BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Joseph von Eichendorff

1788 - 1857

 

Gedichte in zeitlicher Folge

 

1810

 

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Frische Fahrt.

 

Laue Luft kommt blau geflossen,

Frühling, Frühling soll es seyn!

Waldwärts Hörnerklang geschossen,

Muth'ger Augen lichter Schein;

Und das Wirren bunt und bunter

Wird ein magisch wilder Fluß,

In die schöne Welt hinunter

Lockt dich dieses Stromes Gruß.

 

Und ich mag mich nicht bewahren!

Weit von Euch treibt mich der Wind,

Auf dem Strome will ich fahren,

Von dem Glanze seelig blind!

Tausend Stimmen lockend schlagen,

Hoch Aurora flammend weht,

Fahre zu! ich mag nicht fragen,

Wo die Fahrt zu Ende geht!

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Im Walde bei L.

[Abschied]

 

O Thäler weit, o Höhen,

O schöner grüner Wald,

Du meiner Lust und Wehen

Andächt'ger Aufenthalt!

Da draußen, stets betrogen,

Saußt die geschäft'ge Welt,

Schlag' noch einmal die Bogen

Um mich, du grünes Zelt!

 

Wenn es beginnt zu tagen,

Die Erde dampft und blinkt,

Die Vögel lustig schlagen,

Daß Dir Dein Herz erklingt:

Da mag vergehn, verwehen

Das trübe Erdenleid,

Da sollst Du auferstehen

In junger Herrlichkeit!

 

Da steht im Wald geschrieben,

Ein stilles, ernstes Wort

Von rechtem Thun und Lieben,

Und was des Menschen Hort.

Ich habe treu gelesen

Die Worte schlicht und wahr,

Und durch mein ganzes Wesen

Ward's unaussprechlich klar.

 

Bald werd' ich Dich verlassen,

Fremd in der Fremde geh'n,

Auf buntbewegten Gassen

Des Lebens Schauspiel sehn;

Und mitten in dem Leben

Wird Deines Ernst's Gewalt

Mich Einsamen erheben,

So wird mein Herz nicht alt.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Die Hochzeitsnacht.

 

Nachts durch die stille Runde

Rauschte des Rheines Lauf,

Ein Schifflein zog im Grunde,

Ein Ritter stand darauf.

 

Die Blicke irre schweifen

Von seines Schiffes Rand,

Ein blutigrother Streifen

Sich um das Haupt ihm wand.

 

Der sprach: „Da oben stehet

Ein Schlößlein über'm Rhein,

Die an dem Fenster stehet:

Das ist die Liebste mein.

 

Sie hat mir Treu' versprochen,

Bis ich gekommen sey,

Sie hat die Treu gebrochen,

Und alles ist vorbei.“

 

Viel Hochzeitleute drehen

Sich oben laut und bunt,

Sie bleibet einsam stehen,

Und lauschet in den Grund.

 

Und wie sie tanzen munter,

Und Schiff und Schiffer schwand,

Stieg sie vom Schloß herunter,

Bis sie im Garten stand.

 

Die Spielleut' musizirten,

Sie sann gar mancherlei,

Die Töne sie so rührten,

Als müßt' das Herz entzwei.

 

Da trat ihr Bräut'gam süße

Zu ihr aus stiller Nacht,

So freundlich er sie grüßte,

Daß ihr das Herze lacht.

 

Er sprach: „Was willst Du weinen,

Weil alle fröhlich sei'n?

Die Stern' so helle scheinen,

So lustig geht der Rhein.

 

Das Kränzlein in den Haaren

Steht Dir so wunderfein,

Wir wollen etwas fahren

Hinunter auf dem Rhein.“

 

Zum Kahn folgt' sie behende,

Setzt' sich ganz vorne hin,

Er setzt' sich an das Ende

Und ließ das Schifflein zieh'n.

 

Sie sprach: „Die Töne kommen

Verworren durch den Wind,

Die Fenster sind verglommen,

Wir fahren so geschwind.

 

Was sind das für so lange

Gebürge weit und breit?

Mir wird auf einmal bange

In dieser Einsamkeit!

 

Und fremde Leute stehen

Auf mancher Felsenwand,

Und stehen still und sehen

So schwindlig über'n Rand.“ –

 

Der Bräut'gam schien so traurig

Und sprach kein einzig Wort,

Schaut in die Wellen schaurig

Und rudert immerfort.

 

Sie sprach: „Schon seh' ich Streifen

So roth im Morgen steh'n,

Und Stimmen hör' ich schweifen,

Vom Ufer Hähne kräh'n.

