BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Der Autor

 

Johann Gottlieb Fichte wird 1762 in Rammenau in der Oberlausitz als Sohn eines Bandwirkers geboren. Ein adliger Gönner ermöglicht ihm den Besuch der Fürstenschule in Schulpforta. Anschließend studiert er Theologie in Jena und Leipzig und besucht juristische Vorlesungen in Wittenberg. 1784 ist er gezwungen, sein Studium abzubrechen, da sein Förderer verstorben war. In den folgenden Jahren muß er sich seinen Lebensunterhalt als Hauslehrer verdienen. So 1788 in Zürich, wo er mit Pestalozzi bekannt wird und Marie Johanna Rahn - eine Nichte Klopstocks - kennenlernt, die er 1793 heiratet. Nach literarischen Versuchen wendet er sich der Philosophie Kants zu und besucht diesen 1791 in Königsberg. Kant vermittelt die Drucklegung von Fichtes Erstlingswerks «Versuch einer Kritik aller Offenbarung», und das Buch wird zu einem überwältigenden Erfolg. 1793, in seiner Schrift «Beitrag zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die französische Revolution» erscheinen Fichtes unsägliche antisemitischen Äußerungen, daß den Juden zwar ein Menschenrecht zu gewähren sei, nicht aber ein Bürgerrecht, da sie körperlich schlaff seien und die übrigen Bürger ökonomisch ausplünderten, «dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sei». Auch im Umgang mit seinen Freunden ist er nicht zimperlich und mit vielen überwirft er sich, so mit Goethe, Schelling und sogar Kant. Goethe notiert: «Daß doch einem sonst so vorzüglichen Menschen immer etwas fratzenhaftes in seinem Betragen ankleben muß». 1794 wird er als Professor für Philosophie nach Jena berufen. Im gleichen Jahr erscheint sein Hauptwerk, «Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre». In dieser Programmschrift des «Subjektiven Idealismus» überwindet Fichte die Kantische Lehre vom «Ding an sich» mit der Annahme, daß das Selbstbewußtsein die Welt setzt. «Das Ich setzt sich selbst», so der Grundsatz. Von Gott ist nicht mehr die Rede. Großen Einfluß gewinnen seine Gedanken bei der romantischen Bewegung, bei den Gebrüdern Schlegel, bei Novalis und Tieck. Doch auch die Gegner formieren sich, und es kommt zum Atheismusstreit: 1799 verliert Fichte seinen Lehrstuhl in Jena. Er geht nach Berlin. Hier veröffentlicht er im Jahre 1800 sein wirtschaftspolitisches Werk «Der geschlossene Handelsstaat», worin er ein nahezu sozialistisch anmutendes Staatswesen beschreibt. In Berlin hält er als Privatgelehrter Vorträge, so die «Reden an die deutsche Nation» während der Besetzung Berlins durch Napoleons Truppen. In dieser Zeit findet in seinem Denken eine Wende zum Religiösen und Mystischen statt. Das Ich wird durch das Absolute, durch Gott ersetzt, ein nur mystisch erfahrbares All-Leben. 1810 wird er als Professor an die neugegründete Berliner Universität berufen. Fichte stirbt 1814 an der Lazarettseuche, mit der ihn vermutlich seine bei der Pflege von Kriegsverletzten tätige Frau angesteckt hatte. Das Nachwirken von Fichtes Philosophie reicht von Max Stirner über Proudhon, Marx und Lassalle bis hin zu Max Weber und Jean-Paul Sartre.

 

 

«... Es entsteht ein endloser Krieg aller im handelnden Publicum gegen alle, als Krieg zwischen Käufern und Verkäufern; und dieser Krieg wird heftiger, ungerechter und in seinen Folgen gefährlicher, je mehr die Welt sich bevölkert, der Handelsstaat durch hinzukommende Acquisitionen sich vergrössert, die Production und die Künste steigen, und dadurch die in Umlauf kommende Waare an Menge und mit ihr das Bedürfniss aller sich vermehrt und vermannigfaltigt. Was bei der einfachen Lebensweise der Nationen ohne grosse Ungerechtigkeit und Bedrückung abging, verwandelt sich nach erhöhten Bedürfnissen in das schreiendste Unrecht, und in eine Quelle grossen Elendes. Der Käufer sucht dem Verkäufer die Waare abzudrücken; darum fordert er Freiheit des Handels ... Gelingt ihm dies, so verarmt der Arbeiter, und fleissige Familien verkommen im Mangel und Elende ... Kurz, keinem ist für die Fortdauer seines Zustandes bei der Fortdauer seiner Arbeit im mindesten die Gewähr geleistet; denn die Menschen wollen durchaus frei seyn, sich gegenseitig zu Grunde zu richten.» (Der geschlossene Handelsstaat, 2. Buch, 3. Kapitel)

 

 

Das Werk

 

Das Thal der Liebenden. Eine Novelle (1786/87)

Aphorismen über Religion und Deismus (1790)

Beweis der Unrechtmässigkeit des Büchernachdrucks (Aufsatz, 1791)

Zwei Predigten aus dem Jahre 1791

Predigt über Luc. 22,14.15 (1791)

Recension des Aenesidemus (1792)

Versuch einer Critik aller Offenbarung (1792)

