BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adelbert von Chamisso

1781 - 1838

 

Reise um die Welt

mit der Romanzoffischen

Entdeckungs-Expedition

in den Jahren 1815-1818

auf der Brigg Rurik,

Kapitain Otto von Kotzebue.

 

Zweiter Theil.

 

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Kadu.

 

 

Wir hatten zu Anfang 1817 im äußersten Osten dieser Provinz auf der Gruppe Otdia und Kaben der Inselkette Radack mit dem lieblichen Volke, welches sie bewohnt, Bekanntschaft gemacht und Freundschaft geschlossen. Als wir darauf in die Gruppe Aur derselben Inselkette einfuhren, die Eingebornen auf ihren Booten uns entgegen kamen und, sobald wir Anker geworfen, an unsern Bord stiegen, trat aus der Mitte ein Mann hervor, der sich in manchen Dingen vor ihnen auszeichnete. Er war nicht regelmäßig tatuirt wie die Radacker, sondern trug undeutliche Figuren von Fischen und Vögeln, einzeln und in Reihen um die Kniee, an den Armen und auf den Schultern. Er war gedrungenern Wuchses, hellerer Farbe, krauseren Haares, als sie. Er redete uns in einer Sprache an, die, von der radackischen verschieden, uns völlig fremd klang, und wir versuchten gleich vergeblich, die Sprache der Sandwich-Inseln mit ihm zu reden. Er machte uns begreiflich, er sei gesonnen, auf unserm Schiffe zu bleiben und uns auf unsern ferneren Reisen zu begleiten. Sein Gesuch ward ihm gern gestattet. Er blieb von Stunde an an unserm Bord, ging auf Aur nur einmal mit Urlaub ans Land, und verharrte bei uns, unser treuer Gefährte, den Offizieren gleich gehalten und von allen geliebt, bis zu unsrer Rückkehr auf Radack, wo er mit schnell verändertem Entschluß erkohr, sich anzusiedeln, um der Bewahrer und Ausgeber unsrer Gaben unter unsern dürftigen Gastfreunden zu sein. Es könnte Niemand von dem menschenfreundlichen Geiste unsrer Sendung durchdrungener sein, als er.

Kadu, ein Eingeborner der Inselgruppe Ulea, im Süden von Guajan, von nicht edler Geburt, aber ein Vertrauter seines Königs Toua, der seine Aufträge auf andern Inseln durch ihn besorgen ließ, hatte auf früheren Reisen die Kette der Inseln, mit denen Ulea verkehrt, im Westen bis auf die Pelew-Inseln, im Osten bis auf Setoan kennen gelernt. Er war auf einer letzten Reise von Ulea nach Feis mit zweien seiner Landsleute und einem Chef aus Eap, welcher letztere nach seinem Vaterlande zurückkehren wollte, begriffen, als Stürme das Boot von der Fahrstraße abbrachten. – Die Seefahrer, wenn wir ihrer unzuverlässigen Zeitrechnung Glauben beimessen, irrten acht Monde auf offener See. Drei Monde reichte ihr kärglich gesparter Vorrath hin; fünf Monde erhielten sie sich, ohne süßes Wasser, blos von den Fischen, die sie fingen. Den Durst zu löschen, holte Kadu, in die Tiefe des Meeres tauchend, kühleres und ihrer Meinung nach auch minder salziges Wasser in einer Cocosschale herauf. Der Nordost-Passat trieb sie endlich auf die Gruppe Aur der Kette Radack, wo sie sich im Westen von Ulea zu befinden wähnten. Kadu hatte von einem Greise auf Eap Kunde von Radack und Ralick vernommen: Seefahrer aus Eap sollen einst auf Radack, und zwar auf die Gruppe Aur verschlagen worden sein, und von da über Nugor und Ulea den Rückweg nach Eap gefunden haben. Die Namen Radack und Ralick waren ebenfalls einem Eingebornen aus Lamureck, den wir auf Guajan antrafen, bekannt. Es werden oft Boote aus Ulea und den umliegenden Inseln auf die östlichen Inselketten verschlagen, und noch leben auf der südlichen Gruppe Arno der Kette Radack fünf Eingeborne aus Lamureck, die ein gleiches Schicksal auf gleicher Bahn dahin geführt.