 

Du siehst so still und wilde,

So bleich wird Dein Gesicht,

Mir graut vor Deinem Bilde –

Du bist mein Bräut'gam nicht!“ –

 

Da stand er auf – das Sausen

Hielt an in Fluth und Wald –

Es rührt mit Lust und Grausen

Das Herz ihr die Gestalt.

 

Und wie mit steinern'n Armen

Hob er sie auf voll Lust,

Drückt ihren schönen, warmen

Leib an die eis'ge Brust. –

 

Licht wurden Wald und Höhen,

Der Morgen schien blutroth,

Das Schifflein sah man gehen,

Die schöne Braut d'rin todt.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Der Tiroler Nachtwache.

 

In stiller Bucht, bei finst'rer Nacht,

Schläft tief die Welt im Grunde,

Die Berge rings steh'n auf der Wacht,

Der Himmel macht die Runde,

Geht um und um

Ums Land herum,

Mit seinen goldnen Schaaren

Die Frommen zu bewahren.

 

Kommt nur heran mit Eurer List,

Mit Leitern, Strick und Banden!

Der Herr doch noch viel stärker ist,

Macht Euren Witz zu Schanden.

Wie war't Ihr klug! –

Nun schwindelt Trug

Hinab vom Felsenrande –

Wie seid Ihr dumm! o Schande!

 

Gleichwie die Stämme in dem Wald,

Woll'n wir zusammen halten,

Ein' feste Burg, Trutz der Gewalt,

Verbleiben treu die alten.

Steig', Sonne, schön!

Wirf von den Höh'n

Nacht und die mit ihr kamen,

Hinab in Gottes Namen.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Das zerbrochene Ringlein.

 

In einem kühlen Grunde

Da geht ein Mühlenrad,

Mein' Liebste ist verschwunden,

Die dort gewohnet hat.

 

Sie hat mir Treu versprochen,

Gab mir ein'n Ring dabei,

Sie hat die Treu gebrochen,

Mein Ringlein sprang entzwei.

 

Ich möcht' als Spielmann reisen

Weit in die Welt hinaus,

Und singen meine Weisen,

Und gehn von Haus zu Haus.

 

Ich möcht' als Reiter fliegen

Wohl in die blut'ge Schlacht,

Um stille Feuer liegen

Im Feld bey dunkler Nacht.

 

Hör' ich das Mühlrad gehen:

Ich weiß nicht, was ich will –

Ich möcht' am liebsten sterben,

Da wär's auf einmal still!

 

Entstanden um 1810, Erstdruck 1813 unter dem Titel «Lied», hier Fassung von 1826

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Der armen Schönheit Lebenslauf.

 

Die arme Schönheit irrt auf Erden,

So lieblich Wetter draußen ist,

Möcht' gern recht viel gesehen werden,

Weil jeder sie so freundlich grüßt.

 

Und wer die arme Schönheit schauet,

Sich wie auf großes Glück besinnt,

Die Seele fühlt sich recht erbauet,

Wie wenn der Frühling neu beginnt.

 

Da sieht sie viele schöne Knaben,

Die reiten unten durch den Wind,

Möcht manchen gern im Arme haben,

Hüt' Dich, hüt' Dich, Du armes Kind!

 

Da zieh'n manch' redliche Gesellen,

Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus,

Wir fürchten Deine Augen helle,

Wir haben nichts zum Hochzeitsschmauß.

 

Von andern thut sie sich wegdrehen,

Weil keiner ihr so wohl gefällt,

Die müssen traurig weitergehen,

Und zögen gern an's End' der Welt.

 

Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen,

Ich wünscht', ich wäre lieber blind,

Da alle furchtsam von mir gehen,

Weil gar so schön mein' Augen sind. –

 

Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse,

In schöne Kleider putzt sie sich,

Die Fenster glüh'n, sie winkt vom Schlosse,

Die Sonne sinkt, das blendet Dich.

 

Die Augen, die so furchtsam waren,

Die haben jetzt so freien Lauf,

Fort ist das Kränzlein aus den Haaren,

Und hohe Federn steh'n darauf.

 

Das Kränzlein ist herausgerissen,

Ganz ohne Scheu sie mich anlacht;

Geh' Du vorbei: sie wird Dich grüßen,

Winkt dir zu einer schönen Nacht. –

 

Da sieht sie die Gesellen wieder,

Die fahren unten auf dem Fluß,

Es singen laut die lust'gen Brüder,

So furchtbar schallt des Einen Gruß:

 

„Was bist Du für'ne schöne Leiche!

