier, wo soeben die Fremden gestanden waren, und es war mir, als sei ich ihnen nachgelaufen – da stehe ich dann vor dem dummen Briefe – und weiß wieder nicht, was ich soll.

Isidora. Hast du an Felix geschrieben, und mein Zettelchen mit eingeschlossen?

Melanie. Alles.

Isidora. Ich wollte, diese Leute wären fort, und doch –

Melanie. Und doch?

Isidora. Und doch wollte ich, sie wären keine Fremde, und wären nicht krank. Sieh, da kömmt Flämmchen, die hat vielleicht Trost für uns.

 

 

Neunzehnter Auftritt

 

Valeria, die Vorigen.

 

Valeria. Nun, ihr lieben, holden Ärzte, was machen unsere Kranken?

Isidora. Immer krank, ach, und wüßte er, wie er so schön in seiner Krankheit ist, wie schön er spricht, er würde nicht gesund.

Melanie. Und hätte mein Patient die fixe Idee mit dem Golde nicht gehabt, ich wüßte nicht, wie er vernünftiger sein könnte.

Valeria. Habt Ihr denn nicht gefragt, was er damit wollte?

Melanie. Ich glaube nicht – ich gab ihm sein Briefchen hin, und war so angst und bang, daß ich davonlief, es war hier im Garten – wie ich um den Busch herum war, ging [ich] ganz langsam, aber er kam nicht mehr.

Valeria. Ich komme soeben von eurer Tante, wo ich die beiden sah. Die Tante will, ihr sollt ihnen den Schlüssel von eures Bruders Garderobe bringen, daß sie sich ein wenig umkleiden können – Hier ist er, wer will ihn bringen? Die Schwestern sehen sich an.

Isidora. Aber wird Felix nicht ungehalten sein, wenn wir über seine Kleider schalten und walten, wie wir ihnen schon seine Wohnung einräumten.

Melanie. Die Pilgerkleidung ist allerdings so breit – es werden ganz andere Leute sein in Felix seinen schönen Kleidern. Aber ich glaube gar, Felix hat die Kleider hier, die wir ihm gestickt haben; es wäre wunderlich, wenn sie diese Kleider anzögen.

Isidora. Ich fürchte, wir würden durch diese Kleider zu vertraut mit ihnen werden.

Valeria den Schlüssel hebend. Geschwind, wer will den Schlüssel bringen?

Melanie. Tust du es lieber, Isidora?

Isidora. Mir ist es gleich.

Melanie. Wenn ich dir einen Gefallen damit tue –

Isidora. Ziere dich nicht, gehe, gehe!

Melanie. Wenn du glaubst, es mache mir viel Spaß –

Valeria giebt ihr den Schlüssel. Fort, fort, geschwind!

Isidora sie drängen sich fort. Ei, wie gern sie es tut!

Melanie. Nun, wenn es euch freut, mit Gewalt! Ab.

 

 

Zwanzigster Auftritt

 

Valeria, Isidora.

 

Isidora. Lieb Mädchen, ich habe heute viel an deine unglückliche Freundin gedacht – die arme Valeria – ich habe auch Felix geschrieben, er solle Ponce zanken – ach, dieser Ponce!

Valeria. Dieser Ponce? Ihr habt doch nicht vergessen, wie dieser Ponce Euch liebt?

Isidora. Hier an der Statue saß ich vorhin, als der Fremde seine wunderbare Liebe und seine Trauer ergoß; er sprach in schönen Worten, Flamma!

Valeria. Und Ihr wart freundlich gegen ihn?

Isidora. So freundlich als ich konnte. Da ich merkte, daß meine Freundlichkeit aufhörte, verließ ich ihn.

Valeria. Aufhörte? Warum hörte sie denn auf? War er Euch unangenehm?

