BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Kaspar Hauser

1812 - 1833

 

Texte von Kaspar Hauser

 

Brief an Magdalena von Schultes

1833

 

Quelle:

Bayerische Staatsbibliothek

BSB-Hss Autogr.Cim. Hauser, Kaspar.2

Faksimile: BSB Digitale Sammlungen

Digitale Version:

Gernot Fligge, Hamburg

 

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Brief Kaspar Hausers an Magdalena Schultes, geborene Freiin von Ickstadt, die in Ansbach bei ihrer Schwester wohnte und in deren Haus Kaspar Hauser öfters zu Besuch war. Bei dem erwähnten Pflegevater handelt es sich um den Grafen Stanhope. Er hatte im Januar 1832 Ansbach verlassen und sollte dort nie wieder erscheinen. Zwar kam er weiterhin für Kaspars Unterhalt auf, doch aus einer Umsiedlung nach England, die er ihm versprochen hatte, wurde nichts. Stanhope hatte hohe Geldsummen aufgewandt, um Hausers Herkunft zu klären. So finanzierte er zu diesem Zweck zwei Ungarnreisen, doch als diese ohne Ergebnis blieben, hatte Stanhope erste Zweifel an der Echtheit der Geschichte Hausers.

 

 

Hochwohlgeborne

Frau von Schultes

 

Mit wahrer Freude ergreife ich die Feder, um mich, da mir die gütige Erlaubnis dazu vergönnt ist, mit Ihnen in einigen Zeilen zu unterhalten, und zwar um so mehr, da sich mir eben die schöne Gelegenheit darbietet, Ihnen gegenwärtigen Brief durch Ihre Frau Schwester ganz sicher und schnell übersenden zu können. Ich hätte mir schon früher die Freiheit genommen an Sie zu schreiben, allein ich hatte zuvor noch einen von meinem Pflegevater abwarten um Ihnen auch davon Etwas mittheilen zu können. Er schreibt mir nämlich: daß ich noch diesen Winter hindurch hier verbleiben soll, besonders, da ich in einem Hause mich befinde, mit welchem sowohl er als ich ganz zufrieden ist, und bis zum nächsten Frühjahr will er alsdann kommen und mich zur Reise nach England abholen, worauf ich mich schon im Voraus freue. – – Zum besonderen Glücke rechne ich mir es an, in der verehrungswürdigsten Familie Ihrer Frau Schwester aufgenommen zu sein, ich bin fast täglich da zu treffen, und unterhalte mich außerordentlich gut, doch wird mir von Seit der Fräulein Lilla und der Frau von Wibekind, so manche Schachparthie abgenommen. Den beiden beiden Gesellschaftsbällen, welche vor Kurzem abgehalten wurden, habe ich in eigener Person beigewohnt, ich habe mich auf allen sehr gut unterhalten und alle Walzer getanz[t].

Alle Donnerstag genieße ich die große Ehre, der Tafel beiwohnen zu dürfen, und es gereicht mir dieses zum besonderen Vergnügen, weil mir dadurch der sichere und erfreuliche Beweis gegeben wird, daß ich in dem mit eingezogenem Familienkreise keinen Anlaß zu irgend einer Störung gebe, und daß ich daselbst gerne gesehen bin.

Sobald ich meine noch im laufender Woche vorhabender Reise nach Bamberg werde vollendet haben, werde ich mir die Ehre geben Ihnen hiervon eine kleine, in soweit es mir gelingen möchte, recht schöne Beschreibung zu übersenden. Für die vielen Grüße, welche Sie die Güte hatten, mir durch die beiden Fräuleins Lilla und Fanni, so wie den letzten durch Herrn Cadetten Saifenfeld zuzusenden, sage ich Ihnen hiemit meinen verbindlichsten Dank.

Euer hochwohlgeborenes Wohlergehen in diesem neuen Jahr ist mein herzlichster Glückwunsch, und eine meiner angelegentlichsten Sorgen.

Darin schließe ich auch mit ein, Ihre hochgehrteste Fräulein Tochter Mari, so auch das hochgehrteste Fräulein Karoline von Heppenstein, nebst recht vielen Empfehlungen.

Zudem ich mich Ihrem ferneren gütigen Wohlwollen ganz gehorsamst empfehle, daß auch in der Zukunft zu erhalten mein eifrigstes Bestreben sein wird, habe ich die Ehre mit den Gesinnungen der größten Hochachtung zu sein

 

Euer Hochwohlgeboren

 

ganz gehorsamster

Kaspar Hauser.

 

Ansbach den 8.ten Januar 1833