So wüste ist mir meine Brust,

Wie bist Du nun so arm, Du Reiche,

Ich hab' an Dir nicht weiter Lust!“

 

Der Wilde hat ihr so gefallen,

Laut schrie sie auf bei seinem Gruß,

Vom Schloß möcht sie herunter fallen,

Und unten ruh'n im kühlen Fluß. –

 

Sie blieb nicht länger mehr da oben,

Weil alles anders worden war,

Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben,

Da ward's so kalt, doch himmlischklar.

 

Da legt sie ab die goldnen Spangen,

Den falschen Putz und Ziererei,

Aus dem verstockten Herzen drangen

Die alten Thränen wieder frei.

 

Kein Stern wollt nicht die Nacht erhellen,

Da mußte die Verliebte geh'n,

Wie rauscht der Fluß! die Hunde bellen,

Die Fenster fern erleuchtet steh'n.

 

Nun bist du frei von deinen Sünden,

Die Lieb' zog triumphirend ein,

Du wirst noch hohe Gnade finden,

Die Seele geht in Hafen ein. –

 

Der Liebste war ein Jäger worden,

Der Morgen schien so rosenroth,

Da blies er lustig auf dem Horne,

Blies immerfort in seiner Noth.

 

Entstanden 1810, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Angedenken.

[Sonett 3]

 

Wenn Zwei geschieden sind von Herz und Munde,

Da zieh'n Gedanken über Berg' und Schlüfte

Wie Tauben säuselnd durch die blauen Lüfte,

Und tragen hin und wieder süsse Kunde.

 

Ich schweif' umsonst, so weit der Erde Runde,

Und stieg' ich hoch auch über alle Klüfte:

Dein Haus ist höher noch als diese Lüfte,

Da reicht kein Laut hin, noch zurück zum Grunde.

 

Ja, seit Du todt – mit seinen blüh'nden Borden

Wich ringsumher das Leben mir zurücke,

Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden.

 

Doch ist Dein Bild zum Sterne mir geworden,

Der nach der Heimath weist mit stillem Blicke,

Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden.

 

Entstanden um 1810, hier Erstdruck von 1826 unter dem Titel «Angedenken»

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An die Entfernte.

 

Denk ich, du Stille, an Dein ruhig Walten,

An jenes letzten Abends rothe Kühle,

Wo ich die theu're Hand noch durfte halten:

Steh' ich oft sinnend stille im Gewühle,

Und, wie den Schweitzer heim'sche Alphornslieder

Auf fremden Bergen, fern den Freunden allen,

Oft unverhofft befallen,

Kommt tiefe Sehnsucht plötzlich auf mich nieder.

 

Ich hab' es oft in Deiner Brust gelesen:

Nie hast Du recht mich in mir selbst gefunden,

Fremd blieb, zu keck und treibend Dir mein Wesen,

Und so bin ich im Strome Dir verschwunden.

O nenn' drum nicht die schöne Jugendwilde,

Die mit dem Leben und mit seinen Schmerzen

Mag unbekümmert scherzen,

Weil sie die Brust reich fühlt und ernst und milde!

 

Getrennt ist längst schon uns'res Lebens Reise,

Es trieb' mein Herz durch licht' und dunkle Stunden.

Dem festern Blick erweitern sich die Kreise,

In Duft ist jenes erste Reich verschwunden –

Doch, wie die Pfade einsam sich verwildern,

Was ich seitdem, von Lust und Leid bezwungen,

Geliebt, geirrt, gesungen:

Ich knie' vor Dir in all' den tausend Bildern.

 

Entstanden 1810/12, hier Erstdruck von 1826

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In der Fremde.

 

Aus der Heimath hinter den Blitzen roth

Da kommen die Wolken her,

Aber Vater und Mutter sind lange todt,

Es kennt mich dort Keiner mehr.

Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,

Da ruhe ich auch, und über mir

Rauschet die schöne Waldeinsamkeit

Und Keiner mehr kennt mich auch hier.

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1832

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Zwielicht.

 

Dämmrung will die Flügel spreiten,

Schaurig rühren sich die Bäume,

Wolken ziehn wie schwere Träume –

Was will dieses Grau'n bedeuten?

 

Hast ein Reh du, lieb vor andern,

Laß es nicht alleine grasen,

Jäger ziehn im Wald' und blasen,

Stimmen hin und wieder wandern.

 

Hast du einen Freund hienieden,

Trau ihm nicht zu dieser Stunde,

Freundlich wohl mit Aug' und Munde,

Sinnt er Krieg im tück'schen Frieden.

 

Was heut müde gehet unter,

Hebt sich morgen neugeboren.