Isidora. O Himmel, nein, das kann er nimmer – aber es ward mir bang – es war keine Freundlichkeit mehr – ich wünschte, er verwandle sich in Felix, ich hätte ihm dann um den Hals fallen können – aber so ist er nur krank – ich bin ein schlechter Arzt – Flammetta, es war mir plötzlich, als sei er gar nicht krank – als liebe er mich wirklich – da ging ich von ihm weg, und dachte an die arme Valeria.

Valeria. An die arme Valeria? was dachtet Ihr?

Isidora. Ach, wie muß es erst einem armen Mädchen sein, wenn sie unglücklich liebt! Sie kann nicht fortlaufen, nicht reisen, – sie muß immer stumm fortleiden!

Valeria. Valeria würde ganz ruhig sein, wenn sie wüßte, wie hold Ihr seid; und wenn Ihr Ponce lieben werdet, wird sie glücklich sein.

Isidora. Ponce – still, still, ich will von ihm nichts wissen – ich hasse ihn, wie ich das Mädchen hasse, das meinen armen Pilger so unglücklich machte – wenn ich machen könnte, daß zur Strafe der böse Ponce und das böse Mädchen sich ineinander verliebten!

Valeria. Und Valeria erhielt', was sie will – und der Pilger verwandelte sich in einen reichen Grafen, und seine Krankheit würde sein Ernst – und?

Isidora. Schweig, schweig! du machst mich ganz verwirrt! Du und der Fremde, seit ihr im Hause seid, habe ich ohnedies keine Ruhe mehr; wenn du nun noch so verwickelte Sachen sprichst! – Wo nur Melanie bleibt, sie wird doch nicht so lange bei den Pilgern verweilen?

Valeria. Da kömmt der gute Hausmeister. Ich bin ihm recht gut, er hegt mich und pflegt mich.

Isidora. Auch ich mag ihn leiden, er ist immer so fröhlich wie die Ehrlichkeit.

 

 

Einundzwanzigster Auftritt

 

Ich muß bemerken, daß dieser Akt Nachmittag gegen drei Uhr an fängt, in der vorhergehenden Szene schon Abend wird und es nun schon ziemlich dämmert. Vorige, Valerio.

 

Valerio. Donna Isidora, Ihr werdet oben verlangt – Ihr werdet Eure Augen nicht genug auftun können über die Herrlichkeit – die beiden Fremden schlagen die Laute und singen dazu, und tanzen und sprechen Flandrisch, und sind so schlank und zierlich in der veränderten Kleidung – Ihr fehlt allein noch, um die Freude zu vollenden.

Isidora. Das Gelübde der beiden muß so leicht sein, als die Wunde des einen war.

Valerio. Wenigstens sind sie selbst leichter als ihr Gelübde.

Isidora. Guten Abend, ihr Lieben! Ab.

 

 

Zweiundzwanzigster Auftritt

 

Valeria, Valerio.

 

Valerio. Gute Kinder sind das, du dunkles Flämmchen, du hast dein Glück gemacht, und ein ehrliches, stilles Haus ist das; aber ich kann doch nicht recht froh werden, und war diesen Nachmittag sehr traurig.

Valeria. Was fehlte Euch dann, Lieber?

Valerio. Alles, ich bin eigentlich ganz allein.

Valeria. Ei, bin ich dann nicht Eure gute Freundin?

Valerio. Ja, aber meine gute Tochter nicht – und da habe ich heute nachmittag an einem Briefe für sie geschrieben, und wollte ihn heute abend hineinschicken; über dem Schreiben ging aber die Zeit so hin, daß es nun schon dunkel ist und er heute nicht kann hingetragen werden.

Valeria giebt ihm die Hand. Glaubt, ich wäre Eure Tochter, und gebt mir den Brief; ich will Eure Tochter werden!

Valerio. Warte noch ein wenig, da wird es ganz dunkel, da kann ich nicht sehen, daß du schwarz bist.

Valeria. Ihr seid ein guter, höflicher Mann!

Valerio. Ha, ha, hast du gemerkt, daß ich das Sprüchwort nicht vorbrachte: Bei der Nacht sind alle –

Valeria hält ihm den Mund zu. Artig, Väterchen!

