BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

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17.

Die Bergpredigt.

 

Als einst viel Volk bei Jesu versammelt war, gieng er mit seinen Jüngern auf einen Berg und lehrte das Volk, und gab ihm Ermahnungen zur Gottseligkeit.

Folgendes sind einige Sprüche zur Gottseligkeit aus der Rede Jesu, Lehren des Himmelreichs, lebendiges Wasser, das in das ewige Leben quillt:

Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen.

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Ich sage euch, daß ihr nicht schwören sollt.

Eure Rede sey Ja, Ja, Nein, Nein; was darüber ist, das ist vom Uebel.

Liebet eure Feinde; segnet die euch fluchen; thut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seyd eures Vaters im Himmel. Denn er läßt seine Sonne aufgehen über Böse und über Gute, und läßt regnen über Gerechte und Ungerechte, Darum sollt ihr vollkommen seyn, gleichwie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Wenn du Almosen gibst: so laß deine linke Hand nicht wissen, was deine rechte thut.

Wenn du betest, so gehe in dein Kämmerlein, und schließe die Thüre zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen, und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dirs vergelten öffentlich. Wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern, wie die Heiden, denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen. – Darum sollt ihr auch ihnen nicht gleichen. Euer Vater weiß, was ihr bedürfet, ehe denn ihr ihn bittet.

So ihr den Menschen ihre Fehler vergebet, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wo ihr aber den Menschen ihre Fehler nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehler auch nicht vergeben.

Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen, und da die Diebe nachgraben und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, da sie weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht nachgraben, noch stehlen. Denn wo euer Schatz ist, da ist euer Herz.

Sehet die Vögel unter dem Himmel an! Sie säen nicht, sie erndten nicht, sie sammeln nicht in die Scheuern, und euer himmlischer Vater nährt sie doch. Schauet die Blumen auf dem Felde, wie sie wachsen! Sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht, und doch ist Salomon in aller seiner Herrlichkeit nicht gekleidet gewesen, wie eine derselben. Wie viel mehr wird denn Gott für euch sorgen, ihr Kleingläubigen!

Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen.

Richtet nicht, auf daß ihr nicht gerichtet werdet. Denn mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden, und mit welcherlei Maas ihr messet, wird euch gemessen werden.

Bittet, so wird euch gegeben, suchet, so werdet ihr finden, klopfet an, so wird euch aufgethan. Denn wer da bittet, der empfähet, und wer da suchet, der findet, und wer da anklopfet, dem wird aufgethan.

Alles, was ihr wollet, daß euch die Leute thun sollen, das thut ihr ihnen auch. Das ist das Gesetz und die Propheten.

Es werden nicht Alle, die zu mir sagen: «Herr, Herr!» in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun meines Vaters im Himmel.

Jesus, der sein Geschlecht und sein Volk so sehr liebte, gab bei dieser Gelegenheit seinen Zeitgenossen auch noch andere Ermahnungen und Lehren der Klugheit, bei welchen man an die damaligen Umstände denken muß. Der Arme fand damals vor den Richterstühlen kein Recht und keinen Schutz. Ja, er setzte sich oft den größten Gefahren und Mißhandlungen aus, wenn er es nur wagte zu klagen, zumal gegen einen Heiden vor dem heidnischen Gericht. Jesus warnt davor seine Zuhörer: «So jemand mit dir richten will um deinen Rock so laß ihm auch den Mantel, oder wenn er dich nöthigen will, eine Meile weit mit ihm zu gehen, so gehe mit ihm zwei, oder wer dich schlägt auf den rechten Backen, dem biete auch den linken dar.» Das heißt: «Laß dir lieber alles Unrecht gefallen, ehe du vor den Richter gehst.» Aber nicht alles, was Jesus seinen Zeitgenossen sagt, gilt auch für alle Menschen und für alle Zeiten. Wiewohl Sanftmuth, Nachgiebigkeit mit Ehre und Klugheit ist in allen Zeiten zu empfehlen, und schon manchem, welchem die Streitsucht oder die Eigennützigkeit, oder die Rachbegierde nicht erlauben wollte, einmal ein Unrecht zu ertragen, hat sich dadurch in das größte Unglück gestürzt. Ein Körnlein Goldes ist in allem, was Jesus gesprochen hat, für den, der es suchen und erkennen mag.