Manches bleibt in Nacht verloren –

Hüte dich, bleib' wach und munter!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815

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Nachhall.

[Laß das Trauern]

 

Laß', mein Herz, das bange Trauern

Um vergang'nes Erdenglück,

Ach, von diesen Felsenmauern

Schweifet nur umsonst der Blick!

 

Sind denn alle fortgegangen:

Jugend, Sang und Frühlingslust?

Lassen, scheidend, nur Verlangen

Einsam mir in meiner Brust?

 

Vöglein hoch in Lüften reisen,

Schiffe fahren auf der See,

Ihre Seegel, ihre Weisen

Mehren nur des Herzens Weh.

 

Ist vorbei das bunte Ziehen,

Lustig über Berg und Kluft,

Wenn die Bilder wechselnd fliehen,

Waldhorn immer weiter ruft?

 

Soll die Lieb' auf sonn'gen Matten

Nicht mehr bau'n ihr prächtig Zelt,

Uebergolden Wald und Schatten

Und die weite, schöne Welt? –

 

Laß' das Bangen, laß das Trauern,

Helle wieder nur den Blick!

Fern von dieser Felsen Mauern

Blüht Dir noch gar manches Glück!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Morgenlied.

 

Ein Stern still nach dem andern fällt

Tief in des Himmels Kluft,

Schon zucken Strahlen durch die Welt,

Ich wittre Morgenluft.

 

In Qualmen steigt und sinkt das Thal

Verödet noch vom Fest,

Liegt still der weite Freudensaal,

Und todt noch alle Gäst'.

 

Da hebt die Sonne aus dem Meer

Erathmend ihren Lauf:

Zur Erde geht, was feucht und schwer,

Was klar, zu ihr hinauf.

 

Hebt grüner Wälder Trieb und Macht

Neurauschend in die Luft,

Zieht hinten Städte, eitel Pracht,

Blau' Berge durch den Duft.

 

Spannt aus die grünen Tepp'che weich,

Von Strömen hell durchrankt,

Und schallend glänzt das frische Reich,

So weit das Auge langt.

 

Der Mensch nun aus der tiefen Welt

Der Träume tritt heraus,

Freut sich, daß alles noch so hält,

Daß noch das Spiel nicht aus.

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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An die Dichter.

 

Wo treues Wollen, redlich Streben

Und rechten Sinn der Rechte spürt,

Das muß die Seele ihm erheben,

Das hat mich jedesmal gerührt.

 

Das Reich des Glaubens ist geendet,

Zerstört die alte Herrlichkeit,

Die Schönheit weinend abgewendet,

So gnadenlos ist unsre Zeit.

 

O Einfalt, gut in frommen Herzen,

Du züchtig schöne Gottesbraut!

Dich schlugen sie mit frechen Scherzen,

Weil dir vor ihrer Klugheit graut.

 

Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben,

Wo man Dir Deine Wunder läßt,

Das treue Thun, das schöne Lieben,

Des Lebens fromm vergnüglich Fest?

 

Wo findest du den alten Garten,

Dein Spielzeug, wunderbares Kind,

Der Sterne heil'ge Redensarten,

Das Morgenroth, den frischen Wind?

 

Wie hat die Sonne schön geschienen!

Nun ist so alt und schwach die Zeit;

Wie steh'st so jung Du unter ihnen,

Wie wird mein Herz mir stark und weit!

 

Der Dichter kann nicht mit verarmen;

Wenn Alles um ihn her zerfällt,

Hebt ihn ein göttliches Erbarmen –

Der Dichter ist das Herz der Welt.

 

Den blöden Willen aller Wesen,

Im Irdischen des Herren Spur,

Soll er durch Liebeskraft erlösen,

Der schöne Liebling der Natur.

 

D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben,

Das kühn das Dunkelste benennt,

Den frommen Ernst im reichen Leben,

Die Freudigkeit, die Keiner kennt.

 

Da soll er singen frei auf Erden,

In Lust und Noth auf Gott vertrau'n,

Daß aller Herzen freier werden,

Erathmend in die Klänge schau'n.

 

Der Ehre sei er recht zum Horte,

Der Schande leucht' er ins Gesicht!

Viel Wunderkraft ist in dem Worte,

Das hell aus reinem Herzen bricht.

 

Vor Eitelkeit soll er vor Allen

Streng hüten sein unschuld'ges Herz,

Im Falschen nimmer sich gefallen,

Um eitel Witz und blanken Scherz.

 

Oh, laß't unedle Mühe fahren,

O klingelt, gleißt und schielet nicht

Mit Licht und Gnad', so ihr erfahren,

Zur Sünde macht ihr das Gedicht!