Valerio. Du sagtest heute morgen, du hättest ein Lied für mich gemacht; singe mirs nun!

Valeria. Setzt Euch hierher – ich verstecke mich, damit es Euch täuscht.

Valerio setzt sich an die Seite der Statue, gegen die rechte Kulisse über.

Valeria setzt sich auf die entgegengesetzte Seite, fängt an zu singen.

Nach Sevilla, nach Sevilla –

Valerio im Schlosse erleuchtete Fenster und Musik. Still, mein Kind – halte noch ein wenig ein – ich will mich erst recht bedenken – hier diese Bank ist die Bank vor meiner Türe – vor mir Nachbars Garten – dort die erleuchteten Fenster und die Musik, das ist des Tanzmeisters Pallero Haus, wo Valeria tanzen lernte, und du bist Valeria, kömmst eben vom Tanze.

Valeria. Wartet, ich komme! Geht fort.

Valerio. Ein gutes Mädchen – Pfeift rufend. Nun könnte sie doch kommen, ich habe gern, daß sie hübsch tanzen lernt, ihre Mutter tanzte wie ein Engel, auch ich konnte es so ziemlich, doch zuviel macht Ernst aus Spiel – Pfeift rufend.

Valeria kommt von der Schloßseite her, hüpft und trallert eine Tanzmelodie. Guten Abend, Väterchen – Küßt ihn.

Valerio. Gehe hinein, Kind, du bist warm, die Luft ist kühl, kleide dich wärmer an, – sing mir ein Liedchen durchs Fenster, dann komme heraus zu mir!

Valeria. Ich komme gleich wieder. Geht auf die andere Seite der Statue.

 

Nach Sevilla, nach Sevilla,

Wo die hohen Prachtgebäude

In den breiten Straßen stehen,

Aus den Fenstern reiche Leute,

Schön geputzte Frauen sehn,

Dahin sehnt mein Herz sich nicht!

 

Nach Sevilla, nach Sevilla,

Wo die letzten Häuser stehen,

Sich die Nachbarn freundlich grüßen,

Mädchen aus dem Fenster sehn,

Ihre Blumen zu begießen,

Ach, da sehnt mein Herz sich hin!

 

In Sevilla, in Sevilla

Weiß ich wohl ein reines Stübchen,

Helle Küche, stille Kammer,

In dem Hause wohnt mein Liebchen,

Und am Pförtchen glänzt ein Hammer.

Poch ich, macht die Jungfrau auf!

 

Hier nähert sich Porporino, giebt Zeichen der Verwunderung über den Gesang; er ist nicht als Doktor, sondern in seiner rechten Kleidung.

 

«Guten Abend, guten Abend –

Lieber Vater, setzt Euch nieder!

Ei, wo seid Ihr dann gewesen?»

Und dann singt sie schöne Lieder,

Kann so hübsch in Büchern lesen,

Ach! und ist mein einzig Kind.

Valerio. Gut, hübsch, komme heraus, liebes Kind, komme!

Valeria. Gleich! Sie tritt hervor.

 

 

Dreiundzwanzigster Auftritt

 

Vorige.

 

Porporino umfängt die vortretende Valeria. Guten Abend, Engel, Valeria!

Valeria. Ei, was fällt Euch ein? Herr Doktor!

Valerio. Da bist du drein geplumpt. Flammetta spielte mir Komödie, als wäre ich zu Hause.

Porporino. Komödie? Freilich, es ist nur Komödie – aber nun auch keine Minute länger – ich bin auf dem Wege, ich gehe nach Sevilla, heute nacht noch, und setze mich vor die Haustüre auf die Bank.

Valeria. Ihr, Herr Doktor?

Porporino. Ja, ich habe Geschäfte dort – und will es nicht länger verbergen und aushalten, ich will zu Valerien.

Valerio. Die ist aber im Kloster.

Porporino. So gehe ich ins Kloster.

Valeria. Ins Nonnen-Kloster?