 

 

Die Häuptlinge von Radack schützten die Fremden gegen Niedriggesinnte ihres Volks, deren Habsucht das Eisen, welches jene besaßen, gereizt hatte. – Man trifft die edelmüthigern Gesinnungen stets bei den Häuptlingen an.

Die Einwohner von Ulea, die in größerem Wohlstand und in ausgebreiteterem Verkehr, als die Radacker, leben, sind ihnen in mancher Hinsicht überlegen. – Kadu stand in einem gewissen Ansehn auf Radack. Er mochte, als wir diese Inseln besuchten, seit etwa vier Jahren auf denselben angelangt sein. Er hatte zwei Weiber auf Aur und von der einen eine Tochter, die bereits zu sprechen begann.

Unsere Erscheinung verbreitete in Aur, wo die Kunde von uns noch nicht erschollen war, Schrecken und Bestürzung. Der vielgewanderte, der vielerfahrne Kadu, der sich zur Stunde auf einer entlegenen Insel der Gruppe befand, ward alsbald herbeigeholt, und man begehrte seinen Rath, wie man den mächtigen Fremden begegnen müsse, die man für böse Menschenfresser anzusehen geneigt war.

Kadu hatte von den Europäern vieles erfahren, ohne daß er je eines ihrer Schiffe gesehen. Er sprach seinen Freunden Muth ein, warnte sie vor Diebstahl, und begleitete sie an unser Schiff mit dem festen Entschluß, bei uns zu bleiben, und in der Hoffnung, durch uns zu seinem lieben Vaterlande wieder zu gelangen, da einmal ein Europäisches Schiff in Ulea gewesen, zu einer Zeit, wo er selbst abwesend war.

Einer seiner Landsleute und Schicksals-Gefährten, der bei ihm war, bemühte sich umsonst, ihn von diesem Vorhaben abzubringen, und seine Freunde bestürmten ihn umsonst mit ängstlichen Reden: er war zur Zeit unerschütterlich. – Ein andrer Gefährte Kadu's, der Häuptling aus Eap, den wir im Gefolge des Königs Lamari bei Udirick antrafen, faßte denselben Entschluß, dieselbe Hoffnung, wie unser Freund. Er war ein schwächlicher Greis; sein Gesuch fand kein Gehör. Es war schwer ihn zu vermögen, unser Schiff zu verlassen, worauf er in Thränen in der ruhigen Lage beharrte, durch welche er seinen Vorsatz uns zu versinnlichen gesucht. Wir stellten ihm sein Alter und die Mühseligkeiten unsrer Fahrt vor, er blieb bei seinem Sinne; wir stellten ihm vor, daß unser Vorrath nur auf eine gewisse Anzahl Menschen berechnet sei. Er muthete uns zu, unsern Freund Kadu hier auszusetzen und ihn an dessen Stelle aufzunehmen.

Wir müssen die leichte und schickliche Weise rühmen, womit Kadu sich in unsre Welt zu fügen wußte. Die neuen Verhältnisse, worein er sich versetzt fand, waren schwer zu beurtheilen, zu behandeln. Er, ein Mann aus dem Volke, ward unversehens unter den an Macht und Reichthum so sehr überlegenen Fremden gleich einem ihrer Edeln angesehen, und das niedere Volk der Matrosen diente ihm wie dem Oberhaupte. Wir werden Mißgriffe nicht verschweigen, zu welchen er Anfangs verleitet ward, die er aber zu schnell und leicht wieder gut machte, als daß sie strenge Rüge verdienten. – Als kurz nach seiner Aufnahme unter uns Häuptlinge von Radack an unsern Bord kamen, erhob er sich gegen sie und nahm die Gebehrden an, die nur jenen ziemen. Eine arglose Verhöhnung ihrerseits ward sein wohlverdienter Lohn. – Es geschah nicht ein zweites Mal. – Er suchte Anfangs den Gang und die Arten des Kapitains nachzuahmen, stand aber von selbst davon ab. Es ist nicht zu verwundern, daß er die Matrosen erst für Sclaven ansah. Er befahl einst dem Aufwärter, ihm ein Glas Wasser zu bringen; dieser nahm ihn still am Arme, führte ihn zu dem Wasserfaß und gab ihm das Gefäß in die Hand, woraus Andre tranken. Er ging in sich, und studirte die Verhältnisse und den Geist unsrer Sitten, worein er sich bald und leicht zu versetzen und zu finden lernte, wie er eben unsern äußern Anstand im Leben und bei der Tafel sich anzueignen gewußt.