 

Den lieben Gott laß' in Dir walten,

Aus frischer Brust nur treulich sing'!

Was wahr in Dir, wird sich gestalten,

Das andre ist erbärmlich Ding. –

 

Den Morgen seh ich ferne scheinen,

Die Ströme zieh'n im grünen Grund,

Mir ist so wohl! – die's ehrlich meinen,

Die grüß' ich All' aus Herzensgrund!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Die Stille.

 

Es weiß und räth es doch Keiner,

Wie mir so wohl ist, so wohl!

Ach, wüßt' es nur Einer, nur Einer,

Kein Mensch es sonst wissen soll!

 

So still ist's nicht draußen im Schnee,

So stumm und verschwiegen sind

Die Sterne nicht in der Höhe,

Als meine Gedanken sind.

 

Ich wünscht', es wäre schon Morgen,

Da fliegen zwei Lerchen auf,

Die überfliegen einander,

Mein Herze folgt ihrem Lauf.

 

Ich wünscht', ich wäre ein Vöglein

Und zöge über das Meer,

Wohl über das Meer und weiter,

Bis daß ich im Himmel wär'!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Morgengruß.

[Das Mädchen.]

 

Stand ein Mädchen an dem Fenster,

Da es draußen Morgen war,

Kämmte sich die langen Haare,

Wusch sich ihre Aeuglein klar.

 

Sangen Vöglein aller Arten,

Sonnenschein spielt' vor dem Haus,

Draußen über'm schönen Garten

Flogen Wolken weit hinaus.

 

Und sie dehnt' sich in den Morgen

Als ob sie noch schläfrig sey,

Ach, sie war so voller Sorgen,

Flocht ihr Haar und sang dabei:

 

Wie ein Vöglein hell und reine,

Ziehet draußen muntre Lieb',

Lockt hinaus zum Sonnenscheine,

Ach wer da zu Hause blieb'!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Die Fröhliche.

[Die Kleine.]

 

Zwischen Bergen, liebe Mutter,

Weit den Wald entlang,

Reiten da drei junge Jäger

Auf drei Rößlein blank,

lieb Mutter,

Auf drei Rößlein blank.

 

Ihr könnt fröhlich seyn, lieb' Mutter

Wird es draußen still:

Kommt der Vater heim vom Walde,

Küßt Euch, wie er will,

lieb Mutter,

Küßt Euch, wie er will.

 

Und ich werfe mich im Bettchen

Nachts ohn' Unterlaß,

Kehr' mich links und kehr' mich rechts hin,

Nirgends hab' ich was,

lieb' Mutter,

Nirgends hab' ich was.

 

Bin ich eine Frau erst einmal,

In der Nacht dann still

Wend' ich mich nach allen Seiten,

Küß', so viel ich will,

lieb Mutter,

Küß', so viel ich will.

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Nachtbilder.

V.

[Nachtlied.]

 

Vergangen ist der lichte Tag,

Von ferne kommt der Glocken Schlag;

So reis't die Zeit die ganze Nacht,

Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht.

 

Wo ist nun hin die bunte Lust,

Des Freundes Trost und treue Brust,

Des Weibes süßer Augenschein?

Will keiner mit mir munter seyn?

 

Da's nun so stille auf der Welt,

Ziehn Wolken einsam übers Feld,

Und Feld und Baum besprechen sich –

O Menschenkind! was schauert dich?

 

Wie weit die falsche Welt auch sey,

Bleibt mir doch Einer nur getreu,

Der mit mir weint, der mit mir wacht,

Wenn ich nur recht an Ihn gedacht.

 

Frisch auf denn, liebe Nachtigall,

Du Wasserfall mit hellem Schall!

Gott loben wollen wir vereint,

Bis daß der lichte Morgen scheint!

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1815, hier Fassung von 1826

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Der Morgen.

 

Fliegt der erste Morgenstrahl

Durch das stille Nebelthal,

Rauscht erwachend Wald und Hügel:

Wer da fliegen kann, nimmt Flügel!

 

Und sein Hütlein in die Luft

Wirft der Mensch vor Lust und ruft:

Hat Gesang doch auch noch Schwingen,

Nun so will ich fröhlich singen!

 

Hinaus, o Mensch, weit in die Welt,

Bangt dir das Herz in krankem Muth;

Nichts ist so trüb in Nacht gestellt,

Der Morgen leicht macht's wieder gut.

 

Entstanden 1810/12, Erstdruck 1823 (1.-2. Strophe), 1815 (3. Strophe), 1841 (das ganze Gedicht)