BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Schaum meine Füße bedeckte. Aber was hätte ich nicht gleich Alles um des Meeres willen erduldet! Das prosaische Fieber war ja längst vergessen, und nun war ich fröhlicher als ein Kind. Emsig las ich mit Emily die bunten Steinchen auf, als wären es Diamanten. Am Montag machten wir eine Spazierfahrt in die Umgegend. Auf dem hoben Felsen der Festung umschloß ich mit einem Blick das liebe Meer, die Küste und Dover.

 

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Nur abgebrochen kann ich dir schreiben, lieber Vater, da meine Berufspflicht den größten Theil des Tages in Anspruch nimmt. Gestern verlies ich Dich in Dover, und heute muß ich Dich bitten, mich nach London zu begleiten. Von der liebenswürdigen alten Dame trennte ich mich ungern. Das Alter ist mir stets ehrwürdig, besonders wenn Herz und Geist noch Frische des Lebens athmen. Mittwoch reisten wir ab und kamen durch Rochester und mehrere Städte, wobei ich im Vorbeifahren oft mit Sehnsucht die schönen Kirchen begrüßte, ohne ihre Schätze besehen zu können. Abends, den 7. April langten wir in London an. Wir fuhren und fuhren durch endlose Vorstädte, und wenn ich fragte: dieß ist aber doch London? hieß es nur immer: wir sind noch in den Vorstädten: – unabsehbare Ebenen mit einem Dutzend Nürnbergs und noch nicht London?  Mein  Kopf  schwindelte.  Paris  kam  mir,  als  einer  Quasipariserin,  nur  wie  eine ziemlich große Stadt  vor,  und  die  Lebhaftigkeit  seiner  Straßen wie  Kinder­possen,  gegen die von  den  Vorstädten  Londons.  Welche

 

 

– Fluth von Fußgängern, Reitenden! Welches betäubende Gerassel der Postwagen, Equipagen! Man kann Paris denken, aber London? – Endlich hielt man an Barrieren – abermals Vorstädte. Dann geht es über die große Londoner Brücke über die Themse. Ich sehe links durch Wolken von Nebeln die Thürme der St. Paulskirche und andere – wir fahren durch endlose Straßen, die so breit sind, daß allein die Trottoires von beiden Seiten breite Ansbacher Karlsstraßen abgegeben hätten, und bei allem Gewühle, Gefahre, wie reinlich sind die Straßen! Das schien mir der einzige Vorzug vor Paris, denn was nützen mir wohl Paläste und schöne Straßen, wenn ein stinkender Nebel und eine finstere Luft dergestalt meine Seele in Melancholie einhüllen, daß die Bewunderung gar nicht hindurch kann? Ja, die Sonne in England schielt. Da wußte ich erst, wie lieb mir Paris geworden war, und das harmlose, fröhliche Leben und Treiben auf den Boulevards! Hier schleichen die Meisten düster und lebenssatt an einem vorüber; jeder scheint in sich selbst versunken, an einem schweren Rechnungsexempel zu kauen. Doch ist dieß nicht zu voreilig? Es war dieß der erste Eindruck von London, den mir aber die lieben Menschen, die mich umgeben, schon lange vergessen gemacht haben. Gewiß werde ich mich noch mit England befreunden.

Fragt ihr mich, meine Lieben: aber was hast du denn Merkwürdiges in London (nach Pitt: the emperium of the world) gesehen? so antworte ich: endlose Straßen, prächtige Paläste, Squares (große Rasenplätze in der Mitte der  Stadt),  den  James-Palast,  der  einer  Frohnveste  frap-

 

 

 


 

Blick über die Themse

 

Der Tower von London