Kadu lernte erst nach und nach die Kraft unsrer geistigen Getränke kennen. Man will bemerkt haben, daß er sich Anfangs Branntwein von den Matrosen geben lassen. Als darauf ein Matrose bestraft wurde, ward ihm angedeutet, solches geschehe wegen heimlichen Trinkens des Feuers (Name womit er den Branntwein bezeichnete). Er trank nie wieder Branntwein, und Wein, den er liebte, nur mit Mäßigung. Der Anblick betrunkener Menschen, den er auf Unalaschka hatte, machte ihn mit Selbstgefühl über sich selber wachsam. – Er beschwor im Anfang den Wind zu unsern Gunsten, nach der Sitte von Eap; wir lächelten, und er lächelte bald über diese Beschwörungen, die er fortan nur aus Scherz und uns zu unterhalten wiederholte.

Kadu hatte Gemüth, Verstand, Witz; je näher wir einander kennen lernten, je lieber gewannen wir ihn. Wir fanden nur bei seinem lieblichen Charakter eine gewisse Trägheit an ihm zu bekämpfen, die sich unsern Absichten entgegensetzte. – Er mochte nur gerne singen oder schlafen. Als wir uns bemühten, über die Inseln, die er bereist oder von denen er Kenntniß hatte, Nachrichten von ihm einzuziehn, beantwortete er nur die Fragen, die wir ihm vorlegten, und dieselbe Frage nicht gern zweimal, indem er auf das, was er bereits ausgesagt hatte, sich bezog. Wenn im Verlauf des Gesprächs Neues an das Licht gefördert ward, welches verschwiegen zu haben wir ihm verwiesen, pflegte er gelassen zu entgegnen: «Das hast Du mich früher nicht gefragt.» Und dabei war sein Gedächtniß nicht sicher. Die Erinnerungen lebten nach und nach in ihm wieder auf, so wie das Ereigniß sie hervorrief, und wir glaubten zugleich zu bemerken, daß die Menge und Vielfältigkeit der Gegenstände, die seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, frühere Eindrücke in ihm verlöschten. Die Lieder, die er in verschiedenen Sprachen sang und von den Völkerschaften, unter welchen er gelebt, erlernt hatte, waren gleichsam das Buch, worin er Auskunft oder Belege für seine Angaben suchte.

Kadu hielt unter uns sein Journal nach Monden, wofür er Knoten in eine Schnur knüpfte. Dieses Journal schien uns aber unordentlich geführt zu werden, und wir konnten uns nicht aus seiner Rechnung finden.

Er war nicht ungelehrig, nicht ohne Wißbegierde. Er schien wohl zu verstehen, was wir über die Gestalt der Erde und unsre nautische Kunst ihm anschaulich zu machen uns bestrebten; aber er war ohne Beharrlichkeit, ermüdete durch die Anstrengung, und kehrte ausweichend zu seinen Liedern zurück. Er gab sich die Schrift, deren Geheimniß er begriffen hatte, selbst zu erlernen einige Mühe, war aber zu diesem schweren Versuch ohne Geschick. Was man ihm, in der Absicht ihn zu befeuern, sagte, mochte ihm wohl völlig den Muth benehmen; er unterbrach und nahm das Studium wieder vor, und legte es endlich gänzlich bei Seite.