Porporino. Wenn sie mich nicht hineinlassen, so werde ich eine Nonne.

Valerio. Wenn du mit aller Gewalt hin willst gehen, so grüße sie, und bringe sie her.

Porporino. Ich habe auch einen Brief von Isidora an Don Felix bei mir; lebt wohl!

Valeria. Ich gehe ein bißchen mit.

Valerio. Aber nicht weit! Du weißt, es ist nicht richtig im Walde.

Valeria. Sie sehen mich nicht bei der Nacht.

Valerio. Wenn du nicht bald kömmst, kannst du nicht herein.

Valeria. Ei, Ihr macht Eurer Tochter die Türe doch auf!

Valerio. Ja, wenn sie zur rechten Zeit kömmt. Nun lebe wohl, Porporino, mache aber heute nacht nicht zuviel Lärm vor dem Kloster. Ab.

Porporino. Geschwind, Nachtvogel!

Valeria singt. Nach Sevilla, nach Sevilla! Beide ab.

 

 

Vierundzwanzigster Auftritt

 

Isidora, Melanie.

 

Melanie. Hier ist Flammetta nicht, aber ich wollte jemand anders wäre hier.

Isidora. Wer könnte das sein?

Melanie. Ach! Felippo, und –

Isidora. Und Carlos, meinst du? Nein hier – jetzt wäre es nicht gut, die schöne Musik, der Tanz, alles das könnte ihnen das Wort zu sehr reden – Flammetta wird schon oben sein.

Isidora. Es wird schon spät, komme – Scherzhaft. Gute Nacht, Carlos!

Melanie. Gute Nacht, Felippo! Beide ins Schloß.

 

 

Fünfundzwanzigster Auftritt

 

Ponce, Aquilar treten plötzlich hervor.

 

Ponce nicht ganz laut. Gute Nacht, Carlos? Gute Nacht, Felippo? Haben wir euch, ihr glücklichen, verdammten Namen!

Aquilar ruft ihnen nach. Gute Nacht, Melanie! Gute Nacht, Isidora!

Valeria geht hinten aus dem Walde schnell übers Theater weg und ruft. Gute Nacht!

Aquilar. Hörst du, Ponce! sie glaubten, ihre Liebhaber grüßten noch einmal, und antworten. Gewiß haben die Glückseligen ihren Weg hier durch den Wald genommen – komme, komme!

Ponce. So ist es wahr?

Aquilar. So komme doch!

Ponce. O Isidora, verzeihe mir!

Aquilar. O Melanie, ich verzeihe dir es nimmer! Wollen abgehen. Halt! ich höre sprechen, sie nähern sich.

Ponce. Die Mädchen entfernten sich ja grüßend.

Aquilar. Ja, aber sehr laut, sie wollten vielleicht nur den Horcher täuschen – der Gruß schien mir für die Liebe zu laut.

Ponce. Du sprichst wahr, die Liebe flüstert nur, und zu allem, was wirklich in ihr ist, dazu braucht sie das klingende, verräterische Wort nicht; nur die einsame Liebe ertönt, wo zwei sich einigen, da sprechen Blicke und –

Aquilar. Und wenn es dunkel ist? da sieht man die Blicke nicht.

Ponce. O laß es dunkel sein, erkläre nicht, wie Liebe spricht in der Dunkelheit – als sie mich umarmte, küßte, ach! da war es dunkel.

Aquilar lauschend. Still, ich höre flüstern, die ein Stimme fragte die andere, ob sie den Schlüssel hätte; ja, zu allen Türen, war die Antwort, zu allen Türen, die wir unsrer Liebe öffnen.

Ponce. O wehe – verstandst du recht? – Lauter. O! armer Felix, deine Schwestern sind Buhlerinnen bei Nacht – komm, laß uns zurück, über seiner Ehre zu wachen.

Aquilar. Sprich leiser; so ist dies Haus dann nicht mehr das Haus unsrer Geliebten?

