BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

I. Theil

 

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43.

Davids Sieg und Rückkehr nach Jerusalem.

 

Unterdessen hatte Absalom von dem Königsthron in Jerusalem Besitz genommen, und zog alsdann, der Verwegene, seinem Vater mit feindseliger Heeresmacht über den Jordan nach. In solche Verblendung läßt Gott die Ruchlosigkeit dahin gehen, daß sie ihre Strafe finde. David stellte sein tapferes und treues Heer gegen ihn zur Schlacht, und befahl noch den Hauptleuten: «Geht mir schonlich um mit Absalom dem Jünglinge,» der treue fromme Vater. – Er selbst blieb in der Stadt, und zog nicht mit ihnen hinaus. Das feindliche Heer verlor die Schlacht, es war in einem Wald, und erlitt eine schreckliche Niederlage. Absalom floh. Aber auf der Flucht blieb er mit seinen schönen langen Haaren unter einer Eiche hangen. Das Maulthier, auf welchem er ritt, lief unter ihm weg, daß er sich nicht mehr loswickeln konnte, und so schwebte er in schrecklicher Todesangst zwischen Himmel und Erde, bis Joab, der Feldhauptmann Davids, es erfuhr und herbei eilte. Ein Kriegsmann, den sein Gang an der Eiche vorbeigeführt hatte, kam und sagte dem Feldhauptmann an, was er im Wald gesehen habe. Der Feldhauptmann sprach: «Wenn du das gesehen hast, warum hast du ihn nicht darnieder geschlagen, so wollt ich dir geben zehn Silberstücke und einen Gürtel.» Aber der fromme und kluge Kriegsmann erwiederte ihm: Wenn du mir tausend Silberstücke auf die Hand gewogen hättest, so wollte ich dennoch meine Hand nicht an des Königs Sohn gelegt haben, denn ich habe wohl gehört, sagte er, daß der König sprach: «Hütet euch, daß nicht Jemand dem Knaben Absalom Leid thue.» Aber Joab sprach: «Ich kann mich nicht bei dir aufhalten.» Er nahm drei Spieße und stieß sie dem Absalom durch das Herz, als er noch lebte an der Eiche. Also ward auch das vergolten.

Wer Vater verstört und Mutter verjagt, der ist ein schändliches und verfluchtes Kind.

Ehre Vater und Mutter, daß es dir wohl gehe.

Dem guten König aber verursachte die Siegesbotschaft anfangs keine große Freude, weil sein Sohn getödtet war. Nein, er rief unaufhörlich: «O! Mein Sohn Absalom, wollte Gott, ich könnte für dich sterben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!»

So sehr liebte der König seinen Sohn, auch noch nach seiner Unthat und nach seinem Tode. Das hat Gott in die Herzen der Eltern gegeben, daß sie also ihre Kinder lieben und ihren Undank vergessen können.

Nie will ich solche Liebe betrüben.

Als aber die Botschaft von dem Sieg des Davids zurück über den Jordan kam, da ward wieder auf einmal alles anders. Zuerst kamen mit großer Freude die Männer von Juda, die Stammesgenossen des Davids, daß sie ihren König begrüßten und wieder nach Jerusalem auf seinen Thron zurückführten. Es kam der heillose Simei voll Angst und Verzweiflung und warf sich vor dem König nieder, daß er ihm seinen Unverstand verzeihen wolle. Also wendete sich das Blättchen. Vorgethan und Nachbedacht, hat manchen in groß Leid gebracht.

Aber David ließ ihm Gnade wiederfahren. Er sprach zu Simei: «Es soll dir kein Leid geschehen.» Es kam auch wieder Barsillai der getreue, daß er seinem Könige Glück wünschte zu dem Sieg. David wollte ihn mit sich nehmen nach Jerusalem, daß er ihm Gutes thäte zum Dank für seine Treue. Aber Barsillai bat sich keinen andern Dank aus, als den König zu begleiten bis an den Jordan. Er sey ein achtzigjähriger Mann, der nicht mehr schmecken könne, was er esse, und nicht mehr höre, was die Sänger und Sängerinnen singen. Er wünsche zu sterben in seiner Stadt und bei seines Vaters und bei seiner Mutter Grab. Doch empfahl er der Gnade des Königs seinen Sohn.

Da küßte der König zum Abschied den ehrlichen alten Mann, der seine Liebe und Treue auf eine solche Art be währt hatte. Ei freilich, die wahre Liebe zu Gott und Menschen ist selbst ihr eigener Lohn und begehrt keinen andern. David nahm den Sohn des Barsillai mit sich, daß er ihm Gutes thäte, und an dem Sohn die Treue des Vaters belohnte.

Hierauf kehrte David unter freudigen Begleitungen nach Jerusalem auf seinen Thron zurück, und erreichte noch ein hohes Alter. Er war einer der mächtigsten und berühmtesten Könige seiner Zeit. Israel war nie mächtiger, als unter seiner Regierung. Als er aber alt und schwach war worden, übergab er die Regierung seinem Sohne Salomon, und starb, und ward begraben in der Burg Zion.