BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Adolf von Düring

1880

 

Die Canterbury-Erzählungen

 

Fragment I

 

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Der Prolog des Kochs.

Vers 4323 - 4362

 

Der Koch aus London lauschte voll Entzücken,

Als kratzte der Verwalter ihm den Rücken.

„Aha!“ – rief er – „bei Christi Kreuz und Wunden!

Der Müller hat es scharf herausgefunden,

Was schließlich werth ist alle Gastfreiheit.

Wohl sprach schon Salamo vor langer Zeit:

Jedwedem Herberg geben in der Nacht,

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Hat Manchen manchmal in Gefahr gebracht;

Und wohl ist es der Ueberlegung werth,

Wem man den Zutritt in sein Haus gewährt.

Doch schlage mich mit Sorgen Gottes Hand!

Hört' ich, seitdem ich Hodge von Ware genannt,

Von einem Müller, den man mehr geneckt,

Und der im Dunkeln besser zugedeckt!

Doch Gott verhüte, daß wir hiemit enden!

Seid Ihr geneigt, auch mir Gehör zu spenden,

Erzähl' ich Euch, obschon ein armer Mann,

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Jetzt einen Schwank, so gut ich weiß und kann,

Der einst in unsrer Stadt sich zugetragen.“

„Das sei gewährt!“ – begann der Wirth zu sagen –

„Erzähle, Roger! aber mach' es gut!

Bei Dir floß für Pasteten manches Blut,

Bei Dir stand zweimal kalt und zweimal heiß

Schon mancher Jack von Dover zum Verschleiß!

Ob Deiner Petersilie Dich verfluchte

Schon mancher Pilger; und, wer je versuchte

Von Deiner Stoppelgans, der fluchte schlimmer,

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Denn voller Fliegen war Dein Laden immer.

Ich bitte, edler Roger, komm' zur Sache,

Und sei nicht böse, wenn ich Späße mache;

Die Wahrheit ist in Scherz und Spiel erlaubt!“

„Ganz wahr!“ – sprach Roger – „doch bei meinem Haupt!

Auf vlämisch sagt man: Wahr Spiel, quade spel!

Drum, Harry Bailly, hoff' ich, meiner Seel'!

Daß von Dir selbst nicht übel aufgefaßt wird,

Sprech', eh' wir scheiden, ich von einem Gastwirth.

Ich zahl' es Dir, wenn nicht im Augenblick,

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Vor unsrer Trennung sicherlich zurück.“

Und dabei lustig lachend, hob er dann,

Wie nunmehr folgt, mit der Erzählung an.