Ponce. Nein, und doch – o ich wollte, die ganze Welt wäre liederlich und lasterhaft; ich schnitte dann den beiden Herren die Hälse ab, und die Mädchen machten sich nichts draus, und ließen uns statt ihrer ein.

Aquilar. Du bringst mich auf einen Einfall – die Mädchen erwarten ihre Geliebten; wir wollen ihnen zuvorkommen.

Ponce. O Himmel, es wäre schrecklich, es wäre viel gewagt es wäre völliger Triumph – ich fasse es nicht!

Aquilar. Wenn nur die Mädchen uns umfassen – komme!

Ponce. Was sind wir?

Aquilar. Waghälse, die sich gern an schönen Hälsen wiegten.

Ponce. Grad ausgestreckt liegt sie, und denkt auf Gespräche an ihren künftgen Gatten – o Gott – und solche Träume soll ich stören!

Aquilar. Ins Teufels Namen! lamentiere nicht – ich weiß nicht, ob Melanie grad oder schief liegt, darum will ich es sehen! Fort! Beide ab.

 

 

Sechsundzwanzigster Auftritt

 

Felix und Lucilla, die als Mann gekleidet ist.

 

Felix. Hier ist das Haus, wo wir sicher sind, wo uns die Liebe glücklich macht.

Lucilla stößt mit dem Fuß an den Brief mit dem Gelde. Da hat jemand Geld verloren – und Papiere.

Felix. Gieb, ich will es zu dem Briefe stecken, der mir im Walde gegeben ward; morgen sehen wir, was es ist.

Lucilla. Ich bin immer noch so scheu, hier ins Haus zu gehen.

Felix. Wir haben viel gewagt – die Liebe lohnt alles.

Lucilla. Wenn Isidora und Melanie nur nicht böse werden!

Felix. Ei, bös? Sei klug!

Lucilla. Bist du sicher, daß uns niemand hört?

Felix. Die alte Tante schläft hinten hinaus – die Mädchen vorn, und die sollen es ja wissen, – ich weiß ja Weg und Steg komme!

Lucilla. Hast du gehört, was vorher hier gesprochen wurde?

Felix. Ich bitte dich, vergesse es – sie sprachen Böses von den lieben Mädchen – es wäre traurig – und wer macht es besser? Sind wir selbst auf Wegen, die das Geschwätz billigen würde? Komme! Beide ab.

 

 

Siebenundzwanzigster Auftritt

 

Ponces Stube, dunkel. Ponce, Aquilar, eintretend.

 

Ponce. Tue, was du willst! Genug, daß ich meines Unglücks versichert bin. Ihr Glück, das Glück der Liebenden zu stören, ist fürchterliche Sünde.

Aquilar. Sind wir nicht Liebende? stören diese Herren unser Glück nicht?

Ponce. Wird sind nicht geliebt.

Aquilar. Wenn ich die Sache so einrichten könnte, daß Isidora ihren Geliebten ruhig empfangen könnte – freilich, auf die habe ich keine Rechte.

Ponce. Schweig, tue was du willst – ich gehe morgen nach Flandern zur Armee!

Aquilar. Ohne dich zu erkennen zu geben?

Ponce. Wozu die Prahlerei? Tue das Deinige – auf mich hat kein Mensch mehr Rechte, seit Isidora einen andern liebt.

Aquilar. Ich gehe auf gut Glück! Sollte ich durch Zufall sehen, ob Isidora grad oder schief im Bette liegt – so werde ich es Ihnen hinterbringen, Herr Ponce! Ab.