Er schien, was wir ihm von der geselligen Ordnung in Europa, von unsern Sitten, Bräuchen, Künsten berichteten, mit offenem Sinne aufzufassen. Am empfänglichsten war er aber für den friedlichen Abentheurersinn unsrer Reise, mit der er die Absicht verband, den entdeckten Völkern, was ihnen gut und nützlich sei, mitzutheilen, und er verstand allerdings darunter hauptsächlich, was zur Nahrung dient; erkannte aber auch wohl, daß unsre Ueberlegenheit auf unserm größern Wissen überhaupt beruhe, und er ehrte und diente nach Möglichkeit unserm Forschsinn, wo derselbe auch manchem Gebildeteren unter uns sehr müßig geschienen hätte.

Als wir auf Unalaschka angekommen, und er diese verwaiste, von allen Bäumen entblößte Erde sich beschauet hatte, eilte er geschäftig uns aufzufordern, etliche Cocos, die wir noch an Bord hatten, und zu welchen er noch ihm eigens gehörige zugeben wolle, hier an angemessenen Orten zu säen. Er drang, uns das Elend der Einwohner vorhaltend, auf den Versuch, und ließ sich ungern überreden, daß solcher vollkommen überflüssig sei.

Die Natur fesselte zumeist seine Aufmerksamkeit und Neugierde. Die Rinder auf Unalaschka, die ihm erst ins Gedächtniß wiederriefen, daß er früher welche auf den Pelew-Inseln gesehen, beschäftigten ihn anhaltend, und er ging ihnen täglich betrachtend auf der Weide nach. Nichts auf der ganzen Reise hat ihn freudiger angeregt, als der Anblick der Seelöwen- und Seebären-Heerden auf der Insel St. George. *)

Wie Kadu während der Reise vernachlässigte Eisenstücke, Glasscherben und alles von uns Uebersehene, was für seine Landsleute Werth haben mochte, sorgfältig aufgelesen und aufbewahrt, so suchte er sich auf Unalaschka unter den Geschieben des Ufers vorzüglich zu Schleifsteinen taugliche Steine aus. Wir haben diesen sanftmüthigen Mann nur einmal in zurückgehaltenem Zorne, in Ingrimm gesehen; das war, als im Verlauf der Reise er diese Steine am Orte, wo er sie auf dem Schiffe verwahrt, vergeblich suchte, und die Beschwerde, die er darüber führte, wenig Gehör fand. Er war in seinem Rechtssinn gekränkt.

Kadu war in seiner Armuth freigebig und erkenntlich in seinem Herzen. Er diente denen von uns, von welchen er beschenkt worden, und benutzte auf O-Wahu die Gelegenheit, durch den verständigen Handel, den er mit den kleinen Waaren, womit wir ihn bereichert, trieb, uns und den Matrosen, die ihm gedient hatten, Gegengeschenke darzubringen, wie sie jedem nach eignem Sinn angenehm sein mochten. Er legte für sich selber nichts zurück, als das, womit er einst seine Landsleute zu bereichern oder zu erfreuen hoffte. So hatte er seinen Freunden auf Radack Alles, was er besaß, hinterlassen, und nur ein einziges Kleinod sich vorbehalten, einen Halsschmuck, den er lange noch unter uns getragen hat. Er vertraute uns einst mit feuchten Augen lächelnd die Heimlichkeit dieses Halsbandes. Er focht im Kampf auf Tabual (Insel der Gruppe Aur von Radack) in den Reihen seiner Gastfreunde gegen den aus Meduro und Arno eingefallenen Feind; da gewann er über seinen Gegner den Vortheil, und war im Begriff, den zu seinen Füßen Gestürzten zu durchbohren: als dessen Tochter rettend vorsprang und seinen Arm zurückhielt. Sie erhielt von ihm das Leben ihres Vaters; dieses Mädchen verhieß ihm ihre Liebe, er, der Mann, trug ihr heimlich ansehnliche Geschenke hinüber, und er trug ihr zum Andenken das Liebespfand, das sie auf dem Schlachtfelde ihm verehrt.

