BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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hinab, durch die durchbrochenen Bogenfenster in die Tie­fe. Die Nähe des Himmels gefiel mir, aber der Schwindel zog zur Erde.

Auch das Grabmal des Marschall von Sachsen besuch­ten wir. Du hast es ja auch gesehen und Dich daran ergötzt. – Abends gingen Fräulein de G… und ich ins Theater. Man gab ein Vandeville, schrie und lachte und stürzte sich in's Wasser. Dieß das geistvolle Sujet. Doch weniger über die Oper, als über das Publikum, was sich so recht wohl dabei fühlte, mußte ich mich wundern. Wer mag doch an solchen Dingen sich belustigen? Ist der nicht selbst ein jämmerliches Drama und ein Spiel des Spiels?

Gestern suchte ich nach meinem Paß, den ich an der Douane vorgezeigt. Was fand ich visirt, lieber Vater? Mein Zahnpulverrezept was ich in der Eile hingegeben hatte.

Adieu! Könnte ich doch ohne Ende mit Dir plaudern! Nun aber sende ich Dir Küsse so viel Du willst und allen meinen Lieben das Herzlichste!

 

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II.

 

Paris, am 28. November.

 

Vor wenigen Stunden erhalte ich Deine freundlichen Zeilen und eingedenk Deines Rathes, meine Briefe in Form eines Tagebuchs einzurichten, sitze ich schon heute, Dir zu schreiben. Ist es mir  doch  ein  wahres  Bedürfnis,  in  die­sem wilden  Ocean  meine  Sinne  zu  ordnen  und  meinen

 

 

Geist in sich abzuschließen. Die verschiedensten Gedanken und Bilder gehen ab und zu – wer kann da fertig werden? Uebrigens verließ mich, Gott sey Dank! noch keinen Augenblick die nöthige Ruhe und Besonnenheit. Lebhaft erinnere ich mich dessen, was Du, lieber Vater! mir Von Paris erzählt, und finde, daß Copie und Original sich zum Sprechen ähnlich sind. Du solltest mich aber auch sehen, mit meiner philosophischen Miene, wenn ich eben seinen Gegenstand meiner Betrachtung würdige! Jede Kleinigkeit scheint mir interessant; die Limonadiers wie die rußigen Köhler: die crieurs und Orgelspieler wie die dürren Marquis mit steifem Zopf, aus dem Siecle Louis XIV.; ja sogar das Federvieh und Pferde, Ochsen und.Esel betrachte ich nachdenklich und spreche: auch das sind Franzosen!

Von Straßburg reisten wir mit der Mallepost, (deren Conducteure einst Courrier meines verehrten Napoleon gewesen,) nach Metz. Dort bewunderte ich die schönen Glasmalereien der Kirche Notre Dame, so wie die Festungswerke. In Châlon verließen wir unsren bisherigen Wagen, und langten mit der gewöhnlichen Diligence in unsrem Bestimnnmgsorte Paris an. Ach! lieber Vater! wie war mir's doch zu Muthe ! Noch fühl' ich den unbehaglichen Eindruck, als in dem großen Hofe, wo man eben acht Eilwagen, (jeder zu 25-Personen,) ausleerte, auch ich aus dem meinigen wie ein Würmchen kroch, und mich nun gleich in dem größten Tumulte befand. Da und dort stürzten Kellner auf mich los; der Eine schrie: «N'avez vous rien  à  porter  Madame?» der  Andere:  «donnez-vous  la  peine  d'entrer  dans  mon  hôtel,  deux pas d'ici;» der Dritte

 

 

 

Die unter Napoleon I. eingeführte Mallepost verband Paris mit den französischen Grenz­städten. Sie konnte nur wenige Fahrgäste aufnehmen und war deshalb relativ teuer.

 

Die vierspännige Diligence dagegen war preiswerter, weil sie bis zu 25 Fahrgäste befördern konnte. Sie war geschlossen, so daß sie auch bei Regen und Schnee Schutz bot.