BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Magdalena von Dobeneck

1808 - 1891

 

Briefe und Tagebuchblätter

aus Frankreich, Irland und Italien

 

1843

 

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Berangers, der von Paris nichts davon brachte, als abgezehrte Wangen und im Herzen das Heimweh.

 

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Man frug mich neulich, ob ich denn Beranger persönlich kenne, da ich ihm doch meine französischen Lieder gewidmet? Nein! mußte ich antworten. Nie ist mir in den Sinn gekommen, ihn von Angesicht zu sehen, und nur deshalb, weil er ein berühmter Mann ist. Ich dränge mich nicht in den Chor derjenigen, die nach solchen geistreichen Raritäten begierig haschen und jener Sänger soll nicht von mir sagen: «wie er sich räuspert, wie er spuckt, das habt ihr ihm glücklich abgeguckt.» Lassen wir ihn seyn, was er ist, einen berühmten und deshalb zerplagten Mann, denn:

 

Gejagt von Rezensenten,

Umringt von Journalisten,

Die, wenn sie es nur könnten,

Das Leben ihm versüßten,

Muß endlich er verzichten

Incognito zu dichten.

O macht ihn nicht zum goldnen Kalb,

Zerdrückt mit Lob habt ihr ihn halb!

 

Wollen Sie Beranger nicht sprechen? fragte mich wieder der geniale zwölfjährige Friedrich B..., Neveu der Direktorin unsrer Pension, und mein lieber musikalischer Kunstrichter. Dürfte ich Sie begleiten? Nun denn! Es sey. Nach Passy angekommen, fanden wir ihn nicht zu Hause. Im Rückwege bestiegen wir einen Omnibus.

 

Da  saß  mir  gegenüber  ein  kleines,  bewegliches  Männchen,  mit  grauen  dünnen  Haaren,  großen  blauen  Augen.  Ich  sah  ihn  an,  er  mich.  Das  ist  er  und  kein  anderer,  dachte  ich,  indem  ich  diese  Züge  mit  einem  Portrait  des  Dichters  verglich,  das  mir  kürzlich  in  die  Hände  gekommen  war.  Nun  gesehen  hast  du  ihn!  Den  darauf  folgenden  Sonntag  sprach  und  sah  ich  ihn  aber  wirklich.  Wir  belachten  das  Abentheuer  im  Wagen,  denn  damals  mich  erblickend,  dachte  auch  er:  das  ist  sie!  Beranger  fragte  mich  vor  allem,  ob  ich  doch  keine  Preußin  sey?  –  sie  wären  hochfahrend  und  unleidlich.  Da  versicherte  ich  ihm  vergnügt,  daß  meine  Mutter  eine  Sächsin,  mein  Vater  in  der  freien  Stadt  Frankfurt,  ich  selbst  aber  in  München  geboren  sey,  also  kein  preußischer  Blutstropfen  an  mir  zu  finden.  Beranger  sagt  mit  Recht  von  sich:  mes  chansons  c'est  moi!  Seine  Stimme  ist  tönend  wie  seine  Verse,  anmuthig  sind  seine  Gespräche,  wie  ein  Schiffchen,  das  zwischen  lachenden  Ufern  dahin  treibt.  Dabei  ist  er  witzig  und  sagt  einem  mit  heitrer  Miene  hübsche  Wahrheiten.  Er  versicherte,  daß  der  Bäcker,  der  täglich  Brod  backe,  viel  nützlicher  sey,  als  er  durch  das  Dichten  seiner  Verse.  Er  tadelte  meine  Reiselust  und  meinte,  zur  Strafe  müsse  ich  einst  in  der  Ewigkeit  von  der  Hölle  in  den  Himmel,  vom  Himmel  in  die  Hölle  wandern  und  er  wolle  herzlich  dazu  applaudiren.  Mein  Vater,  sagte  ich  ihm,  habe  mehrere  seiner  Gedichte  übersetzt  und  somit  theilte  ich  ihm  auch  folgendes  mit:

 

 


 

Pierre-Jean de Beranger (Edouard Cibot 1853)