Wir müssen in Kadu's Charakter zwei Züge vorzüglich herausheben : seinen tief eingewurzelten Abscheu vor dem Kriege, dem Menschenmord, und die zarte Schamhaftigkeit, die ihn zierte, und die er unter uns nie verleugnet hat.

Kadu verabscheute das Blutvergießen, und er war nicht feig. Er trug vorn auf der Brust die Narben der Wunden, die er im Vertheidigungskrieg auf Radack erhalten hatte, und als wir uns zu einer Landung auf der St. Laurenz-Insel mit Waffen rüsteten, und er belehrt war, solches geschehe nicht zu einem feindlichen Angriff, sondern zur Selbstvertheidigung im Fall der Nothwehr unter einem Volke, dessen Gesinnung uns unbekannt und mit dem wir blos zu wechselseitigem Vortheil zu handeln gesonnen seien, begehrte er Waffen, einen Säbel, womit er uns im nöthigen Fall beistehen könne, da er sich im Schießen auf Unalaschka noch nicht hinreichend eingeübt. – Er hegte fest die Meinung, die er auf Eap sich eingeprägt, daß graue Haare nur daher erwüchsen, daß man der Männerschlacht in ihrem Gräuel beigewohnt.

Kadu trug im Verhältnisse zu dem andern Geschlechte eine musterhaft schonende Zartheit. Er hielt sich von dem Weibe, das im Besitz eines andern Mannes war, entfernt. Er hatte überall ein richtiges Maaß für das Schickliche. Was er auf O-Wahu erfuhr, widerstand ihm, und er sprach frei darüber, wie über die Sittenlosigkeit, die er auf den Pelew-Inseln herrschend gefunden. In das freie Männergespräch gezogen, wußte er in dasselbe dergestalt einzugehen, daß er immer innerhalb der ihm angedeuteten Grenzen blieb.

Man findet den regsten Sinn und das größte Talent für den Witz unter den Völkern, die der Natur am wenigsten entfremdet sind, und besonders wo die Milde des Himmels dem Menschen ein leichtes genußreiches Leben gönnt. Kadu war besonders witzig, verstand aber wohl in arglosem Scherz geziemende Schranken zu beobachten, und er wußte mit großem Geschick sich durch leichte Dienste oder Geschenke die zu versöhnen, über die er sich mit Ueberlegenheit erlustigte.

Unser Freund bezeugte uns wiederholt im Verlauf unsrer Reise, er sei gesonnen, bis an das Ziel derselben bei uns zu verharren, und sollten wir selbst sein vielgeliebtes Vaterland Ulea auffinden, von uns nicht abzutreten, sondern uns nach Europa zu begleiten, von wo aus wir ihm die Rückkehr nach Ulea verheißen durften, da der Handel unsre Schiffe regelmäßig nach den Pelew-Inseln führt, wo die Boote von Ulea gleich regelmäßig verkehren. Wir waren selbst noch des andern Weges über Guajan unkundig. Aber er hegte den Wunsch, und dieser würde ihm auf Guajan in Erfüllung gegangen sein, Gelegenheit auf einer der ihm bekannten Inseln zu finden, nach Eap über das Schicksal und den jetzigen Aufenthalt des Häuptlings dieser Insel, seines Unglücksgefährten auf Radack, berichten zu lassen, damit, meinte er, die Seinen ein Schiff baueten und ihn dort aufsuchten. Er beschäftigte sich angelegentlich mit diesem Gedanken.

