BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

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54.

Erscheinung Jesu am galiläischen Meer.

 

Die Jünger waren auf kurze Zeit wieder in Galiläa. Petrus und einige von ihnen fischten auf dem See. Am Morgen stand Jesus an dem Ufer, und fragte: «Kinder, habt ihr nichts zu essen?» Er liebte sie, als wenn sie seine Kinder wären. Wen man herzlich und vertraulich liebt, den nennt man sein Kind. Die armen Jünger hatten nichts, womit sie ihren Herrn bewirthen konnten. Sie hatten die ganze Nacht hindurch nichts gefangen. Aber wo Jesus ist, da ist kein Mangel. Es war bald für ein Mahl gesorgt. Als sie das Mahl genossen hatten, schaute er unter andern vertraulichen Gesprächen den Jünger an, der ihn dreimal verläugnet hatte, und sprach zu ihm mit beweglichen Worten: «Simon, hast du mich lieber, als mich diese haben?» Denn vor der Gefangennehmung Jesu hatte Petrus gesagt: «wenn dich alle verlassen, so will ich dich nicht verlassen;» als wenn er eine größere Liebe zu Jesu hätte, als Johannes und die andern Jünger. Deswegen fragte er ihn: «Hast du mich lieber?» Er wollte ihn zur Erkenntniß seiner selbst, zur Demuth und zur Gerechtigkeit gegen die andern Jünger führen. Selbsterkenntniß führt zur Demuth und zur Gerechtigkeit. Petrus begehrte nicht mehr besser zu seyn, als die andern Jünger. Er antwortete demüthig und wahr, «Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe.» Jesus sprach zu ihm: «Weide meine Lämmer!» Zum zweitenmal fragte er ihn: «Hast du mich lieb?» Petrus gab ihm die nämliche Antwort. Jesus sprach zu ihm: «Weide meine Schafe.» Er fragte ihn zum drittenmal: «Hast du mich lieb?» Petrus gab ihm zum drittenmal die Antwort: «Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, daß ich dich lieb habe,» Jesus sprach abermal zu ihm: «Weide meine Lämmer.» Solche Gelegenheit gab er seinem Jünger, der ihn dreimal verläugnet hatte, daß er ihm dreimal seine Liebe bekennen konnte, und tröstete ihn. Gott gibt jedem guten Menschen, der aus Schwachheit gefehlt hat, Gelegenheit, seine Sünde zu erkennen, und nimmt das Bekenntniß seiner Treue und seiner Liebe mit Wohlgefallen an, und tröstet ihn.