Zurückforderung der Denkfreiheit (1793)

Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution (1793)

L. Creuzer, Skeptische Betrachtungen über die Freiheit des Willens (Recension, 1793)

F. H. Gebhard, Ueber die sittliche Güte (Recension, 1793)

Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1794)

Ueber den Begriff der Wissenschaftslehre (1794)

Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre (1794)

Ueber die Würde des Menschen (1794)

Ueber Geist und Buchstab in der Philosophie (Aufsatz, 1794)

Von der Sprachfähigkeit und dem Ursprünge der Sprache (Aufsatz, 1795)

Ueber Belebung und Erhöhung des reinen Interesse für Wahrheit (Aufsatz, 1795)

Grundriss des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre (1795)

Vergleichung des von Herrn Prof. Schmid aufgestellten Systems mit der Wissenschaftslehre (1795)

Grundlage des Naturrechts (1796)

I. Kant, Zum ewigen Frieden (Recension, 1796)

Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797)

Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre (1797)

Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre (1797)

Annalen des philosophischen Tons (1797)

Das System der Sittenlehre (1798)

Ascetik als Anhang zur Moral (1798)

Ueber den Grund unseres Glaubens an eine göttliche Weltregierung (1798)

Appellation an das Publicum (1799)

Gerichtliche Verantwortungsschriften gegen die Anklage des Atheismus (1799)

Rückerinnerungen, Antworten, Fragen (1799)

Zu «Jacobi an Fichte» (1799)

Sätze zur Erläuterung des Wesens der Thiere (1799/1800)

Bemerkungen bei der Lektüre von Schellings transscendentalem Idealismus (1800)

Aus einem Privatschreiben (1800)

Der geschlossene Handelsstaat (1800)

Recension von Bardili's Grundriss der ersten Logik (1800)

Die Bestimmung des Menschen (1800)

Darstellung der Wissenschaftslehre (1801)

Sonnenklarer Bericht (1801)

Fr. Nicolai's Leben und sonderbare Meinungen (1801)

Antwortsschreiben an Herrn Prof. Reinhold (1801)

Die Grundzüge des gegenwärtigen Zeitalters (1804)

Aphorismen über Erziehung (1804)

Die Wissenschaftslehre (1804)

Ueber das Wesen des Gelehrten (1805)

Plan zu einem periodischen schriftstellerischen Werke an einer deutschen Universität (1805)

Ideen für die innere Organisation der Universität Erlangen (1805/6)

Die Anweisung zum seligen Leben (1806)

Bericht über den Begriff der Wissenschaftslehre und die bisherigen Schicksale derselben (1806)

Aufsatz, als Einleitung zu einer projektierten philosophischen Zeitschrift (1806)

Bruchstücke aus einem unvollendeten politischen Werke vom Jahre 1806/07

Der Patriotismus und sein Gegentheil (1807)

Politische Fragmente (1807)

Deducirter Plan einer zu Berlin zu errichtenden höheren Lehranstalt (1807)

Reden an die deutsche Nation (1807/08)

Anhang zu den Reden an die deutsche Nation (1808)

Zu Herbarts «Hauptpunkte der Metaphysik» (1808)

Die Thatsachen des Bewusstseyns (1810)

Die Wissenschaftslehre in ihrem allgemeinen Umrisse (1810)

Ueber die einzig mögliche Störung der akademischen Freiheit (1811)

Rede als Decan der philosophischen Fakultät (1811)

Fünf Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten (1811)

Die Wissenschaftslehre (1812)

Das System der Rechtslehre (1812)

Das System der Sittenlehre (1812)

Ueber das Verhältnis der Logik zur Philosophie oder transscendentale Logik (1812)

Die Thatsachen des Bewußtseins (1813)

Die Wissenschaftslehre (1813)

Tagebuch über den animalischen Magnetismus (1813)

Aus dem Entwurfe zu einer politischen Schrift im Frühlinge 1813

Die Staatslehre (1813)

Excurse zur Staatslehre

I. Ueber Errichtung des Vernunftreiches

II. Ueber Zufall, Loos, Wunder u.s.w.

III. Ueber Ehe, den Gegensatz von altem und neuem Staat und Religion u.s.w.

Rede an seine Zuhörer (1813)

Einleitungsvorlesungen in die Wissenschaftslehre (1813)

Politische Fragmente (1813)

Anwendung der Beredsamkeit für den gegenwärtigen Krieg

Reden an die deutschen Krieger

In Beziehung auf den Namenlosen (Napoleon)

I. Episode über unser Zeitalter

II. Die Republik der Deutschen

Zur Darstellung von Schellings Identitätssysteme (o.J.)

Ueber Macchiavelli

Kleinere Gedichte

Sonnette

Uebersetzungen aus dem Portugiesischen, Spanischen und Italiänischen

Briefe

 

 

Sekundäres

 

Johann Gottlieb Fichtes Werke (Zenodot Verlagsgesellschaft mbH)

Internationale Johann-Gottlieb-Fichte-Gesellschaft

Fichte-Biographie

Fichte-Bibliographie

Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (Verlag Frommann-Holzboog)

Johann Gottlieb Fichtes sämmtliche Werke, hrsg. von I. H. Fichte, 11 Bde. 1834-46 (Gallica/BNF)

Quellen, Kolophon