Wir bemüheten uns, auf O-Wahu nutzbare Thiere und Gewächse, Setzlinge und Samen verschiedener nützlicher Pflanzen zusammen zu bringen, deren Arten wir auf Radack einzuführen versuchen wollten. Kadu wußte, daß wir dort anzugehen gedachten, und beharrte auf seinem Sinn. Wir forderten ihn auf, sich hier in Allem, was auf Radack nützen könne, zu unterrichten, da er unsre Freunde unterweisen und sie belehren könne, welcher Vortheil ihnen aus unsern Gaben erwachsen sollte, und wie sie ihrer pflegen müßten. Er ging wohl in unsre Absichten ein, aber der Zweck lag ihm noch zu fern, und Leichtsinn und Trägheit ließen ihn in diesem wollüstigen Aufenthalt eine Lehrzeit saumselig benutzen, deren Versäumniß er später selbst bereuete. **)

Wir kamen nach Radack und landeten auf Otdia, unter dem Jubel der wenigen unsrer Freunde, die nicht mit in den Krieg gezogen. Von dem Augenblicke an war Kadu unermüdlich auf das ämsigste beschäftigt, beim Pflanzen, Säen und der Besorgung der Thiere uns mit Rath und That an die Hand zu gehen, und den Eingebornen das Erforderliche zu erklären und einzuschärfen. – Noch war er festen Sinnes, bei uns zu bleiben.

Als auf Otdia alles Nöthige besorgt war, ging Kadu nach Oromed, der Insel des alten Häuptlings Laergaß, um dort auch einen Garten anzulegen. Auf dieser Excursion, die in Booten der Radacker ausgeführt ward, begleitete ihn nur der Verfasser dieser Aufsätze. – Auf Oromed gingen die Stunden des Tages in Arbeiten, die des Abends in anmuthiger Gesellschaft hin. Die Frauen sangen uns die vielen Lieder vor, die während unsrer Abwesenheit auf uns gedichtet, und worin unsere Namen der Erinnerung geweihet waren. Kadu berichtete ihnen von seinen Reisen und mischte scherzhafte Märchen seiner Erzählung bei; er theilte Geschenke aus, die er im Verlauf der Reise für seine Freunde bereitet. Sobald am andern Tag, dem letzten unsers Aufenthalts auf Radack, das Boot, das uns zum Schiffe zurückführte, unter Segel war, erklärte Kadu, dessen heitere Laune in ruhigen Ernst überging, er bleibe nun auf Otdia und gehe mit dem Rurik nicht weiter. Er beauftragte seinen Freund ausdrücklich, diesen neuen unveränderlichen Entschluß dem Kapitain zu verkündigen, und Gegenvorstellungen ablehnend setzte er die Gründe, die ihn bestimmten, auseinander. Er bliebe auf Otdia, Hüter und Pfleger der Thiere und Pflanzungen zu sein, die ohne ihn aus Unkunde verwahrlos't, ohne Nutzen für die unverständigen Menschen verderben würden. Er wolle bewirken, daß unsre Gaben den dürftigen Radackern zu hinreichender Nahrung gereichten; daß sie nicht fürder brauchten aus Noth ihre Kinder zu tödten, und davon abließen. – Er wolle dahin wirken, daß zwischen den südlichem und nördlichem Gruppen Radacks der Friede wieder hergestellt werde, daß nicht Menschen Menschen mehr mordeten; – er wolle, wenn Thiere und Pflanzen hinreichend vermehrt wären, ein Schiff bauen und nach Ralick übergehen, unsere Gaben auch dort zu verbreiten; – er wolle von dem Kapitain, indem er ihm Alles, was er von ihm empfangen, wiedergebe, nur eine Schaufel, die Erde zu bearbeiten, und dieses und jenes nützliche Werkzeug sich erbitten. Sein Eisen wolle er gegen den mächtigen Lamari verheimlichen und nöthigenfalls vertheidigen. Er rechne bei seinem Unternehmen auf die Mitwirkung seines Landsmanns und Schicksalsgefährten, den er aus Aur, wo er sich jetzt befände, zu sich berufen wolle. Dieser solle ihm auch sein Kind, seine Tochter, mitbringen, die, wie er nun erfahren, seit seiner Abreise traurig war, nach ihm verlangte, nach ihm schrie und nicht schlafen wollte. – Seine Weiber hatten andre Männer genommen, nur sein Kind beschäftigte ihn auf das zärtlichste.