 

 

Achtundzwanzigster Auftritt

 

Ponce allein. Valeria! – Valeria! mir wird schwer gelohnt doch auch das ist gut – alles ist gut – ich will dreinschlagen, so hat der König einen neuen Diener – es ist lustig, weil mich das Mädchen nicht liebt, liebe ich das Vaterland – man muß auch gar nichts haben oder alles, um ein Vaterland zu haben. – Lange, lange Weile, o ich möchte die Stühle zusammenbrechen, um zu arbeiten, – ich will mein Testament machen, denn wahrlich, ich liege in den letzten Zügen! Er schlägt Feuer. Wie die Funken so lebendig sprühen, ein schönes, kurzes Leben! Auch ich habe gesprüht, kein Licht an mir gezündet! Er steckt das Licht an. – So, mein liebes Licht, brenne, solange ein Fäserchen an dir ist – da ist ja auch noch das Testament meines Onkels, das mich um eine Million reicher macht; ich habe diese wichtigen Geschäfte über der Liebe ganz vergessen – da kann ich die Formeln absehen, es unterhält mich! Ihr alten Ponce alle – ich bin der letzte Ponce Mit dem Licht und Testament nach der Nebenstube. Feuer schlagen will ich, Feuer schlagen bei der Armee, bis kein Stahl und Stein mehr an mir ist! Ab.

 

 

Neunundzwanzigster Auftritt

 

Felix, Lucilla. Es ist ganz dunkel.

 

Lucilla. Hier werden wir also bleiben heute nacht?

Felix. Ja hier, wo ich schon oft recht froh und traurig war. Gleich hier neben in der Stube steht ein Ruhebett für dich, und ich bleibe hier auf einem Stuhle.

Lucilla. So zeige mir den Weg in die Stube, ich könnte mich stoßen.

Felix. Verzeihe, ich liebe dich so, daß ich immer glaube, du wüßtest alles, was ich weiß.

Lucilla. Du bist etwas unzufrieden?

Felix. Was ich von den Mädchen hörte, stört mich – komm! Er führt sie, kömmt an einen Stuhl auf dem Kleider liegen. Da liegen ja meine Kleider, wer tat sie hierher? Die ganze Stube scheint mir verändert.

Lucilla. Du bist vielleicht irre gegangen – ich sehe durch eine Spalte in der Türe Licht in der Nebenstube.

Felix. Licht?

Lucilla. Es spricht – Lauscht. «O Isidora, o Isidora!»

Felix. Wie, so wäre es wahr – höre recht!

Lucilla lauscht. «Zweitausend Dublonen dem alten Valerio viertausend dem Porporino zur Ausstattung» – es ist ein Sterbender – man macht ein Testament – höre! – «Valerien mein ganzes Hab und Gut, wenn ich sterbe.»

Felix. Aber um Gottes willen! – wer soll das sein?

Lucilla. Ich bin so müde, Lieber!

Felix. Setze dich dort in den Stuhl, liebes Kind, ich bin ganz verwirrt.

Lucilla. Gehe, Lieber, und erkundige dich bei deinen Schwestern!

Felix. Du hast recht – bleibe nur ruhig. Geht nach der Türe.

 

 

Dreißigster Auftritt

 

Aquilar, Vorige.

 

Aquilar. Bist du noch da? He, mein Herr! nun ist es zu spät; ob Isidora gerad oder schief im Bette liegt, willst du wissen, – o ich Glücklicher, ich Glücklicher, warum gingst du nicht mit!

Felix faßt ihn bei der Kehle. He, Schurke, Ehrenräuber!

Aquilar ringt mit ihm. Ei, Ihr! Herr Felippo, seid es, Ihr seid irr gegangen – aber auch an mir seid Ihr irre.

Felix ruft. Licht! Licht!

Aquilar. Die Klingen los, die Klingen sollen leuchten!

Lucilla. O Gott, o Gott!

Aquilar. Ei, sieh, doch eine der Damen hier!

Felix. He, aus der Nebenstube heraus, Herr Testamentarius!

 

 

Einunddreißigster Auftritt

 

Vorige, Ponce in Hemdärmeln mit dem Lichte; alle in der höchsten Verwunderung.

 

Aquilar. Um Gottes willen, Felix! ei, und Lucilla! ich gratuliere.

Felix. Ihr, Ihr seid es, aber Himmel!

Ponce umarmt ihn. Ja, wir und – du! Gottes Segen über dich – und Fluch über uns! So haben also wir deinen Schwestern Unrecht getan!