BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte in zeitlicher Folge

 

1807

 

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In das Stammbuch der M. H.

Akrostichon mit aufgegebenen Endreimen.

 

Ist hell der Himmel, heiter alle Wellen,

Betritt der Schiffer wieder seine Wogen,

Vorüber Wald und Berge schnell geflogen,

Er muß, wohin die vollen Segel schwellen.

In Duft versinken bald all liebe Stellen,

Cypressen nur noch ragen aus den Wogen,

Herüber kommt manch süßer Laut geflogen,

Es trinkt das Meer der Klagen sanfte Quellen.

Nichts weilt. – Doch zaubern Treue und Verlangen,

Da muß sich blühnder alte Zeit erneuern,

Oeffnet die Ferne drauf die Wunderlichtung,

Ruht dein Bild drin, bekränzt in heil'ger Dichtung. -

Fern laß den Freund nach Ost und West nur steuern,

Frei scheint er wohl – du hältst ihn doch gefangen!

 

Entstanden 1807, Erstdruck 1837

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Wehmuth.

 

Ich kann wohl manchmal singen,

Als ob ich fröhlich sey,

Doch heimlich Thränen dringen,

Da wird das Herz mir frei.

 

So lassen Nachtigallen,

Spielt draußen Frühlingsluft,

Der Sehnsucht Lied erschallen

Aus ihres Käfigts Gruft.

 

Da lauschen alle Herzen,

Und alles ist erfreut,

Doch keiner fühlt die Schmerzen,

Im Lied das tiefe Leid.

 

hier: Fassung 1826 nur mit Teil 1. Entstanden 1807/12, Erstdruck 1815 (Teil 1 und 3) bzw. 1837 (Teil 2)