Kadu bereuete zu dieser Frist, vieles Nützliche, die Bereitung der Bastzeuge auf O-Wahu u. a.  m. zu erlernen vernachlässigt zu haben, und er begehrte in diesen letzten Augenblicken noch über vieles Rath, den er mit großer Aufmerksamkeit auffaßte.

Das Boot, worauf wir diese Fahrt gegen den Wind anringend vollbrachten, war ein schlechter Segler; die Sonne neigte sich schon gegen den Horizont, als wir an das Schiff kamen, worauf sich glücklicherweise der Kapitain befand. – Als der Entschluß Kadu's bekannt geworden, sah er sich bald und unerwartet in dem Besitz unendlicher Schätze, solcher, die in diesem Theile der Welt die Begehrlichkeit der Fürsten und der Nationen erregen ***). Die Liebe ward kund, die er unter uns genoß, und man sah jeden stillschweigend geschäftig, den Haufen des Eisens, der Werkzeuge und der nutzbaren Dinge, die für ihn zusammengebracht wurden, aus dem eignen Vorrath zu vermehren. (Proben von Matten und Zeugen aus O-Wahu, Proben von Strohhüten u. dgl. m. wurden nicht vergessen.)

Als Kadu sein Bett, seine Kleider, seine Wäsche, die er nun behielt, zu einem Bündel zu schnüren sich beschäftigte, sonderte er seine Winterkleider sorgfältig ab und brachte dieselben dem Matrosen, der ihm gedient hatte, als ein Geschenk dar, welches jedoch dieser sich weigerte anzunehmen.

Die Sonne war bereits untergegangen, als Kadu mit seinem Reichthume ans Land übergebracht wurde. Die Zeit erlaubte nicht, ihm irgend ein geschriebenes Zeugniß auszufertigen und zu hinterlassen. Nur eine Inschrift auf einer Kupferplatte, an einen Cocosbaum auf Otdia geschlagen, enthält den Namen des Schiffs und das Datum.

Kadu wurde vor den versammelten Einwohnern von Otdia als unser Mann eingesetzt, dem unsere Thiere, unsere Pflanzungen anbefohlen, und der außerdem mit unsern Geschenken an Lamari beauftragt sei. Verheißen ward, daß wir, die wir bereits dreimal auf Radack gekommen, nach einer Zeit zurückkehren würden, nach ihm zu sehen und Rechenschaft zu begehren. Zur Bekräftigung dieser Verheißung und zum Zeichen unsrer Macht (wir hatten bis dahin nur Zeichen unsrer Milde und Freundschaft gegeben) wurden, als wir bei dunkler Nacht an das Schiff zurückgekehrt, zwei Kanonenschüsse und eine Rakete abgefeuert.

Als wir am andern Morgen die Anker lichteten, war unser Freund und Gefährte am Ufer mit den Thieren beschäftigt, und er blickte oft nach uns herüber.

 

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*) Als von der Insel St. George ans Schiff zurückgekehrt wir uns von den Seelöwen unterhielten, deren Gang und Stimme mit launigem Geschick nachzuahmen Kadu sich und uns ergötzte, ward er mit anscheinlichem Ernste gefragt, ob er auch deren Nester und Eier unter dem Felsen am Strande in Augenschein genommen? Wie unbewandert er auch in der Naturgeschichte der Säugethiere war, befremdete ihn doch diese Frage, deren Scherz er gleich entdeckte und herzlich belachte. 

**) Kadu hatte sich leicht mit den O-Waihiern verständigen gelernt, und er machte uns selbst auf die Aehnlichkeit verschiedener Wörter in ihrer Sprache, und in den Sprachen der Inseln der ersten Provinz aufmerksam. 

***) πολύκμητός τε σίδηρος   (Hom., Ilias, 